Dampf ablassen
Der spanische KP-Chef Santiago Carillo beruhigte Direktoren deutscher Werke in Madrid, die sich ihm gegenüber über das Durcheinander bei spanischen Streiks und mangelnde Disziplin der Arbeiter beklagten: nach 40 Jahren Diktatur brauche es eine gewisse Zeit, bis das Verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitern sich wieder normalisiere.

Ein Mensch
Wie der Berliner Wissenschaftssenator GLOTZ ankündigte, wird er auch im Sommersemester seinen Diamonolog mit den Studenten fortsetzen. Nach seinem beifallsumjubelten Geständnis auf dem Sponti-Kongreß „Reise nach Tunix“, er sei auch nur ein Mensch, dem oft in seinen Amtsträumen die Lust nach TUNIX ankomme, aber man müsse sich ja schließlich zusammenreißen, will er auf solche befreienden Erfahrungen nicht mehr verzichten. „Kommunikative Hochschulpolitik“ heißt das Experiment, in dem Kommunikationswissenschaftler Glotz seine hochschulgesetzliche Beschneidung der studentischen Berufschancen mit dem Hinweis auf seine einmalige Existenz auch menschlich verständlich macht. „Auch der politische Gegner ist ein Mensch mit einer einmaligen unverwechselbaren Existenz, die man nicht einfach zerstören darf.“ Bei den undogmatischen Fachschaftsinitiativlern und TUNIX-Reisenden dürfte er damit leicht Gehör finden, so daß sie nach Beendigung des Experiments sicher nicht mehr der Verwechslung von Glotz mit Bommi Baumann unterliegen.

Gewissensfortschritt
Mit den Stimmen der 4 Abweichler der SPD-Fraktion sind die Anti-Terror-Gesetze gerettet und der Einspruch des Bundesrats, die Maßnahmen reichten nicht aus, zurückgewiesen worden. Nach eingehender Gewissensprüfung befanden die 4 Abgeordneten, „wer gegen dieses schlimme und gefährliche Gesetz ist, muß erst recht gegen einen so begründeten Einspruch sein.“ Gewissen ist eben immer noch, „in sich und aus sich selbst zu wissen, was Recht und Pflicht ist. Was Recht und Pflicht ist“ aber, „ist als das an und für sich Vernünftige wesentlich weder das besondere Eigentum eines Individuums noch in der Form von Empfindung, sondern wesentlich in der Form von Gesetzen“ (Hegel, Rechtsphilosophie § 137), so daß ein Gewissen unerläßlich ist, um sich auf die Seite der Macht zu schlagen. die die Gesetze gibt, und „erst recht“ für deren Begründung. Daß die Hegelsche Dialektik aus dem Gewissen auch noch die Heuchelei hervorzaubert, mag die logischer denkende heutige Menschheit unbekümmert lassen, stand doch der alte Hegel selbst noch staunend vor den Fortschritten, die die moderne Heuchelei zustandebringt: „Gibt das Selbstbewußtsein die Handlung nur für andere als gut aus, so ist diese Form die Heuchelei; vermag es aber die Tat für sich selbst als gut zu behaupten, so ist dies die noch höhere Spitze der sich als das Absolute wissenden Subjektivität“. (§ 140) Wer darauf nicht verzichten will, über andere Gesetze zu erlassen, wird noch immer sein Gewissen mit den von ihm diktierten Pflichten zur Versöhnung bringen können.

Für unbestimmte Zeit
Weil die NATO-Partner der USA gegen die Neutronenbombe als eine neue Erfindung zur Niederrüstung der Russen zwar nichts einzuwenden hatten, aber deswegen auch nicht ohne weiteres mit der Beherbergung dieses Geräts innerhalb ihrer Landesgrenzen einverstanden waren, weil sie die waffentechnologischen Erpressungsmanöver zwischen den Supermächten als Garantie friedlicher Geschäftsbedingungen durchaus schätzen, aber keinen Wert darauf legen, einfach als Lagerstätte benutzt und in die Schußlinie geschoben zu werden, was das gute Geschäft mit den Russen doch empfindlich stören könnte, weshalb auch die SPD anläßlich dieser Waffe wieder einmal ihren Humanitären bekam; weil überhaupt die EG-Staaten bei der Ausdehnung ihrer Geschäfte wenig Rücksicht gegenüber den gleichgearteten Interessen ihres Fnedensgaranten an den Tag legen, sah sich Jimmy Carter nicht nur dazu gezwungen, die amerikanischen Uranlieferungen an ein Ultimatum zu binden zwecks Zügelung der europäischen Verkaufspolitik, sondern auch zum Verzicht auf den Bau der Neutronenwaffe. „Für unbeirtimmte Zeit“ natürlich nur – eben solange, bis die lieben Verbündeten eingesehen haben, daß ihnen Sicherheit und Uranlieferungen näher zu liegen haben als Osthandel und atorntechnologische Entwicklungshilfe für Drittländer, es sei denn, sie haben ihrerseits ein paar Ultimaten auf Lager.

198
198. Starfighter abgestürzt. Pilot konnte sich per Schleudersitz (nicht) retten. Die Gattin (Witwe) ist dem Verein der Freunde und Förderer Mogadischus beigetreten.

Zwei Strophen zuviel
Heino überreichte Filbinger 1000 Schallplatten mit dem Deutschlandlied zur Verteilung an Baden-Württembergs Schulen. Soweit war gegen die Publicity für einen Volkssänger und einen Landesvater und das deutsche Liedgut nichts einzuwenden. Leider sang Heino zwei Strophen zuviel (ob der Manager das nicht gemerkt hat?), so daß Filbinger die Platten zurückgeben mußte, obgleich sie ihm sehr gefallen haben. Blieb nur die Publicity für den Künstler und die bittere Erkenntnis, daß die Grenzen unseres Landes so klein sind, daß ihm ganze Strophen zum Opfer fallen. Welchem einfachen Bürger spräche da nicht Tina Yorck aus der Seele: „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten.“

Reges Kirchenleben
Der Papst erinnerte in seiner Osteransprache daran, daß Glaube sich nicht mit (.„Eigen“)Interesse vocträgt. Kaum jemand, der ihm das nicht glaubt. Wir am allerwenigsten. Die praktische Moral der evangelischen Kirche wollte nicht zurückstehen. Der Rat der EKD sorgt sich um die Zahl der Schäfchen und ihre Sozialbeiträge. Wir brauchen wieder mehr junge Generationenverträgler, weswegen der Rat sich für eine umfassende „Neubesinnung über die menschliche Selbstverwirklichung“ ausspricht: „Wo die Karriere beider Eltern oder hoher Lebensgenuß in den Vordergrund treten – vor die Liebe zu Kindern und vor die Pflege des Familienlebens – untergraben die Menschen ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder.“ Dasselbe vertrat schon der Pfaffe Malthus – bloß mit umgekehrten Argumenten, weil zu seiner Zeit die Moralwächter sich um das „Übermaß“ an Bevölkerung Sorgen machten. Liebe ist eben seit jeher nicht nur ein Wort, sondern eine soziale Aufgabe, die leider niemand im rechten Sinn wahrnehmen möchte, obwohl sie doch laufend besungen wird.
In diesem Sinne in eines Herrn Länder: Wir wünschen allen eine gesegnete Staatsbürgerschaft.

Ursachenforschung
Jüngsten Meldungen zufolge hat die Medizin neben Rauchen, Trinken, Butterbergverteilen (bzw. Margarinefuttern) usw. auch den übermäßigen Genuß von verbrannten Spiegeleiern (und zwar nicht bloß aus Teflonpfannen) in den Rang einer Krebsursache erhoben. Nicht zu diesen Ursachen zählen weiterhin: alle 4 Jahre wählen gehen, einen Paß haben, täglich über die Akkordnormalleistung („die von ausreichend geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreicheichender Einarbeitung ohne Gesundheitsscliädigung auf Dauer erreicht und erwartet werden kann.“ Aus dem Manteltarifvertrag der Bayer. Metallindustrie) hinausschaffen, Beiträge zur Bevölkerungsvermehrung oder Wehrdienst leisten.
Zu dumm, daß der Mensch nicht für den Staat und Lohnarbeit allein leben will, sondern die Genußsucht krebsartig wuchert. Er schuftet sich doch deswegen nur krank und lebt auch noch daheim gesundheitswidrig.

MSZ 22/78

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Umweltschutzkompromiß erreicht
„In Ballungsgebieten sollen die Bestimmungen des neuen Umweltschutzgesetzes (Grenzwerte der Luftverschmutzung für den Schutz der Menschen, Tiere und Pflanzen) keine Geltung erlangen, weil sonst die wirtschaftliche Entwicklung stark beeinträchtigt würde. In einigen Regionen, meist Großstädten und Industriegebieten, wird somit darauf verzichtet, bestimmte Tiere und Pflanzen zu schützen.“ (SZ 13.5.)

Neues Grundsatzprogramm der CDU „soziales Wohlbefinden“ gestrichen!
Den Bedenken Professor Biedenkopfs gegenüber dem alten Programmentwurf, der versehentlich vor der „Freiheit“ „soziales Wohlbefinden“ als Grundwert postulierte, hat die CDU gottseidank Rechnung getragen. „Wäre es bei der Herstellung des »sozialen Wohlbefindens« geblieben, hätte die CDU den Schritt zum Staat als Sinngeber vollzogen“ (SZ 12.5.) und hätte dem Bürger durch „eine Tendenz falsch verstandener Bezuschussung“ die Möglichkeit abgeschnitten, sich in den Sinn einer Freiheit ohne Wohlbefinden zu schicken.

Richtigstellung
Die Behauptung der MSZ, daß es sich beim homeland Transkei um ein scheinsouveränes Gastarbeiterland der Südafrikanischen Republik (vgl. MSZ Nr. 15/1977 „Ausbeutung mit und ohne Negerstaaten“) handelt, hat Kaiser Matanzima durch die Kündigung des Nichtangriffspakts mit Südafrika nachdrücklich dementiert. Als Grund für den Bruch nannte er die Tatsache, daß Südafrika das Ausbildungsprogramm für Soldaten der Transkei annulliert habe. Um die Gastarbeiterschlafstätten zu überwachen, braucht die Transkei ja auch schließlich keine Armee und Matanzima kann den Angriff ohne ausgebildete Soldaten in Ruhe vorbereiten - die Kündigung war ohnedies bloß einseitig.

Vermögen in der Lotterie verspielt XXX XX XXX XXX XXX XXX XXX XXX XXX XX XXX XXX XXParis (dpa)
Eine 46 Jahre alte Hausfrau und Mutter von vier Kindern aus- der Nähe von Pontoise hat innerhalb von rund drei Jahren 156.000 Mark in der französischen Lotterie und beim Pferderennen verspielt. Sie muß sich jetzt vor Gericht verantworten, weil die Kassiererin der Finanzverwaltung das meiste Geld unterschlagen oder geborgt hatte, ohne es jemals zurückzahlen zu können.
Diese Frau kann keine höhere Schulbildung genossen haben, sonst hätte sie aus dem „se connaitre“ der französischen Klassik gelernt haben müssen, daß man um seinen Platz in der Gesellschaft nicht nur wissen, sondern auch danach handeln muß: ihr Platz in der Gesellschaft sagt klipp und klar, daß sie mit so viel Geld weder was anfangen, noch es jemals zurückzahlen, geschweige denn es vermehren kann. Dafür muß man zunächst mal aufhören zu arbeiten.

„Den Seinen gibt's der Herr nicht im Schlaf“
Unsere kurzlebige Zeit, in der das Atmen gerade noch stoßweise geht, verlangt nach „Oasen des Glaubens, des Atmens und des Aufatmens für Herz und Seele“. Wer darf bei solch löblichen Sehnsüchten sich selbst verleugnen. Doch niemand. Hier helfen jedem, der bereit ist. sein wahres Ich zu entdecken, die erleuchtenm den Pfingsworte des Münchner Kardinals Ratzinger.
Mit der Parole „Kampf gegen die geistige Umweltverschmutzung“, die billig zu haben ist, verschaffen auch Sie sich die notwendige moralische Einstellung, die Ihnen die Einbildung, die Erde sei ein Jammertal, austreibt.

Ein schöner Tod
Aldo Moro hatte keinen Grund, dem italienischen Staat die harte Linie so schwer zu machen, wußte er doch selbst, daß ihm sein Opfer für Italien leicht fallen konnte. „Moro hatte Krebs“ (Bild).

Gesundheitsökonomie
Auf dem Chirurgenkongreß 1978 erörtere der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie das gesundheitsökonomische Problem, ob der Aufwand beim Wiederannähen von abgetrennten menschlichen Gliedmaßen im rechten Verhältnis zum Nutzen stehe. Er wollte an diesem Exempel nur die Regel statuieren, daß die Sorge für den einzelnen der Allgemeinheit gegenüber zurückzustehen habe. Seine Kritiker stimmten ihm zu, indem sie darauf hinwiesen, daß nicht nur Proleten 6 Wochen nach der Replantation wieder voll arbeitsfähig waren, sondern sogar eine Konzertpianistin, deren abgetrennter Daumen durch eine Zehe ersetzt wurde, heute wieder munter – öffentlich! – Beethoven spielt.

MSZ 23/78

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Warum muß ein Minister zurücktreten?
Werner Maihofer von der F.D.P. ist keineswegs wegen der Wahlniederlagen seiner Partei in Hamburg und Niedersachsen zurückgetreten. Seinen Hut nahm er lediglich nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses. Auf diese Feststellung legen er und seine Partei grossen Wert. Werner Malhofer ist keineswegs zurückgetreten, weil der entführte Schleyer in einer der Polizei bekannten Wohnung festgehalten wurde. Dafür übernimmt er lediglich die politische Verantwortung und geht in seine Ministerpension plus Abgeordnetendiäten.
Werner Maihofer ist keineswegs zurückgetreten, weil er Traube abhören und seine Grenzschützer in der Lektüre ausreisender Bundesbürger rumschnüffeln ließ. Er hat alles dies nur inkompetent gemacht, „der Riese mit dem Hasenherzen“ (Spiegel), der vor lauter Liberalität „bis an die Dregger-Linie des totalen Staates robbte“.
Alles, was Werner Maihofer getan hat, war im Prinzip gut, nur hat er es ungeschickt getan. So wurde er zu einer tragischen Figur und einer Belastung für die Regierung, die seinen Staatssekretär mit der – hoffentlich geschickteren – Fortführung der Geschäfte, die er vorher im Auftrage Werner Maihofers ausführte, betraut hat.
Warum also muß ein Minister zurücktreten? „Der Freidemokrat ... ist als Minister an dem Zielkonflikt gescheitert, den Staat wirksam gegen den Terror zu schützen, ohne zugleich die Freiheitsrechte der Bürger empfindlich zu schmälern.“ Es muß jetzt also einer her, der empfindlicher ist, damit die Bürger die Maßnahmen des Staates gegen sie nicht mehr als solche empfinden.

Staatsdebatten - ja! Essen - nein!
Der argentinische Finanzminister, Dr. Juan Alemann, hat sich gegen die Ausrichtung der laufenden WM ausgesprochen: "Fußball-WM in Argentinien – ja. Fußball-WM um diesen Preis – nein.“ Er verbindet damit die Hoffnung, daß die Fußballbegeisterung, die keinen satt macht, mit dem Loch, das sie in die Staatskasse reißt, immerhin den Staat saniert: „Die 700 Millionen Dollar haben das Volk veranlaßt, zum ersten Male in der argentinischen Geschichte über Staatsfinanzen zu diskutieren. Es gab ein heftiges Für und Wider. Ich betrachte dies als Reifungsprozeß.“
oder: Staatsdebatten statt Essen
oder: Sich an Staatsdebatten sattessen

Jeder Vierte ein Sympathisant
In Italien wurde das Volk konsultiert. Auf Antrag der Radikalen Partei (vergleichbar mit den neuerdings auch bei uns in Mode gekommenen „Bunten Listen“) befand der Wähler über das Legge Reale, mit dem die Polizei zur „Bekämpfung des Terrorismus“ so gut wie alles legal machen darf (inklusive Schußwaffengebrauch bei Demonstrationen, „die gewalttätig zu werden“ drohen), sowie über ein Gesetz, das den Parteien ihren Wahlkampf auf Kosten der Wähler finanziert. Beide Gesetze wurden bestätigt. Dennoch sieht Albert Wucher in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 14. Juni 1978 darin kein Zeichen für die Stabilität der italienischen Demokratie. „Dafür spricht, daß ein Fünftel bis ein Viertel der Wahlberechtigten die Streichung (des Legge Reale) verlangte.“ Woraus Wucher folgert, daß jeder vierte Italiener ein Sympathisant ist („Das Hinterland des Terrorismus reicht offenbar tiefer, als man gerne glauben möchte.“) Und die 44 Prozent „Neinsager“ zum Parteienfinanzierungsgesetz „wollten dem Parteiensystem insgesamt einen Denkzettel verpassen.“ Also ist Italien noch weit entfernt vom „Modell Deutschland“, wo so prächtig funktioniert, was jenseits der Alpen im Argen liegt. „Die Demokratie lebt (nämlich) von der Überzeugung möglichst aller, daß sie, obwohl keine perfekte Ordnung, unentwegt vervollkommnet werden kann.“ Daran muß man „glauben“, denn „ohne diesen Glauben ... kommt es nicht zu innerer Stabilität, nicht zu wahrem Staatsbewußtsein, nicht zu politischem Frieden.“ Und deswegen ist es auf jeden Fall zu begrüßen, daß die Carabinieri weiterhin immer dann schießen dürfen, wenn Leute ohne „wahres Staatsbewußtsein“ den „politischen Frieden“ stören. Und dafür ist die Zustimmung von 75 % mehr als ausreichend.

Proletarischer Internationalismus
Das Baath-Regime in der Arabischen Republik Irak wird von der UdSSR und ihren Parteigängern als fortschrittliches gewürdigt und der Staatspräsident AI-Bakr als „großer Revolutionär“ gefeiert (so jüngst wieder in einer Broschüre des MSB Spartakus). Nun sind in der bürgerlichen Presse Spekulationen über einen bevorstehenden Bruch zwischen Moskau und Bagdad aufgetaucht. Daß es sich hier um sattsam bekannte Spaltungsmanöver des Imperialismus handelt, stellte der Generalsekretär der Nationalen Progressiven Front (Einheitsfront der irakischen Parteien unter Führung der Al-Baath), „Genosse“ Naim Haddad klar. Einer Reuter-Meldung zufolge „bestätigte er, daß in den letzten drei Jahren 21 kommunistische Parteimitglieder wegen Bildung geheimer Zellen gehängt worden seien. Er unterstrich jedoch, daß die Hinrichtungen nichts mit einem Bruch mit der SU zu tun hätten.“ Haddad wörtlich: „Was uns angeht, wird sich an unserer strategischen Allianz mit der Sowjetunion nichts ändern.“

Probleme des Antifaschismus
Der Marburger Antifaschist KÜHNL, unverständlicherweise von der MG wegen seines Verständnisses für die Probleme des faschistischen Staates angegriffen – so erscheint es KÜHNL als vollkommen irrationell, daß „der Transportraum, der dringend für Nachschub an die Ostfront benötigt worden wäre, für Judentransporte zur Verfügung gestellt“ („Formen bürgerlicher Herrschaft, Liberalismus – Faschismus“, S. 150) wurde –, hat von kompetenter Stelle aus Rückendeckung erhalten. Ein Adalbert RÜCKERL (Leiter der Ludwigsburger „Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“) bestätigt in seiner Dokumentation „NS-Vernichtungslager“ (dtv) Kühnls These dahingehend, daß sogar im Bereich der Massenvernichtung der Faschismus alles andere als rationell und ohne die ein ordentliches Staatswesen auszeichnende übersichtliche Verwaltung vorgegangen sei:
„Wer aus Tradition auf deutsche Gründlichkeit und Ordnung vertraut, den mag es heute verwundern, welches Durcheinander von Kompetenzen und – meist positiven – Kompetenzkonflikten, von Intrigen, Eifersüchteleien, Machtbesessenheit, Haß, Mißtrauen und schlichter Unfähigkeit hinter der seinerzeit so glänzenden Fassade von Partei und Staat zu finden war.“
Völlig aus der Luft gegriffen also die Behauptung der MG Marburg, daß jemand, der „beweisen will, daß das Handeln des faschistischen Staates mit keinem rationalen Kalkül zu vereinbaren ist, sich auch ganz die staatliche Rationalität zu eigen gemacht" hat. (FBZ der MG Marburg: Was der Antifaschist Kühnl alles vom Faschismus gelernt hat, S. 29)

MSZ 24/78

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Alfred
Dregger ist wieder nur zweiter Sieger geworden, wenngleich er auf den Zahlen rumreitet. Jedoch daß die CDU stärkste Partei in Hessen geblieben ist, macht die Chose nur noch ärgerlicher. Seine etwas bemühte Begeisterung in der Wahlnacht („Diese hessische CDU ist die beste, die Sie auf dem Markt kriegen können!“) vermag nicht den Fakt zu überspielen, daß er in Sachen Kanzlerkandidat zunächst einmal out ist und Helmut Kohl bis auf weiteres das Bild des gekränkten Tolpatsches abgeben darf, dessen wehleidige Klagen, der andere Helmut sei nicht nett zu ihm, die Kulisse darstellen für den Staatsmann Schmidt.

Warum hat es Dregger nicht geschafft, trotz der liberalen Tour, mit der er diesmal die alten Sprüche an den Mann zu bringen versuchte? Nun, auch hier gibt der Kanzler die Antwort: Im Modell Deutschland muß einer als Liberaler gelten und mit dem Flair des aufgeklärten Fortschrittmanns zuschlagen, wohingegen ein aufrechter Rechter zwar die Stimmen aller Stammtischfaschisten auch dann noch einsacken kann, wenn er plötzlich flötet, der Staat dürfe sich doch nicht über den Bürgerwillen mir nichts dir nichts hinwegsetzen, aber keinen einzigen Sozial»Liberalen reinzulegen imstande ist. Denen kam der „neue Dregger“ vor wie ein Alfred Tetzlaff, der zur Heilsarmee konvertiert ist und den nun alle verdächtigen, er ginge nur deshalb auf St. Pauli fromme Lieder singen, um das Eintrittsgeld für die Große Freiheit zu sparen.

Ausgefoltert?
Amnesty International hat beschlossen, medizinische Experimente, mit denen die Auswirkungen von Foltern ermittelt werden sollen, nicht mehr zu unterstützen. Amnesty will sich nicht mehr an medizinischen Experimenten beteiligen, in die Menschen oder Tiere einbezogen werden, obwohl dabei „niemandem Schaden zugefügt“ worden sei. (Süddeutsche Zeitung vom 27.9.1978) Dagegen hat das Beratergremium von a.i. Widerspruch eingelegt. Diese Folterexperten quält die Sorge, daß der „Erfolg des Kampfes von Amnesty gegen die Folter unter der Einstellung der Experimente leiden konnte.“
Also: Kein Grund zum Kampf ohne Folter!
Oder: Kampf gegen Foltern durch den Beweis, daß es wehtut!

Für legales Abmurksen untauglich
Die baden-württembergische Landesregierung will sich laut dpa im Bundesrat für ein Verbot der neu auf den Markt gekommenen sogenannten „Patrone ohne Vergangenheit“ einsetzen. Nach Mitteilung des Stuttgarter Staatsministeriums handelt es sich bei dieser Patrone um ein Geschoß, das vollständig von einem Kunststoffmantel umhüllt ist, so daß nach dem Abfeuern keinerlei Spuren im Lauf der Waffe zurückbleiben. Die Landesregierung „sehe für die Verwendung dieser Patrone keinen legalen Zweck“.

Kein Verfassungsschutz an bayerischen Schulen
1. gibt es bayerischen Schulen überhaupt keine Verlassungsschützer, 2. sind sie alle über 21, und 3. ist es nicht anders als in anderen Bundesländern auch.

Entschuldung
Der Nord-Süd-Dialog ist einen entscheidenden Schritt weitergekommen: die Bundesregierung will Drittweltländern einige Milliarden DM Schulden erlassen. Diese Entscheidung hat allerdings nichts mit der Einsicht zu schaffen, daß man einem nackten Mann nicht in die Tasche fassen kann, sondern genau umgekehrt. Die leeren Taschen gewisser Länder sind enorm brauchbar für eine westliche Industrienation mit zunehmenden außenpolitischen Aktivitäten. Zum einen haben die Milliarden ihre Schuldigkeit getan. Man hat die Ökonomie dieser Länder so weit an der Kandare, daß man allen Reichtum abtransportieren kann, weshalb die Taschen im übrigen auch leer sind und leer bleiben. Zum anderen aber kann eine solche Geste der Großzügigkeit mit Dankbarkeit rechnen und Fußtruppen in kritischen Regionen (so pflegt der Sudan beispielsweise gut nachbarschaftliche mäßigende Beziehungen zu Äthiopien) sind nie zu verachten. Wenn es also auch  dem Steuerzahler-Simplex schwer verständlich sein mag: ein Schulden-Erlaß kann auch eine sehr sichere Geldanlage sein.

Anstiftung zur Kapitalflucht
„Das Vermögen der italienischen Automobilfirma Ferrari ist auf Gerichtsbeschluß hin gesperrt worden. Damit soll die Zahlung eines Lösegeldes für den in der vergangenen Woche auf Sardinien entführten Ferrari-Ingenieur Giancarlo Bussi verhindert werden. Auch die Bankkonten der Familie Bussi wurden gesperrt.“ (Südd. Zeitung, 12.10.78)

Krankenkostendämpfungsförderung
„Um eine Ärzteschwemme und eine Verminderung der Qualität der ärztlichen Versorgung zu vermeiden,  sollen Studienbewerber künftig ausführlich über die sich (sic!) verschlechternden Berufschancen für Mediziner informiert werden.“ (Ehrenberg nach Südd. Z., 11.10. 78)

Geistige Auseinandersetzung
Scharf gegen jeden Wirtschaftsboykott hat sich eine BDI-Delegation in der Republik Südafrika ausgesprochen. Verständlich angesichts von 627 Mio. investierten DM in der RSA. Dankbar verweist der BDI-Sprecher auf ähnlich lautende Äußerungen des IG-Metall-Vorsitzenden Loderer, dem es allerdings um Arbeitsplätze ging, schwarze, weiße und farbige. Gleichzeitig läuft in der BRD eine steuerbegünstigte Spendensammlung für die „Demokratische Turnhallen-Allianz“, die aus Namibia ein unabhängiges homeland der RSA machen will. Und ebenfalls dieser Tage hat Außenminister Genscher vor der UNO-Vollversammlung die RSA samt ihrer Namibia-Politik scharf kritisiert. Wie man sieht, klappt wenigstens im Falle der RSA-Faschisten die geistige Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, die sich auf eine Kritik der Apartheid beschränkt, GSG 9 zuhause läßt und stattdessen Geld schickt. Das vermeidet Blutvergießen und schafft Arbeitsplätze und das brauchen schließlich die schwarzen Massen da unten ebenso notwendig wie ihre weißen Kollegen zuhause.

Geist der Utopie
„Der Staat", von dem der DDR-Dissident Robert Havemann in seinem neuen Buch schwärmt, „ist frei von jeder Staatsideologie und läßt alle Menschen völlige Freiheit in bezug auf das, was sie schön finden, woran sie glauben, woran sie nicht glauben.“ Die Menschen in ihm ..müssen die Freiheit haben, sich hinzubegeben, wohin sie wollen, den Ort zu wechseln, Reisen zu machen, den Arbeitsplatz, den Gegenstand ihres Interesses nach ihrem Geschmack und ihren Wünschen auszusuchen …“ Liest man diese „Gedanken einer überzeugenden kommunistischen Utopie“, so muß man fast glauben, der letzte Satz des Ankündigungsartikels im SPIEGEL Nr. 40/1978 beziehe sich nicht nur auf das Manuskript: „Die Utopie ist fast fertig – und schon im Westen“– von wo aus sie sich dem Osten als Ideal der Demokratie vorhalten läßt.

Geist von Camp David
Wie durchdringend der Friedenswille der drei von Camp David im Nahen Osten wirkt, zeigen nicht nur die Ereignisse im Libanon, sondern auch der bemerkenswerte innere Friede in Groß-Israel. „Angesichts der latenten Bedrohung Israels muß es als Erfolg bezeichnet werden, daß es in den vergangenen Jahren nur rund 300 zivile Todesopfer durch Terroranschläge gab.. Das ist nicht einmal die Hälfte der Zahl der jährlichen Verkehrsopfer.“ (Süddeutsche Zeitung, 6.10. 1978) Allerdings gibt es „keinen Mangel an Nachwuchs für die Terrorzellen in den besetzten Gebieten“, obwohl „ständig mehr als 3000 Palästinenser hinter Gittern sitzen.“ So hat Israel schließlich doch ein Problem mit dem Terrorismus: „Die ohnehin ständig überfüllten Gefängnisse werden nicht leer.“ Dieses Raumproblem führt in Israel „wieder einmal zu Diskussionen darüber, ob nicht die Todesstrafe von Zeit zu Zeit verhängt werden sollte.“ Angesichts der Entschlossenheit, den Geist von Camp David zu verwirklichen, wird man wohl nicht umhin kommen, die Todesstrafe nicht nur „gelegentlich auszusprechen“, sondern sie auch mal „gelegentlich“ zu „vollstrecken“. Abzuwarten bleibt, bis der Vorschlag diskutiert wird, die Siedlungen in den besetzten Gebieten zu Gefängnissen für die Palästinenser auszubauen und sie dort, im eigenem Land, unter UNO-Aufsicht wohnen zu lassen.

MSZ 25/78

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Astrid Lindgren
hat den diesjährigen Friedenspreis des buchhändlerischen Börsenvereins in der Frankfurter Paulskirche erhalten und sich dafür mit einigen Tips revanchiert, wie man den jüngsten der Staatsbürger ein „liebevolles Verhältnis“ zur Umwelt schon mit der Muttermilch beibiegt – ohne Rücksicht auf Verluste beider Seiten. Der angegrauten Pippi Langstrumpfs Rezept: „Vielleicht wäre es gut, wenn wir alle einen kleinen Stein auf das Küchenbord legten“, nicht als Erste Hilfe gegen das Eindringen der behördlichen Umwelt in die Privatsphäre, sondern „als Mahnung für uns und unsere Kinder: Niemals Gewalt!“ Besagtes Steinchen muß in der Kinderstube der Staatsmänner in der Regel gefehlt haben, denn: „Auch künftige Staatsmänner und Politiker werden zu Charakteren geformt, noch bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht haben – das ist erschreckend, aber es ist wahr.“ Klein-Menachem und Jung-Anwar hingegen müssen von ihren „Eltern besonders liebevoll behandelt worden sein, haben sie doch ein so „liebevolles Verhältnis zu ihrer Umwelt“ gewonnen, daß sie in Oslo einen Friedenspreis von noch höherem Prestige in Empfang nehmen dürfen, als es der Autorin aus Schweden vergönnt gewesen ist.

Don Santiago
Carillo, Generalsekretär der eurokommunistischen Partei Spaniens, hat auf einer Veranstaltung zugunsten der neuen Verfassung seines Landes die marxistische Klassentheorie ein Stück vorwärts gebracht. „Vor den rund 4.000 Kundgebungsteilnehmern in Granada äußerte der KP-Chef die Ansicht, Armee und Ordnungskräfte gehörten ebenso zur werktätigen Klasse wie Bauern und Arbeiter.“ („Süddeutsche Zeitung“ vom 14.11. 1978) Der Mehrwert, den sie produzieren, heißt Ruhe und Ordnung und davon kann es in der Demokratie gar nicht genug geben. Konsequent ist für Don Santiago der Klassenfeind die ETA, die nicht nur den Werktätigen den Schweiß abpreßt, sondern „gegenwärtig Hauptfeind Nummer eins (ganz) Spaniens“ ist. Da sich für Don Santiago die Baskenfrage in der Erkenntnis auflöst, „die Basken seien Spanier“, ist die verbreitete Sympathie für die ETA in Euzkadi erstens Klassenverrat und zweitens Hochverrat, weshalb Don Santiago das Wirken der Guardia Civil in Bilbao und San Sebastian als vornehmsten Ausdruck von sozialistischem Nationalismus würdigen und der Solidarität aller nationalen Sozialisten seiner PCE versichern kann.

Mitbestimmung
Wenn der DGB-Vorsitzende Heinz-Oskar Vetter in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht als „Sachverständiger“ für die Verfassungskonformität der Mitbestimmung mit dem Argument ficht, sie „sei im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung notwendig“, bietet der Streik in der Stahlindustrie Anschauungsmaterial über die Beschaffenheit des Interesses, das die Gewerkschaft an der Mitbestimmung haben muß: „Von Arbeitgeberseite ist zu erfahren, daß die vom Vertrauen der Gewerkschaften getragenen Arbeitsdirektoren in den Vorständen der mitbestimmten Stahlkonzerne … mit vier Mann ein Drittel im Vorstand des Arbeitgeberverbandes Eisen und Stahl (stellen), und haben als solche sowohl die 35-Stunden-Woche einhellig abgelehnt, wie sie das Scheitern der Verhandlungen in diesem Punkt gebilligt haben.“ Vetter hat also mehr als recht, wenn er meint, die Mitbestimmung rechtfertige keineswegs die „apokalyptische Vision“ der Beschwerdeführer. (Zitate aus „Süddeutsche Zeitung“ vom 29. November 1978)

Die Wahrheit über Hitler
Ein ehemaliger STERN-Kolumnist hat es mit 71 Jahren gerade noch geschafft, die letzen Wellen der Hitler-Woge auszunutzen und einen Bestseller vorzulegen, den er mit dem typischen Understatement seiner britischen Wahlheimat „Anmerkungen zu Hitler“ betitelte.
Leider plaudert der ohnehin etwas schmale Band bereits auf Seite 12 f. das einzig originelle Ergebnis aus, zu dem der „freie Publizist“ gelangt ist: „Es gibt viele Männer, mit denen Hitler, aus jeweils verschiedenen Gründen, einen Vergleich herausfordert, den er allerdings nicht aushält: Napoleon, Bismarck, Lenin und Mao.“ Warum Hitler im historischen Vergleich so schlecht abschneidet? Alle vier kannten die große Liebe … Das macht diese großen Männer menschlich; und ohne Menschlichkeit würde ihrer Größe etwas fehlen. Hitler fehlt es.“ Man darf gespannt sein, was Haffner demnächst über das Liebesleben von Jesus Christus „anmerken“ wird.

MAO tse-TENG?
Die Demolierung des verstorbenen Großen Steuermanns selbst als Gallionsfigur für Chinas Weg ins Jahr 2000 geht zügig voran und führt zu abenteuerlichen Verlaufsformen. Darunter fällt weniger das international kaum registrierte Ereignis, daß die KPD/ML Maos Kopf aus der Titelleiste ihres „Roten Morgen“ eliminiert hat und Stalin zunächst den Schluß der Ahnenreihe bilden mußte (demnächst vielleicht ergänzt durch Enver?), als die aus Peking kommende Meldung der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28.11., ausgerechnet der von Mao persönlich zweimal entlarvte und geschaßte Teng Hsiao-Ping habe sich schützend vor Maos Andenken gestellt, nachdem der Verstorbene auf Wandzeitungen bereits als fünftes Mitglied der Viererbande behandelt worden war. Ohne Mao – so Teng – sei das neue China undenkbar. „Die Gedanken Maos seien weiterhin die ideologische Richtschnur des Landes“, versicherte Teng und ließ seine Anhänger Dazibaos pinseln, auf denen die aktuelle Richtung der Schnur im Lichte der neuen Mao-Tse-TENG-Ideen angegeben wird: „Warum kann die Volkswirtschaft nicht mit der von der Tschiang-Kai-Schek-Clique kontrollierten auf Taiwan konkurrieren?“ Und: „Die USA sind erst 200 Jahre alt, aber sie haben sich weiter entwickelt, weil sie keine Götzen und keinen Aberglauben haben.“ Daß der alte Mao in seinen letzten Jahren nicht mehr geschnallt hat, daß der neue Volksglaube „die 4 Modernisierungen“ zu sein haben, darf ihm – so Teng – nicht angelastet werden: „er sei schwer krank gewesen“. Deutlicher spricht es eine Wandzeitung aus: „er sei im Alter verwirrt geworden“. Bei der künftigen Verwendung von Mao-Sprüchen wird also zu unterscheiden sein, ob es sich um Weisheiten oder um Ergüsse eines Verrückten gehandelt hat. Meister Teng wird den Nachlaß schon passend ordnen. (Bleibt nur zu hoffen, daß die Redaktionen der „Roten Fahne“ und der KVZ jeweils rechtzeitig Bescheid kriegen.)
Im übrigen bleibt „China stabil und einig“, hat Teng doch einem US-Kolumnisten anvertraut, „das Gute in Mao habe mehr als 70 % ausgemacht. Er selbst sei nur zu 60 % gut und zu 40 % schlecht.“ Woraus folgt, daß der neue Steuermann Mao tse-Teng ein 130 %iger Kämpfer ist und die paar neuentdeckten Miesen werden im Zweifelsfall hinter den Mauern des Mausoleums auf dem Tienanmenplatz zur Ruhe gebettet.

Lauschangriffe auf den Bazillus technicus
In seinem Buch „Müssen wir umschalten?“ ist das sensible Lauschopfer Klaus Traube ein weiteres Mal den hinterhältigen Gemeinheiten der technischen Entwicklung auf die Spur gekommen und hat ausgerechnet der Möglichkeit, durch technischen Fortschritt Arbeit und Rohstoffe zu sparen, entschieden den Kampf erklärt, weil er in ihr die Ursache aller Sauereien sehen will:
„Die Mikroelektronik, von der die Öffentlichkeit noch kaum etwas ahnt, wird weit stärker als etwa die Kernenergie unsere Lebensverhältnisse zunehmend beeinflussen und als Erreger von Arbeitslosigkeit und zunehmender Entfremdung eine soziale Seuche hervorrufen, die wegen geringen Energie- und Rohstoffverbrauchs nicht mit ökologischen Argumenten bekämpft werden kann.“

Fragen und Antworten
Bei der anstehenden Entscheidung, den ersten österreichischen schnellen Brüter per Parlamentsentscheid in Betrieb zu nehmen, erinnerte sich Regierungschef Bruno Kreisky daran, daß Demokratie ja Volksherrschaft heißt, und er bat die Österreicher zum Volksentscheid.
Seine Frage: „Megds’as a Reaktörl oda ned?“ entfachte im kleinen Land einen heftigen Wirbel. Kreisky ließ sich nicht lumpen und investierte seinen Rücktritt in den Entscheid, was aber nichts nützte, denn er und das Atom mußten eine empfindliche Niederlage hinnehmen.
Schwer angeschlagen nahm der Bundeskanzler die Schlappe auf seine Kappe und begann über die Folgen der Niederlage nachzudenken, und das gleich ziemlich deftig:
Zwar bleibt nach Zwentendorf für jeden Österreicher genügend Warme für gemütliche Winterabende, aber er muß sich schon ein paar Gedanken mehr machen, wie er mit persönlichem Engagement, z.B. durch bessere Wärmeisolierung oder dosierte Heizung die Wärme in Österreich hält.
Zwar wird der Strompreis nicht erhöht, aber ob sich die Regierung gegen die E-Gesellschafts-Chefs durchsetzen kann, die den Preis noch vor den Wahlen erhöhen wollen, ist fraglich. Zwar wird der Volksentscheid „maximal berücksichtigt“ und nicht (wie die Opposition im stillen hofft) mißachtet; aber die nächsten Parlamentswahlen im Oktober 79 werden von dem Atomzeugel freigehalten und die Österreicher sollen sich frei und geheim und ohne emotionalen Druck für die nächste Regierung entscheiden.
Zwar hat sich das österreichische Volk gegen die Kernkraft entschieden und die Regierung muß die Meinung des Volkes zur Kenntnis nehmen wegen besagter Macht, die vom Volke ausgeht; aber mit dieser Entscheidung hat sich das Volk mindestens 1,2 Milliarden D-Mark für die Kosten der Kernkraftwerksruine aufgebürdet (Kreisky mit breitem Lachen: „Politische Entscheidungen kosten hoit a Göid, sonst hots kan Sinn.“) und dummerweise hat das Volk mit seinem Nein zur Kernenergie auch gleich noch ein paar tausend mehr Arbeitslose produziert. Zwar hat sich das österreichische Volk in einem Volksentscheid gegen den Kanzler Kreisky entschieden, aber so ernst hat es das wohl doch nicht gemeint, vor allem, wo sich die Situation der Österreicher ohne Kreisky wesentlich verschlechtern würde.
Fazit:
Kreisky hat die Österreicher um ihre Meinung angefragt und bleibt ihnen keine Antwort schuldig. Die deutsche Presse auch nicht:
„Die Zeit“ macht aus Kreisky den lustig-listigen Zampano vom Ballhausplatz, der in gewagtem Dompteurakt Volk und Opposition und sogar die eigene Partei an der Nase herumführt, wenn er auch ein wenig ungeschickter geworden ist.
„Der Spiegel“ schimpft Kreisky einen elenden Feigling, weil er sich der Verantwortung entzieht, Staatsnotwendigkeiten gegen die Leute durchzusetzen, und ihnen (auch vor Wahlen) nicht klipp und klar sagt, was alles auf sie zukommt.
Die „Süddeutsche Zeitung“ bemängelt, daß Kreisky den „Volkssouverän“ mit dem Volksentscheid „überfordert“ habe weil letzterer sich die Antwort immer zu leicht mache und die Verantwortung für Wirtschaft und Staat (die er zweifellos hat) nicht vom bornierten Eigeninteresse derjenigen abhängig gemacht werden dürfe, die sie auszubaden haben. Und wie kurzsichtig das Volk, wenn man es fragt, zu entscheiden pflegt, sieht man schon daran, daß diese Alpentrottel es tatsächlich gewagt haben, Atomkraftwerke abzulehnen die bei uns schon überall in Betrieb sind.
Alle diese Vorwürfe tun Kreisky bitter unrecht, denn dem österreichischen Wähler bleiben keine unangenehmen Seiten eines florierenden Gemeinwesens (Rationalisierung, Arbeitslosigkeit, steigende Lebenskosten) erspart. Im Gegenteil: er hat sie dank Zwentendorf selbst zu verantworten und Kreisky kann mit dem Volksentscheid im Rücken bei den nächsten Wahlen und in der Öffentlichkeit leichter das tun, was ein Mann namens Schmidt auch ohne Volksentscheid tut: bei den Leuten mit der Kontinuität der Regierung für sich zu werben.
Das macht verständlich, daß Kreisky die Niederlage von Zwentendorf mit niemandem teilen will.

Verkehrssicherheit und Beweissicherung
Wer hätte das gedacht! Die Sicherheit im Verkehr ist nicht nur eine der positiven Seiten, die der Problemaufsatzschreiber dem Verkehr abzugewinnen hat, sie selbst hat ihre negativen Seiten. Das Anti-Blockier-System werde, so ein Vertreter der Robenzunft, zur Geißel von Verkehrsrichtern. Mit der lebensrettenden Erfindung beraube man sie eines der letzten objektiven Mittel der Beweissicherung in Form der Bremsspur und verweise sie damit immer mehr auf den subjektiven Lügenbeutel Mensch, der besonders in seiner Spezifikation als „Kronzeuge“ (Das ist einer, der sich nach dem Knall wichtig macht!) ungerechten Entscheidungen, die niemandem so sehr ein Dorn im Auge seien wie dem Autofahrer selbst, Tür und Tor öffne. Eine Lösung des Problems sei schließlich spätestens dann unumgänglich, wenn die wirtschaftliche Entwicklung dieses Mehr an Sicherheit nicht mehr nur auf teure BMW- und Mercedes-Modelle beschränke. Vorschlag der MSZ-Redaktion: ABS-System gerechtigkeitshalber verbieten und Lebensversicherungszwang einführen.

MSZ 26/78

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Ausländer
Schrieb die „Frankfurter Allgemeine“ anläßlich der Iran-Demonstration vom November, bei der es zu jenen Zwischenfällen kam, die als „Blutiger Samstag“ zumindest bundesdeutsche Pressegeschichte gemacht haben, den daran beteiligten Ausländern ins Stamm- oder besser gesagt Abschiebebuch „Hinaus mit ihnen“, so kontert die „Frankfurter Rundschau" am 29.12. vergangenen Jahres mit einem Kommentar des Titels „Stolz auf unsere Ausländer“. Kein Widerspruch, denn besagter Meinungskasten fand sich im Sportteil und bezog sich nicht auf irgendein Mitglied der CISNU, sondern auf den Balltreter des HSV Kevin Keegan. „Vor allem in der Person von Keegan sind so ziemlich sämtliche Tugenden verkörpert, die der deutsche Zuschauer für Nationaltugenden hält.“ Und der Kommentator Ludwig Dotzert läßt auch keine Zweifel darüber aufkommen, auf welche Ausländer ein Deutscher stolz sein darf: „Die Nation ist stolz auf ihre Ausländer, wenn auch nicht auf alle.“ Die keinen Anlaß zur wonnigen Selbstbespiegelung deutscher Tugenden bieten (wie hieß es doch auf der Demo: „Deutsche Bürger stört kein Mord, geht es um Öl und den Export!“) befinden sich auf dem Instanzenweg, wo sie deutschen Stolz auf die Freundschaft mit dem Schah nicht mehr stören können, so 8 Mitglieder der CISNU. Der aufgeschlossene Geist der deutschen Bürger bewährt sich so und so: hinaus mit denen, die den Kosmopolitismus des BRD-Kapitals stören, und Leute wie Keegan „gehören zu den Fällen, wo selbst uralte Ehrennadelträger die Vereinsbrille absetzen und ihre Furcht vor schleichender Überfremdung vorübergehend vergessen.“

Spenden mit Hand und Fuß
Während hierzulande eindeutig zu wenig Kinder in die Welt gesetzt werden – eine starke Nation braucht schließlich starken Nachwuchs –, sind die Äthiopier beim Vögeln auf umgekehrte Weise verantwortungslos: Sie haben hemmungslos gezeugt, ohne sich darum zu scheren, daß man sich in so einem Mickerstaat mit „ohnehin geringen Ernten“ (alle Zitate aus: „Süddeutsche Zeitung“ vom 14.12. 1978) und „knappen Transportkapazitäten“ nicht vermehren kann, wie man will, weil eben einfach nicht genug zum Fressen da ist. Und prompt haben die da unten, die Quittung für ihre Unvernunft bekommen: So „hat die Zunahme der Bevölkerung mehr und mehr dazu gezwungen, die Berghänge abzuholzen, um Platz für zusätzliche Felder zu gewinnen“, so daß den Äthiopiern der Boden buchstäblich unter den Füßen fortgewaschen worden ist“. Klar. Wo für zusätzliche Esser nichts da ist, ist man eben „gezwungen“, durch Abholzung die Agrikultur vollends zugrunde zu richten.
Logisch deswegen, daß „Fachleuten“ angesichts dieser „sich ohnehin anbahnenden Entwicklung“ „seit Jahren bekannt“ war, „daß über kurz oder lang eine Ernährungskatastrophe zu erwarten war“. Die schlauen „Fachleute“ haben in der Tat recht behalten: Die „Entwicklung“ hat „sich“ fortgesetzt und zur „Hungersnot“ geführt; zu allem „Unglück“ hat sie auch noch eine Getreideseuche mitgebracht, die beim Genuß von befallenem Getreide eine Krankheit entstehen läßt, „zu deren Bild Krämpfe und im Extremfall das Abfallen von Händen und Füßen gehören. In manchen Gegenden soll bis zur Hälfte der Bevölkerung davon betroffen“ sein und somit vor dem Problem stehen, „nicht mehr arbeitsfähig“ zu sein.
Damit die Bevölkerungsmisere nicht allzu drastisch dadurch gelöst wird, daß die eine Hälfte der Äthiopier an Nahrungsmangel krepiert und der Rest arbeitsunfähig ohne Hände und Füße dasteht, sind selbstverständlich „die internationalen Hilfsorganisationen bereit“, „kurzfristige Hilfe mit Nahrung und Medikamenten“ zu leisten. Man kann sich darauf verlassen, daß die Spendenkonten rechtzeitig im Fernsehen bekanntgegeben werden.
Fast überflüssig der Hinweis, daß „die Hungersnot in Zentraläthiopien ... kaum etwas mit Krieg oder Politik zu tun“ hat, denn hier ist „die Politik“ nicht mit „dem Krieg“ (der mit ihr bekanntlich nichts zu tun hat) konfrontiert, sondern mit einer fatalen „Entwicklung“. „Anders steht es“ natürlich „mit den Ernährungsproblemen im Südosten, dem Ogaden“, denn hier hat der Nahrungsmangel seine eindeutige Ursache darin, daß „immer noch Guerillakämpfe“ stattfinden. Hier kann die äthiopische Regierung auch ohne die internationalen Organisationen den Menschen Hilfe angedeihen lassen: schnell und unbürokratisch hat sie „eine halbe Million Menschen in Lagern ... zusammengefaßt – teils, um sie zu versorgen, teils natürlich auch, um sie zu kontrollieren.“

Worte des Vorsitzenden Hua
„Die Normalisierung der Beziehungen zwischen China und den USA ist gegen niemanden gerichtet. Zweifellos werden beide zum antihegemonistischen Kampf der Völker beitragen..“ (Hsinhua) Wurde allmählich auch Zeit, daß die VR China die antihegemonistischen Verdienst des US-Imperialismus in NATO, Cento, Asean-Pakt und jüngst tatkräftig im Iran und in Nikaragua gebührend anerkennt.

Probleme der Menschenrechtspolitik
Cuba entläßt ca. 3.000 Polithäftlinge sowie rund 12.000 ehemalige Polithäftlinge mit ihren Familien in die USA. Dazu die „Washington Post“ vorn 9.12. 78:
„Bisher ist lediglich 48 cubanischen Polithäftlingen die Einreise in die USA gestattet worden. Die Behörden begründen dies damit, daß zunächst sorgfältig geprüft werden müsse, um wen es sich eigentlich handle, da man weder Kriminelle, noch verkappte Spione und Terroristen im cubanischen Auftrag aufnehmen will.“

Euch werden wir schon helfen!
Die Worte, die die Zeitschrift „Misereor“ den beiden kichernden Papuas – nicht ohne keineswegs gewollte Ironie – in den Mund legt, verheißen nichts Gutes. Den Negern muß ganz einfach geholfen werden. weil sie sich sonst durch „alle Merkmale der Unterentwicklung“ auszeichnen:
Dauernd schlingen sie haltlos falsches Zeug in sich hinein, wovon sie schließlich diese unproportionierten Hungerbäuche kriegen – Diagnose: „Fehlernährung“.
Von Hygiene haben sie keine Ahnung – nicht einmal „Fliegengitter“ in den Holzhütten! Und wer weiß, ob sie die Maisblätter, die sie sich an den Arsch stecken, nicht auch beim Essen verwenden? Folge: „Krankheit“.

Aber schließlich liegt das alles nur daran. daß die Neger so doof sind – weshalb man ja auch helfen muß, weil die ja nicht einmal wissen, daß sie Hilfe brauchen – wo doch „dieses Tal alle Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Nutzung (böte)“.

In ihrer tierischen Roheit wissen sie nicht einmal, daß man Schweine im Stall hält und nicht am Fußband in den Supermarkt mitnimmt. Grund: „Unwissenheit“.
Die Kirche – gewohnt, den zivilen Entwicklungshelfern zu folgen, um die Leichen, die jene zurücklassen, je nach Bekenntnis christlich oder nicht zu begraben und den Überlebenden für das Diesseits den Willen zur Arbeit und die Hoffnung auf das Jenseits beizubringen –, die Kirche leistet hier „Schrittmacherdienste“.

Bauer im Schnee, Staat juchhe!
Auf die Idee, dem da oben die Schuld am Scheißwetter reinzuwürgen, kommt ein aufgeklärter und liberaler Öffentlichkeitsprofi in „Monitor“ natürlich nicht – und denen da oben schon gar nicht. Da ist es schon gut" daß Bauern" und deutsche Bauern ganz besonders, eben blöd sind. An der Schneekatastrophe sind nämlich sie schuld.
Hätte er nur ordentlich Radio gehört, dann hätte er sich rechtzeitig Vorräte beschaffen können.
Hätte er sich Gedanken gemacht, daß man auch mit einem Jahrhundertwinter eben immer zu rechnen hat, dann hätte er nicht nur seinen Öltank nicht an der Wetterseite installiert, sondern gegen 40 Grad Kälte isoliert, sich einen Privatschneepflug zugelegt und sein Auto mit Allradantrieb versehen,

sondern vor allem auch seine Kühe beizeiten an den Handmelkbetrieb für Zeiten des Stromausfalls gewöhnt („Imma mal wieder runna unna de Kuh un ran ans Euter!“).

Wenn es drum geht, dem Geschädigten nicht nur den Spott zu besorgen, findet der vorurteilsfreie Blick in Staaten, gerade wenn sie nicht so gut wie der unsere sind, allemal Staatsbürger , von denen man sich hierzulande einiges abgucken kann. In Dänemark hatten die Bauern rechtzeitig an all das, was den deutschen Bauern fehlte, gedacht, sogar an die Möglichkeit, die Ölfeuerung auf Strohheizung umzustellen. Aber das Schönste an so einem ausländischen Vorzeigebauern ist, daß er auch noch mit einer faschistischen Erklärung für die schlechte Lage des deutschen Bauern den einzig erlaubten Angriff auf den deutschen Staat losläßt: „Wir sind gewohnt, uns selbst zu helfen, während die deutschen Bauern ja immer schnell Hilfe kriegen.“
Die Klarstellung, daß es sich hier um die Verwirklichung des FDP-Slogans „Hilfe zur Selbsthilfe“ handelt, wäre wirklich nicht mehr nötig gewesen.

Wanz ia mants …
Als Nachtrag zu Zwentendorf sandten uns MSZ-Leser aus Wien folgenden Werbespot aus Ö III:
„Jo, sog amoi, kohnst denn Du ned woadden, bis de Schbümaschin voi is?!“
„Na, sonsd müasde ma ja a neiche Gischiaganidua kafn!“
„Ja wasdn du ned, daß da Schrdom deira is ais a Gschiaganidua, du Drodl?“
„No und?“ Und damit die „Drodln“ das auch kapieren. hat man letzte Woche während der „Club-2-Diskussion“ in Wien telegen den Strom ausgeschaltet: „Bitte, schoidn Sie alle Gerädde, auf die Sie vazichdn können, ab!“

Die Lage im Griff
„Die vorsichtshalber mit Sturzhelmen und Plastikschildern ausgerüstete Polizei, die dem Umzug von Etappe zu Etappe vorausfuhr, hielt sich diskret im Hintergrund. So (!) gab es dank der geschickten Taktik der Polizei während der ganzen zweieinhalb Stunden keinen Anlaß einzuschreiten.“ (Südd. Zeitung vom 18.12. 1978 über eine Demonstration des KBW gegen Persien)

Leserecho
Joschi Kibbitz, stud. Päd. und Tennisspieler, hat eine gründliche Auseinandersetzung mit den Verdrehungen in MSZ Nr. 26/1978 über die Kibbuzim angekündigt (vgl. den Artikel „Der Juden Staat“). Es soll sich um einen Roman handeln, dessen Titel schon feststeht: „Ich war im Kibbuz!" In einem Brief an die MSZ wandte er sich u.a. gegen die Fehleinschätzung der Kinderverwahranstalten. Joschi: "Die Frauen können Kinder kriegen soviel sie wollen, ohne daß sie sich um sie kümmern müssen.“ Des weiteren vermißte er die Tatsache, daß die Kibbuznik sich in ihrer Freizeit Tennisplätze und Schwimmbäder bauen. Joschi, MSZ-Leser seit 1972: „Die Kibbuznik haben ordentlich zu futtern und fühlen sich im Vergleich zu den anderen Juden sauwohl.“ Von besonderer Bedeutung sei, daß ein Kibbuznik nicht die geringsten Probleme mit der Freistellung fürs Militär hätte. Sein Arbeitsplatz ist ihm auf jeden Fall sicher. Das MSZ-Kollektiv begrüßt die Erfahrungen Joschis, lehnt es aber strikt ab, davon Gebrauch zu machen.

Martin Habersack, Ingenieur und MSZ-Förderabonnent, teilt uns mit, daß die politische Linie der Karikaturen auf Seite 5 und 7 von MSZ Nr. 26/1978 genau genommen von der PROGRAMMATISCHEN ERKLÄRUNG der MG (in „Resultate“ Nr. 1/1974) abweichen. Die Redaktion ist für diese Anregung dankbar und wird den entsprechenden Passus in der PE ändern.

MSZ 27/79

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Ein guter Mensch
Die Bildzeitung und Jürgen Habermas, die sich jahrzehntelang trotz gemeinsamer Intention vergeblich um Konsens bemühten, haben es geschafft, die Bildanalyse über das Wesen des Menschen auf den Jahre 1953:
„Der Mensch – nie ganz gut und nie ganz böse. So ist auch Bild.“
auf den neuesten Stand zu bringen.
Der Mensch, älter als 18, ist immer ganz gut, denn er hat spätestens dann – frühestens ab 16 – den „Aufstieg über die 3 Stufen zur Moral“ bewältigt zu haben.
Habermas konnte mit seiner aufsehenerregenden Untersuchung:
„Was ist gut und böse? – Welche Entwicklung muß ein Mensch durchlaufen, um moralisch gesfestigt zu sein?“
1. der Bildzeitung endlich den menschlichen Kern seines Strebens und somit die Berechtigung seines Aufstiegs zum Professor verständlich machen (so daß Bild seinerseits Verständnis dafiir zeigt, daß sich der Professor zum Ergebnis der Fragestellung nur vorarbeiten kann, wenn er 100 Schülern „Problemfragen“ stellt und sie oft in „mehrstündige Diskussionen verwickelt“.)
2. die Bild-Leser davon überzeugen, daß ihre Moral die einzig wissenschaftlich annehmbare ist und somit in ihnen nicht nur Begabung zu Höherem, sondern zu Habermasianischem schlummert:
– Moral hat nix mit Eigennutz zu tun -- wenngleich man selbigen durchaus ausnutzen sollte, um den „moralisch gefestigten“ Menschen herzustellen:
„Zwischen vier und neun gilt: Gut ist, was belohnt wird. Schlecht ist, was bestraft wird. Hinzu kommt ein eigennütziges Motiv: Gut ist, was dir nützt.“
– Moral hat nix mit Vorschriften von Familie und Gesellschaft zu tun – wenngleich es Kindern in einem bestimmten Alter nie schadet, sich an diese zu halten:
„Zwischen 10 und 16 ist gut, was das Elternhaus und schließlich die Gesellschaft für gut halten.“
– Moral ist also das „übergeordnete, für alle Menschen gültige“ und ihnen ab 18 innewohnende „Prinzip“:
„Konfliktlösungen werden unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob ihnen alle Betroffenen hätten zustimmen können.“

Über den Gebrauch von Rechten
Anläßlich des an die Öffentlichkeit gelangten Tatbestandes, daß der Präsident der Universität München, Nikolaus Lobkowicz, prophylaktisch zivile Polizei in Vorlesungen seiner Hochschule postiert, um lästige Fragesteller als „Störer zu identifizieren“ und „möglichst schnell von der Universität zu entfernen“, kommentierte ein Peter Hausmann im Bayerischen Rundfunk am 28. 2. 1979 u.a. wie folgt: ,.Sicherlich ist es die Problematik eines jeden Rechtsstaates, daß er seinen Feinden Rechte einräumt, die diese schamlos ausnützen und so den Sinn der Rechtsstaatlichkeit ins Gegenteil verkehren.“ Schöner könnten wir es auch kaum sagen, daß der Gebrauch demokratischer Rechte allemal noch ihr Mißbrauch ist, denn welcher normale Mensch braucht sie denn schon? Die „große Masse der Studenten, die nur ihr Studienziel im Auge haben“ – so Hausmann – sicherlich nicht. Dennoch meint der liberale Kommentator, sollte Lobo auf die Polizei im Hörsaal verzichten, denn damit „spielt die Universitätsleitung den Linken billige Argumente zu …, die dann bei einigen Studenten, die die Problematik nur unzureichend durchschaut haben, glaubwürdig erscheinen.“

Vergangenheitsbewältigung
Im Düsseldorfer Majdanek-Prozeß sind vier Angeklagte freigesprochen worden. Aus „Beweisnot“, worüber sich Anklage, Verteidigung und Gericht einig waren. Damit ist die Verjährungsdebatte endgültig ins rechte Licht gerückt worden. Sie kann nun rein unter nationalen Gesichtspunkten geführt werden. Weil man nun endgültig weiß, daß es bei den NS-Prozessen nicht um die Bestrafung noch lebender KZ-Schergen geht – dazu ist die Beweisnot einfach zu groß –, sondern um die Demonstration des guten Willens, weiter nach Beweisen zu suchen und die Nation von häßlichen Flecken der Vergangenheit zu läutern, steht der Aufhebung der Verjährungsfrist eigentlich nichts mehr im Wege. Auch jene linken Demonstranten nicht, die bei der Urteilsverkündigung lauthals protestierten. Ihnen ging es ja auch nicht darum, drei alte Frauen hinter Schloß und Riegel zu bringen. Was ihnen zu schaffen machte, ist letztlich das gleiche Anliegen wie den Verjährungsdiskutanten im Bundestag: Wie poliert man am besten die Ehre der Nation. Da meinen die Antifaschisten, daß zu einer ordentlichen Bewältigung der Vergangenheit auch harte Urteile gehören. Am besten lebenslänglich, damit die Welt sieht, wie ernst wir es meinen.

Ende des Kalten Krieges
Um gleich ein Mißverständnis vorweg auszuräumen. Als die DDR bekanntgab, daß sie für ihre Intershopläden Gutscheine ausgeben will, um den staatlich konzessionierten Schmuggel mit Westmark und -waren besser kontrollieren zu können, hat die westdeutsche Presse darüber nicht die Wahrheit verbreitet; das hätte ihr aber trotzdem die „Freiheit“ gekostet.
Entspannung zwischen Ost und West ist ein schwieriges Geschäft. Mit der Entscheidung, den Westen nicht mehr ohne seine Hilfe zu überholen, hat sich die DDR auf' die Bedingung eingelassen, die kalten Krieger der Presse auf das eigene Territorium zu lassen, die natürlich nichts lieber tun, als im Verhältnis des DDR-Bürgers zu seinem Staat herumzustochern und jede entdeckte Differenz als Beweis für die Überlegenheit des kapitalistischen Systems herzunehmen. BRD-Journalisten kratzen mit Vorliebe das Selbstverständnis des Staates des ganzen Volkes an, der auf die Zustimmung seiner Bürger so viel hält, daß er die Öffentlichkeit gleich selbst in die Hand nimmt und für die Äußerung entsprechender Meinungen sorgt. Die „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten ist daher ein „mühseliges Geschäft“ mit ständigen Rückschlägen, da sich ständig in die inneren Angelegenheiten der DDR eingemischt wird und umgekehrt die freie Betätigung westlicher Berichterstatter eingeschränkt wird.
Der Zinnober, der bei der jüngsten Maßnahme im schon immer diffizilen Prozeß der Annäherung abgezogen wurde, war beängstigend. Statt der normalen Kriegsberichterstattung aus Afrika und anderswo wurde der Zuschauer im Fernsehen tagelang mit der Diskussion von möglichen Gegenmaßnahmen gegen die DDR gelangweilt. Bonn „beläßt“ es bei einem nachdrücklichen Protest gegen die Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten westlicher Journalisten. Sanktionen wirtschaftlicher und finanzieller Art gegen die DDR wurden „nicht erwogen“, nachdem man laut darüber nachgedacht hatte und sich ausmalt, daß sich wirtschaftliche Abschlüsse schwieriger gestalten könnten. Die Bundesregierung überlegt, ob sie nicht der Freiheit westlicher Presse zur Geltung verhelfen und Gleiches mit Gleichem vergelten soll, denn DDR-Journalisten berichten, „um es untertrieben zu sagen, sehr einseitig“ über die Bundesrepublik. Die DKP wird ganz offen als Agent der DDR behandelt, und Korrespondenten der DKP-Tageszeitung werden zu Pressekonferenzen nicht zugelassen, weil die UZ Abdrucke von Berichten aus dem Neuen Deutschland bringt. Die Regierung „lädt“ die betroffenen Journalisten zu sich, um sich mit ihnen zu „beraten“.
Bleibt zum Schluß noch die Frage an die Regierung: „war denn nicht mehr drin?“ Rübergehen oder was? Schließlich leben wir ja nicht mehr in den Zeiten des Kalten Krieges, sondern unterhalten Beziehungen mit dem Osten, und mit denen läßt sich den „SED-Machhabern“ der Kalte Krieg wesentlich heisser machen.

Sensation in Wales?
Drei walisische Abgeordnete haben beim Mißtrauensvotum für die Regierung Callaghan gestimmt, weil „für sie als Abgeordnete die Wohlfahrt ihrer Wähler Priorität genieße“. Für die Wohlfahrt der Wähler ist auf dreierlei Weise gesorgt: 1) „Die Regierung hat den Walisern das von ihnen geforderte Gesetz für Silikose-Opfer unter den walisischen Schiefersteinbruch-Arbeitern konzediert“, womit endlich eine Humanisierung der Arbeit mit wahrem nationalen Charakter in die Wege geleitet wird. 2) „Das Gesetz steht zwar seit vier Jahren auf dem Regierungsprogramm, hatte jedoch bisher eine niedrige Priorität“, die jetzt zügige Verwaltung des Elends der Silikose-Opfer verdankt sich also dem „Entfesselungskünstler“ Callaghan, der damit drei Stimmen für sich „aus dem Zylinder zauberte“. 3) „Das Feilschen um die Stimmen hat unwürdige Züge angenommen“, die Würde des Parlaments läßt es halt nicht zu, den Machtkampf ausgerechnet durch nicht zu rechtfertigende „Alimentierungen“ entscheiden zu wollen.

Wahlkampf auf italienisch
In Italien wird am 3. Juli ein neues Parlament gewählt, weil bei der Vertrauensabstimmung für das jüngste Kabinett Andreotti drei Parteifreunde des Christdemokraten zuhause geblieben sind. Die DC, ist nämlich auf Neuwahlen scharf, von denen sie sich Stimmengewinne und entsprechende Verluste der PCI verspricht: ein Stimmenaustausch sozusagen, zwischen den beiden großen Regierungsparteien. Deren linke hat die parlamentarische Unterstützung der DC-Regierung eingestellt, weil sie zwar den unvermeidlichen Unwillen der Regierten auf sich zog, nicht aber selber mitregieren durfte. Die Christen haben bereits jetzt in allen ihren Flügeln übereinstimmend erklärt, daß sie nach dem 3. Juli am liebsten so weitermachen möchten wie bisher: allein die Macht und Unterstützung der PCI bei ihrer Durchsetzung. Einen Hauptvorwurf, sie täte zuwenig gegen den Terrorismus, hat die DC-Regierung kurz nach Auflösung des Parlaments entkräftet: zwar ist ihr bislang noch kein Stich gegen die Roten Brigaden gelungen, das zeigen die munter weitergehenden Attentate  und Mordanschläge, dafür hat sie in einer Blitzaktion 22 führende Köpfe der AUTONOMIA OPERAIA unter der absurden Anschuldigung festsetzen lassen, sie seien die Führer der Brigate Rosse und der fünfzigjährige Staatsrechtsprofessor Toni Negri der Haupt-Moro-Entführer. Das glaubt natürlich keiner, aber dennoch gibt es genügend, die dafür sind, daß der Staat gegen die AUT.OP. zuschlägt, die hinter zahlreichen wilden Streiks der letzten beiden Jahre steckt. Umberto Terracini, PCI-Senator, erklärte in der Zeitung „Repubblica“, für ihn seien Rote Brigaden und Autonomia dasselbe: „Beide agieren gegen den demokratischen Staat. Die BR konspirativ und im Untergrund, Autonomia offen und propagandistisch.“ Der Zuschlag der Polizei hatte dann wohl den Zweck, zumindest die „offene Propaganda“ gegen den Staat zu unterbinden. Die Roten Brigaden jedenfalls zeigten sich durch die Verhaftung ihres gesamten „strategischen Kommandos“ keine Sekunde lang verunsichert. Sie schossen weiter.

Glück auf!
Wie die SZ anläßlich der Schlagwetterexplosion in der Hansa Hütte Dortmund, die sieben Bergleuten das Leben kostete, zu berichten weiß, wollen sich die deutschen Kumpel den abenteuerlich prickelnden Charakter ihrer Arbeit, die vollen Einsatz fordert, nicht nehmen lassen. Zwar hat unternehmerischer Fortschrittsgeist dafür gesorgt, daß „der Hauer mit Spitzhacke und schweißglänzendem Oberkörper“ (SZ) der Vergangenheit angehört – jedenfalls hierzulande.
Doch nach wie vor gibt es „diese Verbindung von harter Maloche und ständiger Gefahr“, die die deutschen Kumpel an ihrem Arbeitsplatz so schätzen:
„Im Berg wirst du stärker gefordert als in jedem anderen Betrieb. Das prägt und bindet. Wer morgens in seinen Pütt fährt, kann nie sicher sein, daß er bei Schichtende auch wieder rauskommt. (BR-Vorsitzender Morstmann)
Bei solch mörderischer Liebe zu seiner Arbeit bleibt für die Kumpel, wie für den Schichtsteiger Schwederski, nur noch ein Wunsch: „Ein Bergmann, der möchte da Invalide werden, wo er angefangen hat“.
Und so stimmt er, auch wenn sicher ist, daß es in der Heimatzeche mit der sicheren Invalidität kaum noch klappt, weil sein Pütt denmielist den Deckel draufbekommt, mit seinem Kollegen Zodolsek das bekannte Bergsteigerlied an:
„Stolz sing ich deutschen Blutes, daß ich ein Bergmann bin und blicke frohen Mutes auf meine Zukunft hin.“

Dir werd’ ich helfen!
Ein erfolgreicher Erzieher weiß, was er seinen Zöglingen und dem Staat schuldig ist: die Tatsache,. daß viele seiner Schüler die Anstalt, die für sie eingerichtet ist, nicht besonders lieben, bringt ihn nicht etwa zum Nachdenken, sondern befördert die Herausbildung von lieben Gewohnheiten im Umgang mit den Schülern.
Je nach Lage der Dinge bietet er seinen Kleinen Gummibärchen, Strafarbeiten oder Verweise an – Aufmerksamkeiten, die alle verraten, daß er gewillt ist, den staatlichen Zwang durchzusetzen, hängt doch schließlich auch sein guter Ruf davon ab. Angesichts ganz Unverbesserlicher wird er sich auch nicht scheuen, „die Hand ausrutschen“ zu lassen.
Wer Letzteres nicht rechtens findet, mußte sich kürzlich vom Obersten Bayerischen Landesgericht belehren lassen, daß das Urteil „der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ auf originelle Weise für den Angeklagten ausgelegt werden kann.
Zwar käme kein Richter auf die Idee, ein altes Mütterchen, das im Supermarkt ein Päckchen Markenbutter stiehlt, freizusprechen, weil der Rechtsanwalt glaubhaft nachweisen kann, daß es schon seit geraumer Zeit diese Angewohnheit hat – aber das ist ja schließlich auch ein eindeutiger Rechtsbruch. Der Lehrer hingegen prügelt für „alles was recht ist!“, wenn er die Drohung „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ in die Tat umsetzt. Deshalb wurde in Memmingen ein prügelnder Lehrer von zwar unpädagogischen, aber schulisch erfahrenen Richtern mit Berufung auf das Gewohnheitsrecht freigesprochen.
Auch der Herr Schulrat wird einem Kollegen, der seine Hand nicht unter Kontrolle hat, nicht gleich den Ast absägen, von dessen staatlich gesicherter Höhe herab er zuschlägt, sondern in Verhandlungen mit den Eltern eintreten, um ihnen den „Ausrutscher“ begreiflich zu machen, damit sie von einer Anzeige Abstand nehmen. Aber Ausrutscher muß, immer noch Ausrutscher bleiben – schließlich hat das Kumi eigens eine Verordnung herausgegeben, die Prügeln verbietet, weil es dagegen ist, daß seine Lehrmeister es sich zu leicht machen.
Der Streit der Instanzen bzw. die eigenartige Menschenfreundlichkeit des Kultusministeriums lösen sich einfach auf'. Prügeln ist nicht funktional. Bestenfalls beugen sich Geprügelte der Gewalt, kaum aber werden sie große Begeisterung für das entwickeln, was gegen sie durchgesetzt, wird – womöglich werden sie gar aufsässig. Aktiv, aufrecht und überzeugt vom besten aller schlechten Staatswesen soll jeder junge Bundesbürger werden – gerade wenn er wenig von ihm zu erwarten hat. Eine demokratische Gesinnung läßt sich nicht so einfach mit Schlägen auf den Kopf (geschweige denn auf sonstige Körperteile) produzieren. Deshalb läßt Vater Staat auch einiges springen für seine Lehrerbildung, die den angehenden Kinderformern vor allem beibiegt, wie man mit den Kleinen umzugehen hat, damit sie freiwillig mitmachen. Ein guter Lehrer hat es nicht nötig, zu schlagen. Mit der Gewißheit, daß in der BRD gute Lehrer produziert werden, weist Kumi Maier das Memminger Urteil scharf zurück: „Prügeln ist keine Gewohnheit mehr!“
Sollte ein Erzieher es dennoch tun, dann deshalb, „weil ihm nichts anderes übrig blieb“. Was durchgesetzt werden muß, muß schließlich durchgesetzt werden, später werden die Schüler schon merken, daß sie nicht wären, was sie sind, wenn sie’s nicht mit Hilfe der Schule geworden wären.
Und noch jeder hat Verständnis dafür, daß angesichts „eines raufenden, Papierflieger werfenden Schülerhaufens“ der bedrängte Lehrer seine oberste Maxime „Dir werd ich helfen“ mal im landläufigen Sinne auslegt.

MSZ 28/79

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Eine vernünftige Lösung
Niedersachsens Albrecht hat eine ,,politische Feuerprobe“ glänzend bestanden: er ist prinzipiell für eine Wiederaufbereitungsanlage in Gorleben, überläßt die Entscheidung darüber allerdings der Bundesregierung, weil es besser ist für die CDU, wenn die SPD niedersächsischen Wählern die passende rem-Dosierung verpaßt. Um Schmidt dies auch schmackhaft zu machen, hat er sich ein paar süße Argumente einfallen lassen. 1. Eine Wiederaufbereitungsanlage ist „wirtschaftlich nur sinnvoll“, wenn sich die Bundesregierung für den Bau Schneller Brüter entscheidet, in denen das Plutonium verheizt werden kann. 2. Eine Lagerung ohne Entsorgung ist möglich und die dabei anfallende höhere Strahlung verschafft den Anwohnern eine Verminderung der durchschnittlichen Lebenserwartung“, die ungefähr gleich groß ist, ,,wie die eines Stahlarbeiters“ und sogar ,,wesentlich geringer“ als ,,die eines Bergmanns“ (Originalzitate Albrecht. Vgl. „Süddeutsche Zeitung“ vom 17. Mai!). Argument zwei ist wohl auch schon als Tröstung für „die Bevölkerung“ gedacht, die mit weitaus größeren ,,Risiken vertraut ist“. Was Albrecht überhaupt noch „problematisch“ erscheint, „ist das Risiko kriegerischer Einwirkungen“. Halb so schlimm: die Russen werden's sich zweimal überlegen, „in Anbetracht der geographischen Lage, Westwinde“, und ferner „ist im Auge zu behalten“, daß sich auch hier ,,Risiken ausschließen“ lassen, „die über das durchschnittliche, ohnehin durch den Krieg gegebene Lebensrisiko hinausgehen“. Aber lässig. Am Ende macht Albrecht in seinen „Empfehlungen für ein neues Entsorgungskonzept“ alles klar: Die Bundesregierung soll bald Schnelle Brüter bauen, dies auch ein Beitrag zur politischen Abhärtung der Leute, damit „Klarheit über die energiepolitische Zukunft besteht“. Solange akzeptiert er eine nichtentsorgte Lagerung in Gorleben, die „ihre (– höhere –) Giftigkeit wesentlich länger“ behält. Albrecht hat sich also für die langfristig gefährlichere Variante entschieden, weil die kurzfristig brisantere erst (energie)politisch entschieden werden muß. Die Durchsetzung dürfte dann – nicht nur für ihn – kein Problem mehr sein.

Formen der Rechtspflege
Die Erläuterungen des erstmals an die Öffentlichkeit getretenen Justiz-Ayatollahs Khalkali über die Methoden vollziehender Gerechtigkeit im Namen des Propheten bestätigten die schlimmsten Befürchtungen hiesiger Iranbeobachter. Einen Verteidiger sollen nur Angeklagte kriegen, die „stumm sind“ (vgl. „Süddeutsche Zeitung“ vom 14. Mai). Überhaupt hätten die meisten Inkriminierten „keine Verteidiger gebraucht, die nur die Zeit des Gerichtes verschwenden“. Obwohl westdeutsche Gerichte bei angeklagten Terrorismusverdächtigen die Bemühungen der Verteidigung ebenfalls als Obstruktion werten, ist noch niemand auf den Gedanken verfallen, die Advokatur einfach abzuschaffen. Und dies nicht nur deshalb, weil die Beschuldigten vor Gericht stumm bleiben, sondern weil bei uns jedermann ein ordentlicher Prozeß gemacht wird. Während Justizminister Mobasheri meint, daß „angesichts der Schwere ihrer Verbrechen gegen das iranische Volk selbst zehn Anwälte die Angeklagten nicht retten könnten“, legt man bei uns gerade deshalb so großen Wert auf die Anwesenheit von Verteidigern, daß man sicherheitshalber den Angeklagten welche aufzwingt. Unerhört auch der Beschluß eines iranischen Revolutionsgerichts, den Schah für „vogelfrei“ zu erklären, und ihn jedermann zum Abschuß zu empfehlen. Im Rechtsstaat würde sich kein Gericht dazu hergeben, die Tötung von Rechtsbrechern zu sanktionieren. Die Handhabung des „gezielten Todesschusses“ und die Festnahme mit Todesfolge einer ,,observierten Terroristin“ regelt die polizeiliche Dienstvorschrift.

Regierungswechsel in Großbritannien
Die Wahlen in Großbritannien bescherten den Wählern zumindestens eines: die „erste weibliche Regierungschefin Europas“ (was allerdings genaugenommen auch nicht stimmt, weil es eine Frau 1972 in der Repubblica di San Marino zum Generalkapitän brachte). Immerhin hielt Margret Thatcher die Versprechungen ihrer Wahlkampagne (,,Let's take Britain back to the top!) prompt. Die von der Königin verlesene Thronrede der „Iron Lady“ verheißt den britischen Massen, was sie anscheinend brauchen wie sonst nichts: Eine Intensivierung des britischen „Verteidigungsbeitrags im Rahmen der NATO“ und die „Herstellung eines fairen Gleichgewichts zwischen Rechten und Pflichten der Gewerkschaften“. Nach der Kündigung des social contract zwischen Trade Unions und Labour, die James Callaghans „Anti-Inflationsprogramm“ gefährdete, weil die Kapitalisten auf eine Erhöhung der Preise um jeden Preis nur verzichten, wenn sie durch Senkung der Kosten einen noch größeren Reibach machen können, können die Tories nun den Gewerkschaften ein wenig die Flügel stutzen. Für die nächsten 4 Jahre wird das Vereinigte Königreich ohne die Kollaboration der Gewerkschaften versuchen, „seinen Platz in der Welt zu behaupten“, dann hat „Her Majesty's Most Working Class“ (vgl. MSZ Nr. 22/1978) wahrscheinlich wieder einmal die Nase voll von den Konservativen und wird für Labour votieren, damit der Lohnverzicht sozial kontrahiert wird und nicht von oben durchgesetzt. Tony Benn, der Chef des „linken“ Labour-Flügels hat vorsorglich auf einen Platz im „Schattenkabinett“ verzichtet, damit er „frei reden“ kann von der Hinterbank aus. Er weiß, daß Labour immer dann am populärsten ist, wenn in der Opposition. Bekanntlich funktioniert im „Mutterland der Demokratie“ der Regierungswechsel traditionsgemäß: klar, weil die Lage der Regierten es zuläßt, den Umzug in Downing Street 10 wirklich nur als Transportproblem aufzufassen. Was nicht heißt, daß es im Modell Deutschland anders wäre. Allerdings noch nicht ganz so lang.

MSZ 29/79

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Leserecho
Dear Sirs,

Wahrheit ist gewöhnlich die beste Verteidigung gegen üble Nachrede. Dieses Prinzip habe ich, selbst während meiner politischen Tätigkeit im Dienste der amerikanischen Nation, nie außer acht gelassen, obwohl es mir schwerfiel. Für das, was ich getan und gesagt habe, stehe ich auch heute noch ein, und dies, so scheint mir, hat mir auch seinerseits das Lob, der „eiserne Sohn der Arbeiterklasse“ zu sein, von dem Ihnen nahestehenden Herrn Marx eingebracht. Und gerade aus diesen Gründen muß ich mich gegen die Unterstellung wehren, die Sie in Ihrem Artikel „30 Jahre BRD“ gemacht haben. Dort wird von Ihnen behauptet, ein, mir allerdings unbekannter Hans könne sich auf folgende meiner Worte berufen: ,,a government of the people – with but not by the people“. Das habe ich nie und nimmer gesagt noch gedacht. Auch Ihnen müßte der Unsinn eines ,.government with the people“ sofort auffallen. Wo es mir um Verhältnisse von Regierung und Volk ging, wobei die wechselseitige Beziehung das Wichtigste daran ist, ersetzten Sie einfach das ,by‘ durch ein ,with‘, um mir vielleicht ein volksfeindliches Ressentiment zu unterschieben. Was glauben Sie wohl, was aus Amerika geworden wäre, wenn der Sezessionskrieg nicht von den Bürgern getragen worden wäre. Ich ende mit den Schlußworten meiner Rede auf dem Schlachtfeld von Gettysburg:

„ … that these dead shall not have died in vain; that this nation, under God, shall have a new birth of freedom, and that government of the people, by the people, and for the people shall not perish from the earth.“

Yours truthfully Abraham Lincoln

Aus dem kirchlichen Leben
„Das ist der ungewöhnlichste Gottesdienst des Nürnberger Kirchentags: Auf einem PS-starken »Feuerstuhl«' und in Lederjacke wird der Rocker-Pfarrer Bernd-Jürgen Hamann (links) aus Berlin auf einem Drive-in-Gottesdienst am Samstag, 14.30 Uhr, auf dem Nürnberger Hauptmarkt predigen. Dann werfen die Motorrad- Freunde zwischen Gebet und Pop-Gesang ihre heißen Öfen zum »Lob Gottes« an. Der Pfarrer, der zur Betreuung seiner Rocker-Gemeinde in Berlin von Kneipe zu Kneipe zieht und sich vor Ort ihre Sorgen anhört, erwartet rund 3000 motorisierte Besucher. Inhalt der Predigt: »Die Geschichte vom Kilometer-Ede und dem Safety-Joe.«“
(aus: „Abendzeitung“ 13./14.6. ’79 )


Lambsdorff rüffelt Albrecht
Der niedersächsische Ministerpräsident, der aus seiner Verfassungstreue nie ein Hehl gemacht, sondern unumwunden die Bereitschaft geäußert hat, die Demokratie auch ihrer Erhaltung zum Opfer zu bringen, mußte sich vom sozialliberalen Wirtschaftsminister belehren lassen, daß er mit dem „Verzicht auf ein integriertes Entsorgungskonzept“ gegen den demokratischen Grundsatz verstoßen habe, daß durch den Volkswillen legitimierte Politiker eben deshalb bei der Durchsetzung der Politik sich vom Volkswillen nicht behindern zu lassen brauchen und dürfen: „Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sei eine als richtig anerkannte Politik offiziell verworfen worden mit der Begründung, es seien zu viele dagegen.“

Wendekreis des Krebses
Ein „erster internationaler Workshop zur primären Krebsvorbeugung“ in New York und in Anwesenheit von Mildred Scheel hat wieder einmal das Karzinom als Hebel für ordentliche Lebensführung „von über 50 Wissenschaftlern“ aus aller Welt einsetzen lassen. Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 12. Juni resümiert das Resultat der Tagung in der Überschrift „Krebs auch (?) eine Frage des Lebenswandels.“ Vor allem „junge Menschen“ werden hier angesprochen. Kriegen sie in der Regel keinen Krebs, so sollen sie gerade deshalb vorsichtig sein mit Alkohol und Nikotin, zu „kaltem und zu heißem Essen.“ Neben MacDonalds, dem internationalen Verbreiter lauwarmen Software-Fraßes hat man auch auf Brauer und Winzer Rücksicht genommen. Seit neuestem kann „mäßiger Alkoholgenuß“ – daß man halt noch pünktlich und frisch zur Arbeit kommt – „nach wissenschaftlicher Erkenntnis in manchen Fällen die Abwehrkräfte gegen Krebs stärken.“ Und, dies endgültig die Rückkehr der Krebsforscher zur wirtschaftlichen Vernunft: Es gilt ab sofort „als .sicher, daß sich das persönliche Krebsrisiko durch Luft- und Wasserverschmutzung nicht erhöht.“ Bleibt: abzuwarten, bis diese Sorte Wissenschaftler auch noch rauskriegt, daß milde radioaktive Strahlung im Bereich von Kernkraftwerken die Bildung bösartiger Tumore verhindert, ohne daß den Krankenkassen dadurch irgendwelche Kosten entstünden.

Papst erobert Volksrepublik
Der zweite Johannes Paul hat in Polen vieles gesagt, wofür ihm die Massen dort fortlaufend zujubelten und Journaille & Fernsehen hier dankbar waren, weil es einfach gesagt werden mußte und vor allem dort, wo es gesagt wurde. Am brillantesten jedoch fiel sein Teach-in in Auschwitz aus — genius loci. Selbst im Massenvernichtungslager vermied er Einseitigkeiten und wollte „keinesfalls leugnen, daß der Krieg auch andere Möglichkeiten des menschlichen Mutes, des Heldentums, des Patriotismus offenbart.“ Und mit der Offenbarung hat er’s, der Chefkatholik, der am KZ den Vorzug entdeckte, daß es dem Pater Maximilian Kolbe die einmalige Chance eröffnete, „einen Sieg des Glaubens und der Liebe an einem Ort zu erringen, der erbaut wurde für die Verneinung des Glaubens.“

So kann man es auch sehen und die treugläubigen Polacken haben ihn verstanden als Bürger eines Staates, der nicht nur den Glauben an den römischen Gott verneint, womit Volkspolen in dieser Hinsicht ein KZ ist, was die Bildzeitung immer schon wußte und der Papst andeutet, ohne es aussprechen zu müssen: „Erlaubt mir, daß ich diese anderen nicht beim Namen nenne.“ Der Sieg des scheinheiligen Vaters Woytila ist ungleich größer als der des kleinen Priesters Kolbe. Dies läßt sich peinlich, peinlich der UZ („Zeitung der DKP“) vom 8. Juni entnehmen, bereits im Titel eines Kommentars „Ein Papst reist durch das sozialistische Polen.“ Daß von dem sozialistischen Polen 9 Tage lang nur noch der Papst und fanatische Massen übrigblieben, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Kirchenlieder als Nationalhymne anstimmten, hat BILD in der Schlagzeile zusammengefaßt: „Der Papst erobert Polen!“ Weil er und seine Kirche die Loyalität der Massen haben, konnte Woytila auch darauf verzichten, die Polen zu mehr Jubeln aufzufordern und sogar im Lob der Arbeit auf eine Gemeinsamkeit hinweisen, die Kirche und KP, die in Polen „Partei der Arbeit“ heißt, jenseits aller ideologischen Differenzen aufweisen.

MSZ 30/79

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Probleme der Bahro- Solidaritäts- Bewegung
Zum 30. Jahrestag seiner Einführung in Ostdeutschland hat der real existierende Sozialismus eine Amnestie erlassen, durch die auch die ,,beiden prominentesten Häftlinge“ des SED-Regimes auf freien Fuß kamen, Nico Hübner und Rudolf Bahro.

Das ist gut, gleichgültig welchem Kalkül sich dieser Zug der DDR verdanken mag. Das ARD-Fernsehen zeigte am Tag der Bahro-Entlassung einen Sprecher des westdeutschen Solidaritätskomitees, der helle Siegesfreude verstrahlte. Dabei ist sich der Mann anscheinend noch nicht im Klaren darüber gewesen, welche Probleme auf seine Bewegung zukommen. Diese verdankte ihr Entstehen doch keineswegs einer gemeinsamen politischen Programmatik der beteiligten Gruppen und Personen (von Peter von Oertzen bis zur KPD), vielmehr kamen die Resolutionen nur durch den Umstand zusammen, daß Rudolf Bahro in Bautzen einsaß und durch diesen Opfergang für die Berechtigung aller Spielarten des demokratischen Sozialismus herhielt. Jeder konnte Bahros ,,Alternative“ hochhalten, weil es nicht auf ihren Inhalt ankam, sondern auf die Solidarisierung mit dem Recht ihres Verfassers, sie vorlegen zu dürfen.

Zudem bot der Adressat der gemeinsamen Kritik, die DDR, der zerbröckelnden Linken in der BRD endlich die Gelegenheit, den eigenen Sozialismus als Verteidigung hierzulande hochgehaltener demokratischer Ideale vorzutragen. Jetzt, wo Bahro raus ist aus dem Knast, tritt für seine Unterstützungsbewegung die saudumme Situation ein, daß ihr die Einheitsplattform unter den Füßen weggezogen worden ist: schlimmstenfalls kommt Bahro über die Mauer und geht über einige Vorträge und Gastprofessuren den Weg Biermanns in die Versenkung, so daß die Solidaritätsgeier darauf hoffen müssen, daß ihnen die auf diesem Gebiete sehr zuverlässige SED einen neuen Bahro präsentiert. Noch ist hingegen Hoffnung, daß Bahro der Einschätzung seiner linken und rechten Freunde in der BRD als ,,unbeugsamer Kämpfer für den demokratischen Sozialismus“ gerecht wird und der Bahro-Solidarität neue Impulse verleiht, weil die SED, statt ihn im Gefängnis zu halten, aus seiner Wohnung ein Gefängnis macht.

O Carlo mio!
Jugendsündenfaschist Carstens, der seinem italienischen Kollegen und Antifaschisten Pertini bei dessen Besuch die gehörigen völkerverbindlichen Nettigkeiten sagen mußte, wozu die Tradition deutsch-italienischer Zusammenarbeit naturgemäß weniger gut geeignet war, griff nicht ungeschickt auf die aktuellen und alltäglichen Gelegenheiten zurück, bei denen sich die Untergebenen der beiden Staats-Oberhäupter zu begegnen pflegen. „Hunderttausende italienischer Gastarbeiter, deren Charme, Intelligenz und technisches Geschick uns lieb und vertraut geworden sind“, mußten sich ein massives Kompliment gefallen lassen:


„Sicher fehlten in unserer Gesellschaft ohne sie ein paar kräftige und freundliche Farben“, z.B. das strahlende Grau der früheren italienischen Müllmänner und Bauarbeiter, das freundliche Rot der Hochofenarbeiter- und Autolackierergesichter und die grünlichen Reste in den Lungen der Chemiearbeiter. Es fehlte der Charme der Bahnhofshallenbesucher und schließlich die Intelligenz und das technische Geschick derjenigen, die die Gunst, ihre in der Heimat überflüssige Arbeitskraft hierzulande ausbeuten lassen zu dürfen, mit so viel Eifer gedankt haben, daß sie mittlerweile mit Pizza-, Pistaccio- und Torroncinofarben die deutschen Städte erheitern und ihre alten Plätze Farbtönen aus anderen Ländern überlassen haben. Ohne solche Repräsentanten allerdings, die der Import fremder Völker in deutsche Fabrikhallen als angenehme Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens zu rühmen wissen, würde allerdings auch an Farben fehlen – die klassische Farbe der Heuchelei.

Selbstmord, sozial und umweltfreundlich
Ein Däne, also der Vertreter eines Landes, das schon immer auf Ordnung und Sauberkeit gehalten hat, hat endlich ein bislang viel zu wenig beachtetes Problem aufgegriffen: In seinem brennenden »Appell des Eisenbahndirektors: sich nicht vor den Zug werfen!« schildert er eindrucksvoll die verheerenden Folgen, die ein verantwortungslos ausgeführter Selbstmord hat. Erstens droht ein »furchtbarer Schock für die Lokführer«; »einige Fahrer von U-Bahn-Zügen haben sich nach derartigen Vorkommnissen lange Zeit krank melden müssen, andere haben gekündigt. Außerdem verursachten die Selbstmorde lange Verspätungen, fügte Jensen hinzu.« („Süddeutsche Zeitung“ vom 5.10)
So geht's natürlich nicht. Wenn man schon von der Welt nichts mehr wissen will – ein bißchen Anstand könnte man wenigstens noch haben und der Menschheit seinen häßlichen Anblick sowie die Wartereien ersparen.
Doch was tun, wenn sich das Selbstmördergesindel selbstvergessen weder um Fahrplan noch um Humanität schert? Jensen könnte sich ja noch mit speziellen Todesgleisen und sorgfältig geschultem Bahnpersonal behelfen. Aber was ist mit den Blutlachen der Hochhausspringer, mit dem Schock für die Nachbarn der Giftschlucker? Hier muß Abhilfe geschaffen werden: Beispielsweise durch die Errichtung von Selbstmord-Zentren gleich bei der Müllverbrennungsanlage. Weitere Vorschläge ans Umweltministerium oder an das dänische Verkehrsbüro!

Es gibt noch Richter
Einen späten politischen Erfolg hat der Austromarxismus zu verbuchen. Sein aufrechter Kampf gegen Ausbeutung hatte Folgen. Wie wir der „Abendzeitung“ vom September entnehmen, verurteilte ein Wiener Gericht den Zuhälter Obst: Er muß dem Mädchen den von ihm kassierten Betrag von 210 000 öS zurückzahlen und 7 Monate absitzen. Schließlich habe nicht er, sondern die 19jährige Pfarrerstochter Ursula M. die entsprechende Leistung gebracht. Dem Vernehmen nach soll Herr Obst das Urteil verstört entgegengenommen haben. Sein Vertrauen in Recht und Gerechtigkeit sei gebrochen. Unternehmerischer Privatinitiative werde so von Staats wegen das Wasser abgegraben. Schließlich habe er dem Mädchen nur einen Arbeitsplatz verschafft und durch Zeitungswerbung für einen umfangreichen Kundenstamm gesorgt. Es sei offensichtlich, daß eine kommunistisch unterwanderte Justiz auf diese Weise mit der Bestrafung des Muts zum Risiko dem freien Unternehmertum einen entscheidenden Schlag versetzen wolle.

Recht und Pflicht
Ob Strauß bei seinen Wahlauftritten auffordert, endlich mit dem „roten Pöbel“ aufzuräumen und künftige Wahlkampftote nicht ausschließt oder die SPD erklärt, sie ginge effektiver gegen Störer vor, einig sind sich alle Fraktionen darin, daß Ruhe und Ordnung, d. h. innere Stabilität notwendig sind. Allerdings heißen die faschistischen Sprüche der Politiker gerade nicht, daß ein jeder für Recht und Ordnung sorgen darf: Nach dem jungen Ordnungsfanatiker, der in München einen 13-jährigen Buben, der – der Straßenverkehrsordnung widersprechend – mit dem Rali auf dem Gehweg fuhr, fast zu Tode prügelte, wird jetzt gefahndet.
Aber: Non licet bovi, quod licet jovi. Als Polizisten sind keine schlappen Figuren gefragt, dürfen sie doch
– wie Niedersachsens Innenminister Möcklinghoff jetzt erklärte – nach dem neuen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) den „Todesschuß“ nicht verweigern. Ein damit beauftragter Polizist, sagte der Minister, könne sich nicht auf seine Gewissensentscheidung berufen, weil er bei seiner Ausbildung entsprechend belehrt wurde. Womit ein für allemal klar wäre, wer allein das Recht und die Pflicht hat, gegen Leben und Gesundheit der Bürger vorzugehen.

Rechtsprobleme
Christina von Opel, 28, Opfer strenger Erziehung, mußte sich von dem Anwalt des als Nebenkläger auftretenden französischen Zolls (!) in ihrer Haschisch-Schmuggelaffäre sagen lassen: „Man steht nicht über dem Recht, weil man reich ist“. Wie recht dieser Anwalt hat, beantwortet die Frage, wo „man“ denn eigentlich steht: Zunächst mal unter dem Recht, nämlich unter dem Schutz des Rechts auf Eigentum, insofern natürlich vor dem Recht, als es in den Lebenslagen, die einem Reichen zu schaffen machen, ziemlich sicher hinter einem steht, und deshalb hat man auch allen Grund, hinter dem Recht zu stehen, gegenüber allen, die diesen Grund nicht haben, aber keinesfalls über dem Recht. Daß allerdings ein junger Mensch trotz strenger Erziehung auf diesen Irrtum verfallen kann, erklärt sich aus 1 - 3, ebenso wie die Tatsache, daß „man“ nicht gleich unter die Räder gerät, wenn man ihm verfällt, schließlich wurde um die millionschwere Kaution nicht bei der Sozialhilfe nachgesucht. Mit einem gewissen Polster kann „man“ sich also auch ein paar Einbildungen über den Charakter des Rechts leisten, so daß auch die Ironie des Staatsanwalts verpuffen dürfte: „Es ist zu traurig, daß man nicht von vorneherein ein psychiatrisches Gutachten über Fräulein von Opel eingeholt hat“. Das kann man schließlich nachholen. Diagnose: kindheitsbedingte Zwangsvorstellungen über das Recht. Aber damit durchzukommen, soll kein anderer versuchen als jemand wie Christina von Opel. Wie könnte solchen Vorstellungen denn auch sonst schon glaubwürdigerweise unterliegen? Wie recht hatte doch Vetter Gunther Sachs: „Sie hatte eine schwere Jugend.“

MSZ 31/79

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Was ein verantwortungsvoller Journalist beherzigen muß:

1) „Das Zusammenschießen lebender Menschen in lebenden Bildern“ (z.B. in San Salvador) darf nicht nur als „Effekthascherei“ kritisiert werden, sondern als Verzerrung der „echten Welt“, weil es nur „ein kleiner, aber krasser Ausschnitt aus der vielfältigen Gestalt des wirklichen Lebens“ ist, der zur Darstellung kommt.

2) Die Tatsache, daß die Medien „durch einseitige Wiedergabe die Proportionen verfälschen“, ist dann zu kritisieren, wenn „die politischen, die weltpolitischen Proportionen“ verfälscht werden. Denn so ein kleines sansalvadorianisches Gemetzel ist schließlich „im politischen Gesamtgeschehen in der Welt von untergeordneter Bedeutung.“
3) Andererseits muß man auch „ungeschminkte Informationen“ bringen, bei denen „der Sensationseffekt“ nicht „bloß um dieses Effektes willen“ eingesetzt wird; schließlich gibt es genügend Gelegenheiten, damit Nützliches, nämlich das richtige politische Ziel, zu befördern. So hat das Herzeigen erschossener Irangeneräle ohne viel Worte die richtige Einstellung zum Khomeini-Regime bewirkt, auf das letztlich auch der Vorwurf der „Geschmacklosigkeit“ zurückfiel: der Schah hatte da noch soviel Geschmack, seinen Savak keine Photos von der Arbeit veröffentlichen zu lassen.
4) Wenn man demonstrieren will, daß der falsche Einsatz von Mord und Totschlag nicht gefällt, sollte man – nicht nur im Jahr des Kindes – nicht auf den Hinweis verzichten, daß es „beispielsweise Millionen von Kindern“ gibt, auf die solche Szenen „wie ein Schock“ wirken können; während Erwachsene eher zu den „Abgestumpften“ zählen. Umgekehrt empfiehlt sich das häufige Vorzeigen von aufgequollenen Kinderbäuchen, die nach einer Geldspende schreien.

Klassenkampf auf italienisch
Ungewöhnliches Pech hatte die Frau des italienischen „Salami-Königs“ Ambrogio Molteni, Olga Sala. Nicht nur, daß sie gezwungen war, ihre Hausfrauenpflichten zu vernachlässigen und auf eheliche Freuden zu verzichten, weil der Gemahl sich wegen erschwindelten Staats-Subventionen für vorgetäuschten Salami-Export im Ausland in Abwesenheit verurteilen lassen mußte und sie auf diese Weise die lästigen Kapitalistenpflichten selbst wahrzunehmen hatte, überdies sorgten sich ihre Arbeiter nicht um die Durchsetzung anständiger Sicherheitsvorkehrungen im Betrieb – wohl in der ehrenwerten Absicht, ihre – wie es heißt – von Haus aus geschwächte Stellung als Frau im harten Unternehmergeschäft für den Klassenkampf nicht schonungslos auszubeuten. Gerade diese Rücksichtsnahme aber wurde der wackeren Salamiproduzentin zum Verhängnis. Sie rutschte auf dem mit Blut und Schweinefett bedeckten Werksboden aus, „setzte dabei die Tranchiermaschine in Betrieb und schnitt sich den Hals durch.“ (SZ) Unsere MSZ-Statistiker errechneten für die Möglichkeit, daß ein Unternehmer selbst Opfer der sich ansonsten in klingender Münze auszahlenden betrieblichen Sicherheitspraxis wird, den seltenen Wert einer Wahrscheinlichkeit von ca. 0,0000000000001, so daß unseres Erachtens von Unternehmerseite in puncto Kostenkalkulation aus diesem Vorfall keine Konsequenzen zu ziehen sind. Und Frau Salas’ Arbeiter ließen den unter der Hand geäußerten Vorwurf, hier eine unfaire „Salami-Taktik“ in der Auseinandersetzung mit ihrer Unternehmerin angewandt zu haben, nicht auf sich sitzen. Sie unterstrichen ihre löblichen Absichten, indem sie eine Messe für die zwar wenig beliebt, aber geachtete „Padrona“ lesen ließen. Sie war schließlich eine in ihrem Engagement stattbekannte Katholikin.

Prädikat wertvoll
„Das Konzentrationslager Auschwitz in Polen ist von der UNESCO in Paris als »Weltkulturgut« anerkannt worden. Auschwitz steht damit auf der Liste von jetzt insgesamt 57 Städten, Denkmälern, Ruinen und Naturschätzen, die bei einer UNESCO-Tagung in der ägyptischen Stadt Luxor verabschiedet wurden ... Mit der Aufnahme in diese Liste wird anerkannt, daß eine Stätte zum Kulturgut der ganzen Menschheit gehört.“
(Süddeutsche Zeitung vom 13. 11. 1979)
Bleibt abzuwarten, bis die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur demnächst auch die ausgestopfte Leiche des Schahs von Persien und die Reste Kambodschas in ihre Liste der erfolgreichsten Weltkulturgüter aufnimmt.

Zeitgemäßes Anspruchsdenken und berechtigte Aufstiegswünsche – sozialpolitische Wende?
Eine Sozialenquete veröffentlichte kürzlich die Sorgen einer Berufsgruppe, der der Aufstieg in höhere Positionen und entsprechende Verdienstklassen schwer gemacht wird und stieß in der gesamten Öffentlichkeit auf – vollstes Verständnis. Ganz entgegen dem vordergründigen Anschein handelt es sich hier nämlich nicht um platten Materialismus und verantwortungsloses Schielen auf den eigenen Vorteil. Meldeten doch schließlich die Offiziere unserer Bundeswehr ihre Ansprüche an und bei diesen handelt es sich allemal um gewichtige Faktoren „unserer“ Kampfkraft. Die in ihrer Karriere blockierten Speerspitzen des nationalen Verteidigungswillens wußten auch zur Verbesserung ihrer trostlosen Lage – man stelle sich vor: 10 Jahre lang Major bleiben zu müssen! – gewichtige Argumente anzuführen, nämlich den generellen „Verwendungs- und Beförderungsstau“ in der BuWe. Deutlicher gesagt handelt es sich dabei um eine Erscheinungsform des Widerspruchs einer „Armee in Friedenszeiten“: Majore, Kommandeure und Generäle altern friedlich in ihren Posten vor sich hin, ohne daß in ihren Reihen ein paar Heldentode für Karrieremöglichkeiten sorgen würden. Die natürliche Verschleißquote ist zu gering, als daß die aufgrund der Befehlsstruktur einer Armee naturgemäß beschränkten Höchstposten schnell geräumt und mit frischen Kräften wiederaufgefüllt werden könnten. Und das wiederum verletzt das ungeschriebene Gesetz der „Knusprigkeitsgrenze“, will meinen, ein Opa kann kein Bataillon richtig mitreißend und zackig zum Sieg führen. Da breiten sich nicht nur bei den beförderungsgestauten mittleren Jahrgängen Lustlosigkeit und Selbstzweifel aus; auch bei der Truppe, angeführt von graumelierten Inhabern der midlife-crisis, wenn nicht von Tattergreisen, muß doch der Verteidigungswille erlahmen. Höchste Zeit also, daß Abhilfe geschaffen wird.

MSZ 32/79

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Apropos Weihnachtsgeschenke
„Giscard d’Estaing widersprach allen Meldungen, daß er vom gestürzten Kaiser Bokassa wertvolle Geschenke erhalten habe und betonte gleichzeitig, daß alle Geschenke wohltätigen Zwecken zugute kommen sollten.” (Österreichischer Rundfunk, 3. Programm, am 28.11. 1979, 1-Uhr-Nachrichten)

Liberalisierung in China
Nach dem neuen StGB der VR China ist die Verhängung der Todesstrafe von den Exzessen der Viererbande gereinigt worden. Sie kommt jetzt nur noch in Frage bei Konterrevolution, Mord, Sexualverbrechen, Raub, Brandstiftung, Deich- und Dammzerstörung, sowie Sprengstoffanschlägen. Ferner soll sie zu zwei Jahren Bewährung ausgesetzt werden, um Justizirrtümer zu vermeiden. Die Todesstrafe soll nur vollstreckt werden, wenn der Täter nicht umerzogen werden kann. Laut ,,Beijing Rundschau” soll damit mehr Rechtssicherheit garantiert werden. Zugleich bemerkt das zitierte Blatt kritisch, daß es im Neuen China zuwenig ausgebildete Juristen gibt, so daß Täter oft jahrelang auf ihre Verurteilung warten mußten. Das soll jetzt besser werden.

Axel Springer jr. 1941-1980

Unter diesem Titel veröffentlichte die „Welt am Sonntag“ vom 6. Januar einen Nachruf auf den Sohn des Verlegers, aus dem wir wie folgt zitieren:
„Er hatte sich zwischen 3.30 und 4.30 mit seinem fünfschüssigen Smith & Wesson zwischen die Augen geschossen – die Stelle der Tapferen ... Er hatte die Mittel zum süßen Leben, nach dem andere streben, aber er jagte und fischte mit den Bauern von Morsum ... Ein Horoskop, das ihm in den fünfziger Jahren gestellt worden war, hatte ihm einen »Unfall mit Schußwaffe« prophezeit. Er nahm es natürlich nicht ernst ... Er konnte brüllen, toben, poltern. Aber sein junges Herz war voll sanfter Güte.

Heiterkeit umgab ihn, Schönheit zog ihn an. Selbst mit Übergewicht eilte er leichtfüßig dahin ... Jetzt hat er es hinter sich. Das ist unser einziger Trost. Wo immer er ist, er braucht nicht länger so zu leiden. Er hat die unerträglich gewordene Last abgelegt. Aber wie qualvoll muß für ihn der Weg dahin gewesen sein? Der Weg zur Bank an der Alster, den er allein ging, begleitet nur von dem Tier, dessen Treue älter ist als die geschriebene Geschichte der Menschen.”

Wenn das der Führer wüßte
Wie dpa am 9. Januar meldete, mußte ein Gericht in Kaiserslautern einen ,,59jährigen kaufmännischen Angestellten” zu 6 Monaten Gefängnis mit Bewährung und DM 1.000,-- bar verurteilen, weil er seine „Ähnlichkeit mit Hitler sträflich ausgenutzt” hatte. Einlassungen des Angeklagten, in Wissenschaft und Politik seien Übernahmen aus Reden und Schriften des Ex-Führers bislang nicht nur straffrei ausgegangen, sondern nachgerade Garanten für die Karrieren von Hochschullehrern und Parteipolitikern, wurden vom Gericht nicht anerkannt. In der Urteilsbegründung hieß es ausdrücklich, daß dem Angeklagten weder seine Ähnlichkeit mit Hitler, noch die Tatsache, daß er Fotos seiner Person für  »Je sieben Mark vor allem an US- Soldaten verkauft« habe, zum Vorwurf gemacht werde. Das Gericht pönalisierte ausschließlich, daß die Ähnlichkeit des Beklagten mit dem Vorbild nicht ausschließlich zufällig war, sondern von ihm durch Tragen einer SS-Uniform für jedermann kenntlich war, so daß er sich in dem Paragraphen über das „Vergehen des Verbreitens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation” verfing.

Spaltprozesse im KB
Der Kommunistische Bund mit Hauptsitz in Hamburg hat sich neulich als Mehrheitsfraktion von einem Teil seiner Mitglieder und Freunde um die sogenannte Zentrumsfraktion getrennt. Lesern des „Arbeiterkampfs“ mußte schon seit geraumer Zeit auffallen, daß die Auseinandersetzungen innerhalb dieser Organisation endlos so weitergegangen wären, wenn sie nicht beendet worden wären. Man stritt sich im wesentlichen darüber, ob „die kommunistische Organisation” letztendlich „Keimform” der neuen Gesellschaft, „Zweckbündnis” für die neue Gesellschaft und eigentlich „Kampfgemeinschaft” zur gemeinsamen Erreichung der neuen Gesellschaft sei. Wer will da entscheiden? Noch gravierender die praktischen Konsequenzen der Kontroverse, die im Ringen der KB-Arbeitsgemeinschaften untereinander deutlich wurden: da beklagten die Männergruppen „Feminismus in der Frauenarbeit” und die Feministinnen in der Frauenarbeit konterten mit dem Chauvinismusvorwurf, den die Adressaten unter Verweis auf die Verankerung in der AG Schwule entrüstet von sich wiesen, so daß schließlich in den „tollen Tagen” kurz vor der Spaltung die „sexuellen Minderheiten” der Sado-Maso-Leder- und anderer Fetischisten zu den Prügelknaben „leninistischer Restbestände” im KB zu werden drohten. Das ist nun zum Glück ausgestanden und in den beiden Spaltprodukten wird nun die Diskussion darüber sachlich und repressionsfrei weitergeführt, ob der emanzipatorische Zug der Zeit grün, bunt oder alternativ ist, was allerdings die Frage aufwirft, ob ein linkes Wahlbündnis nun Keimform, Zweckbündnis oder Kampfgemeinschaft der neuen ...

MSZ 33/80

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