Unruhe im Iran Imperialistische Schahraden
„Im Dienste meines Landes“ überschrieb Mohammed Reza Pahlevi, Schahinschah des Iran, seine schon vor Jahren erschienene Autobiographie, doch mittlerweile sprechen alle Anzeichen dafür, daß das Land es leid ist, einem Despoten zu dienen, der ganz Persien als Material seiner Macht und seines Reichtums dienstverpflichtet hat mittels der größten Armee des nahen und mittleren Ostens und eines Geheimdienstes, dessen Einfluß auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens im Iran wesentlich grösser ist, als derjenige von Regierung, „Parlament“ und Verwaltung. Angesichts von militanten Streiks und Demonstrationen sitzt Mohammed Pahlevi im Golestan-Palast und äußert öffentlich Säuernis über sein undankbares, unvernünftiges Volk, das „islamischen Marxisten“ mehr Gehör schenke als den Großmachtplänen des Kaisers, der in der ganzen Welt, ob West ob Ost, ein angesehener (und gerngesehener) Mann ist, nur nicht im Iran, wo die Massen öffentlich seinen Tod fordern. Nachempfinden können ihm dies die Beobachter der bürgerlichen Journaille, die seit Jahren voll des Lobes darüber waren, wie Pahlevi den Iran zum „idealen Partner“ des Imperialismus gemacht hat. Bei diesen Überlegungen spielte das Los der iranischen Bauern, Arbeiter, Intellektuellen, Handwerker und Kaufleute keine Rolle und daß sie sich jetzt bemerkbar machen, wird als Störung empfunden bzw. ist Anlaß zu Spekulationen, ob ein Iran ohne den Schah seine Funktion auch weiterhin erfüllen kann.
Was die westliche Presse ihm vorzuwerfen hat, ist eine neuerdings glücklose Hand im Umgang mit den Opfern seiner Politik, so daß die einschlägig interessierten Beobachter den Verdacht aufbauen, „dieser orientalische Autokrat mit dem Adlerprofil“ könnte über seinen wenig „operettenhaften Machtphantasien“ seiner angestammten Aufgabe nicht mehr gewachsen sein: dem Management eines Landes, in dem sich fast zehn Prozent der Erdölvorkommen der Erde befinden und bisher ohne besondere Einschränkungen ihren westlichen Abnehmern .zur Verfügung stehen. Von damals auch schon so genannten amerikanischen „Militärberatern“ 1941 als Staatsoberhaupt eingesetzt, hat sich Reza Pahlevi als Geschäftsmann bewährt, der neben den Petrodollars weder ökonomische noch politische Rücksichten kennt und so der zuverlässigste Lieferant des nahen Ostens ist. Die Einnahmen des Iran aus der Erdölproduktion stiegen von 6 Milliarden Dollar im Jahre 1973 bis 1977 auf 23 Milliarden, obwohl der Schah im Zusammenschluß der erdölexportierenden Länder OPEC eine „mäßigende und stabilisierende Funktion“ ausübt. Den wachsenden Erlös aus dem Ölgeschäft verdiente sich der Schah durch prompte, ununterbrochene Lieferung – so machte der Iran den Ölboykott nach dem 6-Tagekrieg nicht mit – und durch die nahezu hundertprozentige Ölversorgung Israels und der Republik Südafrika, wohin der größte Teil des iranischen Rohöls fließt.
Für die reibungslose Ölversorgung der BRD ist der Schah nur indirekt Garant: die Ölscheichtümer im Persischen Golf genießen den militärischen Schutz der größten Armee des Mittleren Ostens, der sich im Falle des Guerillakriegs in Oman und Dhofar auch schon praktisch bewährt hat. Pausenlose Luftangriffe iranischer Düsenjäger, von britischen Piloten geflogen, entvölkerten den Dhofar, verunmöglichten somit weitere militärische Aktionen der Befreiungsfront PFLOAG und stabilisierten das Regime des Sultans Quabus, der mit dem Schah einen „Freundschafts- und Beistandspakt für alle Zeiten“ schloß. Die strategische Lage des Iran an der Südflanke der Sowjetunion macht das Land zur idealen Aufmarschbasis gegen die sowjetischen Ölfelder am Kaspischen Meer, und amerikanische Horchposten, neuerdings verstärkt durch das vom Schah bar bezahlte AWAC-System, runden das NATO-Frühwarnsystem ab. Nach der Revolution in Afghanistan und der instabilen Verhältnisse in Pakistan ist Persien schließlich mehr denn je die Säule des CENTO-Paktes und über diese Organisation auch militärischer Bündnispartner der USA (laut Vertrag verpflichten sich die USA, dem Iran im Angriffsfall zur Seite zu stehen.) Dem mit der Sowjetunion liierten Baath-Regime im Irak kann die iranische Marine jederzeit den einzigen Zugang zum Meer über den Schatt-el-Arab sperren, falls sowjetische Militärbasen oder ein Wiederaufleben irakischer Annektionsgelüste gegenüber Kuwait den „Frieden in der Region“ stören sollten. Vor zwei Jahren wurden die feindlichen Beziehungen in einem Freundschaftsvertrag geregelt, der dem Iran die Besitzrechte über umstrittene Ölinseln im Golf zusprach. Als Gegenleistung ging der Schah gegen die kurdischen Nachschubbasen in seinem Grenzgebiet vor, so daß die Irakis mittlerweile recht erfolgreich die Endlösung der Kurdenfrage in Angriff nehmen konnten. Der Nutzen der gigantischen amerikanischen Waffenlieferungen an Persien stellt sich dabei durchaus nicht bloß im militärischen Ernstfall ein: mit einem Wehretat, der größer als derjenige der BRD ist und ein Drittel des iranischen Staatshaushaltes verbraucht, sorgt dieser Staat nicht nur im allgemeinen für die Lösung des „Recycling-Problems“ der Petrodollars in die USA-Kassen, sondern fungiert im speziellen als zahlungskräftiger Abnehmer veralteter amerikanischer Waffensysteme, welche den Persern in Koppelungsverträgen angedreht werden. Dieses Geschäft hat für die USA die erfreuliche Seite, daß sie ihre Restbestände noch zu Geld machen können, andererseits verfügt die iranische Armee zwar über alles notwendige Kriegsgerät für ihre strategischen Aufgaben, kann es aber nur mit Hilfe der amerikanischen „Militärberater“ zum Einsatz bringen, so daß eine risikoreiche Verselbständigung des Geschäftspartners ausgeschlossen werden kann.
Da sich diese Dienste für den Imperialismus bekanntlich zwar nicht für die Perser, aber für die Pahlevis und mehrere andere Familien, welche die reichen Pfründe unter sich aufteilen, in Milliardenhöhe bezahlt machen, steht der Schah nur vor einem ökonomischen Problem: der möglichst vielseitigen Erweiterung der Geschäftsgrundlagen für das Ausland, an deren Vermittlung und Ausbeutung er verdient. Der „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“, den er seit Jahren als Promotion für ausländische Investitionen betreibt, hat nichts zu tun mit einer Verwendung des Erdölreichtums für eine selbständige industrielle Entwicklung des Iran und schon gar nicht mit dem Ziel, der internationalen Schwerindustrie auf dem Weltmarkt Konkurrenz zu bieten, wie persische Regierungsmitglieder in den Iran-Werbebeilagen hiesiger Tageszeitungen verkünden. Die Einrichtungen petrochemischer Anlagen an Ort und Stelle der Erdölförderung, welche selbst von einem hundertprozentig internationalen Konsortium kontrolliert wird, lohnt sich allein schon wegen der Einsparung von Kosten für den Erdöltransport und wird im übrigen ausschließlich durch westliche Arbeitskräfte bis hinunter zum Facharbeiter in Gang gehalten. Neben diesem Hauptanwendungsgebiet der Ölprofite steht das Land jedem Investor und Handelspartner offen, der seinen Energiereichtum und die billige Arbeitskraft zu schnellem Gewinn verarbeiten will und entsprechende Konzessions- und Lizenzgebühren an den Hof und seine Trabanten zahlt. Die massive staatliche Förderung neuer Produktionsstätten lohnt sich dabei auch dann, wenn diese nicht rentabel genützt werden können – falls die Fabrik überhaupt gebaut wird, für den ausländischen Lieferanten, der sie in bar vergütet bekommen hat; im anderen Fall für denjenigen, dessen Investitionspläne ihm einen kräftigen Griff in die Staatskasse ermöglicht und so auf dem kürzesten Weg für eine schwungvolle Umverteilung der Mittel der herrschenden Klasse gesorgt haben. Wo alles dermaßen „in der Entwicklung steht“; sollten weder schlüsselfertige „Geisterfabriken“, die zwar finanziert aber nicht gebaut werden oder nie die Produktion aufnehmen, noch die „strukturelle Ungleichmäßigkeit“ etwa des Straßenbaus verwundern, die einerseits eine moderne Autobahn zwischen Teheran und den Ferienaufenthalten der Reichen am Kaspischen Meer hervorgebracht hat, während andererseits der Gütertransport vorwiegend durch Lastwagenkolonnen über Schotterstraßen abgewickelt wird. Wenn sich dieses Land ohne Energieprobleme auch noch modernste Atomreaktoren leistet, die für „noch“ nicht vorhandene Industriekomplexe Strom liefern sollen, so kann das der deutschen Kraftwerksunion nur recht sein, so lange die Auftraggeber zahlungsfähig sind. Daß das Management dieses importierten Wildostkapitalismus auch keine Vorurteile gegen Geschäfte mit Arbeiter-und-Bauern-Staaten hegt, läßt zur Zeit vor allem die Sowjetunion profitieren, die billig abgebautes iranisches Erdgas teuer nach Westeuropa verkauft und das einzige derzeit funktionierende Stahlhüttenwerk Persiens betreibt. Pekings wirtschaftliches Engagement ist deswegen keineswegs unerwünscht, umsomehr als Hua Kuo-Feng in seinem Antrittsbesuch beim Schah seine Kooperationsbereitschaft durch das Angebot zu substantiieren wußte, den Iran beim Auslöschen von ehemals durch chinesische Hilfe existierenden arabischen Befreiungsbewegungen sachkundig zu unterstützen.
Die bleibende Grundlage für solche Verwertung der Landesressourcen, das einheimische Lumpenproletariat als Reservoir billigster Arbeitskraft, obendrein durch noch opferbereitere Pakistanis und Afghanen ergänzt, wird bis dato durch den vergleichsweise kostengünstigen „Dienstleistungssektor“ der Armee und der berüchtigten Geheimpolizei erhalten. Innerhalb kürzester Zeit hat die „ Weiße Revolution“ den ehemaligen Agrarstaat Iran in ein Land verwandelt, das die notwendigen Nahrungsmittel hauptsächlich aus dem Ausland bezieht und sich so nebenbei zu einem wichtigen Absatzmarkt westlicher Konsumgüterkonzerne entwickelt. Die 1963 begonnene Land(um)verteilung verkaufte den Kleinbauern und Landarbeitern Besitz, der entweder per Gesetz den Großgrundbesitzern zwangsabgekauft wurde oder aus dem Kronland stammte, das sich die Pahlevifamilie, deren Gründer bei seinem Machtantritt 1920 noch ein landloser Armeeoffizier war, im Laufe der Zeit zugelegt hatte. Den Kaufpreis streckte eine vom Schah gegründete Bank vor und die „Beschenkten“ mußten sich zur Rückzahlung des Kaufpreises plus Zinsen innerhalb von 5 Jahren verpflichten: „Weil sie nicht über die Mittel und über genug Land verfügten, um ihre Arbeit rentabel zu gestalten, bzw. ihre Schulden zurückzahlen zu können, zogen es die Bauern vor, ihre Eigentumstitel zu verkaufen und die Reihen des Stadtproletariats zu vergrößern. Die ehemaligen Feudalherren, die das Land zurückkauften, waren die Nutznießer. Ferner ausländische Investoren, die in günstigen Gebieten billig Land aufkauften und mit spottbilligen Arbeitskräften Großfarmen, so genannte Ranch-Kolchosen (!) anlegten.“ („Le Monde“) Hauptgewinner war allerdings auch hier der Pahlevi-Clan, der ausschließlich Brachland abtrat und es sich von den Bauern Urbarmachen ließ, um sie nach dem Rückkauf des Bodens als Taglöhner für sich weiterarbeiten zu lassen. Während der Iran vor Beginn der „Weißen Revolution“ noch Agrarprodukte exportierte, betrugen die Nahrungsmittelimporte 1978 2 Milliarden Dollar und die Opfer dieser „sozialen Großtat von oben“ haben den gewaltigen sozialen Aufstieg vom Pächter zum Taglöhner hinter sich gebracht oder bevölkern die Slums von Teheran, wo sie von den Abfällen der Zivilisation und kleinen Hilfsarbeiterjobs leben.
Die Ausrichtung des ganzen Landes auf das Erdölgeschäft (von 25 Mill. Dollar Export stammen 23 Milliarden aus den Erdöleinnahmen des Staates) und die endgültige Zerstörung der Landwirtschaft durch die „Weiße Revolution“ waren und sind die Mittel des Schahs, seinen Reichtum zu vergrößern. Zugleich bedeuten sie den Zwang, bei Einnahmen wie Ausgaben den Ausverkauf der nationalen Ressourcen an Bodenschätzen und Menschenmaterial voranzutreiben, soll dies Geschäft weiterblühen. Bei den Ausgaben für Militär, Militäranlagen, Prachtbauten und andere Projekte zur Erhaltung der Schah-Macht und des Schah-Geschäfts, sowie seiner Repräsentation nimmt der Schah ebensowenig Rücksicht auf die Wirtschaftskraft des Landes wie auf die Notwendigkeiten ihrer Entwicklung. Das wachsende Mißverhältnis zwischen den steigenden Ausgaben und den nicht gleichermaßen wachsenden Einnahmen aus dem Erdöl – weil inzwischen einzige Einnahmequelle des Landes, machte sich der Dollarverfall besonders bemerkbar – haben inzwischen zu einer wachsenden Staatsverschuldung und einer Inflationsrate von 25 % geführt, wobei die Massen auch hier die Last der nationalen Verarmung zu tragen haben (bei lebenswichtigen Gütern beträgt die Inflation bis zu 40 %). Und da die produktive Anlage der Gewinne im eigenen Land zu wenig lukrativ oder zu unsicher erscheint, kommen den meisten Iranern nicht einmal die paar Errungenschaften zugute, die ein im eigenen Land verbleibendes Kapital schaffen könnte: Arbeitsplätze. Außer dem größten Teil des Staatsschahhaushalts, der ins Ausland fließt, verschwinden jährlich auch noch 2 Milliarden an Kapitalgewinnen fluchtartig aus dem Land, wobei der Schah neben seinen Auslandsaufträgen mit Beteiligungen an ausländischen Firmen (Krupp) hier wie überall den Vorreiter macht. So wird das ganze Land dem Erdölgeschäft ausgeliefert und die traditionellen Quellen, sich ein mehr oder weniger ausreichendes Einkommen zu sichern, werden zu Anhängseln einer einzigen Reichtumsquelle, die die Mehrzahl der Bewohner in den Stand absoluter Armut versetzt, den Großteil des Mittelstandes an den Rand des Ruins bringt, selbst die traditionelle besitzenden Schichten ärmer macht und zufriedenstellende Profite nur den Schahgünstlingen, bzw. ihm selbst sowie den ausländischen Firmen erlaubt.
Weil too much trouble im Innern des Iran die strategische Bedeutung dieses Landes und überdies die friedliche Ausbeutung seiner Erdölfelder ernsthaft zu beeinträchtigen drohte (die erste Tat der Regierung des Großgrundbesitzers Mossadegh war die Nationalisierung der Erdölquellen gewesen – damals noch im alleinigen Besitz der Anglo-Iranian-Oil-Company), beliessen es Briten und Amerikaner (letztere unter geschickter Beförderung des britischen Rückzugs östlich von Suez) nicht einfach bei dem vom CIA durchgeführten Putsch, bei dem es auch Probleme mit der iranischen Nationalgarde gegeben hatte, die z.T. hinter ihrem Präsidenten stand. Sie begannen, den iranischen Staat samt Kaiser systematisch so auszustatten, daß er sich in Zukunft selbsttätig seiner (und ihrer) Feinde entledigen konnte. Mit der Rückkehr des Schahs und seiner Soraya, die sich bereits in das römische Hotel Excelsior an der Via Veneto abgesetzt hatten, wurde die noch junge Dynastie der Pahlevis militärisch dermaßen aufgerüstet, daß fortan ohne oder gar gegen die Armee und die diversen Geheimpolizeien nichts mehr gehen sollte.
Dabei machte vor allem die brutale Vernichtung jeder Opposition im Lande (allein die kommunistische Tudeh verlor 20.000 Mitglieder) klar, daß es sich bei dem „Modell für einen modernen Staat“, das der Schah seinem Volk zu bauen versprach, um einen Staat handeln sollte, der ausschließlich die Herrschaft der Schah-Clique und eines Dutzend weiterer Familien zu sichern hatte. Gerade weil der Schah den Staat zu dem Instrument seiner Bereicherung gemacht hatte, bedurfte es eines Gewaltapparates, der mit allen verfügbaren Mitteln in der Lage ist, diese Praxis gegen jede Art von Widerstand durchzusetzen. Noch jede Staatsmaßnahme ist im Iran am Geschäft des Mohammed Reza Pahlevi orientiert und, weil die Pahlevis der Staat sind, „im nationalen Interesse“. Die langfristige Sicherung und Mehrung des Reichtums der herrschenden Oligarchie läßt sich so als „infrastruktureller Aufbau“ eines Iran zur „Großmacht des Jahres 2000“ deklarieren. Wo also darin jede Investition ihr Recht hat, sind alle Geschäfte legal. Die neugegründete „Pahlevi-Stiftung“ z.B. wird von der Opposition nur deshalb als illegal kritisiert, weil sie daraus keinen Gewinn zieht. „Im nationalen Interesse“ werden nämlich die Besitzer geeigneter Ländereien vertrieben, darauf steuerfreie Immobilien- und Touristikprojekte errichtet und diese Anlagen an „Personen des Vertrauens“ der Staatsmacht zu Spottpreisen „verkauft“. Da alle Geschäfte der kaiserlichen Familie Staatsgeschäfte sind, bei denen keine Konkurrenz geduldet wird, kommt es bei ihrer Tätigung zu Formen, die anderswo als Verbrechen verfolgt würden. Da kommt es schon mal vor, daß ein ehemaliger SAVAK-Chef wie der General Bakhtiar, der diese Geheimpolizei mit israelischer Hilfe aufbaute, von seinen eigenen Leuten ermordet wird, nur weil er sich mit einigen reichen Clans gegen die „Weiße Revolution“ des Schahs zusammentat, die eben nichts als eine gigantische Landumverteilung zugunsten des Schahs, selbst größter Großgrundbesitzer Persiens, und amerikanischer Agrarkonzerne war. Staatsraison im Iran heißt, daß einige verdiente Lakaien und ehemalige Minister als Opfer einer „Anti-Korruptions“-Kampagne vorübergehend ins Gefängnis wandern, nur weil der Schah einige Sündenböcke zur Beschwichtigung der aufgebrachten öffentlichen Meinung gebrauchen kann. Und um zu verhindern, daß sich jemand unabhängig von seinem Einsatz für die Schah-Familie innerhalb des Staatsapparates seine Pfründe sichert, hat diese ein ,,Kaiserliches Inspektorat“ zur dauerhaften Überwachung ihrer Beamten eingerichtet. Opposition im Iran, so der Schahinschah, ist nur dort angebracht, wo sie eine positive Wirkung für sein Regime hat, und darüber weiß nur einer Bescheid: „Die Opposition, das bin ich. Denn wenn immer einer meiner Inspekteure mir berichtet, daß etwas nicht läuft, schalte ich mich ein und bestrafe die Schuldigen.“
Daß jede Art von Opposition in einem Land, das gerne das „Japan oder Deutschland des Nahen Ostens“ werden möchte, verboten ist, gilt natürlich erst recht für alle die Gruppen in der iranischen Gesellschaft, die die Opfer der vom Schah in Gang gesetzten „Modernisierung“ sind. Zur „Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung“ übernimmt die Armee deshalb die Funktion der Besatzungsmacht im eigenen Lande und fährt überall dort auf, wo sich Protest der Bevölkerung regt. Die persische Armee, die zu den bestausgerüsteten der Welt zählt und die von 40.000 Amerikanern als Ausbildern und technischen Spezialisten abhängig ist, ist eine Armee im ständigen Einsatz: sie bewacht die Erdölproduktion, steht auf dem Campus und vor den Basaren und ist um die schiitischen Zentren stationiert, wo sie die Staatsmacht nicht nur demonstriert. Weil im Iran die Macht des Staates und der nationale Reichtum sich in der Hand des Potentaten konzentrieren, ist der Schah keineswegs der schwächliche, innerlich hin- und hergerissene Herrscher, als den ihn kürzlich der „SPIEGEL“ charakterisiert hat. Für seine Dienste bei der Absicherung des Geschäfts, zur Mehrung des privat angeeigneten Reichtums, wird der Gewaltapparat großzügig honoriert durch die wohlkalkulierte Beteiligung der Machtorgane an den Gewinnen. Dadurch kann der Schah sicher sein, daß Armee, Polizei und Geheimdienst die Mehrung seines Reichtums als ihr eigenes Interesse betreiben. Er bezahlt seinen Truppen ihren Job im Einsatz gegen das eigene Volk (weshalb auch Teheranische Frühlingsgefühle nicht aufkommen wollten, als Demonstranten den Truppen mit Blumen entgegentraten) mit einem Sold, der weit über dem Durchschnittslohn eines Persers liegt, stellt ihnen Einkaufsmöglichkeiten zu Sonderpreisen zur Verfügung und räumt den Soldaten zinsgünstige Kredite zum Landerwerb und Hausbau ein. Das Offizierscorps zählt durchweg zur wohlhabenden Schicht des Landes, wobei es bei steigendem Dienstrang an immer lukrativere Pfründe herankommt. Die zahlreichen Kommandeure erhalten durchweg Beteiligungen und Konzessionen an staatlich geförderten Unternehmen und als Zugabe jede Menge Lametta, das ihre soziale Stellung unterstreicht und sich bei den Empfängen am kaiserlichen Hof gut macht. Allerletzte Einsatzreserve ist eine „Kaiserliche Garde“ bestehend aus 9.000 Männern aller Truppengattungen, die bei der Niederschlagung des Aufstandes in Dhofar, einander abwechselnd, Kampferfahrung sammeln durften.
Daß das Kriegsrecht erst jetzt über das eigene Land verhängt wurde, ist dem SAVAK zu verdanken, der weltweites Ansehen als „besonders effiziente und billige“ Geheimpolizei genießt. Seine Informanten, die überall in der Bevölkerung und im Staatsapparat sitzen und auch die Armee bespitzeln, kommen ihrer Aufgabe, jeden „Zeitgenossen ohne Bindung an unser Land“ (Schah in Time, 1976) ans Messer zu liefern, schon deshalb so „billig“, d.h. freiwillig und ohne Bezahlung nach, weil sie sich davon ihre eigene Verschonung erhoffen. Wo der Geheimdienst überall präsent ist, kann niemand, vor seinem Zugriff sicher sein. Und weil jeder gefährdet ist, klagt der SAVAK nie über Personalmaiigel, weil die Verrichtung von Spitzeldiensten eine – wenn auch unsichere – Gewähr dafür bietet, selbst ungeschoren zu bleiben. Die Einschränkungen, die sich diese geheime Polizei seit einigen Monaten gefallen lassen muß, verdanken sich ihrem zu weiten Vorpreschen (Auftritt gegen iranische Antischahdemonstranten in den USA, Ermordung hoher schiitischer Priester), das geeignet war, dem Ansehen Persiens in den westlichen Ländern zu großen Schaden zuzufügen. Für den Schah höchstpersönlich ergab sich wieder einmal die Gelegenheit, sich als erster Oppositioneller und Oberkontrolleur seines Landes publikumswirksam darzustellen, indem er dem SAVAK kurzerhand eine Neben-Geheimpolizei an die Seite stellte. Gewaltenteilung im Iran funktioniert also als Verdoppelung aller Exekutivorgane: neben dem Geheimdienst ein noch geheimerer Übergeheimdienst, neben der Regierung das kaiserliche Hofkabinett und bis vor wenigen Jahren hatte der Schah auch aus Funktionären der damaligen Staatspartei eine Oppositionspartei gegründet, weil er damit den Forderungen des US-Präsidenten Kennedy nach mehr Demokratie nachkommen konnte. Diese Verdopplung hat für den Schah mehrere Vorteile: – durch die wechselseitige Kontrolle, die bei Institutionen mit gleichem Betätigungsfeld die Form der Konkurrenz annimmt, wird deren Effektivität gesteigert; – offenkundig werdende Übergriffe des SAVAK, Korruption in der Verwaltung oder Fehlentscheidungen der Regierung sind nie Schuld des Schahs, sondern werden von ihm selbst als Versagen, von Personen angeprangert, die sich seines Vertrauens unwürdig erwiesen haben; – die Verantwortung für Unruhen tragen korrupte Kräfte in der Administration, die den „guten Willen“ des Schahs verfälschen. Gipfel dieser Ideologie ist der Vorwurf des Schahs an die Demonstranten, sie setzten sich gegen sein eigenes Liberalisierungsprogramm zur Wehr, wenn sie die Errichtung demokratischer Verhältnisse im Iran fordern! So überläßt der Schah zur Zeit die Niederschlagung des Aufstands durch das Kriegsrecht der Regierung und dem Parlament, die sich beide ausschließlich aus Mitgliedern der Staatspartei Rastakhiz (= Nationale Auferstehung) zusammensetzen und dem Regime durchweg durch ein System „materieller Anreize“ verpflichtet sind. Die ideologische Basis dieser Partei ist die Fiktion von der automatischen Mitgliedschaft aller Iraner, so daß der Schah die Demonstranten auffordern kann, statt Unruhe zu stiften, gefälligst den legalen Weg durch die Institutionen anzutreten. Als andererseits eine Pro-Schah-Demonstration der Rastakhiz kläglich scheiterte, feuerte er 35 Funktionäre, deren Unwillen, im Parlament mehr zu sehen als eine Bereicherungsmaschine, er es anlastete, daß aus der Staatspartei keine Volkspartei wird.
Alle ideologischen und organisatorischen Bemühungen Pahlevis, sich als Vater des Vaterlands darzustellen, und die Füllung der kaiserlichen Schatulle durch den Einsatz aller Mittel, die der Imperialismus kennt, um ein Land wie Persien auszuplündern, als Modernisierungsprogramm zu verkaufen, müssen den wütenden Protest der Opposition hervorrufen, die in allen Maßnahmen des Schahs nur den weiteren Ausverkauf des Landes und ihren Ausschluß vom nationalen Reichtum bis hin zur Zerstörung ihrer ökonomischen Reproduktionsgrundlagen erblickt. Die Protagonisten des Widerstands, wie sie sich vor allem in der „Nationalen Front“ zusammengeschlossen haben, sind durchweg Angehörige jener Stände, die in den Metropolen zu den Trägern der Staatsgewalt und ihren Nutznießern gehören: – Grundbesitzer, denen die „Weiße Revolution“ des Schahs einen Teil ihres Besitzes abgeknöpft hat und denen durch die Großfarmen, in die der nicht existenzfähige Parzellenbesitz der vom Schah „beschenkten“ Bauern nach seiner Fruchtbarmachung eingegangen ist, eine übermächtige Konkurrenz in der Hand der kaiserlichen Familie und ausländischer Konzerne erstanden ist. – Kaufleute und industrielle Familienbetriebe, denen die Konkurrenz der Konzessionäre des Regimes das Wasser abgräbt. – Intellektuelle, denen der Zugang zu den wirklich attraktiven Positionen in Wirtschaft und Administration durch den Nepotismus des herrschenden Klüngels verschlossen ist, und die Studenten, denen nach dem Studium die Perspektive einer Lehrer- oder Arztstelle in den Wüsteneien der Provinz winkt, wo sie im Rahmen der Alphabetisierungskampagne dem Landproletariat beibringen dürfen, wie man den Namen des Schahs schreibt, oder als Teil des Gesundheitsprogramms für mageres Gehalt die Folgen der chronischen Unterernährung und der Abwesenheit jeglicher sanitärer Verhältnisse kurieren dürfen. Kein Wunder, daß sich gerade unter den iranischen Studenten im Ausland Zentren der intellektuellen Opposition gebildet haben. Gerade der Vergleich mit den Aussichten eines Akademikers in den westlichen Demokratien schürt die Gegnerschaft zu einem Regime, das seine Intellektuellen wenn überhaupt dann zum Dienst am Schah einsetzt. Durch die Verknüpfung kaiserlicher Macht mit den Interessen des Imperialismus, der Sowjetunion und neuerdings auch der VR China, ist das Programm der CISNU(1) „antiimperialistisch, antirevisionistisch und gegen die Theorie von den Drei Welten“ ausgerichtet, so daß alle Anhänger Moskau- oder Peking-orientierter Gruppierungen ausgeschlossen wurden, während sich die Mitgliedschaft in der „Nationalen Front“ durchaus unter die CISNU-Linie subsumieren läßt.
Die Masse der Arbeiter, Bauern und Lumpenproletarier in den Städten und auf dem Lande, die zwar die Widerstandsaktionen personell tragen, dienen dieser Opposition als Mittel zur Durchsetzung ihres Ziels einer iranischen Demokratie, die die Mittel des Landes zum Aufbau einer nationalen Kapitalakkumulation einsetzt und die bisherige Oligarchie davon ausschließt. Die einzige relevante Organisation, die zumindest im Programm eine „sozialistische Perspektive“ vorweist, ist die revisionistisch Tudeh-Partei, die bis vor kurzem noch in Unterstützung der sowjetischen Iranpolitik den Schah als „Reformer“ feierte und sich erst jetzt an die allgemeine Anti-Schah-Stimmung anhängt, wobei sie aber voll und ganz die „Nationale Front“ unterstützt und ihren ohnehin nicht allzu großen Anhang im Proletariat auf die Unterstützung der nationalen Einheit verpflichtet.
Deshalb scheuen sich die Revisionisten der Tudeh nicht davor, dem beherrschenden Einfluß des Islam auf das Bewußtsein der Massen Konzessionen zu machen. Der Einfluß der Mullahs auf die Massen verdankt sich deren Gegnerschaft zum Schah, der im Gegensatz zum schiitischen Ideal vom Religionsstaat, in dem die Politik sich der Zensur der obersten Geistlichkeit unterwirft, seinerseits den Islam nur allzu gerne zur Staatsreligion machen möchte, weil sich der Koran bei entsprechender Auslegung ebenso als Ideologie der Staatsmacht hernehmen läßt. Im Widerstand gegen die imperialistische Ausplünderung des Iran, die den Mullahs die gesellschaftliche Basis ihres Einflusses entzieht und die Wurzeln des Islam in Bauerntum und Handwerk zerstört, erblickt das Volk einen Schutz gegen die Übergriffe des Regimes und die besitzenden Klassen in der Opposition benützen die religiösen Freiheiten in den Moscheen als Tribüne ihrer Anti-Schah-Agitation. Die Versuche des Schahs, den Widerstand der Mullahs gewaltsam zu brechen (von den fünf Ajatollahs wurden drei vom SAVAK ermordet, einer ist verbannt und der jüngst durch Interviews bekanntgewordene Sharrit steht in seiner Moschee praktisch unter Hausarrest) trug nur verstärkend dazu bei, daß die iranische Massenopposition ihren nationalistischen Widerstand gegen den US-Lakaien Pahlevi als Identifikation mit dem Islam, als islamische Erweckung vorträgt und ihr Wunschbild von einem unabhängigen Nationalstaat als schiitisches Ideal der Unterwerfung des Staates unter das Kalifat ausgemalt wird. Die Mullahs ihrerseits machen mit der Religion Politik, indem sie die ökonomischen Grundlagen des anti-islamischen Kaiserregimes anprangern: „Der Schah hat unsere Wirtschaft zerstört und die Erdöleinkünfte – der Reichtum der Zukunft – verschleudert mit Einkäufen von Wegwerfwaren zu exorbitanten Preisen. Dies schadet der Unabhängigkeit des Iran.“ (Ajatollah Khomeini) Alle Versuche des Schahs, den Islam dadurch für seine Machterhaltung nutzbar zu machen, daß er den Mullahs vorwirft, sie verfälschten den Koran – „Ich persönlich glaube, daß der Islam dem Fortschritt gegenüber nicht feindlich ist. In einem normalen Klima braucht die Gesellschaft den Glauben als Element der Stabilität und Stärke.“ („Time“) – sind bislang an dem „unnormalen Klima“ gescheitert, für das seine Politik der Zurichtung Persiens zum Pahlevi-Konzern fortlaufend sorgt. Als blanker Hohn muß der Opposition und den sie tragenden Massen die kaiserliche Denunziation der Mullahs als reaktionäre Fortschrittsfeinde, die den Iran ins Mittelalter zurückführen wollen, vorkommen, angesichts eines Despoten, dessen Fortschritt die große Masse des Volkes zu wirklich mittelalterlichen Existenzweisen verurteilt. Und die Protagonisten der Opposition unter den Intellektuellen und dem besitzenden Mittelstand wissen, daß sich mit einer Indienstnahme des Staates für das islamische Gesetz sehr wohl ein starker Staat machen läßt, der den nationalen Reichtum in einer Form akkumuliert, daß für alle wenigstens das Lebensnotwendigste und für wesentlich mehr als bisher auch noch eine Menge mehr dabei abfällt. Nicht von ungefähr gibt es gute Beziehungen der islamischen Opposition im Iran mit dem „islamischen Sozialismus“ Ghadafis, und der libysche Staat, der über den Sturz eines Königs zu seiner heutigen Position gelangt ist, fungiert als politisches Ideal. Daß der Schah erkannt hat, daß seine propagandistische Hetze gegen die Mullahs keine Resonanz findet (mit Ausnahme seiner Freunde in der demokratischen Presse hierzulande), demonstrieren die anderen Mittel, zu denen er mittlerweilen den SAVAK greifen läßt. (Dieser hat sich allerdings bei der Inszenierung eines iranischen Reichstagsbrands in Abadan einen plump-brutalen Schnitzer geleistet: im angesteckten Kino wurde kein Sexfilm, sondern ein oppositioneller Streifen gezeigt; da die Vorstellung nach Sonnenuntergang anlief, lag auch keine Verletzung des Ramadan-Genußverbots vor und trotz der gründlichen Einäscherung fand man in den Trümmern noch die von außen verriegelten Türen der Notausgänge.)
Das Kriegsrecht, so der Schah, soll weniger als 6 Monate gelten, wenn das Volk sich »vernünftig« zeigt, wobei besagte Vernunft des Volkes darin besteht, sich nicht erst durch dauernde Massaker und Repressalien von ihren laut demonstrierten Hoffnungen auf die verschiedenen Führer der Opposition abbringen zu lassen. Neben der Niederschlagung der Unruhen und der Beseitigung von oppositionellen Wortführern und ihren Anhängern versucht der Schah daher, das Bündnis zwischen „Nationaler Front“ und den Mullahs durch Versprechungen und dosierte Konzessionen (Wahlen, mehr Rechte für die Mullahs) aufzubrechen, mit der Berechnung, daß Politik Geschäft ist und die vom Schah zugestandenen Vorteile unter Umständen manchen auf den gefährlichen Kampf um die Macht und einen Nationalstaat Iran verzichten lassen, sofern der für ihn größere Vorteile auch nicht sicher zu bieten hat. Auf der anderen Seite unterstützt er die praktische Niederschlagung durch die bewährte Demonstration gegenüber „seinem“ Volk, daß dessen politischer Wille bei ihm bestens aufgehoben sei. Einen Anfang bei seinen Anstrengungen, „gesunde politische Institutionen“ zu schaffen und eine „politische Klasse zu erziehen“, hat der Schahinschah bereits gemacht: Die Einheitspartei darf nicht nur, sondern sie soll als 3 selbständige Flügel vor die Massen treten und um deren Unterstützung werben: Erstens als staatstragender „konstruktiver Flügel“ der für die „Einhaltung der Gesetze“ eintritt; zweitens als „progressiver Flügel“, worunter in Iran die pan-iranischen Faschisten zählen, die eine „Stärkung des Staates“ fordern; drittens schickt der Schah Farah Dibah mit dem „liberalen Flügel“ vor, der sich Reformprogramme ausdenken darf. Es bahnt sich also ein demokratisches Spektakel an, bei dem die Interessen der Bazaris und der großstädtischen Massen diesmal mit dem Hinweis auf ihre prinzipielle Berechtigung (der neue Ministerpräsident Scharif-Emami: „Der grundsätzliche Unterschied ist, daß wir den Forderungen des Volkes Beachtung schenken und uns darum kümmern“) dem übergeordneten „Staatswohl“ untergeordnet, d.h. geopfert werden sollen. Wobei der Umstand, daß die verschiedenen Staatsprogramme nicht durch verschiedene Parteien sondern unter dem Dach der Schah-Partei friedlich vereint und praktisch bedeutungslos existieren, wenig Illusionen darüber zuläßt, daß es um die nationale Wohlfahrt und erst recht um die Wohlfahrt der Massen dabei nicht geht. Also dient dieser Zirkus auch weniger dem eigenen Volk, von dessen Zustimmung der Schah gar nicht abhängig ist, sondern denen, von deren Wohlwollen er allein abhängt und denen er seine Unabhängigkeit von seiner Nation verdankt.
Ob irgendjemand von denjenigen, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf einen persischen Staat ohne den Schah setzen, durch den neuerlich aufpolierten Schein baldiger größerer Demokratisierung beeindruckt werden, ist von ebenso untergeordneter Bedeutung wie die Frage, ob durch die Erweiterung des Kreises derjenigen, die der Schah an seiner Politik mitprofitieren läßt, sich die Opposition zersplittert, oder die Gegenfrage, ob denn der Schah überhaupt bereit ist, die Macht, der er sein Geschäft verdankt, und damit sein Geschäft, dem er die Macht verdankt, durch „Demokratisierung“ des Staates und „Normalisierung“ der Wirtschaft zu schmälern. Die Widersprüche, in denen sich der Schah bewegt, und die rund um die Welt von der Presse so eifrig wie falsch besprochen werden, lösen sich lässig, solange er sich der Loyalität der Armee und der SAVAK sicher sein kann. Und wie lange er das kann, hängt davon ab, wie lange ihm die USA und andere imperialistische Mächte die Geschäftemacherei durch das Gewaltmonopol erlauben und die für seine Bewahrung erforderlichen Gewaltmittel zukommen lassen, solange also sie dabei auf ihre Kosten kommen. Nur deswegen verzichtet der Schah, der seine allenthalben besprochenen „Schwierigkeiten“ mit seinem Volk ohne Schwierigkeiten mit einem militärischen Schlag lösen könnte, auf diese Sorte Endlösung. Mit dem sicheren Instinkt des souveränen Lakaien, der es durch seine Dienste für den Imperialismus zu etwas gebracht hat, spürt er, daß die Fortsetzung seiner – militärisch gesicherten – Befriedungspolitik, das Lavieren zwischen Gewalt, Bestechung und politischen Konzessionen billigster Art zwar die Opposition im Lande nicht beseitigt, den Amis aber den Entschluß erleichtert, weiterhin auf ihn zu setzen und seine Gewalt zu unterstützen. ______________________________________ (1) CONFEDERATION OF IRANIAN STUDENTS, NATIONAL UNION. Nach dem Sturz Mossadeghs wurden sämtliche studentischen Proteste und Organisationen verboten und verfolgt. Die iranische Studentenvereinigung wurde daher Ende der 50-er Jahre im Exil gegründet, und gab sich 1962 auf einem Kongress in Heidelberg offiziell den Namen CISNU. Als Auslandsorganisation dem Zugriff der iranischen Behörden entzogen, entwickelte sich die CISNU bald zur wichtigsten und bestorganisierten Opposition gegen das Schah-Regime und beeinflußte auch die Wahrnehmung dieses Regimes in den westlichen Medien. Die linken Aktivisten dominierten sie während der 60-er Jahre, verloren aber an Terrain, als sich die Sowjetunion und China mit dem Schah arrangierten. Die CISNU bediente sich als eine der ersten Organisationen erfolgreich der von der Carter-Regierung gegen die SU in die Welt gesetzten Menschenrechtswaffe, um das Schah-Regime anzuklagen. Es mag sein, daß die Aktivitäten der CISNU dazu beitrugen, daß die USA 1979 den Schah als Statthalter ihrer Interessen als verbraucht ansahen und fallenließen, was den Machtkampf um seine Nachfolge auslöste, aus dem die Khomeini-Fraktion als Sieger hervorging. (Ergänzung von 2014)
aus: MSZ 25 – Oktober 1978 |