Kritik der sozialpädagogischen Ausbildung
Inhalt: Was ein künftiger Sozialarbeiter lernen muß Projektorientiertes Studium: Aus Erfahrungen lernen Methoden der Sozialarbeit: Charakterbildung der Sozialpädagogen Interaktionstraining: Hart im Nehmen – härter im Geben Rechtsausbildung für Sozialpädagogen: Das soziale Herz auf dem rechten Fleck
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Was ein künftiger Sozialarbeiter lernen muß Sozialarbeit studiert man nicht einfach, wie man Maschinenbau, Betriebswirtschaft oder Sprachen studiert. Bei Sozialarbeit geht es einem darum, später einmal Menschen zu helfen, und zwar denen, die in dieser Gesellschaft nicht ordentlich zu Rande kommen. Und wer im FOS-Praktikum seine ersten Erfahrungen mit der landläufigen Sozialarbeiterpraxis gemacht hat, der ist in aller Regel der Auffassung, er möchte einmal mit seinen Klienten besser verfahren, ihnen effektiver helfen. Ihn stört aufgrund seiner Erfahrungen die Tatsache, daß die Klienten eine staatliche oder von Verbänden getragene Unterstützung bekommen, die ihr Elend möglicherweise etwas lindert, aber 1. verändern diese Hilfen nicht grundsätzlich deren Lage, weshalb sich die Klienten i.d.R. nach kürzester Zeit in derselben Notlage wiederfinden, die Ursachen ihres Elends werden nämlich nicht beseitigt, und 2. handelt es sich stets nur um Einzelfälle, deren Situation verbessert wird, an anderer Stelle entsteht aber immer wieder die gleiche Not. Solche Sozialarbeit ist darum eigentlich Sisyphusarbeit. Trotz dieses Urteils ist man bereit, einen Sozialarbeiterberuf anzustreben und auch den persönlichen Einsatz zu leisten, der von einem dabei gefordert ist. Daran hindert einen Sozialwesenstudenten auch nicht der Umstand, daß er, der er sich für Ausgeflippte und verkrachte Existenzen einsetzen will, von denen, die normalen Berufen nachgehen, als Idealist belächelt wird. Während der normale Mensch in der bürgerlichen Gesellschaft seine soziale Seite auf das Weggeben von Entbehrlichem (auf Spenden z.B. für das Müttergenesungswerk oder den Loskauf bei der Aktion Sorgenkind) beschränkt, weil er sich eine Erfahrung zu Herzen genommen hat, daß man um der Selbstbehauptung willen auf andere keine Rücksicht nehmen darf, will der künftige Sozialarbeiter sich zur Linderung der Not einsetzen, die der Überfluß des Kapitalismus so mit sich bringt. Doch weil er von dem Wert karitativer Veranstaltungen auch nicht so recht überzeugt ist und seinen Beruf auch nicht nur als idealistische selbstlose Armenbetreuung ansehen will (schließlich wird er ja auch ein studierter Mensch), hält er sich an die Rede vom Wechsel des Berufsbildes des Sozialarbeiters. Das veraltete Bild der Sozialarbeit, das er zwar im Praktikum als die Praxis kennengelernt hat, werde – daran glaubt er ganz sicher – immer mehr einer „Sozialpädagogik auf wissenschaftlicher Grundlage“ weichen (wobei die Einrichtung von Studiengängen an den Fachhochschulen der beste Beweis für die sich anbahnende Veränderung sei). Statt Arme-Leute-Betreuer werde er darum auch Fachmann für einen bestimmten Bereich der Pädagogik, der ganz allgemein immer mehr an Bedeutung gewinne. Darum geht er auch mit ganz bestimmten Erwartungen an die Hochschule. Hier will er eine solide theoretische Grundlage erhalten, mit deren Hilfe er später Probleme, die die Menschen in unserer Gesellschaft haben, lösen kann. Klarstellungen seitens der Sozialpädagogik Mit seinen Vorstellungen, daß sozialarbeiterische Handwerkelei ein trostloses Geschäft ist und man deshalb Lösungen der Probleme suchen müsse, scheint der angehende Sozialarbeiter bei der wissenschaftlich betriebenen Sozialpädagogik an der richtigen Adresse: „So ist die Sozialpädagogik, um ihrer eigenen Wirksamkeit willen, gezwungen, in ihre Konzeption aufzunehmen … die objektiven Bedingungen der entstehenden Hilfsbedürftigkeit wie der Hilfe selbst.“ (Mollenhauer) Und weil jedem, der sich damit beschäftigt, klar ist, daß die verschiedenen Formen des Elends in dieser Gesellschaft nicht einfach Zufallsprodukte sind, sondern ihre Gründe in der spezifischen Form des Reproduktionsprozesses dieser Gesellschaft haben, ist der Sozialpädagoge gesellschaftskritisch: ,, ... so sah und sieht sich die Sozialpädagogik dem Werden dieser Gesellschaft gegenüber gestellt, d.h. konkret: den Schäden, die sie dem Menschen zufügtoder zuzufügen im Begriffe scheint. So produziert die Gesellschaft im Sozialpädagogen einen ihrer heftigsten Kritiker. Durch die immer wieder neu auftretenden Schäden gibt sie der Kritik immer neue Nahrung.“ (ders.) Der aufmerksame Leser muß sich nun freilich fragen, ob diese „heftige Kritik“ auch bereit ist, die Konsequenz aus dem Gesagten zu ziehen. Wenn die Gesellschaft kritisiert wird, weil sie ständig die Schäden produziert, muß man doch fragen, wodurch dies geschieht. Wenn die Schäden „immer wieder neu auftreten“, hat es auch keinen Sinn, an den jeweiligen Opfern herumzuarbeiten, muß man vielmehr die Ursachen bekämpfen. Ein Sozialpädagoge freilich zieht eine andere Konsequenz: „Eine Gesellschaft, die die Möglichkeit einer eigenen Veränderung nicht denken kann (?) (weil sie sich absolut setzt), nicht diskutieren will, (weil sie, obschon aufgeklärt, an der Stabilisierung des Gegebenen, aus welchen Gründen auch immer (dem Sozialpädagogen sind sie also wurscht!) interessiert ist) oder vor dieser Möglichkeit resigniert (das wirds sein!), kommt mit einem eingeschränkten Erziehungsbegriff ... aus“ (eine harte Kritik!). „Die Erziehungsplanung ist dann isoliert, fungiert als Zuträger zu dieser Gesellschaft, bestätigt deren Faktizität, damit aber auch jene Bedingungen, die einen Teil der Sozialpädagogik zwingen, sich mit immer den gleichen Notständen zu befassen. Die Möglichkeit der Aufklärung dieser Bedingungen und ihrer planenden Einbeziehung in den Erziehungsvorgang ist heute für einen angemessenen Begriff der Erziehungswirklichkeit konstitutiv.“ Ganz entgegen seiner Thematisierung gesellschaftlicher Gründe beharrt er darauf, das Ganze als pädagogisches Problem zu sehen. Er bleibt seinem Berufsstand treu und will sich nach wie vor mit den Opfern zu schaffen machen und denen erzieherische Maßnahmen angedeihen lassen, so als ob es an ihnen läge, wenn die Gesellschaft ihnen „Schäden“ zufügt –, wodurch die Schäden zwar nicht behoben, aber die Geschädigten daran gewöhnt werden, sich auf manierliche Weise abzufinden. Nur meint der Sozialpädagoge – und das ist das, was einen fortschrittlichen von dem des alten Schlags unterscheidet – tue eine „pädagogische Wende der Gesellschaft“ not; und er verordnet ihr deshalb einen „angemessenen Begriff der Erziehungswirklichkeit“. Was heißen soll -- und jetzt stellt er alles völlig auf den Kopf –, eben die Bedingungen, die für die „immer gleichen Notstände sorgen“, „planend in den Erziehungsvorgang einzubeziehen“. Wie das wohl gehen soll? Der Rausschmiß wird planend in die Erziehung des Arbeitslosen einbezogen, zu teure Mietwohnungen als Erziehungshilfe für Obdachlose!? Aber Im übrigen kann man das auch ganz plump ausdrücken: „Wir wissen, daß an allem der Kapitalismus schuld ist, aber (!) wie kann man hier und heute helfen.“ (Rothenhan) Was der Student aus dem sozialkritischen Gerede also als Lehre für sich zu ziehen hat, ist ganz einfach: Daß seine Arbeit keine Abhilfe des Elends sein wird, soll ihn nicht stören, schließlich ist Gesellschaftsveränderung nicht sein Job. Er hat sich trotzdem und gerade deswegen um so eifriger zu bemühen, seinen Klienten eine sozialpädagogische Betreuung angedeihen zu lassen. Dabei hat er denn auch keinen Grund, zu resignieren, denn er erfährt – wenn er es richtig sieht – immer wieder neu „das Glück der pädagogischen Begegnung im persönlichen Bezug“. Und wenn ihn trotzdem die Resignation überfallen sollte, hat er seine gesellschaftskritischen Vorbehalte als moralischen Halt: Es liegt nicht an ihm, daß es den Klienten kaum besser geht, sondern an der nicht an Veränderung interessierten Gesellschaft.
Der angehende Sozialarbeiter, dem nun klar sein muß, daß sein soziales Engagement, das er mitzubringen bereit ist, durchaus willkommen ist, wenn er es an der richtigen Stelle nutzbar macht, muß im Studium freilich noch lernen, wie er die Probleme seiner künftigen Praxis wissenschaftlich einzuordnen hat. Immer wieder wird er z.B. mit Leuten konfrontiert werden, die sich störend gegenüber den normalen Verkehrsformen dieser Gesellschaft verhalten. So gibt es z.B. Jugendliche, die von Zeit zu Zeit sich Sachen aneignen, die ihnen nicht gehören. Was ist mit denen los? Einem Entwicklungspsychologen fällt als wissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens ein, man sollte ihr Verhalten als „soziale Delinquenz“ bezeichnen. Damit ist zunächst einmal klargestellt, daß dieses Verhalten nicht normal ist. Zweitens haben diese Leute eine Disposition zu solchem Fehlverhalten, da es ihnen an der Fähigkeit mangelt, „ihre Schwierigkeiten“ zu lösen. Für einen Psychologen ist also jemand, der Sachen stiehlt, die er haben will, aber sich nicht leisten kann, nicht einer, der etwas tut, wodurch er mit dem Gesetz in Konflikt gerät, sondern einer mit abartigen Neigungen und unentwickelten Fähigkeiten, mit sich selbst fertigzuwerden. Zwar ist auch dem Entwicklungspsychologen klar: „Die überwiegende Mehrzahl von jugendlichen Delinquenten kommt aus armen Familien, die in absteigenden, armseligen Wohngebieten, direkt an das Zentrum der Stadt anschließend, leben.“ (Mussen), doch dieser Umstand ist ihm keinen weiteren Gedanken wert, reicht ihm doch ein Blick in die Statistik zu dem Schluß, den er ziehen will: „Aber nur ein geringer Teil von Kindern aus armen Familien, die in Slums leben, wird tatsächlich kriminell.“ Die Tatsache, daß nur ein Teil dieser Leute das Risiko in Kauf nehmen, eingebuchtet zu werden, und die anderen auf Grund der Drohung staatlicher Gewalt sich ihre Moral behalten „lieber arm aber ehrlich“, macht für den Entwicklungspsychologen den Schluß zwingend: „Das heißt aber, daß die sozioökonomischen Faktoren nicht die alleinige Ursache der Kriminalität sind.“ Und so kommt er seinem eigentlichen Anliegen immer näher: „Daraus ergibt sich, daß die Jugenddelinquenz allein durch ökonomische Hilfsprogramme nicht abgeschafft oder bedeutend reduziert werden kann. Delinquente (und potentielle Delinquente) benötigen daneben auch soziale und psychologische Hilfe, um ihre persönlichen (!) Probleme adäquater lösen zu können; sie bedürfen sogar in erster Linie“ (na endlich! ) „dringend der psychologischen und sozialen Hilfe, und auch die Eltern müssen erzogen werden, damit sie zu ihren Kindern bessere Beziehungen hersteilen können.“ So ist eben letztlich doch alles ein Erziehungsproblem und vor allem ein Versagen der Eltern, die das zugige Barackenleben nicht mit entsprechend viel Nestwärme kompensiert haben. Der analytische Psychologe ist sich mit dem vorgenannten darin einig, daß „abweichendes Verhalten“ nicht geht, und daß man deshalb die Leute ändern muß. Daher erfährt auch bei ihm das Phänomen, daß gewisse Leute diese Ordnung nicht sonderlich lieben, weil sie an ihr zugrundegehen, und deshalb sich nicht dran halten, die großartige wissenschaftliche Erklärung, daß es eben kein ordentliches Verhalten ist. Den Grund für ihr Verhalten verlegt er jedoch in eine gestörte Mutter- bzw. Vaterbeziehung seit frühester Kindheit, die zu mangelnder oder übersteigerter Über- ichbindung führte. Deshalb gilt es zunächst mal, die Kindheitserlebnisse zu analysieren und dem Klienten seinen verfehlten Umgang mit seinen Trieben aufzuzeigen. Selbstverständlich ist also auch für diese Wissenschaft, daß jeder, der Sachen macht, die nicht normal = nicht erlaubt sind, vernünftige Gründe dafür nicht haben kann, weshalb wissenschaftlich dafür das Unterbewußte verantwortlich gemacht wird. Darum verpflichtet sie ihn in der Therapie, sich zu problematisieren, warum er sich nicht, so wie es von ihm gefordert ist, verhalten könne. Die Psychologen machen dem künftigen Sozialarbeiter also klar, daß er seinen Klienten mit den falschen Abstraktionen der Psychologie betrachten soll. Von den Gründen des Klienten und dem in seinen Taten sich äußernden Willen sollen sie gerade absehen, indem sie seine Handlungen als abweichendes Verhalten fassen. Dann ist auch die Aufgabe derer, die mit ihnen zu tun haben klar, Abweichler dazuzubringen, künftig den Normen adäquates Verhalten an den Tag zu legen.
„Dissozialität erweist sich also als fehlgeschlagene Kompensation einer mißlungenen Identifikation“, dann drückt er unmißverständlich aus, was er von solchen Jugendlichen hält: Weil sie nicht tun, was sie sollen, haben sie sich selbst nicht gefunden. Womit klargestellt ist, was man – pädagogisch gesehen – unter „Selbstfindung“ zu verstehen hat: daß jeder das macht, was die Gesellschaft von ihm verlangt. Und da muß der Pädagoge bzw. Sozialarbeiter eben mehr oder weniger nachhelfen – was aber nichts als liebevolle Zuwendung ist. Die Aufzählung aller denkbaren Einflußfaktoren für Lernen und Sozialverhalten – von angeborenen Anlagen über soziales Milieu bis zur Wohlstandsproblematik –, die die Pädagogikvorlesung einem im Studium präsentiert, ist von diesem praktischen Zweck geleitet. Einen Pädagogen interessiert nämlich nicht: wie sieht die Erziehungstätigkeit in dieser Gesellschaft aus und was bringt sie hervor, sondern welche Bedingungen finden Erzieher vor, um dem Studenten daran klarzumachen, wie schwierig seine Aufgabe ist. Mit all diesen Faktoren muß er rechnen, Erziehung ist ein schwieriges Geschäft, Scheitern kein Grund, aufzugeben – andererseits macht die Schwierigkeit doch gerade auch den Reiz der Erziehungstätigkeit aus.
Der Soziologe hat also nur ein Problem, aufzuzeigen, daß die Ordnung, die es gibt, sein muß. Und darum weist er auch noch bei solchen, die sich gegen die Normen dieser Gesellschaft verhalten, nach, daß sie im Grunde nur „einseitig die Wertmuster der Gesamtgesellschaft erfüllen.“ Der künftige Sozialarbeiter hat also – und das ist die Moral aller aufgeführten Wissenschaften – zu lernen, die Probleme der Klienten als deren Probleme zu sehen. Und wenn er auch noch soviel Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen hat, für ihn kommt immer wieder raus: es ist zumindest auch ein Problem des einzelnen, wie er sich dazu stellt. Und damit hat er seine berufsmäßige Tätigkeit, die Ausgeflippten mittels Gespräch, erzieherischer Zwangsmaßnahmen und dergl. wieder hinzubiegen, gerechtfertigt und ist aufs Scheitern vorbereitet. Die Moral noch einmal pur Während Pädagogik, Psychologie und Soziologie den Studenten diesen Standpunkt anhand der interessierten Beurteilung der Gegenstände der Sozialarbeit bei- bringen (ein Arbeitsloser hat das Problem des Selbstwertgefühls, ein Rocker identifiziert sich einseitig an geltenden Wertmustem, ein Strafentlassener muß neu seine diversen Rollenbeziehungen aufbauen), hat es. die Philosophie übernommen, diesselbe Moral noch einmal pur zu verabreichen: Keiner soll meinen, er könne sich anmaßen, die Gesellschaft kritisieren zu wollen. Er solle sich erst einmal selbst in Frage stellen. So hat denn auch z.B. ein Dümpelmann seinen festen Platz im Lehrbetrieb des Sozialwesen-Fachbereichs (Bogenhausen), der nichts anderes zu tun hat, als Semester für Semester den Studenten klar zu machen, daß richtiges Wissen gar nicht möglich ist (das weiß er offensichtlich genau!), und darum dürfe man auch nicht an Kritik festhalten. Bei allem und jedem propagiert er die Hinterfragerei. Sei es, daß man ja gar nicht wissen könne, ob ein anderer dasselbe unter einem Begriff verstehen könne wie man selbst (das ist heilt jemand anderer, der, wie man hört, auch denkt!), sei es, daß philosophisch ja noch gar nicht geklärt sei, ob die Sache außerhalb der Wahrnehmung, die ja immer subjektiv sei, existiere (man kann sich ja mal einen Stuhl einbilden und sich draufsetzen) – stets praktiziert diese Argumentation den lustigen Widerspruch, gegen das zu argumentieren, wovon sie selber ausgeht. Sie unterstellt die Objektivität ihres Gegenstandes und der Urteile über ihn (sonst würde der Philosoph nämlich seinen Mund halten), um sie au bezweifeln. Freilich ist die Philosophie innerhalb des Fächerkanons auch wieder so ernst nicht zu nehmen. Als Agitationsveranstaltung, den Leuten den Anspruch auszutreiben, etwas wissen zu wollen, und ihnen klar zu machen, daß man nur verschiedene Aspekte aufzeigen könne, die alle relativ seien, hat sie zwar ihren angestammten Platz, aber keiner soll auf die Idee kommen, ihre Aussagen zu wörtlich zu nehmen. Wer meint, wenn man sowieso nichts wissen könne, könne man ja gleich das Denken einstellen, übersieht, daß es auf die bestimmten Standpunkte und Aspekte, die in den diversen Fächern beigebracht werden, sehr wohl ankommt – schließlich werden sie ja auch abgeprüft. Nur tut Bescheidenheit not. Man soll nicht meinen, man könnte als armseliger Erdenmensch die Welt begreifen wollen. Kritische Töne gegenüber der Praxis, die den Leuten nicht hilft, weil die Ursachen der Misere ja nicht interessieren und bestehen bleiben sollen, schön und gut, aber das erlaubt noch lange nicht den Schluß, die Wissenschaft, die die Sachen nicht erklärt, sei keine anständige Wissenschaft, sondern nur dazu da, die Probleme der Praxis für den staatlich geforderten Umgang mit ihnen theoretisch aufzubereiten.
So wird schließlich der angehende Sozialarbeiter in; seiner Entscheidung für diesen Beruf von dem, was er in seinem Studium zu lernen hat, bestätigt. Hat er trotz seiner Erfahrungen im Praktikum an der Sozialarbeit als menschenfreundlicher Tätigkeit festgehalten und sich auch nicht dadurch beeindrucken lassen, daß in der Gesellschaft, in der die Leute miteinander um ihre Existenzsicherung konkurrieren müssen, das Elend derer, die dabei auf der Strecke bleiben, selbstverständlich ist, und das Sich-Kümmem um diese Leute also nur zu den leidigen Kosten des Staates und der Verbände zählt, so macht ihm das Studium klar: sein Idealismus, den er sich trotz seiner Erfahrungen erhalten hat, ist brauchbar, wenn er sich für die staatlich organisierte Sozialarbeit einsetzt. Dafür hat er sich allerdings einige Unarten abzugewöhnen. Sein Idealismus hat sich an den praktischen Zwecken der Sozialarbeit zu relativieren, weswegen er weder rebellisch werden noch resignieren soll, wenn ihn die Früchte seiner Bemühungen enttäuschen. Seine Unzufriedenheit soll er vielmehr produktiv einsetzen in Einfallsreichtum und vermehrtem Engagement in Sachen Verwaltung des Elends.
Projektorientiertes Studium: Aus Erfahrungen lernen Dazu braucht er nicht bis zum Ende seines Studiums zu warten, um aktiv das auszuüben, was man sich als Beruf vorgenommen hat. „Menschen helfen“ darf der angehende Sozialarbeiter bereits ab dem 3. Semester, im Projekt, wo er sich seine „Berufskompetenz erwerben“ soll. Wer nun meint, in dieser Veranstaltung werde er nur dazu herangezogen (unentgeltliche) Sozialarbeit zu machen: – auf kleine Kinder aufpassen, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können – ,,sozial gefährdete“ Jugendliche unterhalten, damit sie auf keine Dummheiten kommen – ehemalige Verknackte davon abhalten, neue Delikte zu begehen – Erwachsenen Nachhilfe in staatsbürgerlicher Bildung geben – arme Leute auf die Ämter begleiten, damit sie wenigstens ein bißchen was zum Leben haben usw. und in diesem Geschäft sich zu üben – wer meint, das sei der Witz am Projekt, ist schief gewickelt. Die „Berufskompetenz“ eines Sozialarbeiters erwirbt man sich nicht nur durch Training in bestimmten Tätigkeitsbereichen.
Die gängige Einführung in das Projektstudium macht dem Studenten bereits klar, daß es hier um mehr geht. Zunächst einmal ist das Projektstudium nicht mehr und nicht weniger als „der Versuch (?) einer Antwort auf eine dreifache Herausforderung: Es wäre allerdings ein Irrtum, wollte man aus der „Herausforderung durch die Widersprüche im Praxisfeld“ so etwas wie eine Kritik der Verhältnisse herauslesen, die ständig Not und Elend produzieren, oder auch den Willen, deren Ursachen zu beseitigen. Als Sozialpädagogen sind die Dozenten herausgefordert, was heißt, daß sie die Tätigkeit des Sozialarbeiters als eine angeblich widersprüchliche Sache verstehen wollen: „Der Beruf des Sozialarbeiters steht damit in der Spannung zwischen dem eigenen Anspruch (der immer etwas über den tatsächlichen Möglichkeiten liegt), Individuen, Gruppen und Gemeinwesen zu helfen, den höchstmöglichen (man muß halt realistisch bleiben!) Grad von sozialem, geistigem und leiblichem (man beachte die Reihenfolge) Wohlbefinden zu erreichen und die gesellschaftlichen Verhältnisse in diese Richtung (,,Sozialarbeit ist Millimeterarbeit’’) mit zu gestalten (jeder an seinem Platz, der Sozialarbeiter im Umgang mit dem sozialen Ausschuß, den die Gestaltungskünste der freien Marktwirtschaft ihm überlassen), und der Notwendigkeit (da gestaltet sich also nicht mehr viel), auf gesellschaftlich immer neu produzierte Formen des Elends und der Armut zu reagieren, um sie nachträglich aufzufangen und zu lindern.“ Ein seltsamer Widerspruch ist das, in dem von vorneherein alles entschieden ist! Leider, leider muß nämlich der sehr ehrenwerte „Anspruch“, den notleidenden Individuen aus ihrer Lage herauszuhelfen, gegenüber der ,,Notwendigkeit“, immer neu produziertem Elend hinterherzurennen, „notwendig“ den Kürzeren ziehen. Also von wegen Widerspruch: wenn man das tatsächliche Treiben der Sozialarbeit, sich um die Folgen gesellschaftlicher Armut: diverse verkrachte Existenzen betreuend zu kümmern, in eine ,,Notwendigkeit“ verwandelt, also anerkannt hat, dann bleibt für die Beseitigung der Not nur noch die Rolle eines Ideals übrig, eines nützlichen wohlgemerkt. Denn genau diese Leistung, die eigenen Vorstellungen zu relativieren, also scheitern zu lassen – „Hilfe“ ist jetzt nämlich zur gesellschaftlich möglichen Hilfe geronnen – soll der Student der Sozialarbeit vollbringen; dann wird er ein „realistischer“ Sozialarbeiter sein, dem sein nun erst recht ehrenwerter „Anspruch“ in manch trüben Stunden dabei helfen wird, den trostlosen Berufsalltag eines Elendsverwalters als Dienst am Menschen zu interpretieren – um fortan seinen Kopf über Verbesserungsvorschläge sozialfürsorgerischer Praxis zu zerbrechen. Und so gesehen, werden „Widersprüche“ zu „Wandlungstendenzen“, denn: „Diese Spannung führt zu einer weiteren Tendenz, die benannt werden kann von der Fürsorge zur Vorsorge.“ Im Grunde hat man also gar keinen Grund mehr, gegen die bestehende Sozialarbeit zu sein, denn immerhin ändert die sich ja – das Argument, daß „Vorsorge“ die Wirkung von Ursachen, die Elend produzieren, ebenso unterstellt wie „nachträgliche Linderung“, fällt darum unter die Rubrik „destruktive Kritik“. Man soll sich also gescheit in der Sozialarbeit engagieren. Die Projektorientierer des Studiums haben damit zunächst einmal klargemacht, daß es ihnen nicht einfach um die Ausbildung zur Sozialarbeit geht, sondern um die Vermittlung der Perspektive einer besseren Sozialarbeit in der Ausbildung. Wodurch auch die Skepsis des künftigen Sozialarbeiters gegenüber der herkömmlichen Praxis beantwortet ist: Er soll seinen Gegensatz zu ihr, in dem er mit seiner Kritik steht, aufgeben und sich in ihr überlegen, wie man die Sozialarbeit verbessern kann.
Damit die Studenten diese Einstellung zu ihrer künftigen Tätigkeit bekommen, werden sie bereits frühzeitig mit „konkreten und relevanten Praxisbereichen“ konfrontiert. Dabei wird auf folgendes „didaktisches Kriterium“ besonders Wert gelegt: Projekte „müssen Ernstcharakter haben, d.h. unmittelbar im Berufsfeld angesiedelt sein, den direkten Kontakt mit Zielgruppen der Sozialarbeit/-pädagogik umfassen und die Übernahme verantwortlicher Teilaufgaben beinhalten.“ Die Dozenten legen darum soviel Wert auf den „Ernstcharakter“ des Projekts, weil es ihnen auf eine ganz bestimmte „Auseinandersetzung mit der späteren beruflichen Realität“ ankommt. Ihre Zöglinge sollen dazu gebracht werden, vom Standpunkt der Praxis aus sich mit der Realität der Sozialarbeit auseinanderzusetzen. Darum müssen sie erst einmal Erfahrungen machen, mit welchen Schwierigkeiten ein Sozialarbeiter z.B. in der Kindergruppe einer Trabantenstadt zu kämpfen hat. Daß er, wenn er seine Nachmittage mit Kinderverwahren zubringt und ständig Probleme hat, mit den randalierenden Blagen fertigzuwerden, sich nur noch eine Frage stellt, wie bleue ich denen ein, daß sie sich anständig aufzuführen haben, daß er also gar nicht mehr auf die Idee kommt, so „abstrakte Überlegungen“ anzustellen, wie „was hat es eigentlich hier mit der Erziehung auf sich, wie wird hier sozialpädagogisch mit den Kindern umgesprungen“, ist kalkuliertes Ziel seitens der Lehrer. Nicht „was wird da gemacht“, sondern „wie würde ich es machen“ und „wie könnte man es besser machen“ ist die geforderte Fragestellung, die mit dem „Ernstcharakter“ des Projekts den Studenten als das einzig zu interessierende Problem aufgenötigt wird. Und gerade die Konfrontation mit den Nöten der Menschen ist die moralische Erpressung, sich einzusetzen, statt sich nach den Ursachen des Elends zu fragen und damit auch nach dem, wozu sozialarbeiterische Hilfe gut ist. Mit dem blöden Argument, es wäre doch verantwortungslos, angesichts des Elends nicht zu helfen (und stattdessen z.B. von der Notwendigkeit von Gesellschaftsveränderung zu reden), zwingt man moralisch die Studenten, die Verantwortung in der staatlichen Verwaltung des Elends zu übernehmen, für das die gesellschaftlichen Verhältnisse verantwortlich sind. Wenigstens einzelnen die Lage etwas zu mildern, ist auf einmal selbstverständliche Verpflichtung, wobei jeder zu vergessen hat, daß er gegen solche caritative Hilfe eventuell schon einmal etwas gehabt hat, weil sie nur der „Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung“ dient. Doch stellt sich hier auch gleich die Illusion ein, daß man damit „vielleicht“ „zumindest“ einen „Beitrag“ zu einer allgemeinen Veränderung leistet.
Theoretisch wird solche Erpressung dadurch legitimiert, daß ein derartiger „Praxisbezug“ als einzig dem Gegenstand und der Ausbildung gerechtwerdende wissenschaftliche Methode propagiert wird: „Das projektorientierte Studium soll durch die konkrete Projektpraxis in realen Berufsfeldem der Sozialpädagogik/arbeit eine Verbindung von Forschung (Wissenschaft) und Ausbildung sowie eine Verbindung von Wissenschaft und Praxis im Sinne der Handlungsforschung ermöglichen.“ Die Synthese, die hier den Dozenten so bravourös gelingt, ist nichts anderes als die Unterwerfung der Wissenschaft unter die Anforderungen der Praxis und der staatlichen Zwecken dienenden Ausbildung – in Form einer methodischen Vorschrift für die theoretische Auseinandersetzung. Und der Begriff „Handlungsforschung“ – ein Widerspruch in sich – drückt das ganz treffend aus: Wenn es einem auf die Analyse der Verhältnisse in einem Stadtteil ankommt, braucht man darin keine Sozialarbeit zu machen. Wenn die Praxis jedoch Vorschrift wird, bedeutet das, daß es eben auch auf die den vorausgesetzten praktischen Zwecken dienende theoretische Beschäftigung mit dem, was da passiert, ankommt. Daß die Erarbeitung solchen „Berufswissens“ die Dressur zum sozialpädagogischen Denken ist, das sich den Zwecken der praktizierten Sozialarbeit unterwirft, und daß dagegen jemand Einwände haben könnte, ahnen die Dozenten, weshalb sie sich eine inzwischen auch nicht mehr so originelle Rechtfertigung ihres Treibens ausgedacht haben: „Dieser Widerspruch zwischen berufsbezogenem und gesellschaftskritischem Wissen erscheint uns nicht aufhebbar, sondern als ein für jede berufsbezogene Ausbildung und insbesondere für ein projektorientiertes Studium konstitutives Problem. Dabei kann keine der beiden Arten von Wissen als wichtiger oder richtiger bezeichnet werden, beide erscheinen uns notwendig, für beide muß im Rahmen der Ausbildung Raum geschaffen werden, ebenso wie für eine Reflexion ihres Verhältnisses.“ Über die gängige Art von Hochschullehrern, sich gegenüber Kritik des von ihnen verbreiteten Gedankenguts zu immunisieren („Das ist nun leider einmal der vorgeschriebene Stoff“), geht solche Argumentation offensiv hinaus. Sie stellt schlicht fest, um richtig oder falsch hat es nicht zu gehen (wer hier schon „richtig“ steigert, hat mit der Wahrheit nichts zu schaffen), es kommt auf beides an, das Berufswissen sowie gesellschaftskritisches Wissen – aber nicht etwa als Wissen. Gesellschaftskritik ist die willkommene Ergänzung des Berufswissens als „Innovationsimpuls“ für die Sozialarbeit, womit Kritik auf den ihr zugedachten Rahmen festgelegt ist. Und weil die Einwände gegen die Sozialarbeitspraxis und ihre theoretische Propagierung nicht als Einwände gelten sollen, erfindet man die Metadiskussion, in der es um die Einwände nicht geht, sondern um die Frage, welche Berechtigung und welchen Wert solche Einwände haben sollen: „die Reflexion ihres Verhältnisses“ oder, anders ausgedrückt, die Theorie-Praxis-Debatte, die immer wieder dann angezettelt wird, wenn man die fällige Kritik verhindern will. Die wechselseitige Befruchtung von Theorie und Praxis findet freilich als demokratischer Prozeß statt, als Abstimmung der Interessen von Betroffenen, Studenten, und beteiligten Institutionen. Womit klar ist, daß sich die Ansicht und das Interesse gewisser Beteiligter an denen der anderen zu relativieren hat. Die Bindung an die Institution ist sehr wichtig: Projekte „sollten nicht in Freiräumen und am Rande der etablierten Praxis angesiedelt sein, sondern in den heute und in nächster Zukunft bedeutsamen Feldern (...) und im Zusammenhang mit den dort etablierten Organisationen durchgeführt werden.“ Dadurch lernt der Student was machbar ist – worauf man sich also bereits verpflichtet hat –, doch soll sein Eifer dadurch nicht beeinträchtigt werden: „Dabei sollen sie allerdings nicht so eng an traditionellen Institutionen angebunden oder so fest integriert sein, daß jede (!) kritische Funktion, jeder innovatorische (!) Anspruch (!) ausgeschlossen ist.“ Vorschläge, wie man die Arbeit effektivieren kann, dürfen nicht verloren gehen. „Zwar ist die Veränderung der Institutionen der Praxis selbst nicht das Ziel der Projekte, wohl aber ist eines ihrer wichtigsten Ziele, die Studenten zu befähigen, diese Institutionen in ihrem späteren Beruf im Interesse ihrer Klienten zu nutzen und zu verändern – und das kann man nur lernen, indem man es versucht.“ (You can make it, if you try!) Die heilsame Lehre, daß manche Vorstellung vielleicht sehr schön, aber nicht realisierbar sei (der Staat gibt nur für das Geld, was ihm nützt) ist die eine Seite, die andere darf aber nicht fehlen: Sozialarbeit besteht darin, nicht zu resignieren. Die Institution, die der Staat in seinem Interesse einrichtet und unterhält, soll der Sozialarbeiter als Hilfe für den Klienten verstehen, damit der staatliche Auftrag auch möglichst effektiv wahrgenommen wird. Wenn der Sozialarbeiter dabei die Vorstellung hat, er müsse die Institution zu einem Mittel der Klienten machen (wo sie doch das des Staates ist, was man an den rechtlichen Festlegungen und finanziellen Ausstattungen sehr wohl merken kann), so ist das kein Fehler, beweist er damit doch nur sein nötiges Engagement, immer bessere Wege zu suchen – und über den Erfolg solcher Versuche entscheidet ja immer noch der Staat. Damit ist klar, welche Form von „Gesellschaftskritik“ in den Projekten erlernt wird. Man ist nicht gegen das, was der Staat mit seinen Bürgern anstellt, sondern bemängelt, daß der eigene Verbesserungsvorschlag nicht entsprechend gewürdigt wird: „Obwohl nüchterne Kosten-Nutzen-Analyse zu der Einsicht führen müßte, daß Vorbeugen langfristig gesehen billiger ist als Therapieren und bloßes Verwahren (wo Therapie nicht mehr hilft), scheint die Mehrheit der politisch Verantwortlichen die kurzfristig gesehen höheren Ausgaben und die gesellschaftskritischen Impulse zu scheuen.“ Daß der Staat seine Aufgaben nicht optimal erfülle, lautet die sozialkritische Nörgelei, die vor allem herausstreicht, daß die Sozialarbeit es eigentlich nicht verdient habe, so wenig Aufmerksamkeit im öffentlichen Leben zu erhalten. Wo sich Idealisten schon so aufopferungsvoll für andere Leute einsetzen, sollten Behörden und Politiker ihnen nicht auch noch Steine in den Weg legen. Und als staatstreue Sozialpädagogen biedert man sich gleich auch noch den Politikern an, daß sie es doch viel billiger haben könnten, – was natürlich ein Quatsch ist: im Rahmen einer funktionierenden Marktwirtschaft, zu deren Funktionieren die Produktion von Sozialfällen dazugehört, ist die Verwaltung der Opfer durch die Sozialarbeit 1. das Billigste, was zu haben ist, und 2. sind die Fälle nicht Resultat der Kurzsichtigkeit gewisser Verantwortlicher, sondern gehören einfach – sehr bewußt einkalkuliert – zu den Geschäftskosten. Der ökologische Ansatz Das Fortschrittlichste auf dem Gebiet sozialpädagogischer Projektemacherei ist zur Zeit der „ökologische Ansatz“, womit gemeint ist: „der einzelne (soll) nicht mehr nur (?) als ein völlig sich selbst verantwortliches Individuum angesehen werden (er soll wohl mehr von der Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden) ... er (muß) mit seiner Biographie im Wesentlichen aus ihm vorausliegenden, übergreifenden Zusammenhängen (Umwelt, Familie, Freundeskreis, Arbeitsplatz, Wohngegend sowie der umgreifendere Zusammenhang „Gesellschaft“ (1) verstanden werden.“ Der „Innovationsimpuls“, der von solcher Betrachtungsweise ausgeht, besteht darin, sich in der Sozialarbeit nicht mehr nur mit dem einzelnen Klienten abzugeben und ihn dazu zu bringen, sich zu ändern – was auch als „Hilfe zur Selbsthilfe “ bezeichnet wird und nichts anderes ist, als daß man jemand dazu bringt, „seine“ Probleme, die ihm nicht abgenommen werden, zu ertragen. Effektiver sei, sich zu überlegen, ob man nicht ganze Bevölkerungsgruppen dazu bewegen kann, sich untereinander in diesem Sinne zu helfen. Damit der Sozialarbeiter nicht alles machen muß, soll er sehen, ob er nicht die Betroffenen selbst dazu bringen kann, ihn zu entlasten. Dazu ist aber erst einmal nötig, die Mißstände, die man – mit Sozialarbeiterblick – festgestellt hat: „überproportional (!) viele Schlüsselkinder, Zwang zur Berufstätigkeit beider Eltemteile, sehr hohe Scheidungsquote, überproportional viele erziehungsschwierige Kinder, zu wenig Kindergartenplätze, keine Freizeiteinrichtungen ...“ in einen „kommunikativen Notstand“ umzulügen. Doch nicht genug damit, daß die offensichtliche Grundlage, die materielle Not, geleugnet wird: – müßten sonst etwa beide Eltemteile arbeiten gehen und damit ihre Kinder vernachlässigen? Wenn sie genug Geld hätten, hätten sie auch größere Wohnungen, brauchten die Kinder nicht auf der Straße rumzulungern; wenn die Arbeiter sich während der Arbeitszeit nicht verausgaben müßten, so daß die Freizeit kaum zum Sammeln der Kräfte für die nächste Arbeitszeit reicht und wenn sie nicht so wenig Lohn hätten, daß es nur für das Nötigste reicht, gäbe es keine Freizeitprobleme, reiche Leute haben die ja auch nicht –, die Leute werden dazu noch übel beschimpft, daß sie nicht dem Ideal dieser Menschenfreunde entsprechen. Anstatt sich solidarisch umeinander zu kümmern (auch hier ist Solidarität wieder das Gebot, die Not zu ertragen), leben sie unsozial, satt und faul vor sich hin: „»Kommunikativer Notstand« ... meint: daß trotz relativer (!) materieller Sicherheit und zunehmender (?) Sättigung mit Konsumgütem (Konsumhaltung, Statusdenken), elementare Bedürfnisse nach Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung in »freier« Kommunikation und zwangfreiem Kontakt unbefriedigt bleiben.“ Die Stadtteilbewohner bedürfen also insgesamt dringend der sozialpädagogischen Betreuung, auch die, die noch keine Sozialfälle im eigentlichen Sinne sind (wenn das mehr staatliche Gelder kostetjnuß man den Behörden klar machen, daß der Staat sich langfristig damit jegliche Sozialkosten sparen könnte), weü aus ihren Reihen laufend richtige herauskommen und nur durch die Mitwirkung derer, die noch nicht so schlimm betroffen sind, den Ärmsten zu helfen ist – Solidarität verlangt die „Opfer aller“. Das hehre Ziel der Dozenten ist also die „moderne Form kommunaler Fürsorge“: „ ... die Kommunikation unter den Bürgern eines »Gemeinwesens« (...) und damit die Identifikation mit ihm zu fördern und sie zu befähigen, selbständig zur Lösung sozialer Probleme beizutragen.“ Der Bewohner einer Mietskaserne, z.B. im Fideliopark, soll sich also nicht einfach nur damit abfinden, daß er sich keine bessere Wohnung leisten kann, er soll seine ungemütlichen Lebensbedingungen als Auftrag verstehen und mithelfen, aus ihnen „etwas Besseres“ zu machen.
Freilich muß man dazu erst einmal die Leute soweit kriegen, sich dafür einspannen zu lassen. Das Projekt versucht dies dadurch, daß man die Betroffenen in die „Erarbeitung der Konzeption“ mit einbezieht: „ ... so bestimmen z.B. die Adressaten bzw. Interessenten einer Zielgruppenarbeit sowohl Ziele als auch die Arbeitsform dieser Gruppenarbeit durch ihre Bedürfnisse bzw. Defizite mit; damit soll die Teilnahme und das Engagement der betreffenden Zielgruppe leichter und zielgerichteter hergestellt werden“, was also nicht heißt, daß man sich von ihnen erzählen läßt, was gemacht werden soll – die Kritik an ihrem Verhalten ist ja Grundlage der Veranstaltung. Man „setzt“ vielmehr „dort an“, „wo sich“ die Klienten „in ihrer Entwicklung und ihrer momentanen Situation befinden“, um an sie überhaupt heranzukommen, um dann mit ihnen „leichter und zielgerichteter“ umgehen zu können und ihre Mitarbeit dabei zu gewährleisten. Für einen Sozialpädagogen, der z.B. Jugendarbeit machen will, stellt sich das so dar: „Der Sozialpädagoge wird mit der Tatsache konfrontiert, daß der Großteil der Jugendlichen, die ins Freizeitheim kommen, ihre Bedürfnisse befriedigen wollen wie Musik hören, Karten spielen, Bier trinken, reden oder einfach in Ruhe gelassen werden. Wenn er sich ausschließlich der Befriedigung dieser Bedürfnisse widmen würde, wäre er nur Heimverwalter und Wirt. Eine solche reduzierte Tätigkeit absorbiert einerseits einen großen Teil der Arbeitskraft des Sozialpädagogen und widerspricht andererseits dem Selbstverständnis der Sozialpädagogik.“ Er ist also mit Bedürfnissen konfrontiert, die ihm als Sozialpädagogen überhaupt nicht passen. Seiner Meinung nach sollten die Jugendlichen das Bedürfnis haben, ihre Freizeit dazu zu verwenden, mit ihm über ihre Probleme zu labern, damit er ihnen die richtige Einstellung dazu vermitteln kann. Er will „im aufklärenden Sinne Bewußtseins- und Persönlichkeitsbildung ... betreiben ..., um das Bewußtsein für ihre Probleme zu schärfen“, Dabei stören ihn natürlich dieses „Konsumverhalten “ bzw. daß die Leute einfach in Ruhe gelassen werden wollen – eben, weil ihnen ihre Probleme scharf genug bewußt sind (nachdem sie den Tag über genug ihre Energie und Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen mußten). Vor dieses sozialpädagogische Dilemma gestellt, einerseits mit den Leuten etwas anstellen zu wollen, andererseits aber auf ihre Bedürfnisse eingehen zu müssen, überlegt sich der Sozialarbeiter, wie das wohl gehen soll, und theoretisch ist das eine ganz klare Sache: „Aufgrund der Prozeßhaftigkeit (!) der Bedürfnisse und der damit gegebenen Veränderungsfähigkeit können sich unterschiedliche Bedürfnisse annähem.“ „Kritisch ließe (!) sich auch fragen, ob und (!) inwieweit (!) dieser Ansatz ein technisch-instrumentelles Verständnis von Sozialpädagogik impliziert, wonach das Individuum ebenso wie sein soziales Umfeld als unbegrenzt (!) machbare und beliebig veränderbare Gegenstände angesehen werden.“ Die Frage – einfach mal so dahingestellt – ist natürlich kein wirkliches Problem. Sie macht selbst noch deutlich, daß längst entschieden ist, was der Sozialarbeiter machen soll: Einfluß auf den Klienten nehmen und ihn zum Mittel des sozialpädagogischen Zwecks zu machen, sich gefälligst neue Verhaltensweisen anzueignen. – Nur wie weit er damit kommt, ist ein Problem für den Sozialpädagogen; damit diesbezüglich keine Illusionen aufkommen, wird er hier vorgewarnt.
Das erste Ziel ist also jetzt, an die Leute erst einmal heranzukommen. Für ältere Jugendliche eignet sich da am besten eine Party, wo sie ihren „motorischen Drang“ loswerden und so richtig einen auf Konsumverhalten machen können. Die Schwierigkeit ist für den Sozialpädagogen jetzt nur, Anknüpfungspunkte für seine Mission zu finden. Bewährt sind folgende Methoden: 1. Konflikte, etwa eine Schlägerei oder den Ärger mit den Minderjährigen, die auch Bier trinken wollen, zum Anlaß nehmen, die Jugendlichen dazu zu bringen, sich Gedanken zu machen, welche Ordnung im Freizeitheim herrschen soll. Man überlegt sich also gemeinsam eine Satzung, wodurch – pädagogisch ge- geschickt (denn die Jugendlichen haben jetzt das Gefühl, über sich selbst bestimmen zu können, wobei sie lediglich Regeln aufstellen, an die sie sich später halten müssen) – gleich zwei Einsichten den Jugendlichen nähergebracht werden: 1. Ordnung muß sein: (getreu der soziologischen Erkenntnis) keine Gemeinschaft kömmt ohne eine Ordnung aus, darum muß man sich im Freizeitheim – wie auch anderswo – an die geltenden Spielregeln halten. Und im Grunde ist es überall so: Normen erleichtern das Verhalten. 2. Man muß das eigene Interesse an dem der anderen relativieren. Da Tanzen und Filme ansehen nicht gleichzeitig geht, muß der eine eben einmal auf das verzichten, was er gerne machen möchte. – Und im Leben draußen ist es im übrigen auch nicht anders: man kann nicht immer alles haben. Damit wären schon die ersten Identitätsbarrieren für die Jugendlichen erlebbar, bewußt und damit korrigierbar gemacht worden – und wer das nicht mitmachen will, der braucht ja nicht mehr zu den Gruppenabenden zu kommen. Die Gewißheit, daß die Jugendlichen keine Alternativen haben, hat man ja im Rücken. 2. Man versucht Probleme anzusprechen, die die Leute interessieren könnten (Partnerschaft, Jugendarbeitslosigkeit, Schulstreß). Wenn man damit die Jugendlichen aber einfach so mir nichts dir nichts anlabert, könnten Abwehrhaltungen entstehen. Hier gibt’s einen einfachen Trick: Man hört erst einmal zu und knüpft dann zwangslos an laufende Gespräche an und leitet sie zum beabsichtigten Thema über. Dabei las „Als Ergebnis des Gesprächs zeichnete sich ab, daß die meisten Gruppenmitglieder einen Flirt wohl verzeihen können, aber nicht, wenn der Partner mit jemand anderem ins Bett geht.“ Doch das Herausholen einer bestimmten Moral ist nur die eine Seite (und hierbei haben die studentischen Projektteilnehmer auch, verständlicherweise, einige Defizite), etwas anderes ist viel wichtiger: „Allein schon die Tatsache, daß die Jugendlichen sich immerhin eine Stunde mit diesem Problem auseinanderzusetzen versuchten, kann schon als ein wichtiger Erfolg gewertet werden.“ Der Erfolg ist darum so beachtlich, weil man es geschafft hat, die Leute überhaupt so weit zu kriegen, sich einmal mit „ihren Problemen“ zu befassen. Da es ja gar nicht darum geht, den Leuten zu erklären, unter welchen objektiven Gegebenheiten sie zu leiden haben (z.B. warum gibt es Arbeitslosigkeit), sondern ihnen eben diese als „ihre Probleme bewußt zu machen“ (wenn es Arbeitslosigkeit gibt, dann gibt es die als die Schwierigkeiten, mit denen du fertigwerden mußt), reicht es, erst einmal ins Gespräch gekommen zu sein. Denn für die Identifikation mit der Umwelt ist das schon ein ganz schöner Schritt. 3. Der Einsatz von Medien ist überhaupt das A und O der Projektarbeit, weshalb jede Projektgruppe erst einmal den Umgang mit einer Videocamera lernen sollte. Wenn die Leute sich erst einmal auf dem Bildschirm sehen, sind sie (wenigstens die ersten 3 bis 4 mal) ganz schön motiviert, anschließend ihr im Film festgehaltenes Verhalten zu kritisieren und sich die moralischen Sprüche vom Gesprächsleiter oder den anderen Teilnehmern um die Ohren schlagen zu lassen. Was für die Älteren die Party, ist für die Jüngeren das Spiel, Malen oder Basteln. Für den Sozialpädagogen sind es herrliche Mittel, den Kindern Verständnis dafür einzubleuen, daß sie sich nun einmal damit abzufinden haben, in armen Verhältnissen aufwachsen zu müssen. Hierzu nur ein Beispiel: „Während der Ausstellung »Spielen, Wohnen, Leben« zeichneten wir in beiden Jugendgruppen Grundrisse von unseren »Traumwohnungen«. Gemeinsam diskutierten wir dann die Ergebnisse. Dabei stellten wir fest, daß alle Wohnungen überdimensional groß geplant waren und daß die Jugendlichen in der Realität meist das kleinste Zimmer der Wohnung bewohnten, daß sie Freunde meist nicht mit nach Hause bringen dürfen, weil die Eltern ein starkes Bedürfnis nach Ruhe haben ... Kontrollphase Selbst mit soviel Einfallsreichtum tun sich die Projektstudenten in ihren Aufgabenbereichen allerdings immer noch schwer, Leute für eine gemeinsame Arbeit zu gewinnen bzw. feste, über längere Zeit existierende Gruppen zu bilden, in denen „neue Verhaltensweisen“ vermittelt werden können. Doch inzwischen sind die angehenden Sozialarbeiter geschult genug, solche in aller Regel auftretenden Niederlagen fruchtbar zu verarbeiten. An Varianten besteht hier kein Mangel mehr: 1. „Wir haben zu hohe Ansprüche an die Jugendlichen gestellt“. Damit hat man, und das ist allen Varianten gemeinsam, schon wieder das Problem auf die praktische Ebene der Sozialarbeit gezerrt. (Auf den Gedanken, sich einmal zu überlegen, warum die Jugendlichen da nicht mitmachen, daß das etwas mit ihren objektiven Lebensbedingungen zu tun haben muß – die ja durch die diversen Versuche der Sozialpädagogik auch nicht verbessert werden – und mit ihrem Bewußtsein und Willen, in der von ihnen praktizierten Form mit ihrer beschissenen Lage fertigzuwerden, kommt keiner. Und sich auch einmal zu überlegen, was sie eigentlich von diesen Leuten fordern, wenn sie ihnen ihre blöde Staatsbürgermoral unterjubeln wollen, und was die Zwecke der Sozialpädagogik eigentlich sind, ist für sie offensichtlich eine Perversion des Denkens.) Hätte man vorsichtiger angefangen und sich weniger hohe Ziele gesteckt (z.B. es ist schon ein Erfolg, wenn es zu keiner Schlägerei kommt), könnte man Erfolge vermelden. Natürlich ist das Argument: „wir hatten idealistische Vorstellungen“ ein vernichtendes Urteil über die, mit denen man etwas anstellen wollte: „die sind noch gar nicht so weit“. Als Erklärung ist diese Manöverkritik zwar unsinnig, enthält sie doch nichts als eine Tautologie: Weil die Leute nicht hinreichend Fähigkeiten haben, miteinander zu kommunizieren, hat die Kommunikation nicht geklappt – doch zu etwas ist dieser Zirkel gut: man hat sich darin bestätigt, daß man nur so weitermachen muß. Der Konzeption des Projektstudiums wird solche Kritik durchaus gerecht. Im Projektstudium geht es nämlich nicht darum, Sozialarbeit mit fertigen Rezepten anzufangen und diese zu realisieren, sondern darum, in einen „Prozeß “ einzusteigen, in dem laufend Überlegungen und Erfahrungen miteinander vermittelt werden sollen: „Die Konzeption ist nach unserem Verständnis folglich nichts Statisches, sondern als ein Prozeß zu begreifen.“ 2. Außerdem eröffnet sich das weite Feld der Psychodebatte. Man fragt sich nach den eigenen Schwächen (bin ich nicht manchmal zu aggressiv und ungeduldig), wie steht es mit der Solidarität mit den Klienten und dergl. ... Solche Diskussionen sind insofern so fruchtbar, als sie darauf abzielen, den Sozialarbeitsneuling darauf zu verpflichten, statt auf den Charakter seiner Tätigkeit auf seinen eigenen zu reflektieren, sich ständig als Mittel seiner beruflichen Tätigkeit zu beobachten und dadurch brauchbarer zu machen. „ ... für den Sozialpädagogen ist nun einmal, ob er will oder nicht fdas ist stark!), seine eigene Person ein wesentliches Instrument seines beruflichen Handelns und daher die Fähigkeit zum kontrollierten, reflektierten und doch engagierten Einsatz der eigenen Person eine zentrale berufliche Qualifikation.“ 3. „Wir wissen eigentlich noch gar nicht genug.“ Aufgrund dieser Feststellung gibt es dann immer wieder die Forderung, noch einmal mehr Theorie zu machen. Da es freilich nicht darauf heraus soll, richtige Erklärungen zu bekommen, sondern für den Zweck, dessen man sich ganz sicher ist, mehr brauchbares Wissen zu erhalten, stellt sich stets zweierlei ein. Erstens: Nach kurzer Zeit die Erfahrung, daß man mit den psychologischen, soziologischen und sonstigen Theorien eigentlich nicht viel anfangen kann, weil sie ja keine direkten Handlungsanweisungen vermitteln, sondern nur bestimmte Einstellungen (durch die man vielleicht in dem, was man macht, bestätigt wird und die man weitergeben kann, aber das hilft einem bei den aufgetretenen Schwierigkeiten nicht viel weiter), und daraus entwickelt sich in der Regel eine allgemeine Theoriefeindlichkeit (vor allem aber gegen Analysen, die nicht konstruktiv, sondern „nur“ kritisch sind). Zweitens: Unter theoretischer Vertiefung versteht man darum konsequent nur noch die Erweiterung der Kenntnisse an methodischen Mitteln (wie führe ich ein Gespräch, welche Rollenspiele gibt es noch usw.). Womit auch ein weiterer Lernerfolg zu verzeichnen wäre: „Eine weitere Spannung, die uns in den Projekten immer wieder begegnet, ist die zwischen zwei verschiedenen Grundhaltungen zum Verhältnis von Praxis und Theorie. Neben mehr praktisch orientierten Studenten, die möglichst bald konkret ,einsteigen’ wollen, die sich methodische Fertigkeiten erwerben und sich im Handeln verwirklichen wollen, stehen die mehr theoretisch ausgerichteten Studenten, die zunächst durch Analyse und Reflexion klären wollen, was sie denn überhaupt tun können, bzw. was sie u.U. mit ihrem Tun anrichten (!) und wieweit sie ihr Handeln in der Praxis verantworten und legitimieren können. Während die erste Haltung leicht in blinden Aktionismus ausarten kann, ist die Gefahr der zweiten, daß sie zur bequemen Rationalisierung dafür wird, nichts zu tun – sei es aus Bequemlichkeit oder aus uneingestandener Angst.“ Der Mut zur Sozialpädagogik, der hier verlangt wird, schließt das richtige Verhältnis zur Theorie ein. Wer sich nicht als Instrument für die Sozialarbeitspraxis begreift, macht es sich zu bequem. Wer sich überlegen will, ob es denn richtig ist, was da von ihm verlangt wird, ist eben ein Drückeberger. — Sauber! Das Projekt: „notwendiger Prozeß der Realitätsanpassung“ – „Befähigung zur kritischen Handlungsbereitschaft“ Es ist also kein Zufall, wenn die Entwicklung innerhalb des Projekts folgendermaßen verläuft, daß „ein ursprünglich starker politischer Anspruch ... einer bescheideneren Zielformulierung (z.B. Verbesserung konkreter Lebensbedingungen, Effektivierung der sozialen Dienste zugunsten der Klienten) und einer größeren Skepsis hinsichtlich der Durchsetzung für solche Forderung gewichen ist.“ Was hier in scheinheiliger Verwunderung über die Entwicklung vorgetragen wird, macht doch gerade den Erfolg des Projektstudiums aus: Erfahrungen im Praxisfeld als Sozialarbeiter verarbeiten lernen. Genauso geheuchelt ist denn auch folgende Schwierigkeit: „Die schwierige Aufgabe besteht nun allerdings darin, innerhalb dieser Realitäten und aus ihrer kritischen Reflexion noch (?) Ansätze für Alternativen zu entwickeln.“ Die Antwort gibt nämlich der gleich dahinterstehende Satz: „Hier haben die Projekte als »begrenzter Freiraum« eine wichtige Funktion.“ Projekte sind also eine inzwischen bewährte Form, angehende Sozialarbeiter mit der künftigen Praxis bekannt zu machen. Indem sie selber unter ständiger Anleitung durch Dozenten und Praktiker nach Alternativen und effizienteren Methoden in der Praxis suchen müssen, wobei sie sich ja immer noch zugute halten können, daß sie ja ihre richtige Methode erst noch entwickeln, erwerben sie sich ein erkleckliches Maß an „beruflicher Kompetenz“. „Durch konkrete Lösung von Problemen und die Vermittlung von Problemlösungsverhalten soll Berufssicherheit, Berufsidentität und eine professionelle Haltung gefördert werden.“ Sie werden zu „kritischer Handlungsbereitschaft befähigt“ – wenn das nichts ist. ________________________________________________ (1) Die Anführungszeichen stammen von den Verfassern und sollen wohl heißen: „was das genau heißt, müssen wir leider offen lassen“ (Dümpelmann/Terhorst),– ist uns aber auch wurscht. aus: Bremer Hochschulzeitung Nr 1, 1979 |