Die Nationalisierung der KPD:


EIN UNHEIMLICH STARKER ABGANG

Ernst Thälmanns Diktum aus den Zwanziger Jahren, den wahren Kommunisten erkenne man an seiner Liebe zur Sowjetunion, hat in seiner Umkehrung neue Aktualität als Maxime der „Generallinie“ der KPD und KPD/ML gefunden. Entsprechende Urteile über die „Weltlage“ finden sich seit Monaten in den Zentralorganen „Rote Fahne“ und „Roter Morgen“: Das Anzünden kommunistischer Parteibüros und die Verbrennung von Cunhal-Puppen in Portugal ist ein wichtiger „Beitrag zum Sieg des portugiesischen Volkes“, F. J. Strauß findet Lob, weil er eine Fraktion des westdeutschen Bürgertums vertritt, die sich für nationale Unabhängigkeit einsetzt, und darin von Mao bestärkt wurde; die EG und die NATO sind wichtige Bastionen im Klassenkampf und müssen gestärkt werden; die Unterstützung der MPLA in Angola durch Cuba und die Sowjetunion beweist die „finsteren Machenschaften“ des Sozialimperialismus, weswegen ein Sieg der imperialistischen Kräfte einer „Ausweitung des sowjetischen Einflußbereiches vorzuziehen ist. Der „Rote Morgen“ fordert von den chilenischen Gorillas entschieden „Keine Freiheit für Luis Corvalan“, und auch im eigenen Land entdeckt man allüberall das Wirken des Sozialimperialismus: Die KPD fordert Gewerkschaftsführer und Kultusminister auf, ihre Institutionen von den „Vasallen Moskaus“ zu säubern, und selbst in der Spartakuskampagne für mehr BAFöG entdeckt man das Wirken des „Hauptfeindes der Völker der Welt“, den Versuch, die „Studenten ans Messer des Sozialimperialismus zu liefern.“ Und untereinander streiten sich die MLs nur darum, wer am entschiedensten die Machenschaften Moskaus aufdeckt und bekämpft. Ihre angestrebte Vereinigung scheiterte daran, daß die KPD sich nicht damit abfinden wollte, daß die KPD/ML immer noch auch den „Kampf gegen die nationale Monopolbourgeoisie“ für wichtig hält, anstatt wie die KPD ihre Aktivitäten auf die „Entlarvung der neuen Bourgeoisie“ in „Rußland“ zu konzentrieren.

Dabei verwundert weniger die konsequente Vergewaltigung sämtlicher politischer Geschehnisse oder die neuerliche Korrektur der „Generallinie“ – solche Korrekturen des politischen Interesses, dem man dann gewaltsam die Fakten akkommodiert, um es als die „historische Wahrheit“ der verwickelten Zeitläufe zu beweisen, charakterisieren diese Organisationen seit ihrem Bestehen – als vielmehr die Tatsache, daß ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo selbst die abgefeimtesten bürgerlichen Politiker nur mit allergrößten ideologischen Verrenkungen der Sowjetunion Expansionsgelüste anzudichten vermögen, die KPD sich darauf verlegt hat, ausschließlich die „Kremlzaren“ zu bekämpfen.


I. Die KPD auf dem Standpunkt der Weltrevolution

Am 12. Nov. 1975 hat sich die KPD auf eine neue Generallinie gestellt, da sie vorher auf einer stand, die von der jetzigen abwich:

„Unsere Partei ... wich in einigen wichtigen Fragen, u. a. in der korrekten Einschätzung des modernen Revisionismus...von der Generallinie ab.“

Mit der neuen Generallinie kritisiert die Partei also nicht die Fehler der alten, sondern ihr Versäumnis, bei ihrer Gründung nicht ebenso gedacht zu haben wie heute. Wenn also die KPD vor fünf Jahren die Gefährlichkeit des Sozialimperialismus nicht „unterschätzt“ hätte, hätte sie sich schon vor fünf Jahren auf den korrekten Standpunkt der jetzigen Linie begeben:

,,Die Verbreitung der Einsicht über das zutiefst antidemokratische und aggressive Wesen der heutigen Sowjetunion und der modernen Revisionisten ist die entscheidende Aufgabe, die sich Kommunisten und allen Demokraten stellt.“

Die Notwendigkeit der Konzentration all ihrer Kraft auf den Kampf gegen die Sowjetunion ergibt sich für die KPD nicht aus den Erfordernissen des Klassenkampfes in der BRD, vielmehr fordert sie,

„die Interessen der Revolution in unserem Land den Interessen der Weltrevolution unterzuordnen,“

weshalb sie es sich nicht gestattet, auf dem „Standpunkt eines Landes“ zu stehen, sich vielmehr auf den „Standpunkt der Weltrevolution“ stellt, um von diesem aus eine „Einschätzung der gegenwärtigen Weltlage“ vorzunehmen. Und da die KPD nicht erst seit dem 12.11.1975 die Welt von diesem Standpunkt aus betrachtet, bedient sie sich „der marxistischen Methode“ als ihres „Mikroskops und Teleskops“, so daß die Ergebnisse von früheren naturkundlichen Forschungen zunächst keineswegs „abweichen.“


Große Unordnung in der Welt

„Die Weiterentwicklung der Generallinie der KP Chinas von 1963“ gibt erstmal die entwicklungsbedürftigen chinesischen Spruchweisheiten zum Besten:

„Die Theorie der drei Welten gibt die konkrete (!) Analyse der grundlegenden Widersprüche des Imperialismus in ihrer heutigen Ausprägung wieder. Diese grundlegenden Widersprüche:
– zwischen Imperialismus und unterdrückten Völkern und Nationen,
– zwischen Proletariat und Bourgeoisie,
– zwischen den imperialistischen Staaten,
– zwischen sozialistischen Ländern und Imperialismus …“

und lehrt „die Zuspitzung aller Widersprüche im Imperialismus“:

„Die gegenwärtige Lage ist durch große Unordnung in der Welt gekennzeichnet.“

Damit sich der Kopf, der durch große Unordnung in sich gekennzeichnet ist, Erleichterung verschafft, versichert er, daß das von ihm in der Welt angerichtete Chaos nicht zu fürchten sei:

„Die gegenwärtige Unordnung auf der Welt ist etwas Gutes, keineswegs schlecht für die Völker“ (Tschou En-Lai)“, denn:

„Der Imperialismus ist die Epoche des sterbenden Kapitalismus, der proletarischen Revolution und des weltweiten Sieges des Sozialismus.“

„Die lichte Zukunftsperspektive des revolutionären Proletariats“ läßt sich aber nicht nur auf den ersten Blick an der Fäulnis des Imperialismus und dem weltweiten Vorhandensein des Proletariats ablesen, sondern erweist sich bei näherer Betrachtung der Welt ein weiteres Mal. Diese zerfällt aufgrund zugespitzter Widersprüche in drei Welten. Welt Nr. 3 garantiert durch ihre Existenz den Fortschritt:

„Die ständig wachsende Bedeutung des Kampfes der Dritten Welt (1) gegen die Hegemoniestrebungen der beiden Supermächte für die Weltrevolution“

und ist ein sicherer Beleg dafür, daß die Revolution, die „unwiderstehliche historische Strömung“, die in Deutschland noch nicht so recht klappen will, nicht mehr lange auf sich warten lassen wird – da sie in Welt 3 bereits verwirklicht ist, ist Welt 2 als nächste an der Reihe. Während so die „Dritte Welt“ – „gegenwärtig die Hauptkraft im Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus und Hegemonismus“ – bereits voll ihren historischen Auftrag erfüllt (z. B. der Schah des Iran und der Scheich von Kuwait an der Ölpreisfront), kämpfen die Supermächte der Ersten Welt um die Weltherrschaft:

,,Imperialismus bedeutet Krieg.“

Dies ist für die Weltrevolution nur von Vorteil:

„Die Völker und Proletarier (brauchen) auch den im Imperialismus gesetzmäßig entstehenden Krieg nicht zu fürchten: »Falls der Imperialismus stur (gesetzmäßig) einen solchen (!) Krieg vom Zaune bricht, wird das unweigerlich in der Welt Revolutionen noch größeren Ausmaßes hervorrufen und seinen Untergang beschleunigen.« (X. Parteitag der KPCh)“

„Es wachsen die Faktoren sowohl für die Revolution als auch (!) für den Krieg an. Ganz gleich, ob der Krieg die Revolution hervorruft oder die Revolution den Krieg verhindert, die internationale Lage entwickelt sich stets zugunsten der (!) Völker, und die Zukunftsperspektiven der Welt (!) sind immer glänzend.“

Bis hierher unterscheidet sich das Ergebnis der Untersuchung der „gegenwärtigen (!) Weltsituation“ – die Verkündigung des eigenen Standpunktes, den man der Welt als „historische Strömung“ entlockt – durchaus nicht von früheren Bekenntnissen. Da die KPD den Standpunkt der Weltrevolution eingenommen hat, ist die Zukunftsperspektive der Welt eben die lichtglänzende Weltrevolution. Der schönen Unausweichlichkeit dieses Ziels ordnen sich alle widrigen Faktoren unter und befördern, gerade indem sie revolutionären Bewegungen Niederlagen zufügen, die Revolution zerstören, die Revolution. Mit dieser Komme-was-wolle-Haltung ist man gegen jede Abscheulichkeit des Imperialismus gewappnet, denn jede seiner Aktionen ruft die gewünschte potenzierte revolutionäre Reaktion hervor. Diese interessierte Betrachtungsweise des Imperialismus, der den „Faktor Revolution“ stur anwachsen läßt, fördert nicht seine ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, sondern seine hemmenden und gerade dadurch „letztendlich“ fördernden Auswirkungen auf die Weltrevolution zutage. Da die Revolution auch ohne Zutun der KPD eintreffen wird, interessiert sie sich natürlich dafür, wann es soweit sein wird, d. h. wieviel Macht der Imperialismus noch besitzt, die „Kräfte“ der Revolution zu unterdrücken.

Der „Weltlage“ läßt sich jedoch nicht nur das Kräfteverhältnis Imperialismus/Revolution entnehmen, an ihr zeigt sich auch, wie unter den imperialistischen Staaten die Macht verteilt ist, wer Hegemonie ausübt bzw. anstrebt und deshalb ein besonders gefährlicher Feind der Revolution ist. Die Staaten der Zweiten Welt (1) sind, wie der Name schon sagt, in dieser Hinsicht uninteressant.

„Zwischen den Supermächten und der Dritten Welt stehen die entwickelten (!) kapitalistischen und (!) imperialistischen Länder der Zweiten Welt.“

Doch der Imperialismus beschränkt sich in seiner Maßlosigkeit nicht auf die Produktion normal entwickelter Länder wie etwa der BRD. Er bringt auch die „beiden imperialistischen Supermächte“ hervor, die in der Welt Nr. 1 um die Vorherrschaft und damit um die Weltherrschaft „ringen“.


Die SU – ein junger Räuber

In der Beurteilung dieses Ringkampfes nun hat die KPD ihre alte Generallinie revidiert. Während zur Zeit des Vietnamkriegs die USA „das Kernland des Imperialismus“ („Rote Pressekonferenz“ 93) waren,

„der gegenwärtige Hauptwiderspruch in der Welt der zwischen unterdrückten Völkern und dem Imperialismus mit dem USA-Imperialismus an der Spitze“ (RPK 148)

war, muß gegenwärtig der Hauptwiderspruch ganz wo anders gesucht werden. „Die sowjetische Revisionistenclique“ (RKP 94) von einst ist zur ,.sozialimperialistischen Supermacht“ avanciert, deren Gefährlichkeit sich heute nicht mehr „unterschätzen“ läßt:

„Der russische Sozialimperialismus ist die aufsteigende, die aggressivere Supermacht, er ist der weit gefährlichere Herd eines neuen Weltkriegs“, denn die Sowjetunion „ist ein junger, besonders hungriger Räuber, der bei der Aufteilung der Welt zu kurz gekommen ist.“

Ohne nun die Verdienste der SU um die Weltrevolution, die sie ja nicht zuletzt durch das Anwachsenlassen des Faktors Krieg ein gutes Stück voranbringt, eines Wortes zu würdigen, warnt die KPD vor der „russischen Dampfwalze“. Während früher die nordische Rasse die hungrige Erobererrasse war, die Slawen sich nur „in Bewegung setzten, wenn sie einen Anreiz, eine Lockung von außen erhielten“ (vgl. Charakterbilder der Rassen, Berlin 1934, S. 26 und 84 f.), hat sich heute die Charakterstruktur dieser Völker in ihr Gegenteil verkehrt. Der Machthunger der „neuen Zaren in Moskau“, der bereits Rußland in ein „Zuchthaus des neuen Hitler“ verwandelt hat, erstrebt demnächst „in der BRD und ganz Westeuropa“ – „Denn Europa ist die Schlüsselposition für die Beherrschung der Welt“ – „Zustände nach dem Vorbild Hitlers zu errichten“:

„Nordeuropa, Portugal, der Balkan, der Mittlere Osten, die schwachen Flanken (!) Europas - all das sind doch Beispiele dafür, daß die Kriegsgefahr wachst.“

Vom Natopartner USA braucht Europa sich nichts zu erhoffen: denn der USA-Imperialismus „ist im Abstieg befindlich“, da er den Merksatz befolgt: „Der Imperialismus ist die Epoche des sterbenden Kapitalismus.“ Fragt sich nur, welcher Räuber wen verspeist:

„Die Widersprüche zwischen den beiden Supermächten sind unversöhnlich. Ihre Rivalität kann nur zu einem Ende führen: eine »verschlingt« die andere.“

Da also die Zeit der Schreckensherrschaft des Sozialimperialismus sehr bald anbrechen kann, muß man alles daransetzen, den Aufstieg der Supermacht SU zur Supersupermacht zu verhindern: man muß die Macht der Zweiten Welt stärken und auch die USA dabei nicht vergessen (wenn der Kampf mit der SU vorbei ist, werden sich auch die gestärkten kapitalistischen Staaten aufgerieben haben und ohne weitere Umstände sterben).


Die Welt der Haupt- und Nebenwidersprüche

Wenn man wie die KPD den Globus unter machtpolitischen Gesichtspunkten betrachtet – freilich mittels eines „marxistisch-leninistischen“ Teleskops –, ist es nicht leicht, bei dem täglichen Auf und Ab der Macht die Gewichte richtig zu verteilen. Die USA, unlängst noch die Verkörperung des Imperialismus schlechthin, sind aufgrund des Machtverlustes, den die KPD aus ihrer Niederlage im Vietnam-Krieg diagnostiziert, in der Skala der diversen Widersprüche weit nach unten abgerutscht und erfahren nur insofern noch Beachtung, als sie die Macht des Sozialimperialismus zu beschränken in der Lage sind. Von der Macht des Imperialismus fasziniert, zollt die KPD ihm Anerkennung, indem sie ihm das Prädikat „Widerspruch“ verteilt: da er seine Macht nicht in den Dienst der welthistorischen Strömung stellt, widerspricht er nicht nur dieser, sondern sich selbst – denn seine Tage sind gezählt. Ist so der Imperialismus aufgrund seiner Langlebigkeit ein Grundwiderspruch, so sind doch auch die „Supermächte“ mächtig, weshalb sich für ihre Charakterisierung der Terminus „Superwiderspruch“ empfiehlt. Die verschiedenen Konflikte der „Weltsituation“ nun aber sind grund-, haupt- oder nebenwidersprüchlich, je nach dem, für wie wichtig die KPD sie hält. Alle Fakten der Weltgeschichte werden so mit der „marxistischen Methode“ sortiert, daß sie die neue Generallinie gegen den „jungen Räuber“ glänzend bestätigen.

Das Interesse der KPD hat sich offensichtlich in der letzten Zeit tiefgreifend gewandelt. Denn ein Monstrum wie der Sozialimperialismus entsteht nicht von einem Tag auf den andern; zumindest seit Stalins Tod –

die DDR war „unter Führung Stalins...zunächst ... ein neutraler, demokratischer, friedliebender Staat“ –

hätte die KPD Anlaß gehabt, den Sozialimperialismus als den Hauptfeind der Völker“ wahrzunehmen.
Wenn nun die KPD auf dem „Standpunkt der Weltrevolution“ steht, indem sie der Welt diktiert, gegen wen es zu kämpfen gilt – gestern gegen die USA, heute gegen die SU, morgen gegen die Zweite und übermorgen gegen die Dritte Welt – der KPD also nichts an der Weltrevolution gelegen ist, so muß sie diese erst recht ständig beschwören. Die Revolution ist für die KPD nichts weiter als eine Machtfrage, und da die KPD nicht mächtig ist, möchte sie sich wenigstens so fühlen. Dieses Gefühl stellt sich spielend ein, wenn man sich als Teil der Weltrevolution versteht:

„Die Marxisten-Leninisten ... sind ein aktiver Teil der weltrevolutionären Strömung.“

Ist man Teil der Strömung geworden, so ist man Strömung – wie ließe sich diese auch teilen? Und indem sich die KPD derart verströmt, gehört ihr auch schon die ganze Welt – denn was nicht ist, wird umso sicherer kommen: der Mahlstrom der Weltrevolution wird wahrlich auch die Supermächte auf den Misthaufen der Geschichte spülen ...


II. Die Ohnmacht der KPD

Bürgerliche Parteien gefallen sich angesichts ihrer eigenen Stärke darin, auf die praktische Bedeutungslosigkeit einer kommunistischen Partei zu deuten, um zu demonstrieren, daß sie ihr gegenüber aufgrund ihrer Mehrheit im Recht sind. Der Vorwurf bürgerlicher Politik gegen sie kann von der KPD nicht entkräftet werden, stattdessen unterwirft sie sich ihm, da sie sich als „revolutionäre Alternative“ zum bürgerlichen Staat versteht. Sie unterstellt dem Proletariat (und bekanntlich nicht nur diesem) revolutionäres Wollen und muß sich damit herumschlagen, daß das Volk, das doch dasselbe will wie die KPD, dies nicht zu zeigen wagt, der revolutionäre Wille nur in immer denselben wenigen Personen seinen Ausdruck findet, die KPD laboriert also an dem Problem ihrer geringen Mitgliederzahl, hat so wenig Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit ihrer Politik, daß sie sich – unabhängig von dieser – um ihre Größe sorgt. Wie allen Revisionisten kommt es ihr deshalb darauf an, sich als „Machtfaktor“ zu etablieren, und damit zu beweisen, daß sie mit ihrer Politik im Recht ist. Dergestalt durch die eigene Erfolglosigkeit ins Unrecht gesetzt, verselbständigt sich die Machtfrage bei der KPD zum Komplex.

Sie tröstet sich über die eigene Bedeutungslosigkeit hinweg, indem sie alle „revolutionären Kräfte“ der Welt den Mitgliedern der KPD hinzuaddiert und so zumindest in der Einbildung wer ist. Da diese Karteileichen aber die „.Kräfteverhältnisse“ der BRD nicht verschieben, sehen sich die Kommunisten, die endlich einmal die Mehrheit darstellen wollen, nach einem anderen Trick um, der ihnen zur Bedeutung verhilft. Ihn glaubte die Gruppe Rote Fahne gefunden zu haben, indem sie sich von einer Zirkelorganisation in eine Partei umbenannte. Die KPD setzte sich mit einem Satz an die Spitze des bereits sozialistischen Volkswillens und mußte auch von dieser erhabenen Position innerhalb des Konkurrenzkampfes sozialistischer Organisationen um die Gunst des Volkes, diesem erzählen, was sie ihm schon als KPD/AO verkündet hatte: das Volk ,,will den Sozialismus“. Da die fünfjährige Arbeit der KPD „im Dienste des Volkes“ ihren Standpunkt nicht zu erschüttern vermochte, sie andererseits nicht die ersehnte Stärkung der KPD bewirkte, sucht die KPD den Grund für ihr Mickerdasein – das es, wenn es mit rechten Dingen zuginge, gar nicht geben dürfte – weder in ihrer Politik, die auf der richtigen Stellung zum Volke basiert, noch beim Volk, das die richtige Einstellung zur KPD schon hat. Sie sucht nach einem Schuldigen, der die guten Beziehungen zwischen den Massen und der KFD stört, weshalb sie nicht gedeihen. Die KPD machte früher die Monopolbourgeoisie, die demokratischen Parteien oder den bürgerlichen Staatsapparat, die dem Volk durch Manipulation ein anderes Interesse als sein eigentliches nach Revolution aufschwatzen, dafür verantwortlich. Im Gegensatz zu diesen früheren falschen Erklärungen kümmert sich die KPD heute nur noch um ihre Winzigkeit und entdeckt den Schuldigen in einer Partei, deren Existenz und Erfolge verhindern, daß die KPD die Spitzenposition in der revolutionären Konkurrenz um die Anerkennung durch die Massen einnimmt. Da sie in diesem Konkurrenzkampf die unterlegene Partei darstellt, macht die KPD die DKP für ihre eigene Schwäche haftbar. Wenn die DKP mit demselben Standpunkt auftritt, kann es sich nur um ein Betrugsmanöver handeln: „Sozialistisch in Worten“ begeistert sie das Volk für den „antimonopolistischen Kampf“ und „Frieden, Demokratie und Sozialismus“ und nutzt die Gutgläubigkeit des Volkes und seinen „tiefen Wunsch nach Sozialismus“ aus, um „imperialistisch in Taten“ das Gegenteil ihrer Versprechen durchzusetzen:

„Denn es geht ihnen nicht um die Beseitigung der Macht des Monopolkapitals überhaupt, nicht um den Sturz von Kapitalismus und Imperialismus (dieses Anliegen behalt sich die KPD vor), sondern um die Verwandlung des Privatmonopolkapitalismus in einen Staatsmonopolkapitalismus, in dem sie an der Führung beteiligt sind.“

Die Mitgliederzahl der KPD läßt sich daher um mindestens 35 000 erhöhen, wenn den Anhängern der DKP die Augen darüber geöffnet werden, wer hier eigentlich revolutionäre Absichten hat:

„Die KPD besitzt die Möglichkeit, sich sprunghaft zu verbreitern.“


III. Das Volk im Dienste der KPD

Da in „der Welt unter 1%“ (vgl. MSZ Nr. 3/1975) auch Zwerge zu Giganten werden, hat die KPD beschlossen, fortan die DKP als ihren Hauptfeind zu bekämpfen:

„Der gefährlichste Feind in der Arbeiterbewegung ist heute nicht mehr die Sozialdemokratie, sondern der moderne Revisionismus ...“

Sie kämpft also nur noch gegen die DKP, schert sich nicht länger um die Arbeiter, verzichtet auf eine Kritik der SPD, von der sie sich nichts verspricht, und bemüht sich stattdessen, der DKP nach Kräften zu schaden, um den eigenen Vorteil zu mehren.

Da sich die KPD nicht darüber ärgert, weichen Schaden die DKP mit ihrer illusionären Politik unter den Arbeitern anrichtet, sondern sie die DKP bekämpft, weil sie sie für den desolaten Zustand der eigenen Partei verantwortlich macht, zerstört sie in ihrer Agitation nicht die verkehrten Vorstellungen, die die DKP verbreitet, sondern befördert den Antikommunismus. Die KPD hat erfahren, daß den „Massen“ von sich aus nichts daran gelegen ist, das Größenverhältnis der beiden Parteien zugunsten der KPD zu verschieben, eine Bedrohung der KPD durch die DKP sie kalt läßt. Deshalb muß die KPD die Gefährlichkeit ihres Gegners ins Ungeheure anwachsen lassen. Von der Gleichsetzung der KPD und dem Volk in ihrem revolutionären Wollen ausgehend, folgert die KPD messerscharf, daß ihr Gegner eine Bedrohung für das Volksganze darstellt. Da das Volk sein Desinteresse an der Politik der KPD bewiesen hat, sieht sie bescheiden von ihrer eigenen Gefährdung ab und widmet sich umso eifriger der Aufgabe, das Volk über seinen Gegner aufzuklären, ihm den volksfeindlichen Charakter der DKP in gehöriger Weise auszumalen, damit die Angst vor der DKP zur erforderlichen kämpferischen Haltung ihr gegenüber führt.


Die DKP als Supermacht

Wie man selbst mit der Strömung Richtung Weltrevolution schwimmt, wird der Gegner nun zur Welle der Gegenströmung: Die besondere Gefahr des Volksfeindes liegt bekanntlich in dem Schaden, den er dem Volk zufügt, indem er dem äußeren Feind nützt.

„Die DKP/SEW-Revisionisten versuchen im Interesse des Expansionismus und Hegemonismus des sowjetischen Sozialimperialismus, die Volksmassen zu desorientieren und den Staat von innen heraus zu zersetzen und sturmreif zu machen.“

Wenn die KPD damit auch das Gegenteil des angestrengten Beweises beweist – die Gefährlichkeit der DKP liegt nicht in ihrer Politik, sondern in der Macht ihres Auftraggebers –, so hat sie die DKP doch endlich in der Form, von der sie sich Erfolg verspricht, denn die „Massen“ halten an nichts lieber als an ihren antikommunistischen Vorurteilen fest. Indem jetzt die DKP als Agent und Rußland (!) als Hauptfeind Deutschlands (!) entlarvt ist, fühlt sich die KPD einerseits vom Druck des Giganten DKP spürbar entlastet:

Sie ,,verfolgen eine klare Strategie, in der freilich nicht ihre jämmerlich schwachen Organisationen, sondern die Aggression und die Kriegsdrohung des sowjetischen Sozialimperialismus ihr wichtigster Aktivposten ist.“

Andererseits erscheint die DKP als „Zutreiber des Sozialimperialismus“ in umso bedrohlicherem Licht:

„Daß es den modernen Revisionisten gelang, ihr strategisches Konzept im VDS-Vorstand durchzusetzen und teilweise in der spontanen Bewegung der Studentenmassen zu verankern, ist Ausdruck des gewaltigen expansionistischen Drucks des russischen Sozialimperialismus.“

Da ihre Politik „objektiv dem sozialimperialistischen Expansionismus“ dient – „Ein entscheidendes Kettenglied sozialimperialistischer und revisionistischer Strategie ist die militärische Schwächung Westeuropas, konkret der BRD.“ –, ist die „Friedenspolitik“ der DKP („Runter mit der Rüstung – rauf mit der Bildung“, KPD: „Dafür sind wir nicht!“) das gefährlichste Täuschungsmanöver, auf das leider immer noch nicht nur die spontanen jungen Leute hereinfallen: es „gelang den modernen Revisionisten, relativ erfolgreiche Urabstimmungen durch Täuschung der Studentenmassen zu gewinnen.“ Damit das Volk nicht nur so will wie die KPD, sondern endlich auch erfährt, was seiner „revolutionären Avantgarde“ schon längst klar ist, „reißt“ die KPD dem Sozialimperialismus „den fortschrittlichen und sozialistischem Schleier runter und entlarvt sein zutiefst faschistisches Wesen.“ Hausfrauen, die ihre Kartoffeln oder Pazifisten, die ihre Ideen von der DKP beziehen, müssen wissen, daß sie sich damit den Expansionsgelüsten Rußlands ausgeliefert haben. Da es der „von drüben“ bezahlten DKP bisher gelang, ihre wahren Absichten zu verheimlichen, hat sich der äußere Feind schon tief ins Volksinnere eingefressen:

„Vermittels der revisionistischen Ideologie (die bei den Massen also Anklang findet), der Demobilisierung der Arbeiterklasse mit ihrer Friedens- und Entspannungsideologie (die Arbeiterklasse will also Frieden und Entspannung), der Infiltration in wichtige Bereiche des Staatsapparates, der Gewerkschaften, der Wirtschaft und verschiedenster gesellschaftlicher Institutionen wirken die Agenturen des Sozialimperialismus. um unser Land für dessen Vorherrschaftspläne sturmreif zu machen“ und hat sich sogar schon Brückenköpfe im Überbau erschlichen.“

Unser Land muß also zum Angriff übergehen, wenn es nicht im Sturm genommen werden will.


Für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Deutschland!

Ungerührt über die Tatsache, daß selbst der CDU nichts Prinzipielles gegen die Politik der Entspannung und friedlichen Koexistenz der SPD einfällt, schürt die KPD antikommunistische Vorurteile und beschwört die Gefahr aus dem Osten, damit das Volk aus seinem Schlaf erwacht:

„In einer Situation, in der es gilt, sich zu rüsten und Vorbereitungen zu treffen, weiß die Mehrzahl der Menschen unseres Landes noch nicht einmal, wo der nächste Bunker zu finden ist. wenn es ihn überhaupt gibt.“

gen Rußland zieht, um den Sozialimperialismus zu vernichten – wodurch endlich auch die KPD von ihrem lästigen Gegner befreit wäre. Um das Volk zum Krieg zu bewegen, erinnert die KPD an das Faktum seiner Teilung;

„Heute ist Deutschland ein geteiltes Land, aber es gibt nur eine deutsche Nation.“

und unterrichtet es davon, daß ,,gegenwärtig“ unter den .“zwei hauptsächlichen Widersprüchen: dem nationalen und dem Klassen-Widerspruch“, der nationale als der hauptsächlichere zu betrachten sei:

„Das Banner der nationalen Befreiung muß heute besonders gegen den modernen Revisionismus und den Sozialimperialismus verteidigt werden. Denn der Sozialimperialismus ist heute der Hauptfeind des ganzen deutschen Volkes.“

Der KPD fällt es nicht schwer, die Verwandlung des „tiefen Wunsches nach Sozialismus“ im Volk in die Sehnsucht nach einer antihegemonistischen Front zu begründen: Sie versichert, daß das Schöne an der „antihegemonistischen und nationalen Einheitsfront“, zu der „alle patriotisch gesinnten Teile des Volkes, auch Teile der Bourgeoisie, wenn sie dazu bereit sind (na klar!) zusammengeschlossen werden müssen“, gerade ist, daß dieser durch die KPD gewünschte Zwangszusammenschluß der Teile des Volks zum Volk „die wichtigste Form des Herankommens an die proletarische Revolution“ ist: wenn „nachdem Sieg über die Aggressoren die Waffen nicht aus der Hand“ gelegt werden, läßt sich „die Revolution gewaltsam zu Ende führen.“

Die Dringlichkeit des Kampfes gegen die russischen Aggressoren unterstreicht die KPD durch die Parole, unter die sie ihn stellt: „Für ein unabhängiges, vereintes, sozialistisches Deutschland!“, getreu dem Leitsatz:

„Staaten wollen Unabhängigkeit. Nationen wollen Befreiung, die Völker wollen Revolution.“

um dessen Verwirklichung sich die Dritte Welt kümmert. Obgleich also „beide Teile Deutschlands zur zweiten Welt gehören“, müssen sie sich wie ein Land der Dritten Welt fühlen: die BRD – eine „hochentwickelte Industrienation (wenngleich unter der Herrschaft der Bourgeoisie)“ – ist kein imperialistisches Land, das andere ausbeutet, sondern arm dran, weil es von Rußland in dreifacher Weise geknechtet wird: 1. Sie ist kein Staat, da sie von Rußland abhängig ist; 2. sie ist keine Nation, da sie von Rußland geteilt wurde; 3. sie ist nicht sozialistisch, weil Moskaus Agenturen das zu verhindern wissen.

Obwohl die Nationalkommunisten den westdeutschen Staat dafür loben, daß er sich ihrer Einschätzung der russischen Gefahr mittlerweile angeschlossen hat:

„Das Weißbuch zeigt, daß die Bonner Regierung angefangen hat, die gewaltige Aufrüstung des sowjetischen Sozialimperialismus zur Kenntnis zu nehmen“,

kann sie ihm den Vorwurf des Klassenstaats nicht ersparen, ist er doch unfähig, dieser gewaltigen Bedrohung Herr zu werden:

„Bürgerliche Militärpolitik kann die nationale Verteidigung nicht sichern.“

Diese muß ihr, dem „Organisator aller Siege“, vorbehalten bleiben.

„Ja, ohne korrekte marxistisch leninistische Parteien ist es nicht möglich, die nationale Unabhängigkeit letztendlich zu erkämpfen und zu sichern und zum Sozialismus weiterzuschreiten (denn darauf kommt es der KPD an!).“


Die deutsche Nation und ihr Hauptfeind

So streitet man sich unter MLern, wie man am besten den Nationalstaat verteidigt: Dabei muß man bei der KPD/ML eine „pessimistische (!) Einstellung gegenüber dem Anwachsen der Faktoren des Krieges und (!) der Revolution“ feststellen. Früher waren positive Ansätze eines kriegerischen Optimismus bei der KPD/ML durchaus zu verzeichnen:

„Am 27.3.1975 führte E. Aust in Kiel noch aus: »Können wir ... uns gegenüber diesem Hegemoniestreben der sowjetischen Supermacht gleichgültig verhalten? ... Nein, das können wir nicht, denn das hieße, nicht über die Kirchturmspitze des eigenen Landes hinauszuschauen.«“

Jetzt aber sind sie furchtsam zum alten Hauptwiderspruch zurückgekehrt:

„Als Hauptfeind muß die Arbeiterklasse in Westdeutschland die eigene Monopolbourgeoisie bekämpfen, weil sie »in erster Linie vom westdeutschen Imperialismus ausgebeutet und unterdrückt wird!«“

„Genosse Heuler (!) vom Ständigen Ausschuß des Politbüros des ZK der KPD trat dieser opportunistischen Linie entgegen, indem er feststellte, daß zwar aus einem Stein nie ein Küken ausschlüpfen könne, daß aber auch ohne Hitze aus einem Ei niemals ein Küken wird, und daß deshalb die äußeren Bedingungen durchaus das Haupthindernis ... sein können.“

Klar, daß sich bei der Entscheidung, welchen von zwei Hauptwidersprüchen man bevorzugt, die Geister scheiden müssen und so sind auch aus der KPD Gruppen ausgeschieden bzw. ausgeschlossen worden, die sich der Entscheidung des ZK nicht unterwarfen. Die zentrale Leitung des KSV löste gar das ganze Regionalkomitee Westberlin auf und konnte diese Maßnahme mit dem gleichen Vorwurf begründen, der ihm von den Aufgelösten gemacht worden war: die Genossen hätten „die proletarische Linie“ verlassen.

Wenn auch die KPD aus dieser wie aus jeder Spaltung gestärkt hervorgeht, so kann sie doch mit der Politik ,,der Verteidigung der nationalen Interessen“ keineswegs den intendierten Zweck, die Anhebung ihrer Mitgliederzahlen, bewirken. Sie wirbt weder der DKP Anhänger ab, wenn sie ihnen die finsteren Absichten ihrer Führer enthüllt – denn sie wären nicht bei der DKP, wären sie nicht vom Gegenteil überzeugt –, noch frischt sie ihren verminderten Bestand durch Teile des Volkes auf, dem es unentwegt einschärft, von seinem Antikommunismus nicht abzulassen. Und auch den kleinen Dienst, um den die KPD das Volk bittet, schlägt es ihr ab, denn warum sollte es einen Krieg gegen die Sowjetunion führen, um die DKP zu vernichten?

So vom Volk einmal mehr im Stich gelassen, wendet sich die KPD an den westdeutschen Staat, dessen Gewaltmonopol sie schätzt, da es zur Bekämpfung der DKP brauchbar ist. Zwar beschimpft sie ihn, daß er es noch nicht wirksam genug und leider oft auch gegen seine Freunde einsetze :

„Die DKP/SEW-Revisionisten werden von dem reaktionären (Staatsschutz-) Gesetz geradezu geschützt, ihre Todfeinde, alle wirklichen Revolutionäre dagegen unterdrückt.“,

doch läßt sich dieser Mangel beheben, wenn der Staat die Tips, die ihm die KPD zur Enttarnung der „5. Kolonne des Sozialimperialismus“ (vgl. MSZ Nr. 7/1975 „Ein neues Bremer Modell?“) gibt, auswertet. Er wird die von der KPD denunzierten DKPler unschwer als nicht-wirkliche Revolutionäre erkennen und ihnen die verdiente Strafe zukommen lassen.


IV. Abschied von der Linken

Die Willkür der neuen KPD-Generallinie hat also durchaus Prinzip. Diese Organisation hat sich die eigene Schwäche so sehr zum Problem gemacht, daß sie den propagierten Kampf für den Nutzen der Massen aufgegeben hat und stattdessen das frühere Beiwerk ihrer politischen Propaganda – die Streiterei mit linken Konkurrenzorganisationen um den „Führungsanspruch“ zum ausschließlichen Inhalt ihres politischen Treibens und Argumentierens gemacht hat. Der hilflose Versuch, Anhänger zu gewinnen, indem man den Konkurrenten um die Gunst der Massen verunglimpft, ohne zu sehen, daß auch er den Massen ziemlich gleichgültig ist, beweist, daß die KPD über den falschen Erklärungen des Scheiterns der eigenen Massenwerbungsversuche mit moralischen Phrasen vergessen hat, daß sie für das falsche Ideal eines gerechteren Staates zu kämpfen angetreten war, und zeigt, daß sie nur noch ein Problem hat: die Konkurrenz, die DKP hat vergleichsweise mehr Erfolg. Getreu der revisionistischen Lüge vom tiefen Wunsch des Volkes nach Sozialismus erklärt sie ihr Scheitern damit, daß die DKP das Volk mit dem Marxismus betrügt, und macht ihr eigenes Problem mit der DKP zu dem des Volkes, indem sie die DKP zum verlängerten Arm Moskaus erklärt. Die hohlen Phrasen über das „Ringen der Mächte“ und die „objektive Tendenz der Welt“, all diese traurigen Requisiten einer falschen Agitation, die den Adressaten Zuversicht statt Einsicht geben sollen, haben sich also zum Mittel verkehrt, die bedeutungslose revisionistische Konkurrenzorganisation, der man die Schuld für die eigene Erfolgslosigkeit zuschreibt, zum drohenden Feind des Volkes hochzustilisieren. Indem die KPD ihren bornierten Streit mit der DKP in einen der Sowjetunion gegen das Deutsche Volk verwandelt und ihrem fruchtlosen Gerangel den Charakter eines welthistorischen Kampfes zwischen Gut und Böse verleiht, pervertiert sie die Grundlage aller revisionistischen Politik, den Standpunkt eines besseren Staates, den man den Adressaten aufschwatzen möchte, und bringt damit deren Verrücktheit und Nähe zur faschistischen Politik, offen zur Anschauung. Denn solche Politik, die sich auf Staat und Nation beruft und alle staatsbürgerlichen Ressentiments gegen die Sowjetunion unterstützt und befördern möchte – nicht um des Staates sondern um der Selbstbehauptung der eigenen Organisation willen – resultiert in faschistischen Hetztiraden übelster Art und scheut sich nicht, offenen Antikommunismus gegen die DDR als Ausdruck des sozialistischen Massenbewußtseins zu feiern: Den Tod eines türkischen Mädchens in der Spree und die – von der Springerpresse begeistert geschürte – Empörung kommentiert die „Rote Fahne“:

„Ihr Haß richtet sich gegen die gesamten sozialfaschistischen Unterdrückungsmaßnahmen durch Schießbefehl und die Mauer, mit denen Honecker die DDR in ein Militärzuchthaus für die Arbeiter verwandelte, das sich noch »sozialistisch« zu nennen wagt.“

Unfähig zu begreifen, daß ihr Lob der faschistischen Seiten des Staatsbürgerbewußtseins – und gegenüber anderen Staaten ist der Bürger ganz Staatsbürger – sich mit dem Antikommunismus der Bevölkerung nicht deckt, der die KPD ebenso wie die DKP suspekt und bekämpfenswert erscheint, gehen sie soweit, unter positiver Bezugnahme auf die Klagen bürgerlicher Politiker die DKP der Infiltration und Unterwanderung zu beschuldigen und den Staat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben, zum Verbot und zur Verfolgung dieser „Agenten“ aufzufordern. Sie denunzieren selbst DKPler beim Staat und erhalten die entsprechende Quittung: Die DKP zahlt es ihr mit gleicher Münze heim, fordert „Berufsverbot für Maoisten und Chaoten“ usw., nimmt die Gelegenheit wahr, sich als grundgesetztreue Sozialisten anzubiedern, und der Staat – ungerührt von der ungewollten Schützenhilfe und den Argumenten der KPD, die seine nicht sind – nutzt die revisionistischen Grabenkämpfe dadurch aus, daß er sich in Berufsverbotsfragen weniger Zurückhaltung auferlegt.

Es ist also keine Freude, die politischen Auswüchse einer gescheiterten Revi-Politik zu betrachten, mit denen sich eine Organisation endgültig kaputtmacht. Denn ihr selbstzerstörerischer Kampf gegen die Konkurrenz, den künftighin weiter zu kommentieren wir für überflüssig halten, die Revisionen ihrer früheren Politik, die beweisen, daß diese Organisation kein ernstzunehmender Gegner mehr ist, nützen nicht nur dem Staat, sondern beweisen der Bevölkerung, wo sie diese Politik überhaupt zur Kenntnis nimmt, daß mit solchen falschen Volksfreunden, die sich ihr selbst als Kommunisten anpreisen, kein Staat zu machen ist. Wenn die KPD noch zu etwas nutze ist, so zur Bestärkung der Staatstreue der Bürger und dazu, den Arbeitern die Ahnungen auszutreiben, daß hier nicht alles so steht, wie es sein sollte.

Wenn die Arbeiter sich um solchen gefährlichen Unfug wenig kümmern, was ja der Grund dafür ist, weswegen er stattfindet, ist auch das kein Anlaß zur Freude, beweist es doch, daß sie mit sich und ihrem Staat zufrieden sind und daher die Linken links liegen und sich wechselseitig angeifern lassen. Ihr Anliegen ist der Sozialismus nicht, nicht einmal in seinen existenten revisionistischen Formen. Der Niedergang der KPD, ihr Gezanke mit der DKP und deren Reaktion zeigen also nur eines: die Bewußtlosigkeit der Arbeiterklasse über ihre eigene Lage und die verschiedenartigen Bemühungen der Revisionisten, sie darin zu belassen.

(Alle Zitate, soweit nicht anders vermerkt, aus: „Rote Fahne“, Zentralorgan der KPD und „Dem Volke dienen“, Studentenmagazin des KSV)

aus: MSZ 10 – April 1976

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(1) Die Theorie der 3 Welten stammt von Mao.

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