Eindeutige Enthüllungen über die ROTEN ZELLEN und MARXISTISCHEN GRUPPEN

Entlarvt ! (II):

Stalinismusvorwurf erkenntnistheoretisch


Während das Projekt Klassenanalyse und die Gruppe Rheinische Zeitung bemerkt haben, daß die in der PE formulierte Politik gegen die kapitalistischen Verhältnisse gerichtet ist, und daß sie dabei auch nichts Positives an so widersprüchlichen Phänomenen entdeckt und für sich auszunützen können glaubt, wie sie unsere Gegner schätzen – die Krisen, die SPD, die DKP, die Intelligenz, die reaktionäre Gewerkschaftspolitik, die schönen Erfahrungen des Proletariats usw. –, sind ein paar Nürnberger Jusos im Verein mit einer Hochschulinitiative gleich ganz anders zu Werk gegangen. Sie haben sich ein Herz gefaßt und mit Hilfe einiger an der Universität erlernter Gedanken von jeder Selbstverständlichkeit (vgl. MSZ Nr.15/1977), die in der Programmatischen Erklärung (PE) der ROTEN ZELLEN/AK (in: Resultate 1/1974) steht, das Gegenteil deduziert.


1. Alles Wissen ist relativ ...

Wenn die Roten Zellen sagen, die Wahrheit sei das Mittel kommunistischer Politik und nicht interessiert zusammengefügte Gemälde der bürgerlichen Verhältnisse, wenn wir also klarstellen, daß Parteilichkeit in der Wissenschaft nichts zu suchen hat, strebt der Nürnberger Verein danach, die Relativität allen Wissens und der Roten Zellen nachzuweisen:

„Gerade weil wir uns schon zu Beginn der PE mit dem Anspruch der Objektivität, der Erkenntnis von Seiten von AK sprich MG konfrontiert sehen – einer Objektivität, die sich eben noch nicht am »Gegenstand« erwiesen hat –, halten wir erkenntnistheoretische Reflexionen in Bezug auf Erkenntnis, auf Wissenschaft im Kapitalismus für notwendig. Sie sind unabdingbar, um über die Erkenntnistätigkeit von AK/MG generell, wie auch über die Marxsche Theorie, die die AK/MG als Schlüssel ihrer vorgegebenen Objektivität behauptet, zu Erkenntnissen zu kommen ...
Die Produktion ist die Voraussetzung der Entwicklung des Menschen und seiner Denkfähigkeit. Die Form menschlicher Praxis ist aber gesellschaftlich und hat so entscheidende Bedeutung für den Erkenntnisprozeß. Dieser Zusammenhang ist bei der AK/MG verloren, indem sie mit der »objektiven Realität« und dem Anspruch ebenso objektiver Erkenntnis (des »Wissens«, wie sie es andächtig nennt) Anhang gewinnen will.“

Weil die Entwicklung von Nürnberger Studenten und ihrer Denkfähigkeit in der Produktion ihre Voraussetzung hat, halten wir erkenntnistheoretische Reflexionen in Bezug auf Wissenschaft im Kapitalismus nicht für notwendig, um über die Erkenntnistätigkeit dieser Menschen zu Erkenntnissen zu kommen. Schließlich ist auch der Anspruch auf Subjektivität der Erkenntnis eine Form menschlicher Praxis, darüberhinaus aber gesellschaftlich, und wer wollte schon, daß dieser Zusammenhang auch noch in Nürmberg verloren geht. Wir sagen deshalb auch nicht, worin der Begriff des obigen Einwandes besteht, zumal dies die Einführung eines neuen Begriffs erforderlich machen würde:

„Besonderer Ausdruck des AK-Objektivitätswahns ist ihr naiver und unreflektierter Umgang mit Sprache generell, mit Termini und Begriffen im besonderen. Die AK vermeint absolutes Denken zu vollbringen, bedenkt aber nicht, daß ihr Sprache schon vorgegeben ist. Daß wir schon »in Sprache« sind, meint nicht nur, daß sich in und durch Sprache Intersubjektivität ausspricht, sondern vor allem auch, daß Sprache selbst schon manifestierte Erkenntnis ist. In der »vorfindlichen« Sprache ist »Welt« immer schon gedeutet. Was liegt näher als der Gedanke, daß, weil die vorfindliche Sprache die Sprache der bürgerlichen Gesellschaft ist, sich in ihr die Deutung der Wirklichkeit gemäß den Zwecksetzungen und den Interessen der bürgerlichen Welt manifestiert.“

Was liegt hier näher als der Gedanke, daß, weil in der „Welt“ der Erlanger Universität Lorenzen „vorfindlich“ ist, dieses Geseiche alles andere als „selbst schon manifestierte Erkenntnis“ ist und die Nürnberger sich einer Zwecksetzung der bürgerlichen Welt verschrieben haben: der Bezweiflung von Wissen, mit dem Argument, es hätte Bedingungen.

„Oder, noch grundlegender(!) gefragt, weshalb macht sie sich ausgerechnet zur Aufgabe, die kapitalistische Produktionsweise zu erkennen?“

„Doch, was ist »unser Wissen«?? Das Wissen über den Bewegungsablauf des Watussi-Negers beim Kulttanz (1), oder über die kapitalistische Produktionsweise?“

Weil diesen so grundlegend nach einer Begründung fragenden Menschen die Auskunft fehlt, weswegen wir uns mit dem Kapitalismus beschäftigen, bleibt uns nichts anderes übrig, als den entscheidenden Mangel der PE hier zubeheben. Watussi-Neger bewegen sich beim Kulttanz überhaupt nicht, sie sind „in Sprache“ und bemühen sich um die wissenschaftlich exakte Einführung von Begriffen.


2. ... an Spezifisches gebunden ...

Wenn ein paar Nürnberger Jusos meinen:

„Können wir aber feststellen, daß die Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus an spezifische Zwecksetzungen und Interessen gebunden war (ihr Binder ihr!), so fällt auch der AK/MG-Anspruch für (richtige) Wissenschaft und Politik hoffnungslos in sich zusammen“,

dann täuschen sie sich. Ebenso, wenn sie behaupten :

„Die Bücher zur Konkurrenz, vom Staat und von Weltmarkt, die Marx noch im Aufbauplan zum „Kapital“ vorgesehen hatte, sind noch nicht, auch nicht von der AK/MG geschrieben.“

Abgesehen davon, daß diese Bücher gegen Voreinsendung von DM 30.- in Briefmarken bei Robert Watussi erhältlich sind, drängt sich der Verdacht auf, daß Leute, die „in Sprache“ sind, an der vorgegebenen Deutung der Welt soviel Erkenntnis entdecken, daß sie dergleichen gar nicht lesen, geschweige denn schreiben wollen. Denn an einer Erklärung z.B. des Staates sind Typen völlig desinteressiert, die sich neben der existenten Demokratie auch noch eine ideale denken und andere auffordern, das gleiche zu tun, wobei sich die bürgerliche Wissenschaft erneut gut gebrauchen läßt:

„Bürgerlicher Staat und Demokratie werden bei AK/ MG gleichsam synonyme Begriffe. »Demokratie« wird nicht etwa inhaltlich bestimmt eingeführt, sondern wird von vornherein im Sinne bürgerlicher Begrifflichkeit mit parlamentarischer Regierungsform bundesrepublikanischer Provenienz gleichgesetzt. Eine politische Inhaltlichkeit, die »Volksherrschaft« semantisch ernst nimmt und den bürgerlich politischen Bereich transzendiert, wird nicht in gedankliche Bereiche vorgelassen.“


3. ... und unverbindlich

Doch wir sind noch schlimmer. Wir lassen nämlich nicht nur semantische Staatsillusionen nicht in gedankliche Bereiche vor, fast dasselbe machen wir mit unseren Sympathisanten: weil wir nicht jedermann, der sich für unsere Politik interessiert, auch gleich zutrauen, er könne sie machen, und deshalb Schulungen abhalten, die die Leute instand setzen, selbständig politische Aufgaben zu übernehmen, beschweren sich die intersubjektiven Nürnberger darüber, daß es eine Hierarchie in unserer Organisation gibt. Stalinisten sind wir also, einerseits, weil wir z.B. mit Leuten wie den Jusos nichts zu tun haben möchten und ihnen schon gleich nicht gestatten wollen, unter dem Namen unserer Organisation ihren Quark unter die Leute zu bringen. Andererseits deswegen, weil wir die Funktionsfähigkeit unseres Ladens über alles schätzen, also von unseren Leuten verlangen, daß sie sich während ihrer Termine auf diesen, und nicht in der Kneipe herumtreiben:

„Ein Zwangssystem, von dem auch noch unterschoben wird, es sei dem Wissen des Mitglieds entsprechend, tritt an die Stelle rationaler Stringenz. Disziplin muß die faktische Nicht-Identität zwischen den Erfordernissen der Organisation und dem tatsächlichen Willen und Interesse des Mitglieds überbrücken ...“

Es wäre interessant zu erfahren, wie man einen Nürnberger Juso zur ordentlichen Mitarbeit in einer kommunistischen Organisation zwingen kann! Die Unterstellung, wir hätten ein Interesse daran, Leute zur Teilnahme an unserer Politik mit Gewalt zu bewegen, abgeleitet aus der Tatsache, daß wir welche rausgeschmissen haben, die öffentliche Diffamierung von Funktionären unserer Organisation als „Obergenossen“, die vermutlich „einen reichen“ Vater haben, möglichst mit krisensicher angelegtem Vermögen, oder Genossen, die Geschäfte erben (etwa Buchläden), oder eine Druckerei besitzen und die dabei kaum Zeit dafür aufwenden müssen, oder die eine reiche Frau heiraten ...“ – die „Kritik“ also, die darauf hinausläuft, daß wir furchtbar böse sind, und die arme Menschheit unterdrücken, macht deutlich, warum der Nürnberger Verein nichts mit uns zu tun haben will. Kommunistische Politik ist nach ihrer theoretischen wie nach ihrer praktischen Seite hin für diese Leute etwas Abstoßendes. Wenn sie auf Veranstaltungen der Roten Zellen, die trotz ihrer Hetze auf Interesse stoßen (das für sie immer zu groß ausfällt), aufgefordert werden, Stellung zu beziehen zu den von ihnen so gehaßten Ausführungen, verdrücken sie sich. In ihrem Heftchen zur Auseinandersetzung mit den Roten Zellen aber leisten sie sich folgenden Vorwurf:

„Die verschiedenen Veranstaltungen der AK/MG werden nach dem Muster des üblichen Unibetriebes abgehalten. Teach-ins von AK/MG sind dem Frontalunterricht abgeschaut: Vorne steht ein AK-ler und redet und die Leute hören zu.“

Sie offenbaren nicht, worin sie sich ihre Freiheit bewahrt haben.


(Zitate aus: Zur Kritik der AK, Hrsg. von SHI und Juso-HSG Nürnberg/Erlangen)

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(1) „Watussi“ war ein Modetanz in den USA und teilweise in Europa, der dem Paarungstanz von Kranichen und nicht von Menschen nachempfunden war. Die Jungsozialisten offenbaren hier, daß sie nicht wissen, wovon sie reden.

aus: MSZ 16 – April 1977

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