Eindeutige Enthüllungen über die ROTEN ZELLEN und MARXISTISCHEN GRUPPEN

Entlarvt!


Mit ihrer „Programmatischen Erklärung“ haben die Roten Zellen vor mehr als zwei Jahren dem an kommunistischer Politik interessierten Publikum mitgeteilt, wie sie es mit dieser Politik halten. Daß eine solche Darstellung der eigenen Praxis, der bereits laufenden wie der damals erst geplanten, der Abgrenzung dient, galt ihnen als eine Selbstverständlichkeit. Wenn sie sich zu dem, was sie ohnehin praktizierten, auch noch theoretisch verhielten, dann nur deshalb, weil bei einer Reihe von Leuten innerhalb ihrer Organisation sowie im Umkreis der Sympathisanten Differenzen auftraten zu vielen zuvor gemeinsam gefaßten Beschlüssen; weil also im Namen derselben Organisation sich widersprechende Sachen nach innen wie nach außen in der Agitation vertreten wurden. In solchen Situationen fangen die Beteiligten bekanntlich völlig zurecht das Streiten an und suchen bei den anderen wie bei sich nach den Fehlern, die für die entstandenen Gegensätze verantwortlich sind. Und wenn sie in diesem Streit, in dem jede Partei bei der anderen zunächst auf Übereinkunft dringt, weil sie dasselbe Interesse wie bei sich unterstellt, einsehen, daß das Interesse gar nicht identisch ist, bleibt ihnen nur eines: sie müssen sich voneinander trennen, wobei die gespaltenen Fraktionen stets versuchen, ihre Position für alle an der bisherigen Politik Interessierten klar darzustellen, und zwar so, daß die Sicherheit über das eigene Vorhaben so gut wie möglich auch negativ zu den falschen Freunden dargeboten wird.

Die ,,Programmatische Erklärung“ (PE) (Veröffentlicht in: RESULTATE, Theoretisches Organ der Roten Zellen/AK, Nr. 1/1974) gibt sich in jedem Punkt als ein Dokument dieser Art zu erkennen, indem sie all das, was ihren Verfassern in den Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichen Richtungen politischer Praxis zur Selbstverständlichkeit geworden war, festhält und die in diesen Selbstverständlichkeiten ausgesprochenen Differenzen zu anderen polemisch gegen die alternativen politischen Vorstellungen zu erklären versucht. Ihr historischer Charakter besteht darin, daß sie sich von den nach der Studentenbewegung entstandenen Varianten linker Politik und Theoriebildung lediglich allgemein absetzt. So, wie bei der Bestimmung der eigenen Zielsetzungen nur das Prinzipielle unserer Stellung zur Arbeiterklasse, zum Klassenstaat, zu den Studenten etc. hingeschrieben wurde – und nicht die Konkurrenz der Lohnarbeiter, die demokratische Verhinderung des Klassenkampfes oder die bürgerliche Wissenschaft analysiert wurden (wenngleich die allgemeinen Resultate einer solchen Analyse darauf schließen lassen, daß sie bereits stattgefunden hat) –, beschränkte sich auch die Polemik darauf, Argumente vorzubringen gegen die Negation dieser dünnen Prinzipien. Wir waren uns nämlich sicher, daß in ihrer Negation der Mangel der im Anschluß an die Studentenbewegung betriebenen kommunistischen Politik zusammengefaßt ist – und diese Sicherheit ist uns bis heute noch nicht verlorengegangen, wiewohl wir es längst vorziehen, die anstehenden Kritiken an den aktuellen Schnitzern unserer Gegner, also auch am konkreten Material ihrer Politik durchzuführen.

Relativiert hat sich an dem allgemeinen Gelabere der PE, die alles mögliche unterstellt, ohne es auszuführen, deswegen überhaupt nichts. Sie hat auch gute Dienste getan bei der Scheidung von Leuten, die es mit dem Klassenkampf ebenso halten wollten wie wir, und den anderen; und die Einlösung des Programms in theoretischer wie praktischer Hinsicht, durch die wir dem einen oder anderen Gegner in die Quere geraten, hat nur eines gezeigt: daß wir von den allgemeinen Bestimmungen kommunistischer Politik umso weniger reden müssen, je mehr wir diese Politik machen – und daß wir es überhaupt nur dann müssen, wenn die Bestimmungen, die für uns Selbstverständlichkeiten sind, explizit thematisiert und uns zum Vorwurf gemacht werden. Dies soll im folgenden wieder einmal geschehen, und zwar im Interesse einer Klärung der Frage, weshalb wir aufgrund der PE für die einen arrogante Intellektuelle, für die anderen Idealisten, für wieder andere Stalins Erben, für ganz andere akademische Kommunisten – und für manche alles zusammen sind.


Über das Selbstverständliche


1. Die Wahrheit ist das Mittel der Kommunisten

Weil uns an den endlosen Debatten über Theorie und Praxis nicht nur ihre Endlosigkeit, sondern auch deren Grund aufgefallen ist, haben wir uns nicht geschämt, diese erste Banalität hinzuschreiben. Nicht erst in den linken Diskussionen der letzten zehn Jahre verweist die aufgeregte Besprechung des Verhältnisses von Theorie und Praxis auf das Bedürfnis, Wissen als nur bedingt tauglich für den Klassenkampf anzuerkennen und die Moral der Wissenschaft vorzuziehen. Womit die Befürworter aller Varianten der Relativierung theoretischen Bemühens durch die praktischen Anliegen, die den Gedanken erheischen und messen sollen zugleich, diesen Anliegen nicht nur ihren längst wirksam gewordenen Grund bestreiten, sondern auch in ihrer Übernahme der bürgerlichen Verachtung der (wofür wohl?) unnützen Wahrheit der Parteilichkeit in der Theorie ihre eigentliche Heimat zuweisen. Der Wille, der beim Kampf gegen das Kapital Schwierigkeiten bekommt und mit der ganzen ihn treibenden Unzufriedenheit aufgeschmissen ist, wenn er sich nicht erklärt, was ihm die objektiven Verhältnisse als seinen Weg vorschreiben, nimmt seine Einsicht in die Notwendigkeit von Wissen also gleich zurück, indem er die Theorie so zurichtet, daß die Legitimation der Unzufriedenheit das einzige Ergebnis seines parteilichen Denkens wird. Als ob der Nachweis der Berechtigung des Interesses an Veränderung vonnöten wäre angesichts dessen, was einem angetan wird, fertigen Leute Rechnungen über die Größe von Mehrwert- und Profitrate an, frisieren Statistiken nach neuen Rubriken um und belegen (!) das Faktum (!) der Ausbeutung mit der ungleichen Verteilung des Reichtums. Die Ausführung des trostlosen Gedankens, daß der Staat den Monopolen mehr nützt als den Proleten, hat es sogar zu einem ordentlichen Pluralismus gebracht, so daß um die Frage gestritten wird, ob es sich bei diesem Nutzen um eine „Verbindung“ oder um eine „Verschmelzung“ handle. Manche, statt nur eine einzige Tätigkeit des Staates zu erklären, fragen sich, ob denn nicht die Zunahme der Staatstätigkeiten seit Marx die Welt bereits verändert habe; und die Antwort jener, die die Ohnmacht des Staates bei all seinen Gewaltakten beschwört (er kann ja gar nicht anders, Umverteilung ist nicht ...), rechtfertigt nicht minder den Willen zur Gegnerschaft gegen den Kapitalismus, mit dem sie alle antreten. Die Theorie zu machen, die notwendig für die Durchsetzung dieses Willens sein soll (und ist!), wird unterlassen – manche sehen diese Theorie darin, daß man alles „als sozialen Prozeß“ versteht und den Herren Arbeitern ein paar deftige Erfahrungen mehr verordnet, weil das noch allemal besser ist, als daß sich diese Geschöpfe auf ihre Interessen besinnen und sich von Kommunisten nützliche Dienste bei der Durchsetzung dieser Interessen erweisen lassen.

Was die bürgerliche Gesellschaft nur im Umgang mit der Natur kennt, während sie bei der Betrachtung ihrer selbst parteiliche Staatstreue verlangt – das Beharren auf Wissenschaft – haben wir also nur deshalb an den Anfang der PE gestellt, weil deren Adressaten (und das waren weder die Arbeiter bei VW noch die Studenten) mit einer Unzahl linker Theorien konfrontiert (gewesen) sind, die den Marxismus als objektive Erklärung des Kapitalismus bestreiten und sogar ausdrücklich bezweifeln!


2. Marx hat die Wahrheit über den Kapitalismus gesagt

Weil uns also bei denen, die Marx beständig im Munde führen, aufgefallen ist, daß sie ihren Debatten über Theorie und Praxis die Relativierung der ökonomischen Gesetze folgen lassen, die im „Kapital“ stehen, konnten wir es uns auch nicht verkneifen, dieses Dogma auszusprechen. Und statt eines nochmaligen Abdrucks des „Kapital“ in den Resultaten haben wir uns auf den gelegentlichen Hinweis beschränkt, daß es ein Unding ist, sich ständig auf eine Theorie zu stützen, um sie durch ihre Weiterentwicklung ad absurdum zu führen.


3. Kommunisten kritisieren das falsche Bewußtsein der Arbeiter

Weil das schöne Wissen über den Kapitalismus erklärt, warum dieser gar nicht so schön ist – daß er nicht schön ist, läßt sich auch ohne Marx feststellen – sind wir in unserer Einfalt so weit gegangen zu behaupten, Kommunisten sollten es dazu verwenden, die Arbeiter dazu zu bewegen, daß sie sich ihre Ausbeutung nicht mehr gefallen lassen. Da wir an den Argumenten im „Kapital“ über das falsche Bewußtsein, mit dem die Arbeiter den Zwang, ihre Arbeitskraft zum Mittel ihrer Reproduktion zu machen, subjektiv fortsetzen – sie versuchen, sich in ihrer Lage zurechtzufinden und stellen sich auch theoretisch auf den Standpunkt, zu dem sie praktisch genötigt sind – nichts Falsches finden konnten, haben wir uns vorgenommen, sie von der Notwendigkeit all dessen zu überzeugen, was mit ihnen angestellt wird. Wenn sie nämlich begriffen haben, daß ihr Lebensweg als Lohnarbeiter einer ihrer Zerstörung ist, und diese Notwendigkeit an den tagtäglichen Sauereien wahrnehmen – so haben wir geschlossen – setzen sie sich gegen sie zur Wehr und beweisen praktisch, wie relativ diese Notwendigkeit ist. Was wir in der PE allerdings nicht getan haben, war, zu fragen, ob wir diese Agitation auch durchführen dürfen – wir haben lediglich darauf hingewiesen, daß dies der Ausgangspunkt aller Agitation ist, wenngleich viele Organisationen die formell unterstellte kritische Stellung zum Adressaten (weshalb sonst sollten sie ihnen etwas mitteilen?) im Inhalt ihrer Flugblätter zurücknehmen.


4. Dafür reicht das Studium des „Kapital“ nicht aus

Was wir uns allerdings gefragt haben, war dies: ob wir selbst zu dem in der Lage seien, was wir tun wollten. Die Kritik des falschen Bewußtseins von Arbeitern stand an, ohne daß die Vorstellungen, die zu kritisieren sind, anders entwickelt und widerlegt waren als in der abstrakten Form, wie sie im „Kapital“ auftauchen. Wobei wir kein Problem mit der Abstraktion dergestalt hatten, daß sie etwa für die „wirkliche“, „empirische“ Bewegung nicht gelte etc. Der Begriff des falschen Bewußtseins über den Lohn z.B. wird wegen seiner Trennung von den Erscheinungsweisen, deren Begriff er ist, nicht falsch – doch taugt er wenig für die Agitation, die den Arbeiter nicht als wissenslustigen Anfänger in Sachen Marxismus antrifft, sondern als Mann mit praktischen Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, in der Sphäre der individuellen Reproduktion, in seiner Auseinandersetzung mit dem Staat etc.; an diesen praktischen Sorgen betätigt sich sich Verstand und sucht sich im „zweckmäßigen“ Umgang mit seiner Arbeitskraft zu bewähren. Womit die Notwendigkeiten der Agitation dasselbe verlangen wie die Argumente, mit denen das „Kapital“ abbricht: die Erklärung der „Zwangsgesetze der Konkurrenz“, der Abhängigkeiten der Revenuequellenbesitzer voneinander, über die sie sich wechselseitig in der Form eines Streits um den jeweiligen Anteil am Reichtum die Reproduktion des Kapitals aufnötigen. In der wissenschaftlichen Erklärung der „Oberfläche“, der Konkurrenz der Kapitalisten wie Lohnarbeiter und des bürgerlichen Staates, der mit seiner Gewalt für das Funktionieren der Produktionsweise mitsamt ihren Gegensätzen sorgt, lag deshalb für uns eine Bedingung dafür, daß wir in die Betriebsagitation einsteigen. Daß wir zur Erfüllung dieser Aufgabe keine „empirischen“ Umfragen bei Arbeitern benötigten (weil ihr Bewußtsein aus dem, was sie tun, eindeutig hervorgeht), war dabei ebenso selbstverständlich wie die Ableitung der Konkurrenzerscheinungen, die heute in der BRD anzutreffen sind.


5. Intellektuelle sind keine Kommunisten

Daß angesichts dieser ganz im Bereich der theoretischen Tätigkeit liegenden Bedingungen der „Verdacht“ aufkommen würde, wir hätten einen neuen Beruf für die studierende Jugend erfunden, war uns klar – aber nur deshalb, weil Linke ihre politische Stellung zur Welt genüßlich mit dem Verhältnis verwechseln, das sie qua Beruf in der bürgerlichen Gesellschaft zum Proletariat haben (Bündnispartner und andere Umarmungsvarianten). So haben wir denn auch ausgesprochen, daß die Repräsentanten der bürgerlichen Wissenschaft und ihrer Anwendung keineswegs freundlich gegenüber der Arbeiterklasse agieren, was uns umgekehrt zur Abgrenzung von falschen Freunden einer ganz anderen Sorte bewogen hat. Die sechste Selbstverständlichkeit lautete also:


6. Wenn sie Kommunisten werden, so ist das keine Schande

Doch haben wir hinzugefügt, daß weder die moralische Bereitschaft zur (im übrigen gar nicht lustigen) politischen Aktivität diesen Schritt kennzeichnet, noch die individuelle Schläue im Umgang mit Marx-Texten oder Fehlern der bürgerlichen Wissenschaft. Diesen auf viel Empörung gestoßenen Formulierungen über Wissen und Disziplin verdankt die PE mindestens ebensoviel Effizienz wie den paar Bemerkungen über den bürgerlichen Staat.


7. Demokraten sind keine Kommunisten

Schließlich hatten wir nämlich bemerkt, daß alle Demokraten nur bedingt welche sind, d.h. solange sie die demokratischen Ideale zum eigenen Nutzen gegen andere ins Feld führen können und die demokratischen Prozeduren nur solange befolgen, wie sie nicht stören. Die faschistischen Argumente von Politikern, von denen die Zeitungen voll sind und die Tatsache, daß die Interessen der Arbeiter (von Kommunisten ganz zu schweigen!) die berühmten „Gleichgewichte“ andauernd nur stören, haben uns auf den abwegigen Gedanken gebracht, den Spieß einmal umzudrehen. So behaupten wir glatt, Gleichheit sei die „adäquate“ Form der Unterwerfung der streitenden Klassen unter die Staatsgewalt, wobei der Nutzen der besitzenden Klasse eine ausgemachte Sache ist; wir stellen fest, daß der Staat unabhängig von der jeweils gewählten Regierung sein einseitiges Geschäft verrichtet und sich die alternativen Parteien um die Agitation der Bevölkerung für den Staat bemühen, wenn sie ihr Programm als den Bedürfnissen der Wähler entsprechend anpreisen. Schließlich gehen wir sogar so weit, daß wir die im Vergleich (!) mit früheren Zuständen positiv erscheinenden Leistungen des Staates gegenüber seinen arbeitenden Bürgern nur so zu würdigen wissen, daß wir sie als Leistungen gegen die Arbeiter ausgeben: sie dienen ihrer Erhaltung als Ausbeutungsobjekt des Kapitals, weswegen sie auch auf ihre Kosten gehen.

Wie unbeliebt wir uns mit diesen wenigen Sprüchen gemacht haben und warum das durch die Veröffentlichung sämtlicher Oberflächenpapiere auch nicht besser wird, zeigen einige Polemiken gegen die PE; was sie sonst noch zeigen, ist das, was im Editorial zu den Resultaten 2 steht. Bei diesen Kritikern haben wir es mit einem Publikum zu tun, „das von Kritik nichts wissen will, weil es an der Beseitigung von Fehlern kein Interesse hat“.


Einwände aus Berlin

„Für die Roten Zellen/AK macht sich der gesellschaftliche Entwicklungsprozeß für die Arbeiterklasse nur insoweit geltend, als diese dem an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft auftretenden, das innere Wesen der kapitalistischen Produktion mystifizierenden Schein aufsitzt. Sie verkennen vollständig, daß, weil in der kapitalistischen Produktionsweise nicht nur die Bedingungen (!) ihrer eigenen Reproduktion, sondern auch die Bedingungen (!) ihrer Auflösung enthalten sind, der Befangenheit in den Gestaltungen des Scheins auch entgegengesetzte Momente gegenüberstehen, die sich im Bewußtsein der Produktionsagenten ausdrücken müssen. Die Roten Zellen/AK sehen nicht, daß beides, Mystifikation und Durchbrechen derselben, in der spezifisch kapitalistischen Weise der Produktion der Lebensbedingungen angelegt ist, begreifen daher auch nicht, daß daraus ein notwendig widersprüchliches und ungleichzeitiges Bewußtsein beim Proletariat entspringt, was Ausdruck der sich widersprüchlich bewegenden ökonomischen Formbestimmungen selbst ist. Die Auflösung dieses widersprüchlichen Bewußtseins kann nun nicht einfach von außen gesetzt werden, sondern muß selbst als sozialer Prozeß verstanden werden, der bestimmt ist durch die Art und Weise, wie sich für die verschiedenen Fraktionen der Arbeiterklasse die zyklische Bewegung des Kapitals geltend macht.“


Nur noch ein bis zwei Zyklen ...

Was die Roten Zellen „nicht sehen“, wenn sie aus der Marx'schen Erklärung dessen Kritik herauslesen und die für seine Abschaffung entscheidenden Leute dazu bringen wollen, dem Kapital künftige Zyklen zu ersparen, ist nichts Geringeres als die Quintessenz des Marxismus, wie sie vom Projekt Klassenanalyse seit geraumer Zeit heruntergebetet wird (vgl. RES 3) und in jeder „Kritik“ an anderen Positionen auf eine Wiederholung rechnen darf. Beginnen wir am Ende: unsere Agitation ist nicht möglich, auch nicht ganz statthaft, denn sie setzt die „Auflösung des widersprüchlichen Bewußtseins“ unserer Adressaten „von außen“. Diesen Fehler hätten wir uns ersparen können, wenn wir diese Auflösung, um die uns zu tun ist, „als sozialen Prozeß“ (hier sind Soziologen am Werk!) verstanden hätten. Den soziologisch durchaus achtbaren Gefallen, auch die Verteilung unserer Flugblätter und ihre Kenntnisnahme durch die Arbeiter „als sozialen Prozeß“ zu verstehen, tun uns unsere Kritiker nicht; dafür erzählen sie ohne Umschweife, daß das Kapital selbst das Subjekt des von uns vernachlässigten „sozialen Prozesses“ ist. Es macht sich geltend für sein Ausbeutungsmaterial und besorgt seine eigene Abschaffung selber – wie lange schon? Wieviele Neger will das Projekt Klassenanalyse noch schlachten lassen, wieviel Leute sollen im Produktionsprozeß noch verheizt werden, bis die Fortführung dessen, was das Kapital bisher gemacht hat, das „notwendig widersprüchliche Bewußtsein“ von innen auflöst? Wohlgemerkt, es ist kein „notwendig falsches“ Bewußtsein, mit dem die Proleten in ihrer Opferbereitschaft munter fortwirken und als einen Akt ihrer Freiheit die Zurückweisung von Flugblättern genießen! Es ist nur widersprüchlich und Marx hätte für faschistische Arbeiter vollstes Verständnis! Die Vorstellung des dreißigjährigen Arbeiters, das neue Akkordlohnsystem sei nicht eine günstige Gelegenheit, gar nicht erst alt zu werden und in den Genuß seiner Rente zu kommen (für die er Zwangsbeiträge zahlt), sondern im Gegenteil eine gerechte Sache, die seiner Leistung endlich entsprechende Würdigung, ist nicht falsch, sondern widersprüchlich. Wir brauchen sie nicht kritisieren, weil er’s selber schon noch merkt, nach ein bis zwei Zyklen! Denn die kapitalistische Produktionsweise hat einen unschätzbaren Vorteil: nicht nur die Bedingungen ihrer eigenen Reproduktion schafft sie, sondern auch die Bedingungen ihrer Auflösung. Freude kommt auf in Berlin nach der Lektüre von Marx, nicht etwa Ärger darüber, daß die Proleten die Bewältigung der letzten Krise erneut schlucken und ihren DGB-Vorsitzenden Vorschläge darüber verkünden lassen, wie der Schaden am gleichmäßigsten zu verteilen sei, gegen den die Gewerkschaften nichts unternommen haben. Wir vergessen die positive Seite des Kapitals: schließlich hat es seit seiner Existenz unzählige Male seine Abschaffung bewirkt, eigentlich ist nicht seine Verwertung mit allen Gewalttätigkeiten sein Zweck, sondern seine Selbstaufgabe. Es schafft Bedingungen dafür – wehe aber, es kommt wer und will eine gar nicht so unwesentliche Bedingung wie den Verstand der Arbeiter; den das Kapital emsig für sich wirken läßt, für den „Auflösungsprozeß“ gebrauchen lassen!


Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst ...

Wer in solch grenzenlosem Irrtum befangen ist wie die Roten Zellen/AK und das vorhandene Wissen über den Kapitalismus nützlich machen will, und zwar im Interesse derer und durch die, für die sich Marx das Zeug ausgedacht hat, muß auch in Sachen „Wissenschaft“ von einem schlimmen Mißverständnis heimgesucht sein:

„Ihre Vorstellung vom Denkprozeß als einem isolierten wissenschaftlichen Nachdenken, ohne daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Objekt und der Reflexion darüber gesehen wird, ist kennzeichnend für ihre Vorstellung von der Entwicklung von Bewußtseinsformen allgemein. Sie trennen zwischen wirklichem Lebensprozeß, durch dessen Verkehrungen die Produktionsagenten beherrscht sind, und der Vorstellung, die sich diese darüber machen, stellen willentliches Handeln und ökonomische Formbestimmtheit einander gegenüber. Die Reflexion wird nicht als Bestandteil des sozialen Prozesses selbst verstanden. Demnach entsteht Einsicht in das Kapitalverhältnis unabhängig vom wirklichen Lebensprozeß.“

Wie bei den Belehrungen über die Selbstauflösungsprozesse des Kapitals handelt es sich auch bei dieser Tirade nicht um eine Kritik an der FE : die handelt nämlich schon deswegen nicht von der Imaginären Alternative, ob der Denkprozeß „isoliert“ oder „gesellschaftlich“ sei, weil sie darstellt, was wir tun wollen und Gründe dafür anführt, daß wir das Geschäft antikapitalistischer Agitation anders ausüben als unsere Gegner. Dafür aber wird das Kritikverbot des ersten Zitats ergänzt um das Gebot, auch immer schön einen (!) „inneren Zusammenhang zwischen dem Objekt und der Reflexion darüber“ zu sehen, und vor allem zwei durchaus unterschiedene Sachen nicht voneinander zu trennen! Wer über eine falsche Vorstellung über das Geld, den Lohn etc. redet, muß den „inneren Zusammenhang“ zwischen dem Geld und der Vorstellung darüber beachten – und die Falschheit der Reflexion tunlichst als Wirkung ihres Objekts entschuldigen. Verständnis wird gefordert – Apologie soll nicht einfach aufs Korn genommen werden, „als Bestandteil des sozialen Prozesses“ verdient sie Beachtung! Und wer sagt, daß die Vorstellungen der Arbeiter über ihre ökonomische Stellung im Produktionsprozeß ihr eigenes Werk sind und keine Wirkung der Ware, dem ist vorzuwerfen, daß er Einsichten „unabhängig vom wirklichen Lebensprozeß“ entstehen läßt. Weshalb auch der Übergang zur anderen Seite des „widersprüchlichen Bewußtseins“, der „Bewußtwerdungsprozeß des Proletariats“ nicht von den Proleten sondern vom Zyklus besorgt wird! Was die monierte Gegenüberstellung von willentlichem Handeln und ökonomischer Formbestimmtheit anlangt, die tatsächlich von uns erwähnt wird, geht es um die Differenz zwischen den Gesetzen des Kapitals, den ökonomischen Formbestimmungen und ihrer Durchsetzung, welche die Produktionsagenten mit Willen und Bewußtsein vollziehen, ohne daß der Inhalt ihres Bewußtseins, also ihr Wille vom Wertgesetz, von der Mehrwertrate, von der Profitrate oder gar von ihrem Fall als seinem Zweck sich leiten läßt. Daß Proleten für sich ihre Arbeit als Mittel ihrer Reproduktion behandeln und sie sich als solches Mittel vorstellen, weil die Konkurrenz in „Zwangsgesetzen“ besteht, obgleich die Lohnarbeit nur Mittel des Kapitals ist (und zwar in allen Phasen des Zyklus!), ist seit Marx bekannt – allerdings nicht in Berlin, wo man sich daher auch nach der Vollendung der „Despotie des Kapitals“ sehnt, die den Ausgebeuteten die Augen öffnet!

Weil wir also kein Verständnis für die aus den Konkurrenzinteressen der Arbeiter erklärten falschen Vorstellungen haben und sie kritisieren, ganz wie jeder Journalist und Sozialkundelehrer darauf aus ist, sie zu untermauern (auch die Bourgeoisie ist nicht ganz überzeugt davon, daß der „soziale Prozeß“ die ihr genehme Wirkung tut: sie agitiert!), hat das Projekt Klassenanalyse kein Verständnis für uns. Im Unterschied zu den Parteigängern des Staates freilich gibt es seinen Tadel als Konsequenz des Marxismus aus – ganz als hätte Marx seine Wissenschaft nur deshalb betrieben, um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß sie nichts für das Proletariat sei, weil diesem die revolutionäre Überzeugung und Praxis durch die Wechselfälle des Zyklus eingebleut wird. So, als würden wir die drei Blauen vor den Universitäten und Betrieben verteilen, machen uns diese Leute darauf aufmerksam, daß es falsch ist,

„die für Intellektuelle kennzeichnende Form der Einsicht in das Kapitalverhältnis – das Studium der Marxsehen Theorie – zu verabsolutieren, indem unterstellt wird, daß Einsicht in die Bewegungsgesetze des Kapitalismus nur mit Hilfe des wissenschaftlichen Denkens erlangt werden kann. Ihr Nichtverstehen des Zusammenhangs von ökonomischen Formbestimmungen, sozialen Beziehungen und Bewußtseinsformen macht sich hier in der Weise geltend, daß sie den Denkprozeß selbst nicht als sozialen Prozeß begreifen, indem sie ihn aus seinem gesellschaftlichen Zusammenhang herauslösen, also die wissenschaftliche Tätigkeit absolut setzen. Damit geben die Roten Zellen/AK ihre eigenen besonderen Bedingungen der Emanzipation als Bedingungen des gesamten Proletariats aus.“

Erneut erspart uns das Projekt eine Verteidigung der PE; stattdessen gibt es uns weitere Aufschlüsse über seine Probleme, die ihm bei der Lektüre der PE wieder einmal eingefallen sind. Denn darüber, daß „wissenschaftliches Denken“ überall dort vorliegt, wo sich einer einen Gegenstand richtig erklärt – und nicht nur in der systematischen Erklärung der ökonomischen Bewegungsgesetze durch Marx, in seinen Ableitungen – haben wir keinen Zweifel; desgleichen ist das Marx-Studium weder für Intellektuelle noch für sonst jemanden eine „kennzeichnende Form der Einsicht“ in die Bewegungsgesetze des Kapitalismus – die „Einsicht“, von der die Rede ist, vollzieht sich noch bei allen darüber, daß sie sich die praktischen Kollisionen klarmachen, die ihnen das Kapital auferlegt; und dabei ist die richtige Erklärung z.B. der Wahlen, der Arbeitslosenversicherung oder der Überstunden ohne eine Sekunde Marx-Lektüre nicht nur möglich, sondern notwendig. Daß sich diese Erklärungen mit denen von Marx, wenn er denselben Gegenstand bereits behandelt hat, decken, beweist nur, wieviel Wissen der alte Mann über die bürgerliche Gesellschaft bereits erarbeitet hat. Zum Marx-Studium lassen sich Intellektuelle wie Arbeiter erst dann herbei, wenn sie aus den für sie geklärten Momenten des bürgerlichen Zirkus heraus den Entschluß fassen, etwas gegen ihn zu unternehmen und mehr über ihn wissen wollen, als das, wozu ihre unmittelbaren Interessen sie bisher angestachelt haben. Freilich, für das Projekt Klassenanalyse gilt das nicht: dessen Mitglieder lesen Marx, weil sie dessen Studium für „ihre eigenen besonderen Bedingungen der Emanzipation“ halten; der Intellektuelle, so erfahren wir aus diesem „Beitrag zum wissenschaftlichen Sozialismus“, ist emanzipiert, wenn er seinen Denkprozeß mit Hilfe eines verdrehten Marx „als sozialen Prozeß“ begreift und ihn nirgends herauslöst, nicht absolut setzt, kurz: relativiert und solchermaßen gerüstet die gesetzmäßigen Bewegungen des Kapitals beobachtet! Doch hat es mit dieser Verdrehung von Aussagen über unsere Politik, wie sie in der PE stehen, noch nicht sein Bewenden; der Gemeinheiten kann die Bischoff-Gruppe gar nicht genug verkünden: daß Wissenschaft zur Emanzipation von Intellektuellen (wovon eigentlich?) taugt, ist nur das Pendant zu der Auffassung, daß das gebeutelte Proletariat auf nichts mehr verzichten kann als auf Wissenschaft, da es seine Revolution „nicht absichtlich und willkürlich“ durchführt! (vgl. MSZ, Nr. 12/1976, S. 12) Großer Wert wird gelegt auf den Unterschied zwischen „Erkenntnisprozessen bei den unmittelbaren Produktionsagenten ... und der durch wissenschaftliches Denken gewonnenen Einsicht“, obgleich natürlich beide „als soziale Prozesse aufzufassen“ sind.


Weit und breit keine Erklärung

Wen wundert es, daß diese Fanatiker der abstraktesten soziologischen Phrase, die – um Mißverständnisse zu vermeiden – eine falsche Abstraktion darstellt, die Stellen, in denen sogar die PE den bestimmten Grund gewisser Vorstellungen in der bürgerlichen Gesellschaft nennt, gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Sie zitieren uns:

„Andererseits entstehen, vermittelt über die Aufgaben des Staates, die ihm aus der Konkurrenz erwachsen, die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften (innerwissenschaftlich erscheint dies als Auflösungsprozeß der Philosophie)“

und erlauben sich folgenden Kommentar:

„Die Geisteswissenschaften werden also den Aufgaben des Staates zugeschlagen, welche ihrerseits wiederum irgend etwas mit der Konkurrenz zu tun haben. Das ist nun alles andere als ein Ableitungszusammenhang. Denn damit wird das zu Erklärende – im Auge haben sie staatlich verwaltete Institutionen der Wissenschaft und Ausbildung, wobei wir hier nicht darauf eingehen, ob damit der Bereich der Geisteswissenschaften wirklich adäquat bestimmt ist – selbst als Erklärung ausgegeben.“

Wer behauptet, daß die Geisteswissenschaften ihren Grund in den Aufgaben des Staates haben, macht sich keineswegs einer Tautologie schuldig, sondern sagt, welchen „sozialen Prozeß“ er dafür verantwortlich macht, daß z.B. Ökonomen Gleichgewichtsmodelle konstruieren, Soziologen sich um das Funktionieren „des sozialen Systems“ sorgen und Psychologen sich um die Zähmung des widerspenstigen Willens der Individuen kümmern, statt irgendetwas zu erklären! Er will auch keinen „Ableitungszusammenhang“ präsentieren, sondern spricht das allgemeine Ergebnis eines solchen aus. Deshalb schreibt er auch nicht nur hin, daß der Staat solche Wissenschaft institutionalisiert – dies ist bei den Naturwissenschaften auch der Fall –, er sagt auch noch, daß die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften ihren Grund – der Staat erhält die Gegensätze der Konkurrenz – an ihren „Argumenten“ erkennen lassen:

„Sie nehmen ihre gesellschaftliche Funktion – Mittel für die Bewältigung der im Kapitalismus entstehenden Widersprüche zu sein – in ihre Erkenntnistätigkeit auf und verfahren mit der zu erkennenden Realität instrumentell, was ihren unwissenschaftlichen Charakter etc. etc. ausmacht.“

Wer dieses Ergebnis also ignorieren will, das gefällte Urteil ohne Argument bestreiten will, der muß einerseits sagen, er sehe weit und breit keine Erklärung und so tun, als wolle er damit nichts gesagt haben. Also: von wegen „nicht darauf eingehen“! Diese Sorte Argumentation ergeht sich im konsequenten Absehen von dem, was andere sagen, und hat ihre Sicherheit im Vergleich mit den eigenen Absichten. Dem Projekt Klassenanalyse fällt deshalb an allem Neuen, was es zu lesen bekommt, immer nur das eine auf: stimmt es mit dem, was wir meinen oder machen, überein – oder nicht. Richtig oder falsch sind für diese Leute Derivate der Frage, ob sich am kritisierten Zeug irgendetwas zur Vereinnahmung eignet oder ob Distanzierung geboten scheint. Dafür noch einige Beispiele, die zugleich Auskunft darüber geben, worauf es diesem Projekt eigentlich selbst ankommt.


Den Widerspruch als Widerspruch miteinbeziehen ...

Weil wir in der PE darauf hinweisen, daß für die Intellektuellen in unserer Organisation der Beruf als Voraussetzung für ihren Einsatz in der Politik zu behandeln ist, fällt dem Projekt ein, daß es einerseits richtig ist, zwischen Beruf und Politik „ein widersprüchliches Verhältnis“ zu sehen, andererseits aber falsch, „diesen Widerspruch dadurch lösen zu wollen, indem einfach von einer Seite des Widerspruchs, dem bürgerlichen Beruf, abstrahiert wird.“ Ohne auch nur die geringste Ahnung davon, worauf es uns bei dieser Trennung ankommt – hier ein kleiner Wink: Lehrer sollen im Lehrerzimmer nicht für die proletarische Revolution agitieren; Studenten nicht in der Prüfung sagen, was sie über bürgerliche Wissenschaft wissen; Betriebswirte nicht vor ihrem eigenen Betrieb unsere Flugblätter verteilen und Ärzte nicht immerzu rote Fahnen im Krankenhaus aufziehen – versteigen sich unsere wohlmeinenden Ratgeber zu folgenden Späßen:

„Die bestimmte Form der Lebensreproduktion des »revolutionären Individuums« zur bloßen Voraussetzung zu erklären, ist eine idealistische Phrase. Der revolutionäre Wille löst das Individuum nur vermeintlich vom sozialen Zusammenhang seines Lebensgewinnungsprozesses. Deshalb (!) kann auch gewerkschaftliche und politische Arbeit nicht allein der sog. Freizeit zugeschlagen werden ... Demgegenüber gilt es, diesen Widerspruch als Widerspruch in die eigene Reflexion miteinzubeziehen.“

Klar: für einen Berliner Soziologen gehört es zur „politischen Arbeit“, auf GEW-Sitzungen zu gehen und in Seminaren dafür zu plädieren, alles „als sozialen Prozeß“ zu betrachten. Auch trennt die Erstellung von Statistiken über die vermeintliche Anzahl produktiver Arbeiter die Bischoff-Gang nur vermeintlich von ihrem „Lebensgewinnungsprozeß“; wo schließlich der Einsatz im Beruf den Schaffensdrang im Projekt bremst, fällt es sicherlich nicht schwer, diesen Widerspruch „in die eigene Reflexion miteinzubeziehen“ ...


Die DKP als mangelhafter theoretischer Ausdruck

Weil wir dafür eintreten, in der Agitation die Wahrheit und nicht falsches Zeug zu verbreiten, deshalb auch der DKP feindlich gesonnen sind – sie macht nämlich nicht gelegentliche Fehler, die jedem passieren, sondern erhebt ihre Sehnsucht nach „antimonopolistischer Demokratie „ zum Prinzip aller Erklärungen über Ökonomie und Staat –, erinnern uns die Herren vom Projekt Klassenanalyse hämisch daran, daß es gar nicht sicher ist, ob unsere Adressaten unsere Argumente sich zu eigen machen:

„Daher wird von ihnen kommunistische Politik wesentlich nach dem Grad (?) des positiven Wissens über den Kapitalismus beurteilt. Dieses Wissen muß nur (!) noch weitergegeben werden, wobei die Aufnahme durch die Unwissenden – sagt man ihnen nur das Richtige und verwirrt sie nicht mit Falschem – gesichert zu sein scheint.“

Mit Verlaub: nach dem Wissen beurteilen wir die anderen Organisationen eben deshalb, weil sie in ihren theoretischen Fehlern ihr Interesse kundtun. Und von einem „nur noch“ kann beim „Weitergeben“ der vorhandenen Einsicht wohl kaum die Rede sein: das Projekt, das sich hier zu ironischen Tönen gedrängt fühlt, weil es die Anwendung von Marx zur Überzeugung der Arbeiter für witzig hält (obwohl es Bücher mit vier Fehlern schon im Titel ganz ernst nimmt: „Gesellschaftliche Arbeit als Systembegriff“!!), zeiht uns der Hybris – und hält es mit „bescheideneren“ Organisationen, die ihre Agitation an das falsche Bewußtsein ihrer Adressaten akkomodieren, weil es ihr eigenes ist:

„Sie halten es daher konsequent den bestehenden proletarischen Organisationen (nanu, Plural?) wie der DKP ihren noch mangelhaften theoretischen Ausdruck sektiererisch vor.“

Und wenn sie die Widerlegung ihrer Umdichtung unserer Kritik an der DKP lesen, schreiten diese Freunde des Volkes zur endgültigen Offenbarung ihres Desinteresses am Kampf gegen das Kapital. Denn das „noch“ ist ebenso ihre Erfindung wie der „theoretische Ausdruck“ – wovon sonst sollte die Theorie der DKP ein Ausdruck sein als der ihres Interesses? In den RESULTATEN 2 haben sie die Kritik am SB gelesen – die sie mit Diskussion verwechseln, weil sie nicht mitbekommen haben, daß Diskussion eine Gemeinsamkeit des Wollens unterstellt –, wobei sie auf eine Bemerkung über den Revisionismus(1) der DKP gestoßen sind. Wir werfen dieser Partei dort keinen „theoretischen Ausdruck“ vor, sondern daß sie und andere „eine Politik vom Standpunkt des Staatsbürgers aus betreiben und die in der bürgerlichen Gesellschaft nicht befriedigten Interessen als berechtigte zum Inhalt ihres Kampfes machen“ (RES 2/150). Hier der Kommentar des Projekts:

„Ein Vorwurf, der an Dämlichkeit kaum zu überbieten ist und offensichtlich die Vorstellung impliziert, Politik vom Standpunkt außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft betreiben zu müssen.“

Das begrüßenswerte Eingeständnis, das sie diesmal an die Stelle einer Kritik setzen, besteht darin, daß sie den „Standpunkt des Staatsbürgers“ als Position der von ihnen ernannten „distinkten Arbeiterpartei“ für das Allernormalste der Welt halten; es fällt ihnen nicht im geringsten auf, daß der genannte Standpunkt eine sichere Manier ist, den Standpunkt der Arbeiter, d.h. ihre Interessen zu opfern. Das illusionäre und affirmative Übersetzen des Arbeiterinteresses in Ansprüche gegenüber dem Klassenstaat, der dazugehörige Nationalismus, die mühsam konstruierten Bündnisse mit unzufriedenen Staatsbürgern aller Art (und seien deren Interessen noch so reaktionär), die moralischanbiedernde Agitation, die sich stets mit dem einverstanden erklärt, was die Arbeiter selbst oder dem Gerechtigkeitsfimmel der Revis zufolge wollen etc. etc. – all das, was den unzufriedenen Staatsbürger vom Kommunisten unterscheidet, ist für ein Projekt Klassenanalyse so selbstverständlich, daß es eine Kritik dieser Politik so behandelt, als käme sie vom Mond. Wenn die DKP für höhere Lohne mit dem Argument eintritt, daß die gesteigerte Kaufkraft einen volkswirtschaftlichen Segen hervorruft; wenn sie jedes ökonomische Phänomen in ein Problem des, Staates verwandelt, der bei seiner Regulierungstätigkeit nicht zurechtkommt, dem Kapitalismus sein schlechtes Funktionieren zur Last legt und allen Leuten erzählt, der Witz am Sozialismus bestehe darin, daß er die Probleme des Kapitalismus löst – dann ist sie für das Projekt die „distinkte Klassenpartei“, mit dem entschuldbaren „noch mangelhaften theoretischen Ausdruck“!


Mir nichts dir nichts ein Unterdrückungsapparat ...

So gelang einem „Beitrag zum wissenschaftlichen Sozialismus“, der ein Beitrag zur neuen deutschen Ideologie der kritischen Staatsbürger ist, folgender Einwand gegen unsere Bemerkungen zum bürgerlichen Staat, die darlegen, daß Schutz des Eigentums und Herstellung des Allgemeinwohls eindeutige Charakteristika des Klassenstaates sind:

„Deshalb muß schnell vergessen werden, was eben noch hergeleitet wurde. Das Allgemeininteresse existiert nicht, der Staat ist nicht mehr Organ, der Freiheit, Gleichheit und Eigentum schützt, sondern er wird ganz im Gegenteil (!) mir nichts dir nichts zum Unterdrückungsapparat.“

So wäre denn auch bewiesen, daß man in Berlin die Gleichheit, die der Staat seinen recht verschiedenen Sorten Staatsbürgern zuteil werden läßt, kein Mittel der Unterdrückung ist, sondern ein idealer Zustand. Und die Staatsableitungsdebatte ist wieder einmal dort gelandet, wo sie für Marx beendet war: der Schutz des Eigentums durch die Staatsgewalt widerspricht seinem Klassencharakter, ist mir nichts dir nichts die gemütlichste Sache von der Welt.


Ein bewegungsunfähiger Widerspruch ...

Die Belege für das Verständnis, das unser Projekt für „die soziale Bewegung“ aufbringt und für das es wirbt, wenn es in der Pose des Kritikers der PE auftritt, sind damit längst nicht erschöpft: wenn wir den DGB kritisieren, weil er aus den Interessen der Arbeiter ein Mittel der Perfektionierung der Demokratie macht, wobei besagte Interessen auf der Strecke bleiben, behauptet das PKA frech, wir würden sagen,

„daß die Gewerkschaftspolitik befangen ist in dem Schein von Freiheit und Gleichheit.“

Wenn wir zeigen, in welche Widersprüche die reaktionäre Gewerkschaftspolitik gerät, weil ihre Gegner sich im Gegensatz zum DGB auf ihre Interessen besinnen, freut sich das Projekt über diese Widersprüche und verlangt von uns, dasselbe zu tun:

„Dies hat aber für die AK nicht zur Konsequenz, daß mit der wirklichen Entwicklung des Widerspruchs die Gewerkschaften über den wahren Charakter des Staates aufgeklärt werden.“

Die Konsequenz, die der schöne Widerspruch für uns hat: wir zeigen unseren Adressaten, daß sie sich mit dieser Gewerkschaftspolitik selbst schaden, mag man in Berlin nicht. Dort will man es dem Widerspruch überlassen, diejenigen, die ihn praktizieren, aufzuklären. Und weil wir unser Zeug nur vor den Betrieben verteilen, statt es dem Projekt Klassenanalyse zur erlauchten kritischen Sichtung zuzuschicken, unterstellt es uns fröhlich das Gegenteil dessen, was wir sagen und tun:

„Da es mit der Agitation bislang bei der AK noch im Argen liegt, wird von ihr flugs behauptet, der gezeigte Widerspruch sei zur Zeit überhaupt nicht bewegungsfähig.“

Aus einer Analyse des Inhalts: „Die Arbeiter benützen die Macht ihrer gewerkschaftlichen Organisation falsch, sie ordnen ihre materiellen Interessen den einseitigen Zielsetzungen des Klassenstaates unter, was ihre Aufgabe einschließt (konjunkturgerechte Tarifpolitik etc.)“ verfertigt das Projekt folgende Lüge, die beweist, daß seine Mitglieder nicht lesen können, weil sie nicht wollen:

„Die Lage der Gewerkschaften erklärt die AK für hoffnungslos, sie stimmt damit ein in das sekteriererische Beschwören der Krise der Gewerkschaften.“

Womit wieder einmal gesagt wäre, daß für diese Leute Grund zur Hoffnung noch in jeder Sauerei liegt, und die Kritik falscher Politik in die Rubrik „Sektierer“ gehört! Sie haben Verständnis für die Widersprüche in Staat und Ökonomie, ihnen gilt ihr ganzes Vertrauen – und wenn es sein muß, richten sie diese Widersprüche so zu, daß sie Hoffnung stiften.


Zum Abschluß: 5 Lügen über die SPD

Ihre Kritik an der SPD, die „dem Schein der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft“ aufsitzt, klärt, warum das Projekt Klassenanalyse für die DKP eintritt, ohne in sie einzutreten: sie hält die Politik dieser Organisation für den konsequenteren Reformismus als ihn die Sozialdemokraten praktizieren. In ihr erkennen sie eine Opposition an, die sich strikt an die vorhandene Unzufriedenheit der Staatsbürger hält, die Sozialdemokraten beschwören, um sie zu verwalten. Die Mitglieder des Projekts gehören nämlich zu den Leuten, die meinen, die SPD würde scheitern – und das wäre gut so:

„In dem Maße aber, in dem deutlich wird, daß das Programm des „demokratischen Sozialismus“ gar nicht eingelöst werden kann (1. Lüge), wächst auch die Gefahr, daß die Masse der Bevölkerung eine solche Politik nicht mehr mitmacht (2. Lüge). Die mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung, die keineswegs etwa einen Abbau der sehr hohen Arbeitslosigkeit erlaubt (!), unvermeidlich auftretenden sozialen Konflikte können durch diese Politik, die lediglich anzusetzen weiß bei günstiger ökönomischer Lage (3. Lüge), da sie nur dort die Mittel zur ansatzweisen Bekämpfung bestehender Ungleichheiten (4. Lüge: das will die SPD gar nicht) vorfindet, nicht bewältigt (5. Lüge) werden.“

Mit diesem trostreichen Ausblick auf die segensreiche Wirkung der Ohnmacht, die eine sozialdemokratisch angewandte Staatsgewalt dieser Tage zur Schau stellt – zur Freude des Proletariats, das sich die Hände reibt ob der „Hilflosigkeit“ des Staates gegenüber der Krise (H. Schmidt und seine Orientierungsrahmler berücksichtigen „die ökonomische Entwicklung“ zu wenig) – verlassen wir das Projekt zur antikommunistischen Agitation unter angelinksten Intellektuellen. Es dürfte sich wohl mit der Frage beschäftigen, ob wir uns nicht doch wieder einmal – entgegen unseren Vorsätzen –- zur Diskussion mit ihm bereit gefunden hätten. Bevor es darüber zu einem Befund gelangt, sollte es ein paar Wochen warten: es kommt noch zweimal vor!


Einwände aus Bonn

Die Gruppe Rheinische Zeitung, die den Punkt „AK-Kritik“ in das Programm ihrer Politischen Plena aufgenommen hat – wir kommen da neben „Mitbestimmung“, „Imperialismus“, „Probleme des Aufbaus des Sozialismus“ vor –, hält unsere Selbstkritik im Editorial zu den Resultaten Nr.2 für die Verstärkung unseres Fehlers, den wir so bezeichnet haben:

„Die um Verständnis heischende Selbstdarstellung, das Verlangen nach Reaktionen und die Unterstellung eines gemeinsamen wissenschaftlichen Anspruchs sind also die Fehler im letzten Editorial.“

Noch mehr: sie sieht in dieser Selbstkritik eine Finte von Leuten, die enttäuscht darüber sind, wie wenig Notiz von ihnen genommen wird, und die „Fehleinschätzung ihres eigenen Tuns“ um eine „erzieherische Maßnahme“ ergänzen. Nicht die Selbstbespiegelung, das Reden über unseren Gegensatz zu anderen Organisationen halten die Bonner für falsch, sondern den Gegensatz selbst. So etwas gehe nicht an, wenn man zugleich die kommunistische Bewegung zum Adressaten kürt. Die AK verstieg sich ihrer Meinung nach

„zu der denkwürdig blödsinnigen Aussage, mit den anderen kommunistischen Organisationen »nichts gemein« zu haben, gleichwohl aber mit ihnen den Anspruch kommunistischer Organisation zu teilen und die in den depravierten kommunistischen Organisationen existierende kommunistische Bewegung zum Adressaten ihrer Publikationen zu machen, jedenfalls eine Gemeinsamkeit zu unterstellen.“

Leider müssen wir den Bonnern mitteilen, daß sie vor lauter Freude über die Wörter „nichts gemein“ einen Widerspruch entdeckt haben, der keiner ist: und sie sprechen es selbst aus, daß ein Vergleich unserer Zielsetzung mit denen unserer Gegner darauf beruht, daß ihr „Anspruch“ und unserer sich nicht gleichgültig zueinander verhalten wie Stricken und Autofahren. Deswegen behaupten wir, daß ihr Antikapitalismus mit dem unsrigen „nichts gemein“ hat, und wir merken es an jeder Stellungnahme dieser Organisationen, an den Aktionen, die sie unternehmen, und vor allem an den Bemühungen in Betrieben und Universitäten, in denen wir auch präsent sind.

Da uns die Rheinische Zeitung aber unterstellt, wir hätten es ausgerechnet auf die Bekehrung entschiedener Grundgesetzkommunisten und Maoisten abgesehen, und unsere Sicherheit darüber, daß wir uns von ihnen nichts erwarten –

„Bemerkenswert war dabei die Technik der Selbsterhöhung durch Erniedrigung der »Gegner«, denen die AKM vorab bescheinigte, daß sie zu einer ernstzunehmenden Kritik gar nicht imstande seien und durch kritische Widerworte sich nur selbst denunzieren könnten“ –,

für etwas ganz Schlimmes hält, sei den Meistern vom Rhein wenigstens dies gesagt: sie tun dasselbe – und wir finden das nicht schlimm –, wenn sie ihren Artikel über uns so enden lassen:

„Angesichts der dargestellten Widersprüchlichkeit der Programmatischen Erklärung ist man bezüglich etwaiger AKM-Beiträge durch nichts zu hohen Erwartungen berechtigt.“

Auch sie sind durch die Analyse unserer Politik, zumindest der PE, zu der Auffassung gelangt, daß wir – wenn überhaupt etwas, nichts Wissenswertes zu sagen haben. Bloß wie!!

Die Bonner Neuauflage der Langspielplatte „Theorie und oder sondern vielmehr Praxis“, die auf ihrer Rückseite ebenfalls – wie bei allen bisherigen Pressungen – das Lied vom bescheidenen, weil überflüssigen Intellektuellen sowie die Arie vom Arbeiter, den die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Revolutionär machen, bringt, weist gegenüber den üblichen Einspielungen erhebliche Differenzen auf. Diese verdanken sich der schlichten Tatsache, daß die Gruppe Rheinische Zeitung, von Intellektuellen gegründet, selbst Politik macht, nicht nur an Universitäten, sondern auch an Betrieben agitiert und Schulungen durchführt, also all das tut, was die gewöhnlich unter den genannten Titeln zusammengefügten Argumente sonst verbieten. Ihr Interesse gilt keineswegs dem Nachweis, daß die in der PE dargestellte Politik überflüssig ist – die Gruppe Rheinische Zeitung will zeigen, daß wir keine kommunistische Politik machen können, weil es uns an der „Erkenntnis der Durchsetzungsbedingungen kommunistischer Politik“ gebricht. So ähnlich die von den Bonnern vorgebrachten Einwände auch denen des PKA und anderer sind, hier stehen sie für andere Argumente, was sich schon daran zeigt, daß sämtliche bei uns für verwerflich gehaltenen Sprüche bei der Gruppe Rheinische Zeitung selbst hochgehalten werden – allerdings in ganz anderem Zusammenhang. Das unmittelbare Indiz für die Verrücktheit des Bonner Verrisses der PE jedoch liegt in der Zurichtung unserer Urteile, ohne die eine solche Kritik nicht ginge.


Das Proletariat als kontemplatives Subjekt

Weil wir sagen, daß die „widersprüchlichen Erfahrungen der Arbeiterklasse“ auf die Erklärung ihrer Ursachen drängen, daß sich also jemand, der sich durch Lohnarbeit reproduzieren muß und ständig bemerkt, daß ihn die Arbeit kaputtmacht und die Reproduktion, die freie Sphäre seines Privatlebens, sich in die Bemühung auflöst, arbeitsfähig zu bleiben, Gedanken darüber macht, warum er es mit seiner Arbeit zu nichts Rechtem bringt, versteigen sich die Bonner zu folgender Kritik:

„In der »wissenschaftlichen Einsicht« der AKM figuriert die Arbeiterklasse als kontemplatives Subjekt, das über seine widersprüchlichen Erfahrungen nachgrübelt, um die wissenschaftliche Erklärung für deren Ursachen herauszukriegen. Die Gelegenheit ist günstig und die AKM tritt an das grübelnde Proletariat heran, um seine (ihre ?) Dienste beim Widerspruchlösen anzutragen. Hat die Arbeiterklasse die wissenschaftliche Erklärung der Ursachen ihrer widersprüchlichen Erfahrungen geschnallt, und zieht sie die praktischen Konsequenzen aus ihrer Erkenntnis, dann ist sie revolutionäres Subjekt und alles ist in Butter.“

Die Übersetzung selbst der allgemeinen Phrase von den „widersprüchlichen Erfahrungen“, die bei denen, die sie machen, nach Erklärung drängen, in die Aussage, Proleten seien Philosophen, ist eine gemeine Polemik, weil ihr das Argument fehlt. Doch dergleichen ist nötig, will man zum Vorwurf des „akademischen Kommunismus“ gelangen. Die „Intellektuellen-Revision“ des wissenschaftlichen Sozialismus, die der PE zur Last gelegt wird, besteht nämlich darin, daß wir Proleten so betrachten und behandeln, als wären sie Intellektuelle, daß wir „den Weg des Proletariats“ nicht begreifen, weil wir ein

„Verständnis des Prozesses der »Klasse an sich« als ausschließlich intellektueller Prozedur“ haben, „die sich unschwer als Projektion des Weges der AKM-Helden von bürgerlichen zu sozialistischen Intellektuellen auf die Arbeiterklasse entschlüsseln läßt.“

Der Witz dieses Vorwurfs besteht neben der Erinnerung daran, wer vor geraumer Zeit die Bonner Gruppe wegen gewisser „intellektueller Prozeduren“ verabschiedet hat, in der Wiederholung des Eingeständnisses,, das wir beim PKA kennenlernen konnten: daß der „Weg bürgerlicher Intellektueller zum Sozialismus“ ein „intellektueller Prozeß“ sei – und sonst nichts:

„Und da die Arbeiter in der Tat nicht Intellektuelle sind, ist der »Intellektuellenweg«(!) für die Arbeiterklasse versperrt.“

Umgekehrt läßt sich aus der Verdrehung der Feststellung, daß sich Kommunisten für Arbeiter zunächst einmal dadurch nützlich zu machen haben, daß sie deren Erfahrungen im Betrieb, in Tarifrunden, mit dem Staat etc. erklären, in die Entscheidung für den „Intellektuellenweg“ auch schön sagen, wie einfach die Alternative des „Arbeiterwegs“ aussieht. Die Verhältnisse selbst lehren die Proleten Mores, so daß sich der Gebrauch ihres Verstandes, auf den die Roten Zellen (typisch Intellektuelle) so scharf sind, herauskürzt:

„Nicht durch Absolvieren von »Kapital«-Schulungen wird die Arbeiterklasse revolutionär, sondern(!!) durch die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst. Diese zwingen sie im Interesse der Existenzsicherung zur Umwälzung der bestehenden Gesellschaft.“

Das ist doch ein Wort, das Klarheit schafft! Jetzt steht nur noch die Erledigung des lästigen Bedenkens an, das die Zuversicht angesichts der heilsamen Wirkung der gesellschaftlichen Verhältnisse trübt und von den Verfassern der PE hinterhältigerweise angemeldet worden ist. Weil wir uns fragen, warum sich die Arbeiterklasse schon seit einigen Jahrzehnten zu allem anderen als zur „Umwälzung dieser Verhältnisse“ zwingen läßt, also bemerken, daß die von den Kommunisten seit Marx erkannte Notwendigkeit im Bewußtsein und Willen der Arbeiter nicht vorhanden ist, und mit Marx das notwendig (in den Zwängen der Produktionsverhältnisse begründete) falsche Bewußtsein dafür verantwortlich machen, holen die Bonner erneut zu einem gewaltigen Schlag aus. Die Roten Zellen bezweifeln die Möglichkeit der Revolution:

„Die objektive Stellung der Arbeiterklasse im Kapitalismus wird der AKM zum Argument der Möglichkeit der Umwälzung durch das Proletariat – andererseits aber zugleich zum Argument der Unmöglichkeit der Umwälzung.“

Das sitzt! Wer dafür sorgen will, daß besagte Notwendigkeit von den Arbeitern eingesehen wird, hält ihre Einsicht und den bewußt geführten Klassenkampf für unmöglich! Während ein ordentlicher sozialistischer Intellektueller vom Rhein den „Weg des Proletariats“ versteht – Bischoff und seine Mannen halten ihn auch für langwierig und schmerzlich, von vielen Rückschlägen begleitet –, sprechen die in Bayern doch glatt die Hinterfotzigkeit aus, daß es vom Willen und Bewußtsein der Proleten abhängt, ob es kracht oder nicht. Aber nicht etwa, um den Schluß daraus zu ziehen, daß am Willen oder Bewußtsein der Proleten etwas zu drehen wäre, sondern mit dem listigen Hintergedanken, selbige wie Philosophen behandeln zu dürfen. Die hier bemühte Dialektik geht denselben Weg wie bei anderen Kritikern der PE, die uns die übelste Bevormundung unserer Adressaten vorwerfen; doch lautet die Anklage hier noch wuchtiger: das revolutionäre Subjekt wird nicht anerkannt!

„Die AKM stellt als objektive Schranke kommunistischer Politik fest, daß das Proletariat vom Wissen getrennt ist. Kommunistische Politik und revolutionäres Subjekt stehen sich zunächst äußerlich gegenüber. Kommunistische Politik ist gleichgültig“ (das ist ein Übergang!) „gegen ein Proletariat, das seinerseits gleichgültig gegen kommunistische Politik ist. Erst wenn das Wissen ins Proletariat hineingetragen ist, erhält das Proletariat seine Bestimmung, revolutionäres Subjekt zu sein. Unter diesen Umständen ist das Ziel kommunistischer Politik dem Proletariat an sich äußerlich, erst das studierte Proletariat ist revolutionäres Subjekt.“

Die Rheinische Zeitung beherrscht ihr Handwerk! Aus ihrer Lektüre geht die PE als eine Publikation hervor, die von der Gleichgültigkeit der Kommunisten gegenüber ihren Adressaten handelt. Weil einmal hingeschrieben wurde, daß kommunistische Politik ihren positiven Bezug auf die Arbeiter – es geht um die Durchsetzung ihrer Interessen – durch die Kritik ihres Bewußtseins und Handelns praktiziert, solange sie sich die Ausbeutung mit allem, was dazugehört, gefallen lassen, erschrecken die Meister vom Rhein vor dem, was sie sich selbst vorgenommen haben. Und deswegen prüfen sie keinen Gedanken der PE auf seine Richtigkeit, sondern subsumieren jeden unter das Urteil, daß er einer von Intellektuellen sei.


Hermetische Oberfläche

Selbstverständlich haben Intellektuelle, die kein Verständnis für den Weg der Arbeiterklasse aufbringen, auch Marx nicht verstanden. Zwar haben wir in der PE zur Vermeidung von Mißverständnissen die allgemeinen Resultate z.B. des „Buches von der Lohnarbeit“ zusammengefaßt -

„… Die Handhabung seiner Revenuequelle »Arbeit« gerät dabei in Widerspruch zum Reproduktionszweck. ... Formen des Konkurrenzhandelns ... Die Arbeit, die seiner Reproduktion dienen soll, richtet ihn zugrunde; der Lohn, den er erhält, reicht nicht aus, um ihn als arbeitsfähiges Individuum zu erhalten ... Schranken der Konkurrenz ... Bildung von Koalitionen … bewußte Aktion gegen das Kapital ... (Freiheit) ... besteht darin, daß sich der Arbeiter als bloße Arbeitskraft erhalten muß ... etc.“ (PE,15) –,

doch war das für die Gruppe Rheinische Zeitung nicht weiter von Belang. Die Überzeugung, daß sie es mit einer intellektuellen Clique von Marx-Revidierern zu tun haben, verbietet diesen Leuten die Kenntnisnahme des inkriminierten Textes. Da wird kräftig aufgeräumt mit dem „akademischen Kommunismus“ und eine belehrende Enthüllung nach der anderen aufgetischt. In unserem Verständnis der Oberfläche „fällt alles unter den Tisch, was die Hermetik des Scheins der Konkurrenz durchbricht, was wirklicher Ausgangspunkt von Klassenbewegung ist.“ Und wie wird diese Lüge begründet?

„Die Revenueformen gelten der AKM nicht als das, was säe sind, nämlich die erscheinenden Bewegungsformen des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit, vielmehr bloß(!) als Formen subjektiver Beziehung der Privatindividuen auf sich. Im Umgang mit diesen Formen betätigt sich das Individuum nur(!) als Privatsubjekt und handelt gemäß der »Rationalität seiner Revenuequelle.« Unter diesen Bedingungen gibt es weder eine Klassengliederung noch einen Klassengegensatz ...“

Soll man sich bei solchen offensichtlichen Lügen noch die Mühe machen, Marx zu zitieren, der etwas vom Eigennutz sagt, der die Kontrahenten zusammenbringt? Soll man darauf hinweisen, daß die Wörter „nur“ und „bloß“ einen Fehler bezeichnen? Die Reduktion der Kritik aufs bloße Anpinkeln ist hier so weit fortgeschritten, daß jeglicher Schein der Argumentation entfällt.


Kein überraschendes Ergebnis

Den MSZ-Artikel über den DGB, den sie auch nicht gelesen haben, fassen die Bonner so zusammen:

„Kernpunkt der DGB-Kritik ist der Aufweis, wie der DGB in allen Punkten seiner Gewerkschaftspolitik die Interessenvertretung auf den Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung fixiert.“

Und damit haben sie den Witz der ganzen DGB-Analyse: die westdeutschen Gewerkschaften benützen ihre Macht für die Verbesserung der Demokratie, für die Effektivierung des Staates; sie übersetzen jedes materielle Interesse ihrer Mitglieder in ein reformerisches Anliegen, was zwar ihren Gegensatz zu Staat und Kapital nicht zum Verschwinden bringt, jedoch den Verzicht auf die Durchsetzung der Interessen bedeutet – nobel übergangen. Deshalb holzen sie munter fort:

„Kein überraschendes Analyse-Ergebnis, weil dies die Kritik aller Kommunisten am DGB ist. Überraschend aber offensichtlich für die AKM, die daraus sogleich eine »Besonderheit der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung« macht. Und dies ist nun wirklich überraschend, hat doch die AKM in der PE gerade dies als allgemeine Bestimmung des gewerkschaftlichen Kampfes und der Gewerkschaft dargestellt.“

Die Unverschämtheiten häufen sich, wie man sieht, mit der Behandlung konkreter, von uns behandelter Themen, was nachdrücklich belegt, wie egal den professionellen Mißverstehern die Argumente anderer Leute sind, wenn sie ihnen nicht in den Kram passen, und wie unwichtig der eingangs erwähnte Mangel der PE für diese Sorte Auseinandersetzung ist. Die DGB-Kritik beruht nämlich nicht auf dem Wunsch, die Gewerkschaften möchten schleunigst den „Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung“ verlassen, und auf der Empörung darüber, daß sie diesem Wunsch nicht nachkommen. Daß die Verwandlung der Koalition in eine positiv die Sorgen des Staates teilende und sie mitbewältigende Instanz eine westdeutsche Besonderheit ausmacht, ist bestenfalls für die Bonner etwas Neues, für uns eben ein Ergebnis. Für die Bonner Profilneurotiker, die auf Fälschungen angewiesen sind, ist es jedenfalls nicht möglich gewesen, einen Blick auf andere Gewerkschaften zu werfen: weder die italienischen und französischen noch die englischen Gewerkschaften haben jenen „Boden“ verlassen – und doch haben sie sehr oft das verlangt und durchgesetzt, was ihre Mitglieder brauchten, ohne alternative Konjunkturanalyse, Streiks für Lohnsenkungen (Drucker), weil für Tarifautonomie, ohne „beschäftigungspolitische“ Mätzchen auf Kosten der Arbeiter. Und selbst wenn in der MSZ kein zusätzliches Argument zu den Bemerkungen in der PE gefallen wäre, würde das noch überhaupt nichts gegen den Artikel sagen. Es sind aber neue Argumente gefallen über die Art und Weise, wie der DGB aus den Beschränkungen der Koalition eine positive Aufgabe macht, die Unterwerfung unter die Gebote des Staates in einen Auftrag zur Mitwirkung verwandelt – woraus die Rheinische Zeitung den Schluß zieht: ignorieren. Denn nur so kann sie im flotten Vernichtungswerk am „akademischen Kommunismus“ fortfahren:

„Indem die AKM die affirmative Beziehung des DGB auf bestehende Gesellschaft und Staat als Besonderheit der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung bezeichnet, unterstellt sie als allgemeine Bestimmung von Gewerkschaft einen antikapitalistischen Charakter. Dann stimmt entweder die PE-Aussage nicht, oder die MSZ-Analyse ist falsch. Wie dem auch sei, der MSZ-Artikel behauptet, daß die westdeutsche Gewerkschaft nicht das ist, was Gewerkschaft ist.“ (Das Problem hatten die Bonner schon vor Jahren mit der Wissenschaft!)

Oder die Rheinische Zeitung hat sich das zurechtgelegt! Da wir am Schluß des Artikels zum DGB noch darauf hinweisen, daß wir von der gängigen Gegenüberstellung Funktionäre–Basis nichts halten, daß „die Kritik der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung diejenige des Bewußtseins ihrer Mitglieder einschließt“, bemühen unsere Gegner nochmals ihren ganzen Scharfsinn.

„... was ein ähnlich überraschendes Ergebnis ist, als wollten wir am Schluß feststellen, daß die Kritik der AKM die Kritik ihrer Mitglieder einschließt.“


Was der Rheinischen Zeitung am „akademischen Kommunismus“ mißfällt

Die Alternative zur in der PE programmatisch dargestellten Politik wird von den Bonnern dankenswerterweise auch an mehreren Stellen festgehalten – „überraschenderweise“ mit Aussagen, die sie in ihrer Kritik der PE so mutig entlarvt haben. Hier einige Beispiele:

Zur Gewerkschaft:

„Wenn wir die DGB-Politik kritisiert haben, weil sie auf der Grundlage der sozialdemokratischen Ideologie in Gegensatz (!) zu ihrer(i) Aufgabe steht, die Interessen der Arbeiter durchzusetzen, dann ist zugleich festzuhalten, daß wir es uns nicht so einfach machen können, die Gewerkschaftsführer anzuklagen, sie als Agenten der Kapitalistenklasse zu bezeichnen und einen tiefen Graben zwischen den Gewerkschaftsführern und der Mitgliederbasis der Gewerkschaften zu konstruieren ...“

Zum „studierten Proletariat“:

„Unsere Aufgabe als Sozialisten ist es, dafür zu sorgen, daß die Arbeiterklasse in ihrem Kampf tatsächlich von Kenntnis geleitet wird.“

Zur Frage „Schulung oder gesellschaftliche Verhältnisse“:

„Was Sozialisten heute zu tun haben, ist somit klar: die heute für sozialistische Politik in Betrieb und Gewerkschaft erreichbaren Kollegen zu gewinnen und mit ihnen eine gründliche und systematische Schulungsarbeit aufzunehmen ...“

Usw.

Doch sind unsere Kritiker nicht so verrückt, deswegen die Feindseligkeit gegenüber der Politik, die ebenso verfährt, wie sie es sagen, zurückzunehmen. Die Relativierung, die ihre Empörung durch solche formellen Parallelen erfährt, ist für sie keine: sie haben nämlich weder gegen Agitation noch gegen Schulung oder sonst was in der PE etwas eingewandt, sondern entdeckt, daß wir alles ohne das richtige Verständnis für den Weg des Proletariats machen. Dies geht so weit, daß sie ihrer Unterstellung, die Politik der Roten Zellen beruhe auf der Masche mit dem Arbeiter als „kontemplativem Subjekt“, doch nicht nur Abwegigkeit bescheinigen:

„Solche grübelnden Arbeiter gibt es, d.h. Arbeiter, die durch ihre widersprüchlichen Erfahrungen getrieben, sich wissenschaftliche Erkenntnisse ihrer Lage anzueignen trachten.“

Doch:

„Das sind einzelne, das ist nicht die Klasse.“

Und „die Klasse“ fügt sich dem Gesetz mit den Zwängen, den gesellschaftlichen Verhältnissen, die ihr den Drang zum Sozialismus einbleuen: ein großer Teil der Arbeiter wird erst aufnahmebereit

„für die Kritik kapitalistischer Gesellschaft und ihrer Verteidiger auch im Lager der Gewerkschaften, wenn ein unabweisbarer Zwang dazu besteht. Dieser Zwang bildet sich im Zuge der oben skizzierten Entwicklung der BRD-Wirtschaft heraus.“

Womit die letzten 30 Jahre Arbeiterdasein unter die Rubrik „abweisbarer Zwang“ fallen, die kritische Entwicklung der Wirtschaft mit ihren Zyklen die Menschheit zum Sozialismus stößt und wieder einmal schön darüber hinweggesehen wäre, daß es auch faschistische und revisionistische Kapitalismuskritik gibt. Aber:

„Eine kleine Minderheit der Arbeiter ist allerdings schon heute aufnahmebereit und für sozialistische Politik ansprechbar. Auf sie muß sich sozialistische Politik heute konzentrieren.“

Damit kein Zweifel aufkommt: wir haben nichts dagegen, wenn die Gruppe Rheinische Zeitung „Grübler“ sammelt und ausbildet – wohl aber etwas gegen den „Realismus“, den sie hier propagiert, und der zeigt, was sie unter dem Etikett „Verständnis“ für den Weg der Klasse betreibt, und zwar in ihren Schulungen wie in ihrer Agitation.

Wer nämlich Verständnis dafür hat, daß die Arbeiter die gegenwärtigen Verlaufsformen der Ausbeutung, den bestehenden Zwang „abweisen“ und zugleich beständig von dem Wissen Zeugnis ablegt, daß die Proleten ganz schön gebeutelt werden, der weigert sich, die Arbeiterklasse zu kritisieren. Er verrät auch, daß er den positiven Bezug auf die Interessen seiner Adressaten nur bedingt praktizieren will, eben dann, wenn die zyklischen Sauereien der „Wirtschaftsentwicklung“ den negativen Bezug auf die Adressaten überflüssig machen:

„Bezüglich der Klasse besteht die Aufgabe der Kommunisten darin, ihr durch Erklärung ihrer eigenen Aktionen Bewußtsein von den Erfolgsbedingungen ihres Handelns zu vermitteln, manchen Unsinn und manchen Umweg zu vermeiden, Niederlagen abzukürzen …“

schreiben die Bonner, und sie haben mit der Scheidung dessen, was sie für einzelne „erreichbare“ Arbeiter und was sie für die Klasse zu tun gedenken, das Geheimnis ihres Revisionismus ausgesprochen – als ob das Bewußtsein über die „Erfolgsbedingungen“ etwas anderes sein könnte als das Wissen über das Produktionsverhältnis, dessen Opfer die Proleten abgeben. Diese Scheidung ist die rheinische „Lösung“ des Widerspruchs aller kommunistischen Politik, die überflüssig wäre, hätten sich die Arbeiter den Zweck der Kommunisten schon zu eigen gemacht – eine Lösung, die den Gegensatz des Kommunisten zum Arbeiter nicht austragen will. Was die wirtschaftliche Entwicklung, die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Proleten nicht beibringen, das dürfen ihnen auch Kommunisten nicht einreden und wenn welche kommen und es versuchen, dann sind es „akademische Kommunisten“, die vom „Weg der Klasse“ keine Ahnung haben! Wie das P&A die schlichte Tatsache, die wir mit der Phrase des „affirmativen Verhältnisses“ zu Kapital und Staat ausdrücken, für eine ungemein elitäre Einbildung hält, so beschimpft uns die Rheinische Zeitung, wir wollten „aus der Klassenbewegung ein Klassenzimmer“ machen. Für sich selbst nimmt diese Gruppe bescheiden die Befugnis in Anspruch, „gründliche und systematische Schulungsarbeit“ aufzunehmen – mit den „Erreichbaren“, versteht sich, – und am Ende einer Schulungsbroschüre über Arbeitslosigkeit Kontrollfragen zu stellen:

„Welche Bedingungen erfordert eine breite Bewegung, deren Ziel die endgültige Abschaffung des Kapitalismus ist?“

Daß sie am Ende einer Ausbildung über ein konkretes Moment des Klassenkampfes alle Argumente auf Bekenntnisse zu ihrer Politik zurückbiegen will – die oben angeführten Zitate stammen stets aus dem Schlußteil solcher Schulungsmaterialien –, also die abstrakten Bestimmungen kommunistischer Politik als Folgerung aus ihrer Durchführung festhält (genau umgekehrt der Witz an der PE: über sie wird weder in Schulungen noch in der Agitation geredet!), bezeugt die methodische Stellung zu ihrem eigenen Zeug. So folgt am Rhein aus der Analyse der Rationalisierung, der Arbeitslosigkeit, der Wirtschaftsentwicklung etc. nicht etwa, wie man sich dagegen wehrt, was man bei der Agitation zu beachten hat und dergleichen, sondern die Aufgabe der Kommunisten, nach dem Muster:

„Worauf es heute(!) für Sozialisten ankommt ... Sozialistisches Bewußtsein in der Arbeiterklasse zu entwickeln ...“


Trotzdem: jede Stimme der DKP...

Und zur Bundestagswahl haben die Bonner nicht etwa ihren Adressaten elitär und schulmeisterlich die Wahl erklärt, ihnen gesagt, wozu sie sich als Wähler herbeilassen, welchen Maßnahmen sie durch die Zustimmung zu einer Partei ihre Unterwerfung zusichern. Unter der Überschrift: „Klare Verhältnisse schaffen – Sozialisten wählen! – Keine Stimme der SPD!“ diskutieren sie über Schwierigkeiten sozialistischer Politik in der BRD:

„Die Situation ist bezeichnend für den Stand der Arbeiterbewegung in der Bundesrepublik ... Arbeiterbewegung unentwickelt und desorientiert ... Die DKP aber ist schwach ... Fehler ... Die DKP ist die einzige existierende Wahl(!)alternative zu den Parteien des Kapitals ... trotzdem: Jede Stimme der DKP.“

Das braucht der Arbeitsmann!


Niveau muß sein!

Und an ihrer Hochschulpolitik wird deutlich, warum sie sich mitsamt ihrer gewerkschaftlichen Bildungsarbeit keinem der größeren Revi-Vereine anschließen: diese sind ihnen zu blöd! Die Akkomodierung an das falsche Bewußtsein, die Bescheidenheit gegenüber dem „Weg des Proletariats“ teilen sie mit ihnen, nicht aber die Praktizierung dieser Anpassung durch die Propaganda vulgärer Moral-Niveau muß sein, und das läßt sich in der Hochschulagitation glänzend beweisen: die Rheinische Zeitung bemüht sich deshalb regelmäßig in einer Spalte „Flachkopf des Monats“, die Produkte bürgerlicher Denker als Dummheiten zu verhöhnen und konsequent davon Abstand zu nehmen, das Interesse aufzudecken, das im bürgerlichen Wissenschaftler agitatorisch wirksam wird. Am vulgären Idealismus eines Albrecht erkennen sie nicht den vom Faschismus entzückten Demokraten, an Becker nicht den militanten Verfechter des Klassenstaats. Weswegen sie den Schluß auf die gar nicht gegen Marx gehende Absicht dieses Mannes, der in der MSZ stand, nicht übernehmen!

So ergänzt der Appell an den klugen Studenten aufs Vortrefflichste die Sorge, sich bei den Bemühungen ums Proletariat durch viel Verständnis für dessen Weg hervorzutun. Der Vorwurf des „akademischen Kommunismus“ war bloß ein Bekenntnis zu einer Politik, die sich aus den „Bedingungen der Durchsetzung“ legitimiert – und wie beim Projekt Klassenanalyse liegt auch bei der Bonner Kritik an der PE eine Gegendarstellung vor: es geht ihnen um etwas anderes als uns. Die schönsten Späße, deren ein „an Kritik, weil an der Beseitigung von Fehlern nicht interessiertes Publikum“ fähig ist, stammen freilich aus Nürnberg. Doch sie gehören auf die letzte Seite der nächsten Nummer. Dort

„katapultieren sich die AK/MGler als Subjekte der Erkenntnis aus dem eigenen bewußten Erkenntnisprozeß. Faktisch gehen sie aber unbegriffen in ihn ein.“

Fortsetzung

aus: MSZ 15 – Jänner 1977

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