Afrika: In Zaire
In Zaire gibt es nur eins, was die Welt interessiert: die reichsten Vorkommen Afrikas an Kupfer, Zink, Mangan, Kobalt und Uran. In der Kongokrise 1962 wurde über die Reichtümer, die bis dahin Belgien gehörten, neu verfügt, weswegen damals auch die Zeitungen voll waren von Berichten über eine Krise, stand hier doch entschieden mehr auf dem Spiel als die gewiß zahlreichen blutigen Schädel, die sich die Neger dort gegenseitig verschafften. Der Zustand, daß Belgien, ein Land aus der 3. Garnitur imperialistischer Mächte, die riesigen Bodenschätze seiner Kolonie recht eigennützig verwaltete, ließ sich angenehm korrigieren, als das Königreich nicht länger imstande war, den nationalistischen Widerstand der Einheimischen um Patrice Lumumba umstandslos zu ersticken. Und zwar aufgrund seiner eigenen inneren Schwäche wie auch, weil jegliche Hilfeleistung von anderen imperialistischen Ländern ausblieb, trotz oder gerade wegen der plötzlichen und lauthals verkündeten Entdeckung des belgischen Königs, daß man doch ein gemeinsames Interesse gegen diesen Erdteil habe. Am Tag nach der weltweit gelobten, doch auch von skeptischen Kommentaren begleiteten Entlassung in die Unabhängigkeit war der Kongo ein auf den ersten Blick undurchschaubares Gewirr von gewalttätig ausgetragenen Interessenkonflikten. Die Verwirrung, die die Belgier dadurch hereingetragen hatten, daß sie es nicht lassen konnten und eine sezessionistische Bewegung im Union-Miniere-Land (Katanga, 60 % des kongolesischen „Volkseinkommens“) anzettelten, löste sich schnell auf in dem geschickt geführten Konter der übrigen imperialistischen Welt: zum letzten Mal in ihrer Geschichte durfte die UN-„Friedenstruppe“ wirklich kämpfen und einen Frieden herbeiführen. Daß sie das durfte, war nur möglich, weil die UNO zu jener Zeit noch ganz den Amerikanern gehörte, was im übrigen ausdrückt, wer in der imperialistischen Welt das ausschließliche Sagen hatte, freilich nicht ohne Widerworte der befreundeten Staaten. Wofür setzte sich die „Friedenstruppe“ ein? Für die Einheit des Kongo natürlich. Die Sympathien, die man für Lumumba zunächst haben konnte, verscherzte sich dieser allerdings durch seinen radikalen Nationalismus, der so weit ging, mit einem Hilfegesuch an die Sowjetunion zu drohen – also durfte die CIA ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen und den vorbereiteten Mordplan in die Tat umsetzen. Ein anderer Neger mußte erfahren, daß er nur solange die höchsten Ehrungen erfährt, wie er als Kleiderständer und Gewehrhalter brauchbar ist: der Separatistenführer Moise Tshombe, zwischenzeitlich zum Premier der Republik Kongo befördert, stand plötzlich ohne Orden und Gewehr da, nämlich als sich die Lage normalisiert hatte. Die imperialistische Konkurrenz hatte also auf unaufdringliche Art für die zeitgemäße Übergabe einer Rohstoffkammer gesorgt. Zu ihrem Verwalter wurde 1966 der Obrist Joseph Désiré (Frz.: Der Erwünschte) Mobutu eingesetzt. Dieser, versehen mit einer amerikanisch und französisch ausgerüsteten Armee, hatte eine Lektion gut gelernt: seine einzige Aufgabe besteht darin, den Abtransport der Bodenschätze zu garantieren. Zu diesem Zweck holte er zu einem großen staatsmännischen Schlag aus und verstaatlichte sie, um sie anschließend auf anglo-amerikanische, französische und japanische Minengesellschaften aufzuteilen – womit auch rechtlich alles ganz ordentlich erledigt war. Seinen Landsleuten verordnete Mobutu zum Ausgleich dafür, daß sie nun erst recht nichts mehr zum Beißen hatten (der Mais- und Reisexport wurde zum Import), ein Nationalbewußtsein. Mit amüsierter Gelassenheit beobachtete die westliche Welt die Anstrengungen, die ihr Neger unternahm, um seine tönerne Herrschaft seinen Möglichkeiten entsprechend abzusichern: der Kongo wurde in das nationaler klingende Zaire umgenannt, Mobutu konvertierte vom Katholizismus zur Religion seines Stammes, nannte sich Sese Seko und sandte von der neu erbauten „Stadt der Stimme Zaires“ die Botschaft von der Wiedergeburt des zairischen Volkes und seines gottgebenen Führers (Sese Seko = der aus den Wolken kommt), und als höhnisches Spiegelbild führte er seinen Leuten und der Welt vor einiger Zeit in Kinshasa zwei berühmte, aufeinander eindreschende Neger vor, wovon einer schließlich k.o. gehen mußte und der andere auch nicht klüger wurde. Ohne größere Kosten und ohne Kritik der Weltöffentlichkeit hatte sich der Imperialismus mal wieder einen seiner praktischen Farcen-Staaten geschaffen, die immer gerade so gehalten werden, daß sie ihre beschränkte Funktion erfüllen. Daß in Zaire überhaupt noch nichts verloren ist, was heißt: es müßten neue Gelder und diplomatische Anstrengungen in erheblicher Menge, gar der Einsatz der eigenen Armeen aufgewendet werden, zeigt der kürzliche Einmarsch der 2000 „Katanga-Gendarmen“, deren Kritik an Mobutu, der sie im Zuge früherer Normalisierung hinausgesäubert hatte, ausgerechnet in dem Vorwurf gipfelt, er sei ein „Verräter am kongolesischen Volk“. Zwar konnten die Invasoren Mobutu anfänglich an den Rand einer Niederlage treiben und damit demonstrieren, daß er selbst nichts ist und die Einwohner Zaires von ihrem Staat nichts halten, aber sie hatten – und das ist ein blutiger Fehler – nicht bemerken wollen, daß Mobutu eben ein Nichts für den Imperialismus ist, der denn auch in einer sehr lässigen und in den hintersten Büroräumen der State Departments ausgedachten Aktion – die natürlich der Unterschrift des Bürovorstehers bedarf – den alten Tatbestand wiederherstellte. Eine neue Friedenstruppe wurde aufgestellt, nur diesmal eben ohne das UN davor, und 1500 Marokkaner, 20 französische Offiziere, 9 Transportflugzeuge und 200 belgische Militärberater reichten völlig aus, Amerika in dieser Gegend weiterhin präsent sein zu lassen, auch ohne das Sternenbanner vorzeigen zu müssen – schnell waren die katangesischen Städte von Insurgenten gesäubert. Solange sich die Störung der Geschäfte des Imperialismus in Zaire darauf beschränkt, daß die Neger sich gegenseitig ermorden und man marokkanische Söldner einmarschieren läßt – wobei man als Dreingabe auch noch die Ovation der VR China erhält, die den marokkanischen König als „antihegemonistischen Kämpfer“ feiert, eine Qualität, die weit über der Tatsache steht, daß es sich bei ihm um einen gewöhnlichen Faschisten handelt –, solange also die Cubaner und Russen nicht tatsächlich, sondern nur in der westlichen Propaganda nach den Reichtümern Zaires greifen, solange kann der Imperialismus die gewalttätige Existenz dieses Staates aufrechterhalten, ohne selbst gewalttätig sein zu müssen. Falls sich die Drecksarbeit jedoch nicht länger von solchen Typen wie Hassan erledigen läßt, wird man die vornehme Zurückhaltung allerdings fallen lassen und sich in die vorderen .Büroräume begeben müssen.
aus: MSZ 17 – Mai 1977 |