Ehrendoktor für gebildeten Neger(1):

LEOPOLD SEDAR SENGHOR – STICHPUNKTE FÜR DIE LAUDATIO

„Daß wir einst hier! rufen ... Als jene Hefe, derer das weiße Mehl bedarf.“ Aus: L. S. Senghor, Priere aux Masques

 

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Wenn heute der Präsident der LMU, Nikolaus Lobkowicz, dem Präsidenten der westafrikanischen Republik Senegal den Ehrendoktorhut aufs Haupt stülpt, so verstößt er mitnichten gegen die Promotionsordnung, die auch den Doktorgrad honoris causa außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen vorbehalten wissen will. Wie stellte doch Kanzler Schmidt den illustren Gast der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit vor:

„Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Präsident Senghor in deutscher Kriegsgefangenschaft war und sich von seither Kenntnisse der deutschen Sprache bewahrt hat. Er ist – dies im deutschen Sinn des Wortes – ein sehr gebildeter Mann.“ (Tagesschau vom 3. Mai)

Sollte der so gelobte im Festsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Form sein, so ist ein Rilkezitat (auf deutsch!) durchaus zu erwarten, und auch die Spektabilitäten werden des Kanzlers Freude darüber nachempfinden können, daß hier ein Neger zu uns kommt, der nicht nur tadellos auf zwei Beinen gehen kann, sondern sogar noch Kultur mitbringt.

 

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Die Republik Senegal hat außer ihrem Präsidenten noch weitere 3,8 Mio. Einwohner, die allerdings noch nichts von Rilke gehört haben, was aber nicht weiter schlimm ist, weil die meisten von ihnen ohnehin nicht lesen können und auch ganz andere Sorgen haben, z.B. diejenige ums Überleben in einem Lande, dessen arbeitende Menschen nicht nur von den Erdnüssen, die sie mit steinzeitlichen Methoden anbauen, satt werden müssen, sondern auch noch jene 100 Mio. Dollar Überschüsse produzieren, die sie jährlich in Form von Erdnuß, Erdnußöl und Ölkuchen für den Export erwirtschaften, der zum größten Teil in die EG geht. Ansonsten hat der Senegal nämlich nichts zu verkaufen: der Preis für die spärlichen Phosphatvorkommen ist seit der totalen Erschließung der reichen Lager in der' von Marokko besetzten Westsahara ins Bodenlose gefallen, so daß sich ihr Abbau kaum lohnt. Und daß dies sich nicht ändern wird, ist einer jener Punkte, in denen Senghor sich mit seinen Bonner Gastgebern einig weiß: die Versuche in dieser Richtung, wie sie die sahaurische Befreiungsfront POLISARIO unternimmt, werden von Dichter Senghor und Prosaiker Genscher übereinstimmend als „Einmischung in Afrika“ verurteilt.

 

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Wie man sich in Afrika nicht einmischt und trotzdem zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit kommt, zeigt das Assoziierungsabkommen von Jaunde – das seit dem Jahre 1963 vom Willen der EG zur Förderung der „politischen Unabhängigkeit Afrikas, zur Entwicklung seiner Wirtschaft und zu  seiner gleichberechtigten Integration in die Weltwirtschaft“ (Genscher zu Senghor, SZ vom 4. Mai) zeugt. Die BRD verpflichtet sich darin, ihre Einfuhrzölle für senegalesische Erdnüsse aufzuheben. Dies ist geschehen. Der Vertrag ist so präzis, daß er auch festlegt, um was für Erdnüsse es sich handelt: Roherdnüsse. Deren verarbeitete Formen (Öl, Butter) fallen nicht unter den Vertrag, weshalb Erdnußbutter ein deutsches Produkt bleibt, ganz gleich, woher die Nüsse kommen. Dafür erhebt Senegal keine Zölle auf alle Produkte der BRD. Damit aber die gesamte Entwicklung der senegalesischen Wirtschaft gefördert werden kann, gewährt der Senegal allen „Staatsbürgern und Gesellschaften“ der BRD die Niederlassungsrechte. Da einerseits das Savannenland südlich der Sahara für Bundesbürger wenig Lebensqualität zu bieten hat, andererseits die wirtschaftliche Entwicklung im Sinne einer „Integration in die Weltwirtschaft“ am besten durch Kapital beschleunigt wird, ist es erfreulich, daß von den Vertragsmöglichkeiten bislang kaum Reisegesellschaften, dafür aber umso intensiver Aktiengesellschaften aus der BRD Gebrauch gemacht haben. Verwundern muß allerdings, daß die senegalesische Seite von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Gegenseitigkeit keinen Gebrauch gemacht hat: außer ein paar schwarzen Müllmännern in Oberhausen hat noch keine einzige senegalesische Firma in der BRD bislang eine „Niederlassung“ eröffnet.

 

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Daran werden wohl auch die 45 Mio. DM nichts ändern, die Senghor in Bonn gepumpt wurden: 41 davon sollen zum Ausbau des Straßennetzes verwandt werden (dafür, daß es in der Republik Senegal nur 35 000 Kraftfahrzeuge gibt – die Zahl ist merkwürdigerweise fast identisch mit der Anzahl französischer Staatsbürger, die im Senegal wirken – waren anscheinend die miesen Straßen verantwortlich), 4 Millionen kann Senghor bar mit nach Dakar nehmen – um sie von dort aus wieder zurückzuschicken (es handelt sich nämlich um „Soforthilfe für den Kauf dringender Waren des zivilen Bedarfs“) und überdies erhält er noch 5,86 Mio. DM geschenkt (sie sind erforderlich, um die Fortführung „bereits laufender Projekte“ zu ermöglichen. Wäre ja auch zu dumm, wenn deutsches Kapital, wo es schon so weit fort von der Heimat ist, brach liegen würde).

 

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L. S. Senghor verbindet nicht nur als Gedichteschreiber „das Erbe afrikanischer Kultur mit der des Abendlandes“, er betätigt sich auch als Theoretiker, um die Arbeitsteilung zwischen dem Imperialismus und seinen afrikanischen Pfründen ideologisch zu untermauern. Als Entdecker der Negritude weiß er den Witz dieser Arbeitsteilung, innerhalb der die Schwarzen die Arbeit machen und der Imperialismus das Geschäft, mit der Negerseele in Einklang zu bringen: ist doch für diese „die Arbeit die Verwirklichung und Erweiterung des Seins. Ich muß hervorheben, daß in der Negergesellschaft die Arbeit an der Erde die edelste aller Arbeiten ist.“ Und damit dies auch so bleibt, steht Senghor als Seelenfreund der Technik skeptisch gegenüber: „Mein afrikanischer und bäuerlicher Sinn mißtraut diesen Projekten (Senghor bezieht sich auf die Industrialisierung der Landwirtschaft) weil die Wissenschaft ihr Fundament war und nicht die Gräber der Ahnen ... “. Statt Traktoren baut er lieber auf die Hände, denn „die Handarbeit ist eine natürliche Tätigkeit des Menschen. Sie schafft die Gesundheit des Leibes und auch der Seele. “ (Zitate aus: „Negritude et humanisme “, Paris 1964)

 

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So ist auch klar, daß für Senghor die Tatsache, daß die EG und hier nicht zuletzt die BRD in Afrika nicht nur kräftig mitmischen, sondern die „wirtschaftliche Entwicklung des Senegal“ nach ihren Interessen bestimmen, keine Einmischung in Afrika ist. Kommt doch der Imperialismus, der die Handarbeit gerne dem schwarzen Arbeitsvieh überläßt, dem sie ja die Seele veredelt, der Negritude voll entgegen. Eine Einmischung ist es jedoch, wenn Fidel den Angolanern kein Kapital schickt, sondern Waffen und Kämpfer, um dessen Söldner aus Angola rauszuwerfen. „Es sei das erstemal – so Senghor – daß eine ausländische Armee auf dem schwarzen Kontinent eingreife“ (in Geschichte scheint der Dichter wenig belesen), und der Sieg der MPLA habe „gegen den Willen des Volkes eine Minderheitsregierung eingesetzt.“ (SZ) Hätte hingegen die FNLA des CIA-Agenten Holden Roberto gewonnen, so wäre dies ein Sieg für die Neger-Psyche gewesen: „Der Negro-Afrikaner sympathisiert und identifiziert sich und entsagt sich selbst, um wieder geboren zu werden im Anderen.“ („Negritude et humanisme“)

 

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Man sieht, der Ehrendoktor der LMU trifft mit L. S. Senghor keinen Unwürdigen: hier versteht es ein Neger mit Lyrik und einer kruden Lebensphilosophie, deren Jargon er noch dazu an der Sorbonne gelernt hat, die nutzbringende Ausbeutung der Negernatur durch den Imperialismus als wechselseitige Wohltat zu feiern. Wenn einem ein solcher Schwarzer zufliegt, dann muß er gefeiert werden (selbst wenn mancher konservative Prof dabei die Nase rümpft). In diesem Dichter und Denker aus dem schwarzen Kontinent feiern der Imperialismus und seine Parteigänger in jeder Beziehung sich selbst: was sie mit den Negern machen und was sie aus einem Schwarzen gemacht haben.

(Rote Zellen München, 1977)

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(1) Falls sich ein Leser darüber wundert, daß hier das (inzwischen als Unwort gebrandmarkte) Wort „Neger“ ganz unbeschwert verwendet wird, so muß erwähnt werden, daß das nicht nur im Sprachgebrauch der 70-er Jahre völlig üblich war, sondern daß der hier besprochene afrikanische Staatsmann einer der Protagonisten der „Négritude“ war, eines philosophisch angehauchten positiven Rassismus über die Schwarzen, das man nicht anders übersetzen kann als „Negerheit“.

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