Die Frau im Kapitalismus

Die Frauen sind das Objekt vielfältigen Verständnisses, d.h. von Zumutungen. Weil jeder in dieser Gesellschaft – sie selbst eingeschlossen – von ihnen Besonderes erwartet, sie daher nicht kritisiert, sondern sich ihren „Problemen“ verständnis- und vorwurfsvoll widmet, ist die Frauenfrage nicht nur Gegenstand und beständiges Resultat staatlichen Interesses, sondern erfährt ihre dauernde Neuauflage auch in den angeblichen Versuchen der Linken zu ihrer Bewältigung. Der Staat versucht aus den Frauen Bürger zu machen, die den sich widersprechenden Anforderungen in Familie und Wirtschaft gleichermaßen nachkommen. Und auch die Linken sind daran interessiert, die Frauen nützlich zu machen. Ihre Phrasen über die Unterdrückung der Frau sind gespeist von dem Bedauern, daß die Frauen keine gleichwertigen Staatsbürger sind, und ihr Geschwafel von Emanzipation und Gleichberechtigung läuft auf die Aufforderung hinaus, die Frauen sollten sich ihrem revisionistischen Standpunkt anbequemen und die „weiblichen Tugenden“, die man zu schätzen weiß, durch mehr Interesse an Beruf und Politik ergänzen – kurz, sich als Frauen auch noch in den Kampf um mehr Demokratie einspannen lassen. Die Spontis dagegen leisten sich die Gemeinheit, die Frauen zu Opfern der Männerbedürfnisse zu erklären und sie zu der perversen Leistung zu animieren, ihre Frusts unbegriffen auszutoben und damit zu verlängern.
So will also keiner der Kritiker den Klassencharakter der Familie angreifen. Die Erfahrungen, dass Familie nur für die notwendig und bindend ist, bei denen die Zuneigung zu Frau, Kind oder Mann an den materiellen Sorgen ihre Schranke findet, sind für die Revisionisten(1) nur willkommener Anlaß, spießbürgerlich über die Sittenlosigkeit der höheren Klassen zu moralisieren und die Institution Familie hochzuhalten. Wo der Staat durch seine Gesetze und familienfördernden Maßnahmen beweist, daß die Familie eine Institution ist, die auf der Armut der Lohnarbeiterklasse beruht – warum bedürfte es sonst des Zwangs, sich um die, die man liebt, zu kümmern – und der möglichst billigen Reproduktion der Arbeiterklasse auf Kosten ihrer Mitglieder dient, wo also den Plagen des Lohnarbeiterdaseins auch die Zuneigung zum Opfer fällt und bestenfalls die Bereitschaft zum Teilen der Sorgen bleibt, stilisieren die Revisionisten die „proletarische Familie“ zur Idylle gemeinsamer „Lebensbewältigung“ und feiern das erzwungene Sich-Abfinden mit den Belastungen der Familie und der Arbeitsteilung in ihr, denen sich die bessergestellten Bürger nicht unterwerfen müssen, als Tugend „menschlicher“ oder „proletarischer Solidarität“. In seltener Klarheit demonstrieren sie damit, daß ihr moralisches Solidaritätsgefasel Propaganda des Verzichts ist.

 

Ein Beitrag zum „Jahr der Frau“

Die UNO - oberstes Organ der internationalen Staatenweit – hat mit der Verkündigung eines „Jahres der Frau“ zu erkennen gegeben, daß die Frauenfrage den Regierungen Sorge bereitet, ohne daß sie an ihrer Lösung interessiert sind. Denn ohne Rücksicht auf den die UNO quälenden „Weltgegensatz zwischen armen und reichen Nationen“ erklärte sie die Hälfte der Erdbevölkerung zum Problem und bekundet damit ihr Desinteresse am jeweiligen gesellschaftlichen Charakter und den unterschiedlichen Formen der Unterdrückung der Frau in den „verschiedenen Ländern. Der Weltfrauenkongreß Ende Juni in Mexiko (Motto: „Freiheit – Entwicklung – Frieden“ (!)) brachte zur Anschauung, daß d i e Frauenfrage eine Abstraktion ist: Die Vertreter der „unterentwickelten Länder“ benutzten die Gelegenheit, die weltpolitischen Anliegen ihrer Regierungen wieder einmal zur Sprache zu bringen, die „Industrienationen“ aber proklamierten ihre Frauenforderungen – Chancengleichheit im Beruf, sexuelle Mitbestimmung, Gleichberechtigung usw. Der einstimmig verabschiedete „Weltaktionsplan“ verband das Bekenntnis, „daß Männer geteilte Verantwortung für Haus und Kinder haben und akzeptieren müssen“, mit der Forderung nach einer „gerechteren Weltwirtschaftsordnung“ und entlarvte damit den Zynismus der Emanzipations- und Gleichberechtigungsappelle der kapitalistischen und sozialistischen Industrienationen angesichts der Ausbeutungsverhältnisse und der durch sie produzierten Rückständigkeit der Länder der „Dritten Welt“.

Ein Jahr für die Frau

Angesichts der in den kapitalistischen Industrienationen allenthalben gefühlten Debatten über die Frauenfragen aber nimmt sich ein „Jahr der Frau“, das die Probleme der Frau ins öffentliche Bewußtsein rufen soll, grotesk aus und offenbart schon dadurch das Interesse der kapitalistischen Staaten an der Unterdrückung der Frau. Noch nicht zufrieden mit den durch die Medien verbreiteten Emanzipations- und Gleichberechtigungsphrasen mischen sie sich als gewichtige Stimme in die öffentliche Diskussion ein und propagieren die Notwendigkeit fortschrittlichen Bewußtseins, machen sich so für die Frauen stark und weigern sich zugleich, das Problem ernst zu nehmen. Mit dem Hinweis auf die Diskrepanz zwischen dem Recht, das die Gleichberechtigung weitgehend garantiere, und den bestehenden gesellschaftlichen Verhaltensweisen erklären sie die Unterdrückung der Frau zur Folge überkommener Vorurteile, die abzubauen, Aufgabe der Gesellschaft sei. Nicht zufällig bestand der Hauptbeitrag der Bundesregierung zum Jahr der Frau in einer Plakataktion, die sechs „Vorurteile“ gegen Frauen bewußt machen sollte: „Frauen haben einen beschränkten Horizont“, „Wo Männer reden, haben Frauen den Mund zu halten“, „Frauen gehören am besten ins Haus“. „Frauen können keine Vorgesetzten sein“, „Frauen haben geduldig zu sein“, „Frauen können nicht Auto fahren“. Die Infamie, der sich durch „aufgeklärte“ Zeitgenossen schuldig machen, die meinen, die Frauen gegen solche Abqualifizierungen in Schutz nehmen zu müssen, ist offensichtlich. Mit einem Schlage ist hier gesellschaftliche Realität zur bloßen Ideologie erklärt. Der gemeine Idealismus, die Frauen seien nicht beschränkter, nicht geduldiger, könnten ohne Schwierigkeiten Vorgesetzte werden usw., leugnet nicht nur, dass jedes Vorurteil ein gesellschaftliches Interesse verbirgt, dem mit Appellen an die Vernunft nicht beizukommen ist, sondern auch, dass Vorurteile eine interessierte Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse sind – weswegen sollte man sie sonst angreifen. Das Interesse an den Bedürfnissen der Frau in dieser Gesellschaft verhindert die Einsicht, daß gesellschaftliche Verhältnisse sich an den Individuen niederschlagen, noch dort, wo es sich zur handfesten Beschimpfung der Frauen genötigt sieht, weil sie die Vorurteile bestätigen. Die eifrige Unterstützung, die der Plakataktion durch Frauenillustrierten zuteil wird, läßt dies unschwer erkennen: „Uralt. – und doch nicht totzukriegen“, „Diese Vorurteile machen den Frauen das Leben schwer“ – so bejammern sie die zum unerklärlichen Vorurteil verwandelte gesellschaftliche Realität und offenbaren, ihre Lüge, für die Frauen. sei nicht mehr zu tun als Bewußtmachung, in den probaten Vorschlägen zur Selbsthilfe der Frauen:

„Vielseitig interessiert und informiert, bleiben. Wer nur über Küche, Kinder und Kosmetik reden kann, muß sich nicht wundern … Nicht verlernen, sich auszudrücken. Manche Frauen lassen sich nur deshalb einschüchtern, weil sie ihre Gedanken nicht so gut formulieren können. Dabei ist das reine Übungssache … Keine Vorurteile übernehmen … das eigene Verhalten immer wieder auf Vorurteile überprüfen.“

 

„Emanzipation“ und „Gleichberechtigung“

So mündet die Verharmlosung der Unterdrückung der Frau zur Folge veralteten Denkens in die widersinnige Aufforderung, die Gesellschaft solle sich von ihren eigenen Vorurteilen freimachen, als könne sie diese ablegen wie einen alten Hut. Wenn heutzutage auch der Staat in das falsche Gerede von Emanzipation einstimmt, beweist das nur, daß die gesellschaftliche Bestimmung der Frau ihn nicht interessiert, sondern ihre Folgen seine Zwecke in dieser Gesellschaft beeinträchtigen – er gaukelt ihnen die Selbstbefreiung von ihrer Gesellschaftlichkeit vor, damit sie sich den gesellschaftlichen Erfordernissen besser anpassen. Und wenn linke Kritiker unzufrieden mit dem Los der Frauen, – das sie gesellschaftlichen Zwängen statt bloßen Vorurteilen zuschreiben – den Frauen ebenfalls Emanzipation empfehlen, sie auffordern, sich selbst von den Zwängen freizumachen, diese als gesellschaftliche angreifen, statt die Frauen für den Kampf gegen die gesellschaftlichen Ursachen zu gewinnen, so verrät auch das ein falsches Interesse, nämlich das bornierte Festhalten am Ideal der individuellen Befriedigung unter gesellschaftlichen Umständen, die diese nicht zulassen und das Ideal erst erzeugen.

Wenn die Phrase von der Emanzipation der Frau Allgemeingut der öffentlichen Diskussion geworden ist, so bezeugt dies, daß die Benachteiligung der Frau in den fortgeschrittenen bürgerlichen Staaten nicht mehr als Problem der Rechtsungleichheit aufgefaßt wird, haben sie doch mehr oder weniger die Gleichberechtigung rechtlich kodifiziert. Das zweite falsche Schlagwort der Diskussionen, „Gleichberechtigung“ erweist sich angesichts des Rechtszustands als Ideologie und macht dies schon dadurch kenntlich, daß es zumeist durch ihm widersprechende Adjektive ergänzt wird – „wirkliche“, „gesellschaftliche“ Gleichberechtigung. Linken dient diese Beurteilung gesellschaftlicher Zustände vom Standpunkt des Rechtsideals dazu, um dem Staat die Nichterfüllung gesellschaftlicher Interessen vorzuwerfen, dem Staat dazu, sich zu verteidigen; triumphierend kann er darauf verweisen, daß er rechtlich seine Pflicht erfüllt habe, die Herstellung „wirklicher“ Gleichberechtigung aber nicht in seine Macht falle. So verleugnet auch dieses Schlagwort die gesellschaftlichen Ursachen der Unterdrückung der Frau, indem es falsch auf sie verweist.

Die Propagierung eines Frauenjahres und der Einsatz der Bundesregierung für die Frauen ist also Teil des staatlichen Bemühens, die gesellschaftlichen Unterschiede, die mit der Differenz von Mann und Frau verknüpft sind, zu verharmlosen – ein Bemühen, bei dem ihm seine Kritiker tatkräftig unter die Arme greifen. Die Art seines Eintretens für die Frauen läßt zugleich darauf schließen, daß diese gesellschaftlichen Unterschiede der Gesellschaft Schranken auferlegen, an deren Beseitigung der Staat allein interessiert ist. So wundert es nicht, daß zwar in allen Beiträgen die gesellschaftliche Grundlage der Unterdrückung der Frau, die Familie, zum Vorschein kommt – mit der Frauenfrage ist staatlicherseits das „Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit“ betraut! – die Familie aber nur soweit ins Blickfeld rückt, wie sie dem staatlichen Interesse am Funktionieren der Gesellschaft als zugleich notwendige und hinderliche Instanz aufstößt. Wenn die SPD sich um das „Recht der Frau auf Selbstentfaltung, auf ihre eigene Persönlichkeit“ sorgt und sie mit der „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Familie gleichsetzt und den Wandel der Familie als ihre Rettung beschwört

– „In Wahrheit zerstört die Familie, wer sie als Herrschaftsordnung in der Nußschale erhalten will, anstatt sie für die Partnerschaft zu öffnen.“ (Familienministerin Focke) –,

wenn andererseits die CDU umstandslos die Familie verteidigt und gegen falsch verstandene Emanzipation ankämpft

– „Es besorgt uns, daß heute auch mehr und mehr Mütter der Auffassung sind, daß sich die Emanzipation der Frau nur im Beruf, nicht aber in der Familie verwirklichen lasse“ –,

bekunden beide nicht nur, daß die Unterdrückung der Frau auf der bürgerlichen Familie beruht, sondern auch, daß sie ihnen nur deshalb ein Problem ist, weil sich gesellschaftliche Nützlichkeit der Frau und gesellschaftlicher Nutzen der Familie nicht ohne weiteres zur Deckung bringen lassen. Das staatliche Eintreten für Chancengleichheit, Gleichberechtigung, Emanzipation der Frauen entspringt also seinem Bemühen, die Funktion der Familie für die Gesellschaft zu gewährleisten und zugleich die mit ihr gegebenen Beschränkungen für die Gesellschaft auszuräumen.
Angesichts der ideologischen „Antworten der Frauenfrage“ wird immerhin schon soviel klar, sie hat ihren Grund in der Natur der Familie, in deren Verhältnis zur kapitalistischen Gesellschaft und in der daraus entspringenden Nutzenkollision, mit der sich Staat und Gesellschaft herumschlagen.


Die bürgerliche Familie

Die bürgerliche Gesellschaft hält sich etwas darauf zugute, die Heirat von allen falschen Abhängigkeiten und Zwängen gelöst zu haben.

Die Familiensoziologie preist das Fehlen staatlicher oder verwandtschaftlicher Vorschriften, das „Vordringen emotionaler Gesichtspunkte“, die „Individualisierung der Partnerwahl“ als Erfüllung der Familie:

„Sie hat einen Raum an Selbständigkeit, kann Emotionalität unbeobachtet von Außenstehenden entfalten, starre Vaterautorität abbauen. Sie ist nun im vollen Wortsinn Intimbereich geworden.“


Das bürgerliche Liebesideal ...

Beim zynischen Lob der „strategischen Bedeutung“ der Liebe für die Partnerwahl bekennt sie auch gleich den Grund für die „Privatisierung der Familie“ – die „Versachlichung des gesellschaftlichen Lebens“. Neben der Sphäre der Arbeitswelt und des öffentlichen Lebens, die den gesellschaftlichen „Sachzwängen“, den Maximen von Nutzen und Konkurrenz folgt, existiert also in der bürgerlichen Gesellschaft die Familie als Privatbereich, der auf Liebe beruht und ihre freie Entfaltung gewährleisten soll. Unbeschadet aller Klagen über die Langeweile des Ehealltags, die wachsende Zerrüttung der Familien hält die öffentliche Moral daran fest, daß die Liebe zur Familie gehört und umgekehrt – der Liebeswunsch junger Mädchen nach Ehe und Familie und das bürgerliche Ideal der Liebesehe finden ihre Überhöhung in philosophischen Schwafeleien, die noch da die Erfüllung der Liebe in der Familie preisen, wo sie ihre Differenz feststellen:

„Liebe tritt in mindestens vierfacher Weise in Erscheinung: I. seelisch-geistige Liebe . . 2. sexueller Drang und Kult der Leibesschönheit; 3. Wunsch nach Nachkommenschaft; 4. Bedürfnis nach ehelicher Gemeinschaft. Die Idealform der Liebe besteht in einem harmonischen Verhältnis zwischen den genannten Spielarten der Liebe.“

Der bürgerliche Argwohn gegen „niedere Ehemotive“, der den Neid begleitet, wenn jemand eine „gute Partie“ gemacht hat, und die moralische Entrüstung über sogenannte „Vernunftehen“ verrät nicht nur den Gegensatz von Liebe und Familie, sondern auch den von gesellschaftlichem Leben und dem Gefühl, das sich der Individualität des andern zuwendet. Wo Liebe und Vernunft sich wechselseitig desavouieren, da steht es freilich um beide schlecht, und das bürgerliche Denken, für welches solch widervernünftiges Gefühl eine harte Nuß ist, steht nicht an, bei seiner Verherrlichung der Liebe ihren bürgerlichen Charakter und sein Prinzip, den Nutzen der „Selbstlosigkeit“ zu feiern.

Die Schlagerindustrie, die durch ihre beständige Verklärung der Liebe zum realitätsfernen Ideal bekundet, daß die Liebe dem Nutzenprinzip dieser Gesellschaft unterworfen ist, lebt von der variationsreichen Beteuerung, daß die Liebe ein Geschäft ganz eigener unbürgerlicher Art sei, die wechselseitige, freiwillige Verhökerung der Gefühlsbestände ohne Geld und Garantie:

„Die Liebe ist ein seltsames Spiel, sie kommt und geht von einem zum andern. Sie nimmt uns alles, doch sie gibt auch vielzuviel.“

„Ein Herz, das kann man nicht kaufen, auch wenn sich das mancher so denkt. Doch wenn man Glück hat, bekommt man es geschenkt“,

weswegen man, wenn man Glück hat, auch einen „Schatz“ „sein eigen“ nennen kann. Und wo die „umfassende und tiefe Gefühlsbeziehung hochpersonalisierter Art“ als widergesellschaftlicher Gedankenaustausch auftritt, der den gesellschaftlichen Regeln von Geben und Nehmen auf andere, unbeschränktere Weise gehorcht, da ist es nicht mehr weit zur Artikulierung des Liebeswunsches als gegen die Besonderheit des Gegenübers gleichgültiger Seufzer nach Bedürfnisbefriedigung, die die Gesellschaft nicht gewährt:

„I m just a lonely boy, lonely und blue. Im all alone with nothing to do. I've got everything, you could think of. But all I want, is someone to love. Someone, yes, someone to love, someone to kiss, someone to hold at a moment like this.

Noch die Beteuerung, „Ich mag dich so, wie du bist“, verwandelt das Interesse am anderen in seiner Besonderheit, auf die sich die Zuneigung richtet, in verständnisvolle Zufriedenheit, in ein Akzeptieren um des eigenen Wohlbehagens willen.

Wird Liebe „geschenkt“, um selbst geliebt zur werden, begründet dieses Geschenk seiner selbst auch einen Anspruch an den andern und findet daher in der Freiwilligkeit seines Gefühls nicht seine Erfüllung, sondern seine Schranke. Die Forderung und der Schwur der Treue meinen nicht Anerkennung und Betätigung der Besonderheit, sondern Ausschließlichkeit und Sicherheit und paaren sich deshalb mit der Eifersucht. Als neben die gesellschaftlichen Zwänge getretene Befriedigung der „menschlichen Gefühlsbedürfnisse“ kommt sich die Liebesbeziehung aus dem Wunsch nach der persönlichen Kompensation der gesellschaftlichen Beschränkungen im Gefühl selbst in die Quere und schlägt in ihr Gegenteil um, Langeweile, Unzufriedenheit, Eifersuchtsdramen usw.

 

... und seine gesellschaftliche Realität: die Familie ...

Während die Schlager also die Notwendigkeit der Liebe als Ausgleich für die täglich erfahrenen Zwänge vom Standpunkt des mit der Welt unzufriedenen Subjekts verhimmeln – „Liebe macht das Leben schön!“ –, offenbaren die an Familie und Staat interessierten Definitionen der Liebe den gesellschaftlichen Charakter des aus dem gewöhnlichen Leben verbannten Gefühls und seine Verdienste für die Gesellschaft auf ihre Weise. Schon Hegel beschreibt die gegensätzliche Komplementarität von bürgerlicher Welt und Liebe als Grundlage der Familie, wenn er als Prinzip der Liebe die freiwillige Negation seiner selbst als andere ausschließende Privatperson verkündet und daraus die Familie als eine Person ableitet:

„Liebe heißt überhaupt das Bewußtsein meiner Einheit mit einem anderen, so daß ich für mich nicht isoliert bin, sondern mein Selbstbewußtsein nur als Aufgeben meines Fürsichseins gewinne... Das erste Moment in der Liebe ist, daß ich keine selbständige Person für mich sein will und daß, wenn ich dies wäre, ich mich mangelhaft und unvollständig fühle.“

Um wieviel mehr durchzieht die idealistischen Ergüsse moderner philosophischer Seichbeutel das Lob der kompensatorischen Wirkung der liebenden „Selbstaufgabe“ angesichts eines Alltags der Selbstbehauptung gegen die andern:

„Die Bedeutung (!) der Liebe für (!) die Gestaltung des menschlichen Daseins ist kaum zu überschätzen: ist doch die Liebe für den Menschen der Weg aus der Einsamkeit, ist doch im Grunde alle Plage des Alltags nur Arbeit um Liebe und ist doch die Liebe Voraussetzung für die Steigerung sowohl des Ich als des Lebens überhaupt: erst in der Liebe vermag der Mensch die Grenzen seines Ich im Überschwang schenkender Begeisterung zu überschreiten.“

Um den Bestand der Familie ringende Politiker sprechen das Interesse des Staates an Familie und Liebe im Klartext aus:

„Selbstverwirklichung geschieht am wirkungsvollsten durch die Fähigkeit zur Hingabe an andere Menschen … Das Kind bedarf … vor allen Dingen der Liebe. Im ständigen Zusammensein mit dem Kind Spender und Empfänger der Liebe des Kindes zu sein, das ist die Rolle der Mutter … Kommt es zu dieser ersten verläßlichen Liebesbindung nicht, … bildet sich nicht jenes »Urvertrauen« des Säuglings und des Kleinkindes, das die Grundlage des Vertrauens eines jeden Menschen in die Welt und zu seinen Mitmenschen ist.“

Eigennutz der Selbstaufgabe und gesellschaftliche Funktionalität aufopfernder Hingabe sind also zwei komplementäre Seiten des Liebesideals, in die Privatsphäre verbanntes Gefühl charakterisieren und nicht nur das zitierte Lob der Liebe durch die Familiensoziologie verweist auf die bürgerliche Realität, in der beide Seiten zusammenfallen – auf den „ Intimbereich“ der Familie, der auf Liebe gründet und doch in ihr nicht aufgeht. Die Praxis der „Vernunftehe“ beweist nicht nur, daß die Ehe noch andere Vorteile bieten kann außer der Liebe, und ihre Kritik wäre überflüssig, wenn sich nicht andere Zwecke nur in dieser offiziellen Form der Liebe durchsetzen ließen – offenbar ist die Liebesehe nur ein moralischer Maßstab. Der Jungmädchentraum von Liebe schließt häusliches Glück, Sicherheit, Geborgenheit und Aufopferung ein und findet daher seine prosaische Entsprechen in der offenen Pervertierung der Familie zur „Partnerschaft“, zum gemeinsamen Interesse an Sex, Freizeitgestaltung, Kindern, Versorgung, Verwöhnen und Verwöhntwerden oder gemütlichem Lebensabend – in den Heiratsanzeigen, die zynisch-hilflos den immergleichen Wunsch bekunden nach irgendjemandem mit passender Figur, gleichen Interessen, mit oder ohne Kindern und möglichst gesicherten materiellen Verhältnissen, soweit man nicht selbst mit ihnen ködert („Biete Einheirat in …“) – zwecks späterer Heirat.

Die Familiensoziologie beschreibt den Zusammenhang von individuellem und gesellschaftlichem Nutzen der institutionalisierten Liebe mit staatstreuem Interesse. Neben der „Kompensationsfunktion“ der Familie – dem Ideal bürgerlicher Liebe im Gewand „familialen Spannungsausgleichs“

– „Unsere hochspezialisierte, -organisierte, und -bürokratisierte Gesellschaft übt ständig eine Vielzahl von Zwängen auf den Einzelmenschen aus. Ununterbrochen muß er sich auf immer neue Situationen einstellen, sich ,anpassen?, wobei die persönliche Eigenart oft gar nicht zu ihrem Recht kommt. Das führt auf die Dauer zu seelischen Spannungen. Hier schafft das Familienleben einen unersetzlichen Ausgleich, da der Mensch in dem überschaubaren, ihm zutiefst vertrauten und intimen Kreis der Familie sich ungezwungen bewegen und seine persönliche Eigenart entfalten kann.“ –

lobt sie die „Reproduktionsfunktion“ für die Gesellschaft, die „Sozialisationsfunktion“ für die Kleinkinder, die „Placierungsfunktion“, die „Haushalts- und Freizeitfunktion“ und läßt erkennen, daß es zur Erfüllung all dieser Funktionen in der bürgerlichen Gesellschaft der Zuneigung als Mittel bedarf:

„Es hängt sowohl mit den ,biologischen Strukturen‘ der Familie als auch mit der ,Totalität‘ der sozialen Beziehungen in der Familie zusammen, daß die Familie als ,Intimgruppe‘ erscheint. Sie ist ein sozialer Ort, an dem sich die Sexualität der Ehepartner ausleben kann, an dem Krankheiten behandelt und die Animalitäten kleiner Kinder geduldet werden.“


... ein vom Staat geregeltes Zwangsverhältnis ...

Und daß diese Nützlichkeit der Liebe ein durch staatliche Gewalt garantiertes freiwilliges Zwangsverhältnis ist, das ihre Zerstörung einschließt, bringt das Familienrecht trocken zur Anschauung, durch das der Staat die Familie als gesellschaftliche Institution regelt, um ihre Funktionen zu gewährleisten. Es fixiert die Brauchbarkeit der Familie für die in ihr zusammengeschlossenen Individuen als Privatpersonen und damit für den Staat. Die Familie ist die staatlich anerkannte Realität, des Ideals nützlicher Liebe, ein spezifisches institutionalisiertes Privatverhältnis wechselseitigen Nutzens und wechselseitiger Beschränkung zwischen Rechtssubjekten. Mit den Worten eines Rechtslehrbuchs:

Das BGB geht aus „von den Familienmitgliedern als Einzelindividuen, die sich auf rechtlich gleicher Ebene gegenüberstehen. So sucht es die subjektiven Rechte der Familienmitglieder gegeneinander abzustecken und zu sichern … Dabei geht es in erster Linie um die personenrechtlichen Beziehungen vom Ehemann zur Ehefrau, von den Eltern zu den Kindern. Doch ergeben sich aus der Rechtsstellung innerhalb der Familie auch mannigfache vermögensrechtliche Folgen … Das staatliche Interesse an der Familie als der wichtigsten Zelle des sozialen Organismus äußert sich besonders darin, daß das Familienrecht weitgehend zwingendes Recht ist. Nur die Begründung der Familie durch Ehe geht auf Privatwillkür zurück … Das Gesetz beschränkt sich vielmehr weitgehend darauf, zu bestimmen, was zu geschehen hat, wenn die Ordnung der Familie gestört oder zerfallen ist.“

Vom Standpunkt des Rechts ist die Liebe Privatwillkür, die Ehe Vertragsverhältnis, freie, durch die Staatsgewalt garantierte Übereinkunft gegenseitiger Reproduktionsleistungen. Welche contradictio in adjecto ein Vertrag über Liebesleistungen ist, belegt am brutalsten die an der Emanzipation des bürgerlichen Subjekts interessierte Kantsche Definition der Ehe als Vertrag über den wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtsorgane – das Familienrecht institutionalisiert diesen Widerspruch: Mit ihm zwingt der Staat den „durch Gefühl verbundenen Individuen sein Interesse an der Reproduktion der Gesellschaftsmitglieder als ihre Rechte und Pflichten gegeneinander auf und regelt die darin eingeschlossenen Kollisionen; als Verlöbnis wird die Zuneigung zum „formfreien Vertrag“, der „eine Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe“ und im „Rücktrittsfall“ Schadenersatzansprüche begründet, als Ehe zum Zwang sexuellen Verkehrs – „Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet“ (§ 1353 BGB) –, Treue verwandelt sich in das Verbot außerehelicher Beziehungen, der Verstoß gegen das Verbot wird zum „Ehebruch“, d. h. zum Scheidungsgrund mit finanziellen und anderen Folgen. Die Besonderheit der Vertragsgrundlage, das Gefühl der Liebe, macht sich in Gestalt von Pflichten und ihrer Einhaltung geltend, ihr Verlust kommt nur in Betracht, insofern die Erfüllung dieser Pflichten ausbleibt – und an diesen ist der Staat allein interessiert.

Die so gepriesene „Intimsphäre“ Familie, die freie Privatsphäre zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts, ist allerdings nicht nur ein rechtlich geregeltes Zwangsverhältnis für den wechselseitigen Gefühlsnutzen der bürgerlichen Individuen. Die im Grundgesetz garantierte „elterliche Gewalt“ – die man vornehm in „elterliche Sorge“ umbenennen möchte –, ist die rechtliche Verwandlung der Liebe zum Kind in Rechte und Pflichten der Eltern zur Ernährung und Erziehung des Kindes, bzw. in Rechte und Pflichten des Kindes gegenüber den Eltern, womit nicht nur das staatliche Interesse an der Übernahme der Erziehungs- und Reproduktionslast durch die Privatindividuen selbst bekundet ist, sondern auch die Kollision dieses den Eltern mit dem Kind auferlegten Zwangs mit ihren Privatinteressen. Und die rechtliche Regelung der Vermögensverhältnisse, die das Privateigentum und die durch die Familie gegebenen wechselseitigen materiellen Verpflichtungen und Leistungen, weiche eine Beschränkung der freien Eigentumsverfügung darstellen, zu harmonisieren versucht, sowie die Festlegung der Dienst-, und finanziellen Leistungen der Familienmitglieder füreinander sind die institutionalisierte Verlaufsform des Widerspruchs, daß Zuneigung materielle Ansprüche und Beschränkungen der zur Familie zusammengeschlossenen Privatpersonen beinhaltet. Was könnte. den Zwangscharakter der institutionalisierten Liebe besser kennzeichnen. als die Bestimmungen darüber, wieweit die wechselseitigen Ansprüche reichen dürfen:

„Die Ehegatten haben bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.“ (§ 1359 BGB)

„Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Gewalt dem Kinde gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.“ (§ 1664 BGB)

Und das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe bei gleichzeitiger, zunehmend liberalisierter Möglichkeit der Scheidung ist das rechtliche Eingeständnis, daß der staatliche Zwang zur Funktionalisierung der Liebe für die Reproduktion der Privatsubjekte die Liebe zerstört und somit der ihr abverlangte Nutzen nicht auf ewig gewährleistet bleibt:

„Die Scheidbarkeit der Ehe ist kein Widerspruch zu dem Grundsatz, daß die Ehe eine Gemeinschaft auf Lebensdauer ist, sondern – als gesetzliche und faktische (?) Ausnahme recht eigentlich seine Bestätigung“,

sinniert ein Familienrechtsexperte im Sinne des staatlichen Interesses über die notwendigen Grenzen dieses Interesses.

Die institutionalisierte Nutzbarmachung der Liebe zwischen Mann und Frau, bzw. der Eltern zu ihrem Kind für ihre dauerhafte Reproduktion als gesellschaftlich brauchbare Individuen hat also ihre Schranken an der Familie selbst: Die Zuneigung als ihre Grundlage garantiert mit ihrer Funktionalisierung die „Instabilität“ der Leistungen, die ihr abverlangt werden; die nach dem besonderen Interesse und Wissen der Eltern ausgeübte Erziehungsgewalt genügt den gesellschaftlichen Anforderungen nach objektivem Wissen nicht – die Zuneigung zum Kind vergißt nur allzuleicht, die gesellschaftlichen Erfordernisse an ihm durchzusetzen –; die materielle Sicherung der Familienmitglieder stellt eine zusätzliche Belastung des sich nach der individuellen Stellung in der Einkommenshierarchie bemessenden Einkommens dar, was zu Familien- und Kinderunlust = Bevölkerungsschwund führt. So sieht sich der Staat gezwungen, durch das Zugeständnis der Ehescheidung bei gleichzeitigem Festhalten an der prinzipiellen Unauflöslichkeit, durch ein staatliches Erziehungssystem und durch finanzielle Kompensationen (Steuervorteile, Kindergeld usw.) diese Schranken einzuengen, und offenbart damit, daß die Unterwerfung der Familie unter die gesellschaftlichen Anforderungen die ständige Beschränkung der in ihr zusammengeschlossenen Individuen beinhaltet.

 

... zum Nutzen der kapitalistischen Gesellschaft

Was die Familiensoziologie als die „gleichzeitige Befriedigung bestimmter individueller Bedürfnisse und gesellschaftlicher Kollektivinteressen“ lobt, sind nichts anderes als die in die Privatsphäre verbannten, dem Gefühl auferlegten und daher als seine Befriedigung abverlangten Leistungen, die zwar Voraussetzung der gesellschaftlichen Betätigung der Individuen, nicht aber ihr Zweck sind – vielmehr auf Kosten der Individuen an ihnen durchgesetzt werden. In harmonischer Eintracht mit den Staatsagenten leugnet die Familiensoziologie mit der Rede von der „Polarisierung der Gesellschaff in öffentliches, durch Sachzwänge bestimmtes Leben und familiären Intimbereich der personalen Entfaltung – eine Rede die ebenso in die von Faschisten perfektionierte Verherrlichung des familiären Zwangszusammenhangs als „Keimzelle“ des Staates (hier wie überall sind Faschisten die konsequentesten Bürger!) wie in die reformerische Forderung nach stärkerer Anpassung der Familie an die gesellschaftlichen Anforderungen münden kann –, daß die Familie nur als Mittel der Schaffung, Brauchbarmachung und Erhaltung arbeitsfähiger Subjekte dient.

Es sei nur beiläufig bemerkt, daß die kritischen Familiensoziologen der alten Frankfurter Schule diesen Zusammenhang ebenfalls nicht begreifen wollen, weil sie – am selbständigen, gegen den faschistischen Staat sich zur Wehr setzenden Individuum interessiert – nur den Gegensatz de Familie zur Gesellschaft und die in ihr angelegte Möglichkeit zur Erzeugung „unangepaßten“ Verhaltens festhalten und daher, statt die „Intimität“ der Familie als ihren gesellschaftlichen Charakter zu untersuchen, in der Familie herrschende Autoritätsstrukturen und unmittelbare persönliche Abhängigkeiten als postfeudale Relikte auffassen, welche durch die bürgerliche Gesellschaft der in ihnen ehemals enthaltenen Rationalität und Gefühlsechtheit entkleidet, aber als Familienideologie festgehalten werden und im Verein mit der zerstörten, aber weiter bestehenden Familie für die Ausbildung des „faschistischen Charakters“ verantwortlich sind – weswegen mit dem Zerfall der Familie auch die Humanität endgültig beim Teufel sei. Das Interesse an Emanzipation und Rettung der Humanität schlägt hier also unter der Hand in das reaktionäre Gejammer über die mangelnde Nützlichkeit der Familie für das Individuum um. Die bürgerliche Familiensoziologie hat dagegen die Debatte um „Funktionsverlust“ und „Aushöhlung der Familie“ längst dahin entschieden, daß man „besser statt von Funktionsverlust von Funktionsverlagerungen sprechen“ sollte – und damit die Wandlung der Familie als Durchsetzung einer nützlichen Arbeitsteilung zwischen gesellschaftlicher Arbeit und privater Reproduktion anerkannt.

Daß die in der Familie erbrachten Leistungen eine für die bürgerliche Gesellschaft zwar notwendige, aber für die gesellschaftliche Reichtumsvermehrung unmittelbar nutzlose Arbeit darstellen, und anderen Gesetzen als denen von Nutzen und Entlohnung gehorchen, schlägt sich nicht nur in den verzinkten Berechnungen der Staatswirte nieder, die beim Bruttosozialprodukt die hauswirtschaftliche Tätigkeit nicht mitberechnen, da ihr „Ergebnis nicht auf dem Markt umgesetzt wird“, dennoch aber Schätzungen darüber anstellen, wie viel Wertschöpfung sie doch zustande bringe, sondern auch in der trotz aller staatlichen Aufwertungsversuche und Idealisierungen geringen gesellschaftlichen Anerkennung der Haustätigkeit. Diese Verachtung verweist zwar auf das richtige, daß gegenüber einer vergesellschafteten Produktion, die unmittelbare, auf Gefühl gegründete Arbeit für das leibliche und seelische Wohl der Familie als Beruf borniert ist, doch verdankt sie sich zugleich dem Zynismus, die Verkehrung der Liebe zu nützlichen Liebesleistungen, die lebenslange Fixierung von gesellschaftlichen Individuen auf die unentgeltliche Reproduktionshilfe als ihren Beruf am ökonomischen Maßstab der mit Geld entlohnten Nützlichkeit zu messen. Der fiktive Charakter solcher Messungen demonstriert das Interesse am Nutzen der Frauenarbeit im Schoße der Familie ebenso wie den Willen, den gesellschaftlichen Grund für seine außergewöhnliche ökonomische Bewertung zu akzeptieren. Und die am reibungslosen Funktionieren der Familie interessierten Lobsprüche über den menschlichen und gesellschaftlichen Wert aufopfernder Mutterliebe usw. (die Faschisten haben Mutterkreuze verliehen) ergänzen dieses Interesse mit humanistischen Phrasen, welche die der Gesellschaft nützlich gemachten und deshalb pervertierten Gefühle als höchste Selbsterfüllung und vornehmsten Dienst an der Gesellschaft preisen – unterstützt von den staatsdienernden Predigten der Pfaffen, es gelte wieder mehr Menschlichkeit und Nächstenliebe unter der Menschheit zu verbreiten.

 

Frau und Familie

Die Nützlichkeit der Familie für die bürgerliche Gesellschaft beruht also auf ihrer Trennung und Entgegensetzung zum übrigen gesellschaftlichen Berufsleben. Die spezifische Arbeitsteilung in gesellschaftlich nützliche entlohnte Berufstätigkeit, und in die Privatsphäre verbannte, auf Zuneigung gründende unentgeltliche Reproduktionsleistungen schlägt sich an den verschiedenen Geschlechtern selbst nieder und begründet ihren Gegensatz.

Der gesellschaftliche Gegensatz der Geschlechter ...

Die bürgerliche Gesellschaft hat sich die historisch überkommene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und die biologisch bedingte Abhängigkeit und beschränkte Arbeitsfähigkeit der Frau während und nach der Schwangerschaft – nicht umsonst firmierte noch um die Jahrhundertwende in medizinischen Fachbüchern die Geburt unter „Frauenkrankheiten“ – dadurch zunutze gemacht, daß sie sie auf Grundlage des Lohnarbeitsverhältnisses und der mit ihm einhergehenden Trennung von gesellschaftlicher Produktion und Familie verwandelt reproduziert hat – ein Vorgang, der sich abgewandelt auch heute noch in sogenannten Entwicklungsländern vollzieht, wo z. B. das Eindringen fortgeschrittener Produktionsmethoden in den Ackerbau – einen bisher oft den Frauen zufallenden Produktionsbereich – die Zerstörung der traditionellen Familienstrukturen, die Ausschließung der Frauen vom imperialistisch gelenkten Produktionsfortschritt und die brutale – durch bürgerliche Freiheits- und Gefühlshemmungen nicht gezügelte Verwandlung der Frauen in häusliches Arbeitsvieh nach sich zieht. Im Unterschied hierzu beruht die Unterdrückung der Frau  in der bürgerlichen Gesellschaft auf der mit der Befreiung der Subjekte von der persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen einhergehenden Verwandlung der Familie in eine durch den Staat institutionalisierte freiwillige Gefühlsbindung. Indem die Gesellschaft die Frau an die Familie kettet, ihr die lebenslängliche freiwillige Aufopferung in der privaten Haustätigkeit aufzwingt, die durch Beteiligung am Einkommen des berufstätigen Mannes „entgolten“ wird, institutionalisiert sie den Widerspruch zwischen Berufsleben und  an den Geschlechtern als unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis der Frau vom Mann auf Grundlage der gesellschaftlichen Anerkennung aller Individuen als Privatsubjekten, d.h. als freier und gleicher Rechtspersonen. Die Festlegung der Trau auf  ein Dasein als liebender Reproduktionsgehilfin des Mannes und der Kinder herrscht ihr die privaten Liebesleistungen, an denen die Gesellschaft interessiert ist, als ihre gesellschaftliche Bestimmung auf – ihr Beruf ist der der „Hausfrau“ und in seiner Ausübung gestattet sie dem Mann, sich den Zwängen der gesellschaftlichen Konkurrenz zu unterwerfen.

Während Hegel den Zusammenhang von bürgerlicher Familie und Unterdrückung der Frau durch ihre Reduzierung auf die Sphäre der Liebe unumwunden als aus den natürlichen Geschlechtsunterschieden und dem Begriff der Liebe sich ableitendes sittliches Verhältnis rechtfertigt – sind doch für ihn die Privatpersonen in der Familie durch die Liebe zu einer Person verschmolzen, – bespricht die an den verschiedenen Leistungen der Individuen für die Gesellschaft interessierte Familiensoziologie diesen Zusammenhang nur im Gewande der jeweiligen gesellschaftlichen Funktionen der Geschlechter:

„Die Polarisierung von Familie und gesellschaftlichen Leistungssektoren brachte eine ,Entflechtung‘ der ,typisch‘ weiblichen und männlichen Arbeitsbereiche und damit eine Spezialisierung der familiären Geschlechtsrollen … Die Frau ist Sachwalterin und ,Hüterin‘ des Haushalts, den der Mann tagsüber verläßt, um in spezialisierten Betrieben spezialisiert Aufgaben wahrnehmen … Die Mutter ist überwiegend der ,emotionale Führer‘ im Innenbereich, der Vater der ,instrumentale‘ Führer im Außenbereich …“ –

Sie zerstört die Idylle vom harmonischen Familienleben dort, wo sie sie zu bestätigen meint:

– „ … stellt die Kernfamilie ein gesellschaftlich bedeutsames System des Lastenausgleichs zwischen den Geschlechtern dar“ –

und diskutiert ungerührt den Zusammenhang zwischen Familie und Gesellschaft als „Machtverteilung zwischen Mann und Frau“.

 

... und seine Durchsetzung im Recht

Das BGB kodifiziert diese „Machtverteilung“. Auf der Grundlage der auch ins Familienrecht eingedrungenen Gleichberechtigung regelt es die Abhängigkeit der Frau durch die Abgrenzung der Reproduktionsrechte und -pflichten von Mann und Frau gegeneinander –

– „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt erwerbstätig zu sein, soweit dies mit den Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ (§ 1356 BGB)

„Die Frau ist berechtigt, Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Mann zu besorgen ...“ (§ 1357 BGB)

„Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Die Frau erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts; zu einer Erwerbstätigkeit ist sie nur verpflichtet, soweit die Arbeitskraft des Mannes und die Einkünfte der Ehegatten zum Unterhalt der Familie nicht ausreichen . . .“ (§ 1360 BGB) –

und zeigt, worauf es ihm ankommt: die gesellschaftliche Form der Reproduktion der Individuen muß die Familie zu einem ungleichwertigen Verhältnis der Lastenverteilung machen. Die im Recht als Problem der Gleichberechtigung sich niederschlagende gesellschaftliche Unterdrückung der Frau können dann auch die Rechtsgelehrten mit einem verräterischen Angriff gegen allzu individualistische Rechtsvorstellungen und gegen eine zu weitgehende Liberalisierung des Familienrechts rechtfertigen, dabei gestehen sie allerdings, daß solche die Familienfunktionen gefährdenden Rechtsvorstellungen zum Wesen des Rechts gehören:

„Andererseits kann die Gleichberechtigung angesichts der naturgegeben verschiedenartigen Funktionen von Mann und Frau nie unbedingte Gleichheit der Rechtsstellung bedeuten. Es ist unmöglich, mit dem Wortlaut von GG Art. 3 ein absolutes Differenzierungsverbot anzunehmen wenn man naturnotwendig auf die biologischen Unterschiede Rücksicht nehmen, ja sie allenfalls sogar auszugleichen suchen muß. Die Gleichheit kann keine mechanische, sondern muß eine organische sein, die auf Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit) von Mann und Frau beruht. Sie darf auch die Einheit der Familie nicht antasten. . . und muß daher auch übertriebenen individualistischen Bestrebungen entgegentreten. Es gilt heute nach Verwerfung der ,Herrschaftsehe‘ wie der ,individualistischen Ehe‘ die Gleichberechtigung der Geschlechter in einer genossenschaftlichen Ehe zu verwirklichen.“

Mit diesem Selbstbekenntnis pocht das Recht auf seine Ohnmacht gegenüber biologischen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten, um seine Macht zur Erhaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu rechtfertigen, die es notwendig machen. So führt es den Gleichheits- und Gerechtigkeitswahn als am eigenen Nutzen interessierte Blindheit gegenüber den gesellschaftlichen Beschränkungen ad absurdum – eine Blindheit, die von den Gründen der Unterdrückung, welche die Frau erfährt, nichts wissen will und sich in den Idealen der Gerechtigkeit ausgerechnet des Staates als Parteigänger versichern will, eines Staates, der mit jedem seiner Gesetze belegt, daß er es mit dem Prinzip der Gleichheit nur auf eines abgesehen hat: auf die gewaltsame Sicherung der Differenzen, die emanzipationsbeflissene Frauenrechtlerinnen zu ihren Aktivitäten bewegen.

 

Das „schwache Geschlecht“

Die Natur der Familie garantiert, daß es in ihr nicht so idyllisch zugeht, wie es die Ideologen der Liebe vorgeben und die modernen Gerechtigkeitsfanatiker der Partnerschaft sich herbeisehnen. Während das häusliche Leben für den Mann eine Sphäre darstellt, die er für seine gesellschaftlichen Aufgaben funktionalisiert, die er erhält, weil er sie braucht, Ist sie für die Frau zunächst einmal der Bereich“ in dem sie sich als nützliches Glied  der Gesellschaft bewährt. Ihre Reduktion auf das Gattinnen- und Mutterdasein ist ihr Beruf; und wenn der Mann vom überkommenen Verhalten des „Herrn im Haus“ Abstand nimmt und sich kleinere Hausarbeiten zum Anliegen macht, dann geschieht dies nur um der Gewährleistung eben der Funktionstüchtigkeit seiner „besseren Hälfte“ willen. Umgekehrt sorgt sich die auf Partnerschaft bedachte moderne Ehefrau nicht minder als das Hausmütterchen um den Fortbestand der auf Zuneigung beruhenden Verbindung, die ihr ein und alles ist. Ihr Verständnis für die außerfamiliären Probleme des Mannes entspringt der begründeten Angst, daß sie sich mit ihrem Geliebten eines Tages nicht mehr „versteht“, wenn sie sich in ihrer Borniertheit zu weit gehen läßt. Die modische Verachtung des „Heimchens am Herd“ wird mit der Propaganda der aufklärten, mit dem Gatten über seine Schwierigkeiten im Beruf diskutierenden Partnerin nur fortgesetzt, nicht aber fallengelassen. Warum sonst sollte sich jemand veranlaßt fühlen, den Frauen zu raten, doch Interesse für Politik, Wirtschaft u. a. mehr zu hegen? Der Rat, modern zu sein, hat die Borniertheit der Frauen zur Voraussetzung und wird von ihnen noch stets in der Weise beherzigt, dass sie alle außerfamiliären Aktivitäten als Mittel für den Beweis betreiben, dass sie als Frauen tauglich sind. Gerade dort, wo Männer den Familienvater spielen und Frauen sich modern geben, kommt der Zwang im Verhältnis beider Geschlechter, welchen die Familie darstellt, zum Vorschein – und in der Apostrophierung der Frauen als „schwaches Geschlecht“ wird die Verteilung von Nutzen und Last ebenso sichtbar wie in den salonfähigen, frauenfeindlichen Witzeleien, die das Opfer für seine Techniken loben, durch die es sich wehrt: „Der Schwache, der seine Schwäche auszuspielen versteht, ist stark. Das ist das Geheimnis der Frauen und der Entwicklungsländer“.

Sie belegen nicht nur die herablassende Männerpose gegenüber den Folgen der Unterdrückung der Frau, sondern ebenso, daß die Frauen auf ihre Unterdrückung normalerweise so reagieren, daß sie das Beste aus ihr zu machen suchen, sich auf sie einstellen. Und daß die Schaffung eines entsprechenden Bewußtseins und entsprechender Verhaltensweisen selbst ein von der Gesellschaft im ihren Interesse betriebenes arbeitsteiliges Geschäft ist, das keineswegs widerspruchslos verläuft, beweisen die Klagen fortschrittlicher Menschen über die „geschlechtsspezifische Sozialisation der Kinder in der Familie“ und die Gegenklagen rechter Staatsbürger über allzuviel „Gleichheits- und Emanzipationsindoktrination“ in den Schulen – und als grotesk reaktionäre Variante die in Amerika in Mode gekommenen Kurse für „Faszinierende Weiblichkeit“, die die Frauen lehren wollen, durch Bewunderung, Unterwerfung und Ergebenheit zur Selbsterfüllung zu gelangen, um die Familie zu retten.

Die bürgerliche Gesellschaft hat ein ganzes Arsenal von Techniken entwickelt, ihren weiblichen Mitgliedern ihre Unterdrückung als Zwangscharakter anzuerziehen. Der Erfolg dieser Bemühungen – die Zurschaustellung des Gefühls das sich brauchen läßt; die Dummheit als Versprechen, das funktionelle Dasein für den Mann, die Unterwürfigkeit nicht aufzugeben; die ängstliche Pflege des Körpers, die ihre Maßstäbe den geilen Blicken der Männer entlehnt, und all die Verrenkungen, den gegenteiligen Eindruck hervorzurufen – erfährt seine Anerkennung durch die wohlmeinende Leugnung solcher Deformationen ebenso wie durch die verächtliche Konstatierung der Unterlegenheit des „schwachen Geschlechts“, mit deƒm es sich gut leben läßt.

So tritt den Frauen ihre eigene Unterdrückung nicht nur als gesellschaftliche Benachteiligung und eigene Beschränktheit gegenüber, sondern auch als von ihnen als bürgerlichen Subjekten selbst übernommene Aburteilung von Standpunkt der gesellschaftlichen Anforderungen. Das Lob der Weiblichkeit paart sich mit dem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit, die zum Charakter befestigte gesellschaftliche Funktion neuen Erfordernissen erschließbar zu machen: Die Modernisierung der Frau zielt auf die Veränderung der Weiblichkeit um ihrer Erhaltung willen.

 

Die Frauenfrage von Standpunkt des Staates

So hat die Frau an sich selbst den ihr von der Gesellschaft auferlegten Widerspruch auszutragen, innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft mit Aufgaben belastet zu sein, die als unnütze Notwendigkeit in die Privatsphäre verbannt sind, und sich zugleich für Aufgaben außerhalb ihres traditionellen Wirkungskreises verfügbar zu machen.

Die mit der Industrialisierung einhergehende Verwandlung der Frau in ein Ausbeutungsobjekt des Kapitals löst ihre Bindung an die Familie keineswegs auf, wiewohl sie in ihr eine Beschränkung erfährt. Alle Anstrengungen, die Frauen in das Arbeitsleben und die Welt, der Politik „einzubeziehen“, gehen deshalb auf ihre Kosten. Den Kalkulationen der Staatswirte, die den jährlichen Verlust möglicher Wertschöpfung durch die Bindung der Frauen an die Familie interessiert schätzen, entspricht die Attraktivität, die die Frauen durch ihren Einstieg in die Konkurrenz der Lohnarbeiter hinzugewinnen, – sie sind billig. Wenn die Technisierung die Hausarbeit erleichtert und verkürzt, dann eröffnet sich nicht das Reich der Freiheit, sondern lediglich das Reich der wohlfeilen Halbtagsbeschäftigung. Und wenn der Staat den Frauen Zugang zur Bildung, Gleichberechtigung im Beruf und andere sozialpolitische Wohltaten beschert, dann spricht aus solcher Fürsorge nur die Rücksicht auf die Sonderbelastung der Frau, an der man nicht zu rütteln gedenkt.

Die schon zitierten Paragraphen des Familienrechts kodifizieren den Widerspruch zwischen Familie und Berufstätigkeit. Einerseits erlaubt es die Berufstätigkeit der Frau nur soweit sie die Familienaufgaben nicht gefährdet, und zwingt den Frauen damit die Haustätigkeit als ihre Pflicht auf, andererseits verlangt es ihre Berufstätigkeit, wo der Verdienst des Mannes nicht ausreicht, und institutionalisiert damit die Verpflichtung zur Schaffung der Reproduktionsvoraussetzungen, der Familie auf ihre Kosten. Diese Rechtskollision, die mit dem zweiten Paragraphen beweist, daß der erste nichts wert ist, hat ihre gesellschaftliche Realität in der Tatsache, daß der weitaus größte Teil der berufstätigen Frauen nur arbeitet, weil das Geld nicht ausreicht, und in den Folgen ihrer Berufstätigkeit – Jugendverwahrlosung, Kindesmißhandlungen, „familiäre Entfremdung“ usw.

 

Staatliche Ausbeutungspropaganda ...

Angesichts der Belastungen der Hausarbeit, der Verantwortlichkeit für die Kinder, die die Gesellschaft den Frauen abverlangt, der Zwänge einer meist untergeordneten und schlecht bezahlten Berufstätigkeit ist es trotz aller täglich erfahrenen finanziellen Beschränkungen der Familie, trotz der Borniertheit und gesellschaftlichen Mißachtung ihrer Tätigkeit also keineswegs selbstverständlich, daß sich Frauen zum (Wieder)Eintritt in einen Beruf entschließen. So ergänzt der Staat den materiellen Druck, die Schlechterstellung der Familie gegenüber ledigen Arbeitskräften, durch eine systematische Propaganda für Emanzipation und Berufstätigkeit, durch verstärkte Anstrengungen zur Ausbildung von Frauen und durch den Ausbau der Kompensationsleistungen für die aus der Berufstätigkeit der Frau erwachsenden Gefährdungen der Familienfunktionen, unterstützt von der Öffentlichkeit – und den fortschrittlichen Frauen.

Die wachsende öffentliche Propaganda für Gleichberechtigung und Emanzipation ist der ideologische Teil dieses Geschäfts, den die diskussionsfreudigen öffentlichen Medien dem Staat weitgehend abnehmen. Die Plakataktion des Familienministeriums gegen angebliche gesellschaftliche Vorurteile über die Frau bemüht sich, die verschiedenen Vorbehalte von Frauen und Männern gegen eine Berufstätigkeit der Frau und ihre stärkere Einbeziehung ins öffentliche Leben zu zerstreuen, soweit sie sich am Charakter der Frau und ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten festmachen, und verwandelt daher die gesellschaftlichen, Gegebenheiten in Vorurteile. Und die Forderung an Männer und Frauen, endlich sich zur „Partnerschaftsehe“ bereitzufinden – eine Forderung die von modernen Frauen und Männern als gerecht verteilter Nutzen verstanden wird, und den Geschäftscharakter der Ehe für die bürgerlichen Individuen artikuliert – ist nichts anderes als die Aufforderung zur effektiveren Lastenverteilung. Ganz in diesem Sinne begrüßte denn auch das Familienministerium als bedeutendsten Beitrag zum Jahr der Frau, daß der Hausfrauenverband jetzt auch Männer aufnehme. Solches Interesse macht aus Müttern, die nicht mehr von morgens bis abends beschäftigt sind ein leider noch wenig genutztes gesellschaftliches Potential.

 

... und ihre Handlanger

Dafür, wie vor allem die Frauenillustrierten die staatliche Propaganda unterstützen und welch nützliche Funktion dabei wieder einmal die Soziologie übernimmt, gibt es viele Beispiele. Eins möge genügen:

„Die Hausfrauen sind unentbehrlich! Hausfrauen sind überholt! … Die Soziologin Prof. Helge Pross untersuchte für uns die Situation nicht erwerbstätigen Ehefrauen in der BRD. Das wichtigste und überraschendste Ergebnis: Hausfrauen sind mit ihrem Leben zufrieden, sagen sie. Aber stimmt das? Viele Ergebnisse der Untersuchung lassen daran zweifeln.“

beginnt eine Frauenillustrierte eine Untersuchung über „Hausfrauen in Deutschland“ und verkündet damit bereits ihre Absicht, die Hausfrauen mit ihrem Dasein noch unzufriedener zu machen, als sie schon sind, und ihnen die Berufstätigkeit als richtige Ergänzung anzupreisen. Nach der Konstatierung, daß durchaus nicht übermäßig viele Frauen ihre häuslichen Frustsgesellschaftsnützlich auszugleichen gewillt sind, der größte Teil vielmehr nur gezwungenermaßen arbeitet, geht die Soziologin denn auch mit ihrer Statistik zum Angriff über, beschimpft das mangelnde Zutrauen der Frauen zu sich selbst

– „54 Prozent, der Hausfrauen glauben nicht, ihren Mann in seinem Beruf ersetzen zu können. Immerhin 42 Prozent würden sich das schon zutrauen . . . Aber zwischen Können und Wollen machen sie einen Unterschied. Insgesamt wollen die meisten Hausfrauen, daß der Mann der Ernährer der Familie bleibt“

–, stachelt ihr bürgerliches Selbstgefühl und Nutzendenken auf

– „Zwei Drittel der Befragten unterstrichen den Satz: ,Als Hausfrau und Mutter muß man mehr geben, als man zurückerhält‘. Genauso verhielten sie sich bei der Behauptung: ,Als Hausfrau und Mutter ist man der Dienstbote seiner Familie‘. Schließlich erklärte über die Hälfte der Befragten, Hausfrau sei kein Beruf auf Lebenszeit“ –,

verrät – wo die von Anfang an feststehende Alternative Konturen gewinnt – auch ihr gesellschaftliches Interesse, daß sie zu solchen statistischen Überredungskünsten treibt

„Ohne Not verschleudert das Gemeinwesen Talente und Erfahrungen, die es nutzbringend für alle verwenden könnte . . . daß die Frauen in mittleren Jahren, die zu Hause wenigstens teilweise entbehrlich geworden sind, ein Kräfte und Talentepotential darstellen, das gegenwärtig und wohl auch in der nahen Zukunft einfach verschleudert wird.“ –,

und zieht dann, das erwünschte Ergebnis gegen ihre eigene Statistik unterstellend, in Stellvertreterpose für alle Hausfrauen den auffordernden Schluß:

„Frauen sind Wanderer zwischen den Welten geworden. Dadurch unterscheidet sich ihre Lebenslage fundamental von der der Männer. Die Hausfrau kennt und will den Beruf, die Berufsfrau kennt und will die Hausfrauenfunktion. Fast keine kann und will aber nur eines ausschließlich und lebenslänglich . . . Wir sind alle gespalten . . Die Verklärung der Hausfrauenrolle ist so wirklichkeitsfremd wie ihre einseitige Abwertung, die Verherrlichung der Berufsrolle so unbegründet wie ihre Achtung. Frauen sind für beide qualifiziert und wünschen beide. Sie brauchen Hilfe, um in Beruf und Familie gleichermaßen heimisch zu werden.“

 

Flankierende Maßnahmen

Während also der Staat bei seinem Bemühen, den Frauen die Doppelbelastung als ihre Emanzipation aufzuschwatzen, durch die Medien und die Wissenschaft tatkräftig unterstützt wird, kümmert er sich zusätzlich um verlangte Hilfe. Er bietet verstärkt Ausbildungsgänge an, die für Frauen attraktiv sind – so sind denn zweiter Bildungsweg, Volkshochschulen und Telekolleg überlaufen von lerneifrigen Hausfrauen, die neben der Hausarbeit sich noch die vorprogrammierten falschen Wissensbrocken einpauken, um dem geforderten gesellschaftlichen Standard zu genügen und den (Wieder)einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Er betreibt vorsichtige Propaganda für mehr und bessere Halbtagsarbeiten, Frauenberufe und gerechte Bezahlung – und kann sich dabei noch der Fortschrittlichkeit rühmen, weil diese Maßnahmen bei den Kapitalisten nicht gerade auf offene Ohren treffen –, verbessert den Mutterschutz und die sozialen Einrichtungen, die die negativen Folgen der Berufstätigkeit der Frau für die Familie und sie selbst auffangen sollen (Kinderhorte, Tagesschulen, Müttergenesungswerk usw.), und stellt sich durch die Veränderung des Rechts auf die kaputtgehenden Familien ein: die Scheidung wird allmählich liberalisiert – und zugleich zum Zwang zur Berufstätigkeit der Frau, da der Unterhaltsanspruch der Frau, gestrichen wird, so daß die bornierte Hausfrau ihre letzte Existenzsicherheit verloren hat, was gleichzeitig ein gewisses Ventil gegen die zunehmende Scheidungswilligkeit der Frauen ist.

Denn andererseits sorgt sich der Staat in wachsendem Maße um den Erhalt der Familie, der durch die Eingliederung der Frauen in die Berufswelt gefährdet wird. So richtet er Eheberatungs- und Erziehungsberatungsstellen ein, die die Betroffenen mit hilfreichen Ratschlägen dazu bewegen sollen, sich mit ihren wachsenden Problemen abzufinden, versucht, das Kinderkriegen wieder attraktiver zu machen, und predigt den gesellschaftlichen Wert der Familie. Solche Predigten durchsetzen nicht nur die öffentliche Diskussion, sondern auch die Bundestagsdebatten über die Schwierigkeiten, Konkurrenz und Familie unter einen Hut zu bringen, die wie immer mit verteilten Parteienrollen betrieben werden. Während die CDU für eine verstärkte Propagierung der Familie eintritt, preist die SPD die segensreichen Wirkungen staatlicher und gesellschaftlicher Hilfsmaßnahmen wie Tagesmütter usw. Das nimmt sich dann zum Beispiel so aus, daß die CDU sich um den Bestand des Staates besorgt – er braucht sein arbeitsames Volk –, und die Unterdrückung des Wunsches nach Kindern wegen der mit ihnen verbundenen gesellschaftlichen Nachteile und Belastungen als Gefährdung der Nation bejammert –

„1974 erblickten 200 000 Kinder weniger das Leben, als zur Bestandserhaltung unseres Volkes notwendig ist. (CDU: Hört, hört!)“ –,

während die SPD auf ihre Weise an die volkswirtschaftlichen Vorteile durch berufstätige Frauen denkt, daher den Nachteil der sinkenden Bevölkerungsziffer mit der Freiheit der Eheleute verteidigt und um der erwünschten Harmonie von Familie und gesellschaftlicher Ausbeutung willen die mit Kindern verbundenen Beschränkungen einfach leugnet:

„Wenn Sie die geplante und freudig erwartete Geburt eines Kindes – so sollte es ja sein – unter den Begriff ,Reproduktionsziffer‘ in die Diskussion brachten, so ist das meiner Meinung nach eine disqualifizierte Sprache für das erfreuliche Ereignis im Leben einer Familie. (Beifall bei der SPD und FDP).“

 

Die Frauenfrage vom Standpunkt der Frau

Ungeachtet solch unverhohlener Kundgabe des staatlichen Anliegens in Sachen „Emanzipation“ der Frau haben sich die Frauen ihre eigenen Wege zur Beseitigung ihrer Unzufriedenheit durch „Gleichberechtigung“ und „Emanzipation“ ersonnen. Leider verbindet sich mit der Weigerung der Frauen, sich einfach zum Echo staatsmännischer Appelle machen zu lassen, auch der Unwille, die an den Sprüchen staatlicher Festredner durchaus sichtbaren Gründe für die Unterdrückung der Frau zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb sind die Emanzipationsbestrebungen fortschrittlicher Frauen auch nur die zu dem Desinteresse des Staates an der Veränderung der Lage der Frauen komplementären Aktivitäten.

Die moderne Frau

Als Vertreter des gesellschaftlichen Fortschritts wähnen sich da zuerst einmal all diejenigen, die das Dasein der Frau erträglich gestalten, verbessern wollen und deshalb alle Veränderungen, die sie ersehnen, als Modifikationen ihrer gesellschaftlichen Stellung als Frau begreifen. Diesen Frauen liegt ein Mehr an Anerkennung am Herzen. Die Männer und die Gesellschaft werden aufgefordert, der Leistung der Frau doch wenigstens die Wertschätzung entgegenzubringen, die ihr gebührt; wenn schon die Frauen Hausarbeit als Beruf betreiben, dann soll sie auch als Beruf anerkannt und ernstgenommen werden. Selbst die Frau unseres Bundeskanzlers, Loki Schmidt, findet, daß eine Verwissenschaftlichung häuslichen Stumpfsinns am Platze sei.

Da dieses Geschäft aber am Stumpfsinn und dessen Frust nichts ändert und sich von der Gesellschaft noch vorhalten lassen muß, eine immer nebensächlicher werdende Sphäre aufwerten zu wollen, also gegen den Fortschritt zu sein, denkt man sich bei gar nicht kritischer Anerkennung der Notwendigkeit fraulichen Wirkens die Verminderung all der Lasten aus, welche die institutionalisierte Liebe für die Frauen so mit sich bringt. Dem steht allerdings der am Funktionieren seines Haushalts interessierte Mann im Wege, was ihm den Vorwurf der Tyrannei einbringt. Er sieht sich mit der Forderung seiner aufmüpfigen Gattin konfrontiert, er möge sich doch partnerschaftlich verhalten und neben seinem Nutzen auch den seiner Partnerin berücksichtigen. Um die lästige Abhängigkeit des Ehealltags zusätzlich aufzulockern und damit fortzusetzen, versucht man es mit mehr Sex in der Ehe oder toleriert, bzw. empfiehlt sich sogar wechselseitig den Seitensprung und entlarvt so seine eigene Fortschrittlichkeit als Interesse an Bedürfnisbefriedigung. Was als Rettung der Beziehung propagiert wird, dient so ihrer Zerstörung, die mit Lust perfektioniert und im wöchentlichen Partnertausch institutionalisiert wird.

Wo solche Art Kampf gegen die Beschränkung der Individualität stattfindet, die Abwechslung als Prinzip praktiziert wird, das Erleichterung und Erhaltung der zur „Beziehung“ degenerierten Liebe gewährleisten soll, bleiben die Kinder endgültig auf der Strecke. Entweder kommen sie erst gar nicht zur Welt – die Argumente reichen von der Schmälerung der Finanzen bis zur Verbreiterung der Mutterhüften –, oder aus falschen Gründen. Den Dienst, eine Einheit zu erhalten und (wieder) interessanter zu machen, die nicht vorhanden ist, die Funktion des Kitts für eine vorgetäuschte Liebe muß dabei das Kind teuer bezahlen; denn als Hindernis für das Ende der Veranstaltung und als beständige rücksichtslose Quelle neuer Lasten zieht es sich den Zorn derjenigen zu, die von ihm Abwechslung erwarten.

So weicht denn auch die faschistische Glorifizierung der Mutter, die modernen jungen Leuten suspekt ist, ohne daß sie wissen warum, mehr und mehr der offenen Klage über die Last, die Kinder mit sich bringen – zumal die Beschäftigung mit dem Kind Frauen daran hindert, außerhalb der Familie Anerkennung zu finden. Denn weil sie angesichts ihrer Familienbeschränkungen nicht nur Frauen sein wollen –  und damit den gesellschaftlichen Charakter, der ihnen aufgezwungen ist, falsch negieren – sehnen sich Frauen nach einem Beruf. Die Lohntüte, eine „interessante“ Tätigkeit, die vielen Kontakte, die Achtung anderer winken als Belohnung für die neue Form der Abhängigkeit, in die sie sich mit diesem Schritt aus der Familie heraus begeben. Die Kompensation ist dürftig genug – sie verdoppelt die Anstrengungen und damit die Sucht nach Entspannung.

Es scheint hier nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß eine Unzahl von Familien und Frauen dergleichen emanzipatorische Unternehmen, unterlassen, weil sie andere Sorgen haben. Wo materielle Notwendigkeit das häusliche Zusammenleben völlig bestimmt und die Berufstätigkeit der Frau ein selbstverständlicher Zwang ist, fehlt das Bedürfnis nach kompensatorischem Abenteurertum ebenso wie die fortschrittliche Neugier auf einen Blick in die Welt der Arbeit. Wo nach der kurzen Zeit der Suche nach einem Mann die Desillusionierung über die Wonnen der Liebe abgeschlossen ist. und sich die auf die Funktionalität für den Broterwerb reduzierte Familie sehr schnell als zusätzliche Sphäre von Arbeit erweist, gewahrt man die Konvulsionen moderner Weiblichkeit als den Luxus einer anderen Welt, den man bestenfalls per Illustrierte bestaunt.

 

Die revisionistische Frauenfrage

Das hindert freilich die revisionistische Linke nicht, sich an die Seite der auf ihren Fortschritt bedachten Frauen zu drängen. Angetan von der Unterprivilegierung als Frau, als die sie im Verein mit Staatsideologen die Unterdrückung des Weibs betrachten, möchten sie ihre neuen Adressaten zum Kampf um ihre Rechte animieren und warnen sogleich vor der drohenden Erfolglosigkeit solchen Kampfes. Er darf nicht isoliert sondern muß im Zusammenhang mit den Kämpfen anderer Unterprivilegierter geführt werden. Daß Parteien wie die DKP in den unterdrückten Frauen nur eine weitere Gruppe von Adressaten erblicken, die es in den Kampf um Fortschritt, Frieden, Demokratie usw. einzureihen gilt, verraten sie schon durch die gekonnte Deduktion dessen, was sie Unterprivilegierung nennen. Diese beruht auf einem kräftigen Lob der Frauen, denen sie eine hohe gesellschaftliche Bedeutung, sowie das allen fortschrittlichen Menschen gemeinsame Interesse an Frieden und Demokratie etc. attestieren. Getreu der Logik, daß, wer Nachteile erdulden muß, auch auf die Demokratie scharf ist, reiht man die Frauen umstandslos in die große Front des Fortschritts ein und demonstriert so auf seine Weise, daß die Lösung der Frauenfrage am besten durch die Ignorierung der Frauenfrage zu bewerkstelligen sei.

So haben sich ein paar findige Revisionisten anläßlich des „Jahres der Frau“ folgende Fragen gestellt, die sie dann auch von revisionistischen Frauen entsprechend beantworten lassen:

„1. Wie und auf welche Kräfte gestützt lassen sich die Voraussetzungen für die volle Verwirklichung der sozialen und politischen Rechte der Frauen und aller diskriminierten Bevölkerungsgruppen auch in der Bundesrepublik schaffen?
2. Welche Beziehung hat das Internationale Jahr der Frau zu den konkreten Forderungen der Frauen, zu den gegenwärtigen Erfordernissen, einer demokratischen Entwicklung in unserem Lande und der Fortsetzung und Festigung der Entspannungspolitik?
3. Welche Initiativmöglichkeiten sehen demokratisch engagierte Frauen in der Bundesrepublik?“

Und wenn sie merken, daß sich die Frauen mit ihren Problemen befassen und sich nicht ohne weiteres das politische Konzept von Revisionisten unter den Rock jubeln lassen, befürworten sie den erfahrungsträchtigen Eintritt ins Berufsleben, weil sie sich von dieser Angleichung der gesellschaftlichen Funktion eine gesteigerte Aufmerksamkeit für ihre Gerechtigkeitsparolen erhoffen.

Daß sie sich mit diesen Anstrengungen in Gegensatz zu den auf Beseitigung ihrer Frusts bedachten Adressatinnen befinden, hat nicht selten auch seinen ästhetischen Ausdruck. Der penetrant zur Schau getragene Anstand beknoteter Unterschriftensammlerinnen stößt die normalen Frauen ebenso ab wie der verkniffene Politbesen, der, statt falsche Argumente zu widerlegen, unablässig beteuert, daß es auf etwas anderes ankomme, und sich selbst krampfhaft als die Inkarnation der Lösung der Frauenfrage präsentiert.

 

Die Feministinnen

Die dritte Variante, sich mit den Problemen der Frau herumzuschlagen, nimmt sich der unzufriedenen Frauen so sehr an, daß sie nicht einmal mehr eine falsche Erklärung dafür gibt, daß es sich um gesellschaftliche Probleme handelt. Der spontaneistische Kampf für die Frau hält sich zwar selbst für eine politische Bewegung, bezieht aber alle Punkte seines Programms sowie seine theoretische Legitimation aus dem Fehlschluß, daß der Beschränkung, die die Frauen erfahren, damit zu begegnen sei, daß sie auf der Befriedigung ihrer Interessen bestehen. Die spontaneistische Frauenbewegung kümmert sich weder um die Natur dessen, was den Frauen angetan wird, noch um seine in der Gesellschaft liegende Notwendigkeit. Sie bemerkt an der Frau lediglich, daß die Betätigung ihrer Individualität verhindert wird, und macht sich deshalb daran, die Befriedigung der Bedürfnisse, welche den Frauen verwehrt ist, zu propagieren. Die darin enthaltene Weigerung, sich mit der gesellschaftlichen Bestimmtheit weiblicher Individuen zu befassen, ist verantwortlich für die hinter die Verkehrsformen der bürgerlichen Gesellschaft zurückfallende Rücksichtslosigkeit der Feministinnen gegenüber anderen und der selbstzerstörerischen Wirkung ihrer Praxis.

Da die spontane Äußerung der Bedürfnisse verherrlicht wird, die an ihrem Ausleben gehinderte Individualität der Frau im Mittelpunkt steht, wird der Mann zum unmittelbaren Gegner der Frau, – und die Gesellschaft zur Männerwelt. Feministinnen verfolgen daher das chimärenhafte Ziel weiblicher Unabhängigkeit mit Argumenten und Taten, welche die positive Grundlage in der Beziehung der Geschlechter in einer Weise für nichtig erklären, die einen Gedanken an Spott und Ironie kaum noch aufkommen läßt. Ihr Standpunkt erkennt in der Familie nicht mehr eine Form gesellschaftlicher Zerstörung von Liebe, sondern verweist sie in die Rubrik der Prostitution – und zwar einer unbezahlten. Weil die Bedürfnisse der Frau zu kurz kommen, liegt der Zweck der Ehe in der Bedürfnisbefriedigung des Mannes. Und auch außereheliche „Zweierbeziehungen“ – allein für diese Wortschöpfung sollte man der fortschrittlichen Psychologie und ihren Gefolgsleuten den Arsch versohlen – pflegen sie darauf hin zu begutachten, welcher Teil seine Bedürfnisse zur Entfaltung bringt. Und sofern eine Feministin sich selbst auf einen Mann einläßt und damit eingesteht, daß ihr an ihm etwas liegt, bemüht sie sich nach Kräften um die Zurücknahme der Gemeinsamkeit, indem sie unablässig ihre „Beziehung“ zum Gegenstand von Diskussionen herunterbringt, sich theoretisch zu ihr verhält und sie negiert. Statt von ihrem Mann begangene Fehler zu kritisieren und umgekehrt an der Beseitigung der eigenen interessiert zu sein, verwandelt sie die Auseinandersetzung zwischen sich und ihrem Geliebten in die Beratung darüber, wie sich aus dem Ganzen ein Geschäft für die Bedürfnisbefriedigung machen ließe, und sorgt so für die sichere Zerstörung der letzten Reste von Gefühl.

Den konsequenten Vertretern weibischer Bedürftigkeit ist das Scheitern in der Beziehung beider Geschlechter ein Anlaß, die Männer zu bekämpfen, deren Orgasmen für ihre Frusts verantwortlich zu machen und alle Frauen aufzufordern, sich nicht mehr „penetrieren“ zu lassen. Diese lateinische Vollendung der pornographischen Verachtung und Reduktion der Liebe auf Sex, die Funktion der Geschlechtsorgane ist unschwer als Verlängerung der aufgeklärten Illustriertenserien auszumachen, die angesichts des Nichtfunktionierens der Familie die Perfektionierung der „Positionen“ empfehlen, freilich um die Familie zu retten. Während die Negation der Liebe bei denen, die sich Geschlechtsverkehr noch leisten wollen, auch Treue für ein Hindernis erklärt, sich auszuleben, und der bürgerlichen Gleichsetzung von Treue und Ausschließlichkeits(= Eigentums)wahn dadurch begegnet, daß die Männer zum gleichgültigen Objekt der Bedürfnisbefriedigung werden, gehen die Propagandistinnen der Männerlosigkeit dazu über, ihren sexuellen Wünschen mit gleichgesinnten Geschlechtsgenossinnen zu genügen.

Da es ohnehin nur auf den Orgasmus ankommt, gestaltet sich nicht nur das Leben, sondern auch die Gesellschaftskritik konsequenter Feministinnen recht einfach: Alles was geschieht, geschieht durch die Männer, und das darf nicht so bleiben; für die Frauen und durch die Frauen soll sich die Gesellschaft entwickeln – womit ein Kommunist in eine Reihe mit Rainer Barzel gestellt ist. Die antikommunistische Barbarei der Feministinnen bescheidet sich keineswegs mit eher witzigen Versuchen, Nichtfrauen von der theoretischen Beschäftigung mit der Unterdrückung der Frau fernzuhalten, wie das jüngst in einem Westberliner Seminar über „Frauenemanzipation“ praktiziert wurde; das Desinteresse für die Gründe der Misere der Frau, die Verherrlichung weibischer Beschränktheit, erfährt seine Vollendung in dem Kampf gegen Kommunisten, deren Tätigkeit, am Maßstab weibischer Bedürfnisse gemessen, als reaktionäres Geschäft verschrien wird.


Fazit

So wenig die verschiedenen Reaktionen auf die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft eine Bewegung einleiten können, die eine Beseitigung der Misere zum Ziel hat, so verständlich wird an ihnen die Veranstaltung eines „Jahres der Frau“. Die staatlichen Agitationsversuche gelten einem Mißstand, der ebenso wie die Reaktionen der von ihm Betroffenen das Funktionieren der bürgerlichen Gesellschaft, für dessen Aufrechterhaltung der Staat verantwortlich ist, gefährdet. Die Unzufriedenheit der meisten Frauen deckt sich als Kritik an den in der Familie erfahrenen Schranken der Frau mit dem staatlichen Interesse an der Modernisierung, d. h. Funktionalisierung der Familie. Und an der Agitation der Frauenbewegung gewahrt der Staat, daß seine Gegner ein Phänomen aufgegriffen haben, das ihm nicht gleichgültig sein kann. So betritt er selbst die Bühne politischer Agitation, bestrebt, die Unzufriedenheit der Frauen in seinem Sinne zu kanalisieren, und propagiert die ihm gemäßen Veränderungen in der gesellschaftlichen Stellung der Frau als Fortschritt für sie. Inwieweit und bei wem er auf Verständnis hoffen darf, dürfte ebenso klar geworden sein wie die Lösung der Frauenfrage.

aus: MSZ 7 – 1975

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