„Emma“: Brigitte radikal
„Mit geübtem Hausfrauengriff werden (in einem Frauenhaus) leergetrunkene Kaffetassen gestapelt ... Sie verwalten Küche und Wäsche, putzen alles selbst ...“ Wobei EMMA sich unter dem Motto „Selbst ist die Frau!“ auch noch anheischig macht, durch Aufklärung über Abflußverstopfung und ähnliches die letzten Rudimente männlicher Vorherrschaft im Haushalt zu beseitigen.
Thema Nr. 1 im Kampf gegen die Selbstunterschätzung der Frauen ist jedoch der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Da der natürliche Unterschied zum Leidwesen der Schreiberinnen trotz erheblicher Anstrengungen in dieser Richtung („Hach, bin ich heute unwohl! Menstruationsbeschwerden sind fast immer psychosomatischer Natur ...“) nicht völlig geleugnet werden kann, polemisieren sie eben gegen die männlichen Geschlechtsorgane und führen so die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau allen Ernstes auf ihren Organismus zurück: „Es ist sicherlich nicht nur Einbildung, sondern auch (!) eine Tatsache, daß Männer damit – so wie die Dinge heute (?) laufen – eine Macht (!) haben: die Macht, Frauen zu schwängern, sie auch einer ungewollten Mutterschaft auszuliefern (Alimente als männliches Machtsymbol?). Wie relativ solche Tabus sind, sehen wir am Beispiel Indien. Da wird die Vasotomie staatlich gefördert, und Männer, die den Eingriff machen lassen, werden mit einem Transistorradio belohnt.“ Denn da eben das, was Frauen sind und tun, ihnen wenig Grund zu dem von EMMA gewünschten Selbstbewußtsein gibt; da sie nicht nur von den Männern abhängig sind, sondern auch von ihnen unterm Daumen gehalten werden – stellt die Feministin ununterbrochen Vergleiche zur Lage der Männer an, die regelmäßig ungünstig für die Frauen ausfallen. Da sie andererseits keineswegs den Kampf gegen die Gesellschaft führen will, die den Frauen aufzwingt, dem Mann in seinem häuslichen Privatleben dienstbar zu sein, leugnet sie diesen Zwang und bemängelt, daß die vom Staat proklamierte Gleichheit von Mann und Frau unzureichend realisiert sei. Und weil die ganze Angelegenheit für Weiber vom Schlage einer Alice Schwarzer ein Bewußtseinsproblem ist, ergänzt sie die hasenfüßige Selbstunterschätzung der Frau durch die arrogante Selbstüberschätzung des Mannes, dessen Anmaßung den Frauen Benachteiligungen einbringt. So stellt sich EMMA die Aufgabe, die männliche Selbstgerechtigkeit als irrational und die Unfähigkeit der Hausfrau zu Männerberufen als Aberglauben hinzustellen. Das zynische Lob der weiblichen Arbeitsfähigkeit präsentiert sich abwechselnd als feministische Makroökonomie – „Frauen leisten zwei Drittel der gesamtgesellschaftlich notwendigen Arbeit ...“ – und als bewundernde Schilderung der Selbstzerstörung, deren Frauen fähig sind, wenn sie die Doppelbelastung von Haushalt und Geldverdienen auf sich nehmen müssen („Mein Mann ist arbeitslos“). Was alles für EMMA nicht etwa ein Grund ist, diese Schinderei abschaffen zu wollen, sondern Anlaß für die Forderung nach Anerkennung der Frau als gleichberechtigte Arbeitskraft. Für diejenigen, denen die Anerkennung als geeignetes Ausbeutungsmaterial nicht so besonders verlockend erscheint, diskutiert EMMA jedes beliebige andere Phänomen der Welt als Frauenproblem: die ganze Kultur ist von Männern beherrscht, weshalb man sich an eine Tradition weiblicher Schriftstellerinnen, Rocksängerinnen etc. erinnern soll; „Justitia ist ein Mann“, weshalb man Solidarität mit Judy Anderson empfinden soll; und auch die „Porträts (emanzipierter =) erfolgreicher Frauen“ fehlen nicht in dieser wildgewordenen „Brigitte“. Solche Vielseitigkeit ist bitter notwendig, denn die Reportagen über alle möglichen Benachteiligungen der Frauen haben jeweils den Mangel, daß die gerade nicht Betroffenen nur durch gewaltsame Abstraktion als Frauen einbezogen werden können: „Wir sind alle geschlagene Frauen! ... Selbst der sanfteste Mann, der keiner Fliege was zuleide tut, könnte uns immerhin schlagen.“ Bei Themen, die derartige Spekulationen nicht mehr zulassen, überlegt die Verfasserin kurzerhand, was wäre, wenn die Betroffene ein Mann wäre – und so schafft es EMMA, auch die „Klitorisbeschneidung“ unter dem Aspekt der Gleichberechtigung zu besprechen: „Die Beschneidung der Klitoris ist nicht zu verwechseln (!) mit dem, was »Beschneidung des Penis« genannt wird ... Das Gegenstück ... wäre also beim Mann die Kastration ...“ – um ihre Leserinnen dann zum Postkartensolidaritätsprotest dagegen aufzufordern, daß die Papuas ihren Frauen schnöderweise das „Recht auf ihren Körper“ vorenthalten – wenn sie wenigstens über ihre Verstümmelung mitbestimmen könnten!
Aber auch Positives kann EMMA aus fernen Ländern berichten. In Südvietnam sind die Frauen als „moderne Amazonen“ nicht nur in die Schützengräben gestiegen, als es keine Männer mehr gab, sondern sie arbeiten auch nach dem Krieg bis zum Umfallen im Wiederaufbau. „Vietnamesinnen sind gewohnt, hart zu arbeiten Die Emanzipation der Vietnamesin hat somit Tradition. In Vietnam ... ging die Erinnerung an matriarchalische Epochen nie ganz verloren ... Zudem waren die Frauen der armen Schichten stets dazu gezwungen, schwerste Arbeit zu verrichten, so daß sich nur die robustesten behaupten konnten.“ Und bei alldem haben sich diese „Amazonen“, trotz „häßlicher Strohhelme“ und Reifengummisandalen noch ihre „Weiblichkeit“ erhalten! Den Vietnamesinnen ging und geht es also nicht um die Befreiung vom Imperialismus, sondern sie sind eigentlich Feministinnen, denen die US–Soldateska und die Napalmbomben bei der Emanzipation geholfen haben. Und bei alledem noch Frau geblieben ... Womit auch der bundesdeutschen EMMA–Leserin klar sein dürfte, wie sie ihre „Emanzipation“ voranzutreiben hat. In einem nämlich sind sich Alice Schwarzer und Esther Vilar einig: die Hausfrauen stellen ein beachtliches Potential unterbeschäftigter Arbeitskräfte dar, für dessen „Selbstverwirklichung“ in der männlichen Arbeitswelt jede auf ihre Weise agitiert.
aus: MSZ 16 – April 1977 |