CIA-Staatsbeamte mit Geheimauftrag: Der Revisionismus(1) findet in den Aktivitäten des CIA Anschauungsmaterial in Fülle für etliche seiner zentralen Sprüche: der US-Imperialismus geht ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Demokratie gegen alle ihm zuwiderlaufenden Entwicklungen vor, in schlagender Geradlinigkeit lassen sich die verschiedensten Terrorregimes und Kriege auf das wohlkalkulierte Handeln dieser Agenten des Imperialismus, der sich um die Ideale der westlichen Welt einen Dreck schert, zurückführen. Ungerührt tritt die Bourgeoisie ihre eigenen Werte mit Füßen und macht sich höchste Sorgen, ob der Erfolg sich denn auch im rechten Verhältnis zu den zugeschossenen Mitteln einstelle – Erfolg nach zwei Seiten: daß man genug für sein Geld aus der Welt herausschlägt und daß dies im eigenen Land den Leuten auch selbstverständlich genug erscheint. Zweifellos ist keine Anschuldigung gegen den CIA übertrieben und kein Schimpfwort zu stark – und doch ist alles, was die Revisionisten über diese politische Gangsterbande sagen, falsch, verhindern sie doch nur die Schlußfolgerung, daß der CIA für Demokratie und Menschenrechte eben notwendig ist. In der langen Reihe von Institutionen, die sich die Demokratie zu ihrer Selbsterhaltung schafft – wofür ihr jedes Mittel recht ist –, ist der militärische Geheimdienst die vorletzte und die bürgerliche Ordnung löst mit ihm auf weite Strecken ein schwieriges Effizienzproblem: den Krieg solange zu vermeiden wie möglich und dennoch in den Genuß seiner Früchte zu kommen. Und wenn der Geheimdienst in der Erfüllung seiner Aufgaben an Schranken stößt – bedeutet das keineswegs, daß diese Aufgaben unerfüllt bleiben.
Krieg im Frieden In dem für volle zwei Jahre projektierten Feierrausch, mit dem die Vereinigten Staaten von Amerika des zweihundertjährigen Bestehens ihres Staatswesens gedenken wollen, droht ein Jubiläum unterzugehen, das eine der ehernen Institutionen der amerikanischen Demokratie just auf dem Höhepunkt des Bicentenars begehen kann: 1976 jährt sich zum dreißigsten Male der Entschluß des damals amtierenden Präsidenten der USA, eine Zentrale für Nachrichtenbeschaffung einzurichten. Leider wird die Vaterschaft am CIA in dem Hit „Harry Truman“ nicht erwähnt, mit dem die US-Popgruppe „Chicago“ in diesen Wochen unter die top-fourty der amerikanischen Hitparade vorgedrungen ist. Dennoch ist die Würdigung dieses großen Präsidenten wenigstens ein erster Versuch, Im Jubeljahr die ganze amerikanische Demokratie zu feiern und nicht nur ausgewählte Aspekte derselben. Das MSZ-Kollektiv möchte im folgenden eine der meistdiskutierten, jedoch zugleich im eigenen Selbstverständnis bescheidensten Institutionen jenes Systems einer längstverdienten Würdigung unterziehen, das Amerika groß gemacht hat. Wir meinen, damit einen Beitrag zur historischen Gerechtigkeit zu leisten: wenn die USA im Jahre ihres großen Jubiläums zumindest in der engeren Hemisphäre, auf dem eigenen Kontinent, in einigermaßen geordneten Verhältnissen leben (die einzige Ausnahme, Castros Cuba, bestätigt hier die Regel), so ist das doch weniger der Überzeugungskraft amerikanischer Ideale zu verdanken, als dem stillen aber beharrlichen Wirken der Männer und Frauen des CIA. So muß es verwundern, daß in jüngster Zeit, gerade auch in den USA selbst, diese Beamten und dieses Amt in einer Weise kritisiert werden, die so tut, als wäre der CIA mitnichten ein Teil der amerikanischen Demokratie, sondern eher ein häßlicher Fleck auf ihrer weißen Weste. Wenn es uns gelingt zu zeigen, daß der CIA in allen seinen Anstrengungen, den erfolgreichen und den weniger schönen, integraler, unverzichtbarer Bestandteil dessen ist, was drüben dieses und nächstes Jahr gefeiert wird, sein Jubiläum also mitgefeiert werden muß, so ist unser Ziel erreicht.
I. Unser Mann in Laos oder wie ein Geheimdienst ins Gerede kommt „Dabei hatte der CIA, wie gewöhnlich, die allerbesten Absichten; er war entschlossen, sowohl die Kommunisten als auch die zum Kommunismus tendierenden Politiker der Linken auf kaltem Wege aus der laotischen Regierung zu entfernen.“ (IV, 226 f.) Jack Hazey, ehemals Kämpfer in der französischen Fremdenlegion, ein hagerer Haudegen, dessen Gesicht im 2. Weltkrieg von einer deutschen Kugel zur Hälfte weggeschossen worden war, saß an der Bar des französischen Hotels von Vientiane, der Hauptstadt des Königsreichs Laos, und unterhielt sich mit amerikanischen Journalisten. Man schrieb den 18. Dezember 1960 und die „Königliche Armee“ des Generals Phoumi Nosavan war eben in der Hauptstadt einmarschiert und hatte die Regierung des neutralistischen Prinzen Souvanna Phouma gestürzt. Jack Hazey, der Mann des CIA in Laos, war im Jeep des Putschgenerals nach Vientiane gekommen. Die Lage sei ausgezeichnet, prahlte der Agent, und dem schien auch so: das neutralistische Regime, das den friedlichen Ausgleich mit der Neo-Lao-Haxat-Partei, dem politischen Arm der prokommunistischen Pathet-Lao-Armee anstrebte, war gestürzt und die ihr ergebenen Truppen des Obersten Kong Le auf der Flucht in den Dschungel des Nordens. Den schüchternen Einwand eines Journalisten, daß die USA immerhin diplomatische Beziehungen mit der Souvanna-Regierung unterhalten hatten, das State Department sich für ein neutrales Laos ausgesprochen habe, sich somit seine Unterstützung des rechten Phoumi in Widerspruch mit der offiziellen Politik seines Landes befinde, konterte Jack mit dem Satz: „I don't give a damn what they say!“ Während für den CIA die Welt zumindest in Laos wieder in Ordnung schien, in Vientiane ein „Playboy in den besten Jahren“ (1, 151) namens Bonn Oum Premier von Phoumis Gnaden wurde, verteilte der „flüchtende“ Kong Le 10 000 Gewehre aus US-Beständen an die Pathet-Laos, vereinigte seine Truppen mit den Guerillas und eroberte Mitte Januar 1961 die strategisch wichtige Ebene der Tonkrüge. Damit bestätigte er voll seine Beurteilung durch den US-Botschafter in Laos, Winthrop G. Brown, der ihm die amerikanischen Gewehre verschafft hatte: „A fine troop Commander ... a patriot weary of civil war.“ Jack Hazey wurde nach Bangkok versetzt und im Juli mußten die USA erneut eine Regierung Souvanna Phouma akzeptieren, 666 Militärberater in Phoumis Armee zurückziehen und eine entscheidende Verschlechterung ihrer Position in Laos hinnehmen, denn im neuen Kabinett befanden sich erstmals Lao-Haxat-Minister, der Pathet Lao stand auf der Ebene der Tonkrüge und der CIA meldete, daß 5000 Mann der nordvietnamesischen Armee in Laos einsatzbereit wären. Nach dem Einsatz einer halben Milliarde Dollar hatte der CIA in Laos genau das erreicht, was er seit dem Genfer Indochina-Abkommen von 1954 verhindern wollte: eine Neutralisierung des Landes, nur daß jetzt die Neutralität gegen eine übermächtige, noch dazu mit amerikanischem Kriegsgerät wohlversorgte kommunistische Seite verteidigt werden mußte: nur konsequent, daß Jack Hazey 1964 nach Vientiane zurückkehrte, diesmal als CIA-Kontaktmann zu Souvanna Phouma! Ob er gegenwärtig immer noch da ist, entzieht sich unserer Kenntnis.
und schließlich, was dem Ganzen noch die Krone aufsetzte
II. Probleme eines demokratischen Geheimdienstes oder subversive Aktion in der Open Society! „Der Geheimdienst einer Regierung kann niemals ganz mit den Traditionen einer freien Republik vereinbart werden. Aber die Lösung liegt nicht in der Abschaffung des Geheimdiensts, sondern in seiner stärkeren Kontrolle.“ Der Verantwortliche für die Laos-Operation des CIA, Präsident John F. Kennedy, reagierte auf das Bekanntwerden des Versagens seines Agenten in Laos mit dem abgeklärten Hinweis auf die besondere Art, mit der das stille Wirken des Geheimdienstes von der Öffentlichkeit registriert wird: „Your triumphs are unheralded, your failures are trumpeted“. Damit aber ignorierte Kennedy, daß es am CIA auch dann etwas zu mäkeln gibt, wenn er die Interessen seiner Gesellschaft erfolgreich vertritt. Nehmen wir an, Jack Hazey hätte seinen Auftrag in Laos erfüllt, Phoumi sich durchgesetzt und mit seinen Truppen die Pathet Lao niedergemacht, so wäre sein Vorgehen nach wie vor „niemals ganz mit den Traditionen einer freien Republik“ harmonisierbar gewesen und die liberale Kritik, die stets Wert auf die Feststellung legt, darin mit Kennedy übereinstimmend, daß Freiheit und Demokratie unteilbar sind („Ich bin ein Berliner“) wäre keineswegs verstummt. Dies zeigt die Kritik an bekanntgewordenen, erfolgreichen Operationen des CIA: niemand will den Kommunismus in Chile, aber ebenso empört man sich über die Methoden der US-freundlichen Gorillas. Keiner der Kritiker fordert jedoch die Abschaffung des CIA: Seine Notwendigkeit für die USA wird prinzipiell anerkannt. Das Kriterium, dem der CIA in der „freiheitlichen Republik“ unterworfen ist, muß also anderswo gesucht werden: die Arbeit eines Geheimdienstes muß geheimbleiben. Wenn der CIA gut arbeitet, dann heißt das, daß er lautlos arbeitet, die Interessen der USA durchsetzt, ohne daß die USA kompromittiert werden. Das Problem des CIA steckt im Widerspruch seiner Aufgaben, die er im Interesse der USA ausführen muß, zu den Mitteln, die er dabei anwendet, und die ihn ständig in Gegensatz zu den Prinzipien der Gesellschaft bringen, die er verteidigt. Dieser Widerspruch reflektiert auch in den gesetzlichen Bestimmungen über den CIA: Der von Präsident Truman eingebrachte National Security Act weist dem CIA drei Aufgaben im Interesse der „nationalen Sicherheit“ zu:
Während sich die Öffentlichkeit über die unsauberen Mittel des CIA echauffiert, unterstützt sie sie in ihrer Gesetzgebung: Bereits 1949 beschließt der Kongreß ein Zusatzgesetz, das die im Auftrag des CIA Tätigen von der Anwendung der Bundesgesetze ausnimmt. Der Geburtsmakel, der so einer subversiven Organisation in einer offenen Gesellschaft seit ihrer Institutionalisierung anhaftet, ist Ursache eines nun schon 23 Jahre währenden Streites: wie kontrolliert das Volk, von dem ja in der Demokratie alle Macht ausgeht, die Macht des CIA? Der liberale Senator Mike („Honest-Mike“) Mansfield kennzeichnet das Dilemma: „Ich stimme zu, daß ein Geheimdienst vollkommen geheim arbeiten muß, um effektiv zu sein.“ (zitiert nach I, 264) Dennoch wäre demokratische Kontrolle schön. „(Ohne Kontrolle durch den Kongreß) haben wir keine Möglichkeit zu erfahren, ob wir einen guten oder einen schlechten Geheimdienst haben.“
„Wir wissen daß uns nicht nur ein edles Ideal an die freien Völker bindet, sondern auch ganz einfach eine Notwendigkeit ... Trotz aller unserer materiellen Macht brauchen wir auf der Welt Märkte, in die wir den Überfluß unserer landwirtschaftlichen und industriellen Produktion ausführen können. Wir haben gleichfalls für unsere Landwirtschaft und Industrie Rohstoffe und lebenswichtige Produkte nötig, die sich in weit entfernteren Ländern befinden.“ (Dwight D. Eisenhower) Warum brauchen die USA überhaupt den CIA als Mittel ihrer Außenpolitik, wo er sie doch ständig ins Gerede bringt, die „Nation in fortwährender Selbstzerfleischung“ (Ford) spaltet und seine Effektivität gerade in jüngster Zeit mehr als umstritten ist? In seiner offenen und ehrlichen Art, die ihn zu einem der beliebtesten Präsidenten der USA werden ließ, verkündet Ike bereits in seiner Antrittsrede vom 20. Januar 1953, der wir obiges Zitat entnommen haben, daß das demokratische Ideal kein Wolkenkuckucksheim ist, sondern eine handfeste materielle Grundlage besitzt. Demokratie ist also: ein edles Ideal plus Rohstoffe und Absatzmärkte. In Eisenhowers Demokratiedefinition kommt zum Ausdruck, daß die Einflußnahme der USA auf den Rest der Welt nicht dem grenzenlosen Willen zur Macht des häßlichen Amerikaners entspringt, sondern sich dem wohlverstandenen nationalen Interesse verdankt: ohne Absatzmärkte und ohne reibungslose und billig fließende Rohstoffe keine Great Society, keine unbegrenzten Möglichkeiten, kurz: kein American Way of Life. Die USA müssen folglich jede Beschränkung, die sie in ihren Einflußsphären oder überhaupt auf dem Weltmarkt erfahren, als unmittelbaren Angriff auf ihre nationale Sicherheit interpretieren. Henry Kissinger hat dies unlängst wieder klar gemacht, als er die Möglichkeit eines Krieges gegen die ölproduzierenden Länder ankündigte, wenn diese vitale amerikanische Interessen tangieren würden (vgl. MSZ Nr. 3/1975 „Feuer ins Öl?“). Deshalb wenden sich verantwortungsbewußte US-Politiker und staatsbejahende Vertreter der veröffentlichten Meinung scharf gegen jede Tendenz, die den USA abverlangt, auf Einflußnahme außerhalb der Staatsgrenzen überhaupt zu verzichten. Bereits der Vorschlag, das amerikanische „Engagement in der Welt“ auch nur abzubauen, wird sofort als Isolationismus kritisiert, dem eine bornierte, nationalistische (!) Einstellung zugrundeläge. Nun wird aber an Ike’s Credo noch die Kehrseite des nationalen Interesses der USA deutlich: die neben dem edlen Ideal durch ökonomische Beziehungen an die USA gebundenen Völker der freien Weit, übernehmen in dieser Beziehung die Funktion von Rohstofflieferanten und Käufern der Fertigprodukte der US-Wirtschaft und Agrikultur. Dies impliziert z. B., daß der wirtschaftliche Status quo der Länder, die die US-Politik selbst als „unterentwickelt“ beschreibt, unbedingt erhalten werden muß, weil sie sonst in die Lage versetzt wären, ihre Rohstoffe selbst zu verarbeiten und damit auch unabhängig zu werden von Importen aus den Industriestaaten. Da es keineswegs im „wohlverstandenen Interesse“ der betroffenen Länder liegen kann, unterentwickelt zu bleiben, um ihre Funktion fürs „wohlverstandene Interesse“ der USA weiter auszufüllen, entstehen in diesen Ländern zwangsläufig Bestrebungen, die den Bedürfnissen des ökonomischen Systems der USA zuwiderlaufen. Auf diesen Widerspruch muß die US-Außenpolitik reagieren, wobei die Reaktion nur darauf hinauslaufen kann, die im Interessenbereich der USA befindlichen Staaten so einzurichten, daß sie den amerikanischen Interessen gemäß. sind. Damit steht die US-Außenpolitik im Gegensatz zu den Interessen der Bevölkerung in den Ländern der Rohstofflieferanten und Industrieimporteure. Ein solcher Interessengegensatz, in dem sich zwei berechtigte Interessen gegenüberstehen, ist bei prinzipieller Unvereinbarkeit der Interessen nur gewaltsam auflösbar durch die Unterwerfung der einen, sicherlich der schwächeren Seite. Die US-Außenpolitik: ist also gezwungen, die immerwährende Notwendigkeit der Gewaltanwendung gegen andere Staaten mit einzukalkulieren, wenn sie erfolgreich sein will. In diesem Kalkül hat der CIA seinen Platz, als ein Instrument, das zwar gewalttätig vorgeht, aber zugleich klandestin. Was zudem noch den Vorteil hat, daß man den gewaltsamen Charakter der Außenpolitik der USA Ländern gegenüber, denen sie sich durch ein „edles Ideal“ verbunden weiß, das sich mit Gewaltanwendung nicht verträgt, “ nicht so ohne weiteres bemerkt oder zumindest nur schwer nachweisen kann.
Was der CIA durchsetzen muß, der Zweck seines Operierens, diktiert ihm die Mittel. Er muß davon ausgehen, und was er macht beweist – wenn auch uneingestanden – die Gültigkeit dieses Ausgangspunktes, daß sein Operationsziel im Widerspruch steht zu den Interessen der Betroffenen. Von daher zeigt sich schon die Unsinnigkeit, dem CIA vorzuwerfen, er installiere nie demokratische Regimes. Solche Regimes bringen die Interessen ihrer Bürger zum Ausdruck und versuchen diese auch durchzusetzen. Sollen hingegen die Interessen der USA im betroffenen Land verfolgt werden, dann ist eine Herrschaftsform gefordert, die Macht gegen das nationale Interesse ausübt. 1. Der Putsch der Gorillas Aus historischen und unmittelbar geographischen Gründen ist unmittelbar einsichtig, daß die südliche Hälfte des amerikanischen Kontinents die erste, „natürliche'“ Interessenzone des amerikanischen Kapitals bereitstellt und dies seit den Gründerjahren. Die Geheimgeschichte der lateinamerikanischen Staaten ist eine der USA-Intervention. Waren es bis zum 2. Weltkrieg die Marines, welche für klare Verhältnisse sorgten, so übernimmt nach dem Kriege der CIA diese Aufgabe. Da die Interessen der USA in den mittel- und südamerikanischen Staaten meist in der unmittelbaren Form des Eigentums an den Produktionsmitteln und der landwirtschaftlichen und Rohstoffproduktion durch US-Monopole gesichert werden, hat sich hier auch früh ein tiefsitzender Anti-Amerikanismus herausgebildet, der jede demokratische Regierung hinwegfegt, die sich auch nur den Anschein eines Erfüllungsgehilfen des State Department geben würde. Der CIA hat deshalb lange Jahre gar nicht erst den Versuch unternommen, auf demokratische politische Kräfte zu setzen. Vielmehr unterstützte er systematisch den Typ des diktatorischen Caudillo, der ein unmittelbares Interesse an der Bereicherung seiner selbst und seines Klüngels – meist ein paar Familien aus den Restbeständen des Feudalismus – hat, und der seine Interessen mit denen des US-Kapitals gegen die Campesinos und das Großstadtproletariat gewaltsam durchsetzt. Trujillo in der Dominikanischen Republik, die Familie Somoza in Nicaragua, Perez Jimenez in Venezuela, Batista auf Cuba und der deutschstämmige General Stroessner in Paraguay sind die bekanntesten Vertreter dieser ersten Generation von CIA-Kreaturen, die mit unglaublicher Brutalität und Grausamkeit ihre Staaten in sichere Pfründe für ihre Privatschatulle und eine oder mehrere US-Firmen verwandelten. Unter der Herrschaft dieser Figuren erreicht jedoch die Ausbeutung und Verelendung der Bevölkerung ein solches Maß, daß einerseits selbst Teile der schwachen nationalen Bourgeoisien in Gegensatz zu den selbstherrlichen Herrschern geraten, andererseits der in den Endphasen solcher Regimes immer wahnwitziger werdende Terror die USA weltweit kompromittiert. Unter der Kennedy-Administration stellten die USA folglich ihre Unterstützung der ersten Gorilla-Garnitur ein, ja im Falle Trujillos mußte der CIA selbst seinen Mann liquidieren. Im Rahmen der „Allianz für den Fortschritt“ unterstützten die USA jetzt demokratische Regimes wie Juan Bosch in der Dominikanischen Republik und Betancourt in Venezuela, Quadros in Brasilien und Illia in Argentinien. Solche Regierungen traten jedoch einerseits in Gegensatz zu den amerikanischen Interessen, wenn sie tatsächlich sozialen Forderungen der Bevölkerung nachkamen und mußten dann vom CIA wieder beseitigt werden (Gorillaputsche in Brasilien, Argentinien und der Dominikanischen Republik) oder verrieten ihre eigenen Programme und konnten dann nur durch massive Wahlfälschungen, die der CIA organisierte, gehalten werden („Wahl“ von Leoni in Venezuela). Gegenwärtig setzt die US-Außenpolitik auf die zweite Generation der Gorillas: Putschgeneräle, die mit nationalistischen Phraseologien und dem Anspruch, das Land vor dem Kommunismus und der Anarchie zu retten, jeweils breite Teile der nationalen Bourgeoisie und des Großgrundbesitzes hinter sich bringen. Für diese breitere und dadurch sichere Basis zahlen die USA durch eine Teilung der Profite mit den herrschenden Klassen des Landes. (Exemplarisch hier Brasilien, wo die Gewinne des einheimischen und des imperialistischen Kapitals gewaltig angestiegen sind, bei gleichzeitiger Stagnation des Realeinkommens der arbeitenden Bevölkerung). Die Aufgabe des CIA beim Putsch der Gorillas besteht in der Auswahl der geeigneten Protagonisten, der Finanzierung des Putsches und der Ausbildung der lokalen counter-insurgency-Kräfte. Den Rest besorgt dann das Pentagon durch die Aufrüstung der Armee und das State Department durch gezielte „Entwicklungshilfe“ für „geeignete“ Projekte . . . Amerikanische Quellen weisen nach, daß heute, obwohl die Marines in den letzten 30 Jahren nur einmal in Lateinamerika eingriffen (1966 Santo Domingo), alle amtierenden Regierungen des Halbkontinents mit Ausnahme von Argentinien (wie lange noch?), Mexiko (da war es gar nicht nötig) und Cuba (der Preis wäre zu hoch) auf das Wirken des CIA gründen. Daß dieser nicht mehr auf die bewaffnete Macht seiner Regierung zurückgreift, sondern lokale Gorillas unterstützt, hat den herrschenden Klassen in Südamerika das Gefühl zurückgegeben, Subjekt ihrer eigenen Geschichte zu sein und den ganzen Kontinent „stabilisiert“. Am Beispiel Guatemalas, seit seiner Gründung fast jedes Jahrzehnt einmal Opfer einer US-Intervention, ziehen zwei liberale Beobachter des CIA das Resümee seines Wirkens seit dem Sturz des sozialreformerischen (gewählten) Präsidenten Arbenz, der auf Drängen der das Land besitzenden United Fruit Company 1954 durch einen vom CIA finanzierten und organisierten Putsch gestürzt wurde: „Das Joch (?) des Kommunismus wurde abgeworfen aber an seiner Stelle blieb das Joch der Armut (?) und eine dagegen gleichgültige (?) Oligarchie. Die Ursachen, die zur Machtergreifung von Arbenz führten, sind offensichtlich immer noch vorhanden.“ (I, 183) Wir werden sehen, wie diese „Ursachen“ seines Tätigwerdens, nicht nur weiterbestehen bleiben, sondern dem CIA einen Gegner schaffen können, an dem er sich die Zähne ausbeißt.
Wie man mit gewandelten Methoden das gleiche Ziel erreicht, läßt sich am Generationswechsel veranschaulichen:
„Es war eine echte James-Bond-Operation“ charakterisierte ein retirierter CIA-Agent Kims Teheraner Einsatz (vgl. I, 110 ff.). 1951 hatte Mossadegh die Anglo-Iranian-Oil-Company verstaatlicht. Weil ihn die kommunistische Tudeh-Partei unterstützte, fürchteten die USA außerdem, daß iranisches Öl in die Sowjetunion fließen könnte. Kim wurde nach Teheran entsandt und suchte sich nach einem geeigneten Sachwalter westlicher Interessen um. Er fand ihn in dem untergetauchten Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde, General Fazollah Zahedi: ,,Ein einmeterachtzig großer Frauentyp, der gegen die Bolschewiki gekämpft hatte“ .. 1942 von den Engländern eingesperrt worden war, die ihn verdächtigten, ein Naziagent zu sein ... Die britischen Agenten ... fanden folgende Gegenstände in seinem Schlafzimmer: eine Sammlung deutscher automatischer Waffen, Seidenunterwäsche, etwas Opium … ein illustriertes Verzeichnis der teuersten Prostituierten Teherans.“ (I, 110) Diese einem CIA-Dossier entnommene Charakteristik demonstriert, daß der CIA genau wußte, was für eine zwielichtige Type er da an Land gezogen hatte – und damit genau die richtige für seine Zwecke, denn alles was Kim in Teheran zur Verfügung stand, war Geld. Eine erste beträchtliche Summe davon floß in die Tasche Zahedis.
„Wir riefen ihnen zu: ergebt euch! Dann schossen sie.“ (Mario Abril, Batistiano in seinem Bericht über die Schweinebuch-Invasion [I, 54]) Das äußerste Mittel, zu dem der CIA greifen kann, ist die Neuauflage der militärischen Intervention klassischen Typs. Jedoch auch hierbei folgt er dem Prinzip der Nichtkompromittierung der USA: er stellt Söldnerheere auf, die er aus Leuten rekrutiert, die aus den verschiedensten Gründen im Gegensatz zu dem bekämpften Regime stehen. In Vietnam waren dies die Montagnards, im Kongo europäische Abenteurer, denen die Gründe, gegen Lumumba zu sein, durch hohe Prisen verschafft wurden, im Falle der CIA-Operation gegen die cubanische Revolution boten sich deren natürliche Gegner an, der Abschaum der Nutznießer des Batista-Regimes, die Castro vorher leichten Herzens hatte ziehen lassen. Bereits Anfang 1960 rekrutierte der CIA Exilcubaner und bildete sie in guatemaltekischen und nicaraguanischen Trainingscamps für ein Landeunternehmen aus. Die Strategen des CIA verließen sich ganz auf die Zuverlässigkeit ihrer bewährten Mittel und glaubten zudem mit nachgerade unvorstellbarer Borniertheit an die offizielle Version, die in den USA von der „Schreckensherrschaft“ auf Cuba verbreitet wurde. Die von Kennedy angeregte und gebilligte Schweinebuchtinvasion schien so eine Routinemission und war zudem gründlich vorbereitet, wie ihr vermeintliches Opfer später zu berichten wußte: „Auf jeden Fall zählten zu jener Zeit die Imperialisten die Flugzeuge, die wir besaßen, die Piloten, ob sie jung oder alt waren ... Und die mathematischen Überlegungen, elektronischen Computer... die diese Herrn berücksichtigten – die Moral nicht mitgerechnet – führten zu dem Schluß, daß eine Gruppe von Söldnern die Revolution stürzen könne.“ (Fidel Castro, Rede vom 28. 9. 1967) Wenige Tage später ließ Fidel im kubanischen Fernsehen 1200 gefangene Batistianos aufmarschieren und der Welt aus ihrem Munde mitteilen, daß sie von der Central Intelligence Agency der United States reingelegt und für Amerikas Zwecke mißbraucht worden seien. Ihnen sei gesagt worden, das kubanische Volk ächze unter dem Joch des Castrismus, die Volksmiliz sei ein Haufen machetenschwingender Mestizen, der sich sofort freudig ergeben würde. Tatsächlich findet sich in einem Artikel eines CIA-Fachmannes für Cuba in einer republikanischen Zeitung folgendes: „Die Kubaner sind ein hilfloses, arbeitsscheues Volk und moralisch defektes Volk; von Natur aus sind sie unfähig, die Aufgaben wahrzunehmen, die den Bürgern eines großen und freien Staates wie dem unsrigen zukommen.“ Als jedoch der Landungstrupp Mario Abrils in der Playa Giron auf einen Trupp Volksmiliz stieß, spielte sich der oben angeführte „Dialog“ ab. Die kubanische Revolution hat aus dem von „Natur und Herkunft“ unfähigen Volk entschlossene Kämpfer für die Revolution und gegen den Imperialismus gemacht. „Natürlich befanden sie sich in einem Irrtum: keine eintausend Söldner, keine zwei- oder zehntausend, keine hunderttausend, keine Million Söldner hätten dieses Land erobern können. Sie hätten nur einen endlosen und unsinnigen Krieg gegen dieses Volk anfangen können.“ (I. c.)
Spätestens bei dem mißglückten Kuba-Abenteuer muß man sich die Frage stellen, warum die USA das diesmal durch einen bärtigen Khakiträger angekratzte Prestige nicht doch noch eindrucksvoll retteten, und zwar durch die altvertraute einfachste Maßnahme: die militärische Besetzung. Eine Million Söldner hätten zumindest ausgereicht, Cuba in den Stand einer dem amerikanischen Festland vorgelagerten Kolonie zurückzuversetzen. Warum, so fragt man sich; verzichteten die USA auf dieses genehme Mittel, wenn so nun die amerikanische Außenpolitik nicht nur als ohnmächtig in ihrem Mittel, sondern auch als Agentur für übles Schmierentheater mit echtem Blut vor der Weltöffentlichkeit dastehen mußte – was der künftigen Durchsetzung berechtigter amerikanischer Interessen sicherlich nicht zuträglich sein konnte? Die Frage ist natürlich rhetorisch, denn wie jeder weiß, hätte die militärische Intervention zu einem tiefgreifenden Konflikt mit der Sowjetunion geführt, wobei die Folgen für die USA selbst nicht abzusehen waren. Freilich muß man sich fragen, warum die Amerikaner dennoch – in Kenntnis eines möglichen katastrophalen Endes – auf das Abenteuer sich einließen und sich dabei eines Mittels bedienten, das – wie obige Beispiele zeigten – nie in der Lage ist, die Außenpolitik der USA so durchzusetzen, daß nicht wieder unangenehme, neues Handeln erzwingende Folgelasten entstehen. Die Antwort ist einfach: die Amerikaner mußten es tun. Das Wohl der Nation verlangt, daß ein sozialistisches Cuba vor der Nase nicht bestehen bleiben kann. Dies muß notwendig zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung führen, wobei die „klassische“ Außenpolitik die Gewalt noch in die Drohung kleiden und lautlose Unterwerfung erzwingen konnte, oder – wenn es nicht unverhältnismäßig viel Kosten und Mühen verursachte – ihre militärische Übermacht einsetzte. Daß in der heutigen Welt diese beiden Möglichkeiten in Folge der Existenz des kommunistischen Lagers kaum mehr hinreichen bzw. nur noch in ganz besonderen Situationen praktikabel sind, ist ein Gemeinplatz. Da die amerikanische Außenpolitik dergestalt eingeschränkt ist, auf die Durchsetzung ihrer „lebenswichtigen Interessen“ aber nie verzichten kann, ist der CIA das Mittel, das diesem Dilemma Rechnung trag: in ihm ist die Notwendigkeit der Außenpolitik verbunden mit der Reaktion auf die geänderte Weltlage – geheim muß alles geschehen. Damit hat der Widerspruch, der einer imperialistischen Außenpolitik anhaftet, eine neue, spezifische Form gefunden; der CIA muß mit den ihm eigenen Beschränkungen die Außenpolitik in der Welt vertreten, er reproduziert nun auf seine Weise deren Widersprüche. Historisch stellt sich die Entwicklung zum regulären Agenten der Außenpolitik so dar:
Der CIA ist mit einer ungeheuren Verantwortung beladen: er soll auf seine Weise das den USA aus den Händen geglittene Gesetz des Handelns rekonstruieren – und zwar als Agent der USA; er soll in seinem Handeln das Faktum des kommunistischen Lagers ungeschehen machen und zeigt doch in allem, was er tut, daß er es nur so tut, weil es das kommunistische Lager gibt. Und nicht nur tauchen die Roten als Hindernis überall auf der Welt auf – sie gehen sogar daran, die Welt nach ihren Vorstellungen zu ändern, zwingen damit die Weltmacht Nr. 1 und deren Agenten zu beständiger Reaktion. Aktiv und aggressiv in der ganzen Welt das Wohl der amerikanischen Nation zu verfechten und zugleich sein Handeln gerade von der Beschränkung dessen bestimmen lassen zu müssen – das ist fürwahr ein unerschöpflicher Quell für Sorgen und Schwierigkeiten des CIA.
Der Grund, warum der CIA nur so und nicht anders handeln kann, warum sein Handeln aufgrund seines Scheiterns sich selbst perpetuiert, ist ihm nun klar: nicht, daß die USA bei der gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen in aller Welt auf vermehrten Widerstand treffen und dabei den CIA als ihr normales Instrument einsetzen, ohne ihn jedoch bis zum Letzten unterstützen zu können, macht die Schwierigkeiten des CIA au», sondern die Russen mit ihren weltweiten Anhängseln sind der eigentliche Grund, erzwingen sie doch immer wieder das Handeln des CIA und stehen ihm zugleich bei der Durchsetzung seiner Aufgabe im Wege. So ist denn alles auf der Welt, was dem Geheimdienst störend im Wege steht, auf irgendeine Weise mit der kommunistischen Gefahr verknüpft. Wer hier in oberflächlicher Anschauung meint, beim CIA selber nach Kritikpunkten suchen zu müssen, wird von Allen Welsh Dulles, prägendem Kopf amerikanischen Zweckmäßigkeitsdenkens, energisch eines besseren belehrt: der CIA, gestützt auf sein immenses „Sachwissen“, gewonnen in jahrelanger Auswertung „nachrichtendienstlichen Materials“, weiß um die Gefährlichkeit des Gegners und um den langwierigen Grabenkampf, den der CIA in „vorderster Verteidigungslinie“ (III, 215) durchstehen muß: „Eine Drohung, die uns erst nach dem 2. Weltkrieg klar wurde (!): Der kommunistische Anschlag, die Sicherheit der freien Völker zu untergraben … Eine der wesentlichsten Maßnahmen des Kommunismus im Kalten Krieg ist die heimliche Unterwanderung, der Beginn der Zersetzung der freien Völker.“ (III, 294) Dann macht Dulles klar, wie die Roten das anstellen: Zunächst gibt es viele Kommunistische Parteien mit vielen (verführten) Mitgliedern und es ist ihnen ,,unglücklicherweise in vielen Ländern gelungen, sich die Stelle der stärksten Oppositionspartei gegen das herrschende Regierungssystem (Dulles macht über dieses wohlweislich keine näheren Angaben – MSZ) anzueignen.“ (III, 801) Dann haben sich die Kommunisten auch noch unter die
eingeschlichen, kurz: überall, wo Unzufriedenheit herrscht, stecken sie dahinter, ferner bedienen sie sich
was schließlich zusammenklingt in einem großen
Aber das reicht noch nicht, die Gefährlichkeit des Gegners zu beschreiben: „Man muß nicht nur das Natürliche (?) und Übliche (!), sondern das Ungewöhnliche, das Brutale, das Unerwartete in Betracht ziehen.“ Hat nicht sogar Chruschtschow mit einem Schuh auf dem Rednerpult herumgehauen? Und darum ,,hat man oft den Eindruck, als stünden die Handlungen der Sowjets unter dem Eindruck der Theorien Pawlows. . . der gewisse Reflexe bei Tieren auslöste und dann durch eine plötzliche Änderung die Tiere in einen Zustand völliger Verwirrung versetzte.“ (III, 227 f.) Die Kommunisten sind also so wahnsinnig, daß sie sich selbst eine Behandlung verpassen, die sie zu verrückten Reflexen zwingt – sie sind gefährliche, da denkende Tiere. Wenn all dies immer noch nicht im von Dulles gewünschten Maße eingesehen wird, liegt das nicht daran, daß mancher sich denken mag, ein so ins Groteske übersteigerter Feind könne eigentlich keiner sein, sondern das übe) liegt viel tiefer: „Jedes freie Volk auf der ganzen Welt hat einen Widerwillen gegen Geheimaktionen seiner Regierung. Sie empfinden sie als unheildrohend und gefährlich . . .“ (III, 315) Natürlich fragt sich Dulles nicht, woher das wohl kommen mag, sondern er weiß es schon längst und konstatiert nur noch:
Während zuhause die praktischen Maßnahmen des CIA aufgrund des gesetzlichen Verbotes nur sehr vorsichtig durchgeführt werden können – aber ganz ausgeschlossen sollten sie auch wieder nicht sein? – und auch bei Bekanntwerden auf heftige Reaktionen der Öffentlichkeit stoßen – wer wäre nicht für ein sauberes Amerika? – steht der Weg der freimütigen Kritik an den inneren Zuständen natürlich jederzeit offen. Und Dulles, dieser Nestbeschmutzer, nutzt das weidlich aus: „Unser Volk ist zu schwatzhaft !“ (III, 317) Aber nicht nur die Menschen öffnen dem feindlichen Spähen Tür und Tor, sondern die Schwatzhaftigkeit ist auch noch in der freien Presse institutionalisiert: der Feind kann – ohne Milliarden von Rubeln ausgeben zu müssen – die lebenswichtigsten Informationen mühelos einschlägigen Zeitungen und Fachzeitschriften entnehmen (III, 315 ff.). Die nächste bedenkliche Institution ist die Regierung selbst: „Im Grunde kommen sehr viele Verstöße gegen die Geheimhaltung aus den Kreisen der Regierung selbst.“ (III, 315) Erbosen muß den CIA schließlich, wenn der eigene Auftraggeber hinterrücks alle Notwendigkeiten verrät; da Dulles nicht zu interessieren braucht, aus welchem Dilemma heraus der CIA ins Leben geholt wurde, schreibt er ganz ungerührt: ,,Die Bereitschaft eines Landes, sich bei der Verteidigung seiner lebenswichtigen Interessen notfalls unbeliebt zu machen, kam: ein Element der Stärke darstellen. Unser Wunsch, „geliebt“ zu werden, hat dieses Element in der amerikanischen Außenpolitik oft vermissen lassen.“ (III, 228) und deutet damit schon an, daß die Rücksicht auf die amerikanische Außenpolitik irgendwann mal aufhören muß. Nicht beliebt zu sein, mag schmerzlich sein, aber wenn schon die Oberen den Liebesverlust nicht ertragen können, dann muß eben jemand anderes das „Element der Stärke“ verkörpern. .Bei der Planung einer Geheimaktion galt meine erste Sorge stets der Frage, wie man diese Aktion sicher gegen den Feind absichern könnte, und die zweite, was zu tun sei, um sie vor den Augen und Ohren der Presse zu bewahren (und die Presse steht hier nur für die vielen neugierigen Menschen – MSZ): wobei die zweite Sorge häufig an die erste Stelle rückte . . .“ (III, 316) Von der Sorge gequält bei der Frage nach dem Feind sich schließlich einer insgesamt feindlichen Welt gegenüberzusehen, weiß Dulles endlich, daß an erster Stelle das Wohl und Wehe des CIA stehen muß. Umgeben von Abgründen bleibt nur er selbst sich treu: Das Schicksal der Freien Welt ist vom CIA abhängig. Um das Maß zu vollenden: Die zu beschützenden Nationen selbst sehr schwach und ihre Abwehrkräfte gering entwickelt; zudem erkennen sie die Gefahr oft zu spät, was bedeutet, daß man nicht immer erst auf den Hilferuf warten darf, sondern ihnen frühzeitig „wirkungsvolle Unterstützung von außen“ gewähren muß: „Wir selbst müssen entscheiden, wann und wo wir handeln sollen . . . wobei wir die Erfordernisse unserer eigenen Sicherheit niemals aus den Augen verlieren dürfen. … Bei unserer Entscheidung und bei der Planung unserer Maßnahmen gegen die heimtückische Angriffsweise der Kommunisten haben die Nachrichtendienste mit ihren Spezialmethoden (!) eine wichtige Rolle zu spielen – für unsere Generation mag sie neu sein, aber für den Erfolg des Unternehmens ist sie von höchster (!) Bedeutung.“ (III, 314)
„The problem lies in the fact that they are not policy-making, and on top of that, the Operations they carry out are not in support of policy, either. They simply grow like Topsy …“ (II, 91) Da der CIA nun ein für allemal festgestellt hat, warum es ihn gibt, und daß es ohne ihn nicht geht, ficht ihn fürderhin nichts mehr an und jede Kritik muß ihm zur Bestätigung der eigenen Position werden „Der CIA hat sich selbst zur Macht verholten, indem er nachrichtendienstliche Informationen gebraucht und kontrolliert – sowohl richtige wie auch gefälschte – zu dem Zweck, alles heute zu wissen, was seine Bosse erst später erfahren werden.“ (II, 13) Aus der demokratischen Ebene herausgesetzt, muß den CIA der Vorwurf kalt lassen, er würde sich in den Ländern, die seiner Aktion anheim fallen, nicht genug um die Errichtung der Demokratie kümmern. Gerade weil es dem CIA nur um die Erhaltung der US-Demokratie geht, kann er sich auf keine nutzlosen Spielereien einlassen – sein Kriterium ist die Effizienz (nicht zufällig denn auch, daß Dulles mehrmals in seinem Buch Bewunderung für den sowjetischen Geheimdienst ausdrückt: Gemeinsamkeit der Macher). Die Mittel sind dem unterzuordnen. Wo man auf den Feind trifft, muß man ihn schlagen – hit’m fast, hard and thoroughly. Viel Auswahl bleibt einem da nicht: „Wir helfen unseren Freunden. Oder sollten wir unseren Feinden helfen?“ (Dulles) Und Freund ist immer der, mit dem man sich im jeweiligen Falle gegen die rote Gefahr verbünden kann. Wenn es in allem um die Festigung und Durchsetzung des CIA als Träger der freien Welt geht, dann gilt auch nur seine Rationalität, auch wenn sie bei der Verteidigung der Demokratie eigentümlich verschlungene Pfade geht. Daß dies nur scheinbar eine Rationalität ist, die nur in der verrückten Welt des CIA gilt, zeigt sich schlagend daran, daß sie auch in dieser Welt durchaus verstanden wird, indem nämlich das Medium aller Rationalität dieser Gesellschaft dem CIA noch nie gefehlt hat: sein Geld hat er vom Kongreß noch immer ohne Anstand bekommen – und um eventuellen Schwierigkeiten vorzubeugen, hat sich der CIA auch finanziell endgültig auf die eigenen Beine gestellt und sich, für kleinere Sonderausgaben, einige nette, profitträchtige Unternehmen aufgebaut. Ein Beispiel noch Daß die Verselbständigung des CIA ihn real in Widerspruch zur amerikanischen Nation und insbesondere zu deren Außenpolitik geraten läßt, ohne daß sich daraus als Lösung die Abschaffung des Geheimdienstes auch nur andeuten könnte, kann nun niemand mehr verwundern – schon die Kritik am CIA kreiste ausschließlich um dieses Problem. Vietnam macht das in aller Schärfe deutlich:
Der CIA erzwingt von der Außenpolitik, daß sie tut, was sie eben nicht tun wollte: indem der Geheimdienst sein eigenes Scheitern auf die Spitze treibt – und zwar im Fall Vietnam mit voller Absicht – der CIA war von vornherein dafür, einen Krieg anzufangen, mußte dessen Unumgänglichkeit allerdings erst beweisen (vgl. II, Chapter 1) – seinem Auftrag also dergestalt nachkommt, daß er ihn nicht mehr zu Ende führen kann, muß die US-Politik zu ihrem eigenen Schaden handeln. Das Vorwärtsschreiten des CIA gemäß seiner Rationalität, setzt ihn in Widerspruch zu dem Staatswesen, dessen Interesse er durchsetzen soll. Doch mag dieser Staat vielleicht eine Zeitlang schmollen und – wie im Fall der „Mayaguez“ – das Handeln einmal selbst wieder „offen und ehrlich“ betreiben – in nicht allzuferner Zeit wird man sich der unverzichtbaren Dienste des Geheimdienstes auch in dieser Weltgegend wieder bedienen müssen. Der CIA allerdings weiß, daß ihn überhaupt keine Schuld trifft, hätte das Vietnam-Problem doch schon längst gelöst sein können, wenn der Feind auch im eigenen Lager bekämpft worden wäre – der Feind, der einem entschiedeneren amerikanischen Auftreten allzu langen und hinhaltenden Widerstand entgegensetzte. Der CIA jedenfalls war bereit, seinen Teil zu tun und jede zweiflerische und kritische Attitüde in der amerikanischen Bevölkerung und unter den Politikern auszumerzen. Hier verfährt er nur konsequent: soll der Bestand und Einfluß der eigenen Organisation gesichert bleiben: dann muß auch das Hinterland einer neuen logistischen Struktur unterworfen und ordentlich durchdemokratisiert werden. Das Gerücht, der CIA habe bei der Ermordung Kennedys seine Hände im Spiel gehabt, hat etwas für sich: wie kann ein Präsident mit seinem Geheimdienst zusammenarbeiten, ihn zum Wellenreiten an kubanischen Stränden auffordern, und zugleich die Machtfülle des CIA durch allerlei Kontroll- und Reorganisierungsmaßnahmen schwächen wollen? Dies ist doch die typische Unstetigkeit und das mangelnde „Sachwissen“ des liberalen Kritikers. Daß die amerikanische Öffentlichkeit sich erst dann wirklich aufregt, wenn sie solche Sachen zu hören bekommt und befürchtet, daß die Gesetze von da draußen nun auch im eigenen Land gelten sollen, ist nun nichts besonderes mehr – aber ungerecht dem CIA gegenüber ist es trotzdem …
„Seit den Tagen von Franklin Delano Roosevelt . . . zog Amerikas Leadership in Sachen Weltpolitik die besten Köpfe und Talente in die außenpolitische Arena. Dort konnten sie brillieren.“ (Prof. W. Hankel, Harvard, in: Handelsblatt vom 23. 5. 1975) Der CIA ist tatsächlich so, wie ihn die Hollywood-Filme und einschlägige Romane darstellen: mit charmantem Lächeln, elegant geschnittenem Schulterhalfter und gepflegtem Auftreten auf dem gesellschaftlichem Parkett durchpflügt er die Welt, eine breite Blutspur hinter sich lassend, überall auf dem Erdball biegt er die Dinge so hin, daß der American Way of life schnurgerade Einfallstraßen finde. Das Gefährliche am CIA ist, daß er in Zusammenarbeit mit der bewaffneten Macht der USA tatsächlich immer noch in der Lage ist, seiner eigenen, wahnsinnigen Rationalität freien Lauf zu lassen, Marionetten ein- und abzusetzen, die Marines zu rufen, Blutbäder zu kaufen. Das Ungeheuerliche am CIA ist, daß er die politische Überhöhung einer Gangsterbande darstellt, und daß man wegen einer solchen Aussage noch immer von jedem Gericht der Freien Welt wegen „Beleidigung einer befreundeten Macht“ verurteilt werden kann. Schaut man sich einige amerikanische Gangsterfilme an, so stellt man fest, daß in Kriegszeiten für privates Verbrechen kein Platz mehr ist. Auch der CIA ist eine Organisation für Friedenszeiten – aber sein Handeln zeigt, daß Frieden nur eine andere Art des Kriegführens ist.
aus: MSZ 5 – 1975 |