Interventionsdrohungen gegen Ölscheichs usw. gehören zum zwischenstaatlichen Alltag – was soll man aber von jemandem halten, der die Macht, die er demonstriert, gar nicht hat? So gilt israelischen Blitzkriegern im selben Maß Bewunderung, wie dem „exzentrischen Ex-Feldwebel“ Amin (über dessen ordensgeschmückte Feldmarschallsbrust sich leicht spotten läßt: Göring hatte wenigstens eine stramme Luftwaffe hinter sich) Kopfschütteln zuteil wird, wenn er die Eroberung der Golanhöhen mit zwei Panzern, einem Hubschrauber und einem Dutzend Soldaten nur nachspielt. Der Dilettantismus, dessen sich Ugandas Staatschef befleißigt (und der darauf zurückzuführen ist, daß er wohl englische Militärausbildung genoß, ihm aber die englische Schulbildung abgeht), stößt auch bei seinen gar nicht gespielten Gewalttaten auf ungeteilte Kritik: Wo der CIA seine Opfer im Geheimen foltert und sie im allgemeinen unauffällig liquidiert – deshalb sich, wenn doch etwas aufkommt, prächtig über die ungenügende Kontrolle der Geheimdienste zetern läßt (hoffentlich hat wenigstens der Präsident nichts gewußt) –, gibt sich der ehemalige Boxer überhaupt keine Mühe, seine Beteiligung an den diversen Metzeleien zu verbergen. Den Mord an einem Bischof inszenierte er neulich so ungeschickt, daß niemand an einen Unfall glauben mochte und die staatliche Regie des Verbrechens kaum zu übersehen war. Es ist also die zivilisierte Art des Zuschlagens, die dem Politiker Amin mangelt: Weder vermag er zu kalkulieren, wann offener Terrorismus am Platz ist und wann man die schmutzigen Geschäfte der Politik lieber dem Geheim(!)dienst überläßt oder sich mit der bloßen Drohung begnügt, noch werden seine höheren Zwecke, um deretwillen er sich „leider“ gezwungen sieht, zu solch unfeinen Mitteln zu greifen, anerkannt, denn was ist schon der schwarzafrikanische Nationalismus verglichen mit Freedom & Democracy? Angesichts dieser Kritik braucht man sich nicht zu wundern, daß der Imperialismus seinen häßlichen Neger noch immer nicht mit denselben Waffen liquidiert, mit denen er (allen voran die Israelis) ihm zur Macht verhalf. Die Zustände in Uganda sind den Industriestaaten herzlich gleichgültig, solange sich die ugandische Abhängigkeit vom Westen auch mit einem unberechenbaren Amin regeln läßt – und dessen Unberechenbarkeit ist noch soweit berechenbar, daß sich Ugandas Rohstoffe bequem mit ein paar Mercedes und Cognac für die Feste des Diktators erschließen lassen. Dieser nützliche Schlächter hat zudem den Vorteil, daß er sich im Gegensatz zu anderen afrikanischen Staatsmännern nicht von der Gewalt distanziert, die auch die anderen anwenden müssen, um sich an der Macht und damit den Imperialismus im Lande zu halten – so daß man sich nur von ihm zu distanzieren braucht, um den Eindruck zu erwecken, als ob Figuren wie Amin ohne ausländische Unterstützung auch nur die Chance einer Machtergreifung hätten. Das ständige Risiko, daß die für die Unterentwicklung ihrer Länder gekauften Neger sich im nachhinein als blutrünstige Abenteurer herausstellen, gehört zur Ausbeutung des Schwarzen Erdteils ebenso wie die an den eigenen Kreaturen erbrachte Dokumentation dessen, wohin es führt, wenn man die Neger „allein“ läßt. Daß Idi Amin trotzdem nicht sicher sein kann, daß weiterhin eine militärische Intervention gegen ihn ausbleibt (oder ein Putsch, falls sich unter den noch lebenden Oppositionellen Ugandas eine entsprechende Ersatzfigur findet), hat er wiederum seiner Unberechenbarkeit zu verdanken: Die Beihilfe zu seinem Putsch im Januar 1971 lohnte er den Imperialisten damit, daß er sich ein paar Monate später plötzlich zum Araberfreund und Antiimperialisten wandelte. Neben starken Sprüchen wie der Forderung, den Sitz der UNO nach Kampala zu verlegen, oder dem Vorschlag, die Queen als Oberhaupt des britischen Commonwealth abzulösen, griff er auch zu praktischen Maßnahmen; nacheinander verwies er Israelis, Inder, Engländer des Landes (mit den Amis hätte er sich neulich fast die Finger verbrannt), paktierte mit den Palästinensern, küßte Flugzeugentführer. Seine UNO-Botschaft ist „15 Stockwerke hoch, drei höher als die der USA“ (SPIEGEL), und seine Armee gehört zu den größten Schwarzafrikas.
So sehr diese Art von Widerstand gegen die Ausbeutung Afrikas den Ausbeutern recht sein kann (1. erschrecken die Amis vor einer 15-stöckigen Uganda-Botschaft sicher ungeheuer, 2. kassieren sie wahrscheinlich auch noch Miete dafür), so sehr tun sich die afrikanischen Staatsmänner in ihrem Verhältnis zu Idi Amin hart: Dessen alberne Selbständigkeitsdemonstrationen dienen zwar nur zur Erhaltung der Unselbständigkeit, haben ihn aber in den Augen der Massen zu einem Symbol der afrikanischen Befreiung werden lassen. Mochte er den anderen Politikern Afrikas deshalb auch wegen seiner Exzentrizität unangenehm sein, mit dem „Mühlstein im Nacken der Zionisten, Imperialisten und Ausbeuter“ (Amin) übten sie letztlich Solidarität und nahmen ihn nach einigem Lavieren als OAU-Präsidenten hin. So stellt sich endlich heraus, daß Idi Amin so außergewöhnlich nicht ist. Der Imperialismus straft seine Opfer noch mit den Figuren, die den Widerstand gegen ihn verkörpern: Mit seinem umgekehrten Rassismus führt Amin den Kampf gegen den Imperialismus als Kampf für ein neues Selbstbewußtsein der Opfer, tritt wie Muhammad Ali zum Islam über und entdeckt an seiner Körperstärke das Anzeichen afrikanischer Überlegenheit. Die Neger, die nichts zu melden haben, dürfen sich freuen, daß sie eigentlich doch das auserwählte Volk sind, womit die Unterdrückung zwar nicht weg ist, sich aber plötzlich ganz anders erleben läßt. Freiheitskämpfer Idi Amin als (wenn auch ungeliebtes) Symbol einer Bewegung für „Black Consciousness“ – rosige Zeiten für den Imperialismus!
aus: MSZ 16 – April 1977 |