Der Wirtschaftsteil in der MSZ


Dem Zyklus fehlt nur noch die Krise. Bevor sich endgültig herausstellt, wer in den vergangenen Monaten und Jahren das gesündeste Betriebswachstum aus den Proleten herausgeholt hat, wer den Konkurrenten die entscheidende Nasenlänge voraus ist und ihnen künftig an der Nase drehen darf, machen sich der Kapitalist und sein Maulvolk Gedanken über die Zukunft. In der näheren Zukunft sehen sie wieder das üblich-unverschämte Anspruchsdenken der Proleten und der Erdölländer voraus, weswegen sich die fernere Zukunft schön rabenschwarz darstellt. Das heißt nicht, daß es so tatsächlich wäre, doch es läßt sich sehr schön ausmalen, um damit der Propagandamaschinerie genügend Dampf zu machen. Anders: das anhaltende Gerede von der Krise, die da kommen müsse, leugnet die Periodizität der Krisen, die dem Gang des Kapitals immanent ist, indem jetzt schon mal Schuldige für kommendes Unheil dingfest gemacht werden; dieses Gerede wird als Drohung vorgebracht, daß nämlich der angenehm harmonische Verlauf des Wirtschaftswachstums dadurch gestört werden könne, daß dem Kapital zu große Lasten auferlegt werden. Somit sind schon jetzt beste Grundlagen geschaffen, die sicher eintretende Krise souverän zu meistern.

In der Propaganda gegen Gewerkschaften und Ölländer gibt es deshalb einen wesentlichen Unterschied: während die Feindschaft gegen die Öllieferanten sehr ernst und auch prospektiv-handgreiflich gemeint ist, handelt es sich bei der Auseinandersetzung mit den Arbeitervertretern um einen reinen Schaukampf, den beide Parteien zur Disziplinierung der dritten – nämlich der Arbeiter selbst – aufführen.


Die Kumpanei der Lohnmacher

Wenn die Bourgeoisie über die ,,atemberaubend hohe Forderung“ von 10,5 % tobt, dann verfolgt sie aus alter Gewohnheit das klassische Ziel, den Lohn als alles zerstörenden Wirtschaftsfaktor darzustellen. Sie weiß eben, was ihre Klassenkampfpflicht ist, und sagt klipp und klar, daß es den Proleten schlecht zu gehen hat, wenn es ihr gut gehen soll. Doch angesichts der lächerlichen Forderung der Gewerkschaften (sie soll erklärtermaßen 3 Jahre Reallohnverlust aufholen), verbunden mit der pflaumenweichen Art ihrer Darbietung, gelingt die Pflichtübung der Schaum-vor-dem-Mund-Produktion heuer nur recht matt, erfüllt aber dennoch ihren Zweck, der Gewerkschaft ordentlich die Flügel zu stutzen – worauf sie ja nur wartet:


Gewerkschaftliche Vor-Leistungen ...

Zunächst einmal weiß jeder, daß die 10,5 % am Ende 6–7 % sein werden, was wiederum ein völlig akzeptables Ergebnis ist (noch besser wären natürlich -6%). Die Gewerkschaften haben ja absichtlich diesen „hohen“ Betrag ausgesucht – inclusive ,,Knautschzone“ zum Herunterhandeln –, um ihren Mitgliedern zu demonstrieren, daß sie sich diesmal echt Gedanken um eine Lohnerhöhung gemacht haben. Die bourgeoisen Schreiber besorgen währenddessen unbeauftragt, aber nicht unwillkommen die andere Seite des Geschäfts, nämlich jetzt schon mal die völlige Unmöglichkeit dieser Forderung aber und aber zu beweisen, somit das Sich-Herunterhandeln-Lassen gleich in objektiven (Öffentlichkeits-)Zwang zu verwandeln. Eben diesen wird die Gewerkschaft am Ende der Lohnrunde ihren Mitgliedern Vorhalten:

„Seht, mehr war nicht drin, aber immerhin …“

Ein recht gemeines Geschäft, das sich einiger Verrücktheiten und überdeutlicher Kniffs und Schliche bedient, die freilich solange ziehen, wie die Proleten die Verwandlung ihrer Existenznöte in Lohnpolitik für selbstverständlich halten. Erst einmal müssen sie vergessen, daß ihnen die jetzige überragende Bedeutung einer Lohnerhöhung (die’s nicht geben wird) die Gewerkschaft selbst beschert hat:

  1. – da wurde um „Humanisierung der Arbeit“ gekämpft – was schönste Rationalisierungen und Leistungsintensivierung nicht nur nicht verunmöglichte, sondern geradezu harmonisierend abrundete;

  2. – da wurde um Arbeitszeitverkürzung gekämpft und die Arbeitszeit verkürzte sich prompt um 0,073 Stunden pro Woche, woraufhin die Kapitalisten auf dieser gesunden seelischen Basis (man kann ja weiterhin Hoffnung haben! spätestens 1983 soll’s besser werden!) dem Überstunden-, Schicht- und Sonderschichtenwesen zu ungeahnt leichtem Aufschwung verhalten;

  3. – da wurde – noch bevor jemand einen Nachschlag forderte – eine Nachschlagsdiskussion geführt, die von gewerkschaftlicher Seite auch ordentlich zum Resultat gelangte, daß Nachschläge ganz und gar antigewerkschaftlich seien, weil sie a) einzelne Mitglieder bevorzuge, b) frühere gewerkschaftliche Erfolge im Nachhinein diffamiere und c) künftige unmöglich mache. Die gezahlten Nachschläge wurden als gewerkschaftsfeindliche Spaltungsmanöver entlarvt und als Beweis dafür angeführt, daß die Unternehmer durchaus hätten zahlen können, wenn die Gewerkschaften unvernünftigerweise gefordert hätten;

  4. – da wurden durch energisches Antichambrieren beim Bundeskanzler, der sich zu geplanten Steuersenkungen im Jahr 1981 breitschlagen ließ (sofern es die Wirtschaftslage gestatte), mögliche Reflektionen der Basis über Kompensation laufender Steuererhöhung durch Lohnerhöhung radikal abgeschnitten.

Auf Basis dieser Leistungsbilanz stößt die Gewerkschaft nach längerem „Fragen“ nach der „Prioritätenbildung“ für die nächste Lohnrunde und „mit Blick auf die Schwerpunkte der aktuellen Meinungsbildung in der Mitgliedschaft“ nicht unerwartet auf das wünschenswerte Ziel der „Einkommensverbesserungen“, das am ehesten „erreichbar über die Erhöhung der Löhne“ sei. Daschauher.


... für die objektive Lohnfindung

Es steht nun an die Formulierung einer unheimlich begründeten Lohnforderung, die ebenso begründet auch wieder zurückgenommen werden darf. So ist das „schwere Problem“ der Gewerkschaft nicht die Lohnerkämpfung, sondern die „Lohnfindung“. Der Mitgliedschaft wird vorgemacht, wie man den Lohn ganz objektiv aus den „volkswirtschaftlichen Eckdaten“ herausdestilliert, so daß er schließlich als einer dasteht, der (Augenmaß!) der Wirtschaft nicht weh und den Proleten nur gut tut – ein auf die Periode der Findung beschränktes Kunststück, versteht sich. Es hebt an ein Kampf um die Indices, zu deren letztendlicher Festlegung die volkswirtschaftlich gebildeten Herren von der Presse, von den Arbeitgeberverbänden und (nicht zuletzt) vom Staat herzlich eingeladen sind. Zur Illustration solcher Frechheiten drei wichtige Indices:

1. Der Inflationsausgleich
a) hängt er davon ab, wie hoch laut Regierung und laut rechtzeitiger und streng wissenschaftlicher Neudefinition des Warenkorbs durch das statistische Bundesamt die Inflation im nächsten Jahr sein wird
b) ist der vom Ausland verschuldete Preisauftrieb (Öl!) in Abzug zu bringen, denn dafür können die einheimischen Unternehmer nichts und es wäre geradezu ungerecht, ihnen die gelungene Überwälzung dieser Preise ins Inland von rückwärts wieder aufzuhalsen.

2. Die Produktivitätsbeteiligung
Als Belohnung für die rund 50 % Produktivitätssteigerung der letzten Jahre stehen den Proleten so um die 2 % Anerkennungsprämie zu – schließlich wäre ohne sie nichts gegangen.

3. Die Umverteilungskomponente
Weil die Unternehmer so schön Gewinne, also auch „Unternehmereinkommen“ gemacht haben, hat sich die Differenz zwischen ihrem und der Proleten Einkommen vergrößert. Da stehen letzteren noch einmal so um die 2 % zu, als Rückbildung in Richtung Normalzustand.


Das Ringen um den verantwortungsvollen Abschluß

Noch ein paar andere trickreiche 0,.. Prozentinger eingerechnet, kommen die berühmten 10,5 % raus. Loderer sagt gleich dazu, daß sie ein Kampfmittel sind, ein Kampfmittel gegen Forderungen der Mitglieder, die „sich bis zur Höhe von 22 % verstiegen“, weiterhin ein „Forderungslimit“, das als „Beruhigungsmittel für die eigene Basis gemeint“ sei. Diese Pille verabreicht, ist es dann durchaus erwünscht, daß Mitglieder von der Basis heraufrufen und auf dem Wunsch nach 1 oder 2 % mehr der Gewerkschaftslinie sekundieren. Dann sagt er außerdem noch, niemand könne ihm vorwerfen, „er sei so unverschämt und verlange allen Ernstes eine zweistellige Lohnerhöhung“. wo doch jeder wisse, „daß man bei einer gewerkschaftlichen Lohnforderung ein Drittel streichen könne, welches die »Verhandlungsmasse« für die Ansteuerung eines Kompromisses ist. Und der wird, wie stets, nach zähem Ringen gefunden werden.“

Ringen 1. Runde: Eugen 7 % (10,5 % minus ein Drittel) kontra Esser 5,6 % (von allen Indices ein Drittel)

Ringen 2. Runde. Schlichter 6,2 %

Ringen 3. Runde: Streik, Schlichtung 6,4 + Zehntel, auf 13 Monate, und für die unteren Lohngruppen, und Urlaub, XXXXXXXXXXund für Lehrlinge, und überhaupt ...

Ausklang: Presse sagt: hätte man gleich haben können. Loderer sagt: Ein Erfolg der gewerkschaftlichen Solidarität. Mehr war nicht drin.

Wie schon seit Jahren.

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Öl: Ein Geschäft erster Klasse

In der Ölfrage scheinen die Fronten klar: die Anbieterländer wollen möglichst hohe Preise für ihr Zeug, die Nachfrager sind gewillt, niedrige Preise auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Zwischen beiden Parteien stehen die Ölmultis, die erstens über das Gerät verfügen, den Saft aus der Erde zu holen (,,strategisches Gut“ nennt man das und die amerikanische Regierung hat ein wachsames Auge darauf, daß es nicht die falschen kriegen, gepaart mit einer freigiebigen Hand gegenüber den eigenen Ölmultis – und das sind von den 7 immerhin 6), zweitens über das Gerät, den Saft zu verschicken, drittens über die Kessel, worin er gegoren wird, und viertens über die Zapfsäulen. Angesichts dieser Stellung ist gleich klar, daß die Multis einerseits ins Feuer der Kritik geraten, ihnen das andererseits scheißegal sein kann: die amerikanischen Ölgesellschaften, die ihre Macht der Förderung im eigenen Land verdanken (80 % ihres Öl s kaufen die Amerikaner bei sich zu Hause ein), wie auch BP mit ihrem Nordsee-Öl profitieren mit ihrem eigenen Öl immer kräftig mit, wenn die OPEC-Staaten die Preise anziehen (,,windfall-profits“ nennt man dieses Naturphänomen), was ihnen im Verein mit ihrer unverzichtbaren Vermittlerrolle zu ,,unanständig hohen Gewinnspannen“ verhalt; in dem unanständig liegt die übliche staatsbürgerliche Kritik, ob denn nicht der Profit zugunsten des Allgemeinwohls ein bißchen niedriger sein könnte. Worauf die Multis noch jedesmal lässig antworten, daß ohne große Gewinne keine großen Investitionen zu machen seien, andererseits diese Investitionen die Menschheit bitter nötig habe – wo will sie denn sonst ihre Energie herbekommen? In der Gewißheit, über das Energiemonopol Nr. 1 in der Welt zu verfügen, prägen sie noch der hinterletzten Seele ihre Abhängigkeit von den großen Gesellschaften ein. Und kein Mensch regt sich auf, wenn auf die Ankündigung der OPEC-Staaten, den Preis pro Barrel um 2 Dollar zu erhöhen (= 2 Pfennig pro Liter), die Erdölgesellschaften mit der Erklärung nachziehen, da müsse man den Benzinpreis wohl um 20 Pfennig anheben.


Konkurrenten links, Konkurrenten rechts, das Weltkind in der Mitten!

Während die Ölgesellschaften behäbig in der Mitte sitzen, spielt sich zu ihrer Linken und Rechten einiges ab. Die Fronten der Anbieter- und Nachfrageländer sind nämlich keine einheitlichen Blöcke, sondern konkurrieren untereinander wieder um möglichst hohe bzw. niedrige Preise.

Die Nachfrageländer scharen sich notgedrungenermaßen um die USA, denn nur bei diesen liegt die tatsächliche Macht, das Öl mit Kanonengewalt aus der Erde zu holen. Wenn die US-Boys als Speerspitze die Last der Verfügbarmachung, sprich: militärischen Sicherung, übernehmen, haben sie dafür freilich einen anderen Grund als die, die auf sie hoffen: handeln die Bündnispartner der USA aus dem Zwang heraus, alle Maßnahmen ergreifen zu müssen, um einer plötzlichen ernsten Notlage zu entgehen, wofür sie alle Reserven des eigenen Landes auszuschöpfen bemüht sind, so handeln die USA in der Gewißheit ,für alle Ernstfälle genug Öl zu haben, es möglichst aber schonen und sich die Reserven der ganzen Welt stattdessen zugänglich machen zu wollen. Agenten dieser politischen Entscheidung, die sich einer mächtigen ökonomischen Basis verdankt, sind die amerikanischen Multis, die sich der Unterstützung ihres Staates gewiß sein können, und zwar je mehr sie sich multinational ausbreiten. Für Fälle kleinerer Kollisionen, wo ihr Geschäftsinteresse nicht unmittelbar mit dem nationalen Interesse zusammenfallen will, behält sich der amerikanische Staat so harte Maßnahmen vor, wie: der Ölverknappungspolitik seiner großen Kinder durch Subventionierung des Imports zu begegnen (wofür er seine Druckmaschine ein paar Grad schneller stellt), oder die ,,windfall-profits“, die den Gesellschaften durch die Erhöhungen des OPEC-Preises unverhofft hereinschneien – sie müssen ja zwangsläufig mit den Preisen für ihr einheimisches Öl  nachziehen! –, durch eine Sondersteuer wegzunehmen – um sie ihnen als Unterstützung für ihre ausgedehnten Kernenergieprogramme wieder zukommen zu lassen.

In diesem souveränen Umgang der Amis mit der Ölfrage steckt zum einen der Konkurrenznachteil ihrer Bündnispartner, zum anderen deren Zwang, sich diesem Souverän anzuschließen.

Zur Kompensation ihres Nachteils greifen die anderen kapitalistischen Staaten zum Mittel der freien Vereinbarung, d.h. sie versuchen direkte Abkommen zwischen Staat und (Öl-)Staat herbeizuführen: die BRD entdeckt in Libyen, einem Terroristenland mit den höchsten Preisen, einen engen Verbündeten, den die Italiener schon längst haben, was sie aber nicht daran hindert, durch etwas peinliche Bestechungsmanöver das saudische Öl zu sich umzuleiten, die Japaner erschließen den ostasiatischen Rohstoffmarkt ganz neu, die Engländer besorgen sich ihr Öl ungerechterweise aus den eigenen Hoheitsgewässern und denken nicht im Traum daran, es freigiebig zu verteilen ... An den Beispielen fällt auf, daß an erster Stelle der staatlichen Erwägungen die Sicherung genügend großer Mengen steht und daß das Preisproblem sich erst im Gefolge dessen stellt.


Diese Begierlichkeit der kapitalistischen Staaten, die manchmal zu häßlichen Tönen untereinander führt, muß den Anbieterländern natürlich ins Auge stechen: bereitwillig bieten sie freie Kontraktierung an und wollen aus der Konkurrenz der Nachfrager größtmöglichen Vorteil schlagen. Doch infolge ihrer zumindest technischen Unverzichtbarkeit haben die Ölgesellschaften noch jedesmal den Daumen drauf und ihr Geschäft gesichert, womit der ganze Fortschritt für die Nachfrageländer in der Hoffnung besteht, die bestehenden komplizierten Vertragswerke umgehen und zu günstigeren Bedingungen hinsichtlich der zu liefernden Mengen kommen zu können; zum anderen richtet sich dabei auch eine Konkurrenz zwischen den Anbietern ein, eine Konkurrenz, bei der schließlich die Stärkeren das Marktgeschehen diktieren.


Good News from the OPEC!

Die zuletzt in Venezuela erfolgte Auflösung des OPEC-Kartells, also auch des einheitlichen Preises, ist nichts anderes als der Endpunkt einer Entwicklung, in der die einzelnen Ölstaaten durch Loslösung vom gemeinsamen Preis mehr für sich herauszuholen versuchten, wie auch Anfangspunkt einer Entwicklung, in der die größten Öllieferanten manch anderen ein böses Erwachen bescheren, indem sie ihre größeren Mengen in die Waagschale werfen. Wenn der saudische Ölminister Yamani in Venezuela aus der Konferenztür tritt, und den westlichen Journalisten die zeitweilige Auflösung des Kartells mit den Worten „Good news!“ mitteilt, dann ist die Interpretation nicht schwierig: Saudi-Arabien und Venezuela, die größten Öllieferanten, wissen, daß das Öl eine politische Waffe ist und auch einen politischen Preis hat; die ihnen daraus zugute kommenden Wirkungen, nämlich ihre luxuriöse politische und materielle Stellung im westlichen Lager – was selbstverständlich nur für die gilt, die vom Öl leben, und nicht von denen, die Kamele durch die Wüste oder Lamas durch die Hochebenen treiben und die Bohrtürme als modernes Teufelswerk bestaunen –, wollen sie keinesfalls gefährden. Von daher ist in ihrer Ölkalkulation nicht nur der simple Gedanke des maximalen Erlöses maßgebend, sondern der „Erlös“ bestimmt sich auch hinsichtlich der langfristigen politischen Absicherung und der – von den Westmächten wohlwollend betrachteten – Durchsetzung gegen die Scharfmacher des Ölmarktes. Wenn diese, auf die rege Nachfrage der kapitalistischen Länder spekulierend, immer höhere Preise fordern und mit Mengenverknappung drohen wollen (wobei es sich beim Iran und dessen laufender Mengenreduzierung zweifellos nicht um freien Willen handelt – die Anlagen verrotten eben und finden keinen Reparateur), so werden sie sich plötzlich auf dem von ihnen so herbeigewünschten freien Markt ohne Fessel des Kartellpreises, in Gesellschaft einiger Anbieter sehen, die nicht nur mehr auf den Markt zu werfen haben als sie, sondern auch zu kleineren Preissenkungen bereit sind – keine großen, aber ausreichend, um die, die so dringend auf ihr Öl angewiesen sind und sonst keinerlei Zuwendungen erhalten, ganz schön an die Wand zu drücken:

„Der saudiarabische Ölminister Yamani hat in einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff in Riad seine Auffassung bekräftigt, daß es im Verlauf des Jahres vorübergehend zu einer neuen Ölschwemme und damit wieder zu sinkenden Ölpreisen kommen könnte.“ (9. Jan.)

Der Krisenbeschwörung zweiter Teil gewinnt also auch hier einen versöhnlichen Ausblick; zwar mögen die momentan hohen Erdölpreise gar manche Volkswirtschaft zwacken, doch Erleichterung, auf jeden Fall geordnete Bahnen sind in Sicht. Ebenfalls in Sicht ist, daß die Durchsetzung der Nationalstaaten gegeneinander in der kommenden Krise sich zu einem Gutteil ihrem Geschick im Umgang mit der Ölfrage verdanken wird, weswegen so manches fleißige Staatseichhörnchen jetzt schon von Bohrturm zu Bohrturm hüpft. Im Unterschied zum gewöhnlichen Eichhörnchen wird es jedoch nicht nur darauf achten, für sich selbst genug zu günstigen Preisen anzusammeln, sondern obendrein versuchen, die anderen Eichhörnchen in die mißliche Lage zu bringen, letzte schäbige Reste zu horrenden Preisen aufkaufen zu müssen.

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„Unternehmer animieren zum Kinderkriegen!“

Anzeigenserie soll als „private Initiative für die Familie“ verstanden werden

Der Ruf nach mehr Kindern für die Volkswirtschaft ist konjunkturunabhängig. Daß ihn gerade jetzt die Unternehmer selbst ausstoßen, verdankt sich ihrer bitteren Erfahrung, daß im erreichten Boom sich wunderbare Manöver mit den Arbeitslosen anstellen ließen, dennoch aber das Reservoir immer noch nicht unerschöpflich war. Immer noch sieht sich der Unternehmer gezwungen, auf gewisse vorhandene Qualifikationen Rücksicht zu nehmen, immer noch gibt es nicht zu jeder einzelnen Fertigkeit so viel Arbeiter, daß der Unternehmer zu einem Lohn von DM Null beliebig unter ihnen auswählen kann. So kommt er nicht umhin, den Arbeitern Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen: sie vögeln nicht genug bzw. bedienen sich zu oft der Pille. Konsequenter Materialist, unser Unternehmer, weiß er, daß er nun einen materiellen Anreiz zu bieten hat: getäuscht hat sich aber, wer meint, der Unternehmer würde nun mit Beate-Uhse-Produktion „animieren“, Freistellung der Frau von Arbeit verlangen, damit sie sich für den Abgeschlafften ordentlich herausputzen kann, Sex-Belohnungsprämien ausschütten – nein, seine Sauereien sind von ganz anderer Art:

„Eine Anzeigenaktion »Kinder erwünscht« starten im Januar nächsten Jahres 13 Unternehmen im Bundesgebiet, die sich zu der »Privaten Initiative für die Familie« zusammengeschlossen haben. Die Firmen, unter ihnen Versicherungen, Industrie- und Werbefirmen, wollen jungen Ehepaaren Mut zu Kindern machen und den »Kellerkurs der Babykurve« stoppen.

Sprecher der Gruppe beklagten in Frankfurt vor der Presse, daß das Streben nach materiellem Wohlstand eine Ursache für den Geburtenrückgang in der Bundesrepublik sei. Kinder würden dem Wunsch nach Reisen, Beruf und Karriere sowie Partnerschaft zu zweit im Wege stehen. Kinderlose und Berufstätige würden ein höheres Ansehen genießen als Frauen mit Kindern. Mit einer Anzeigenserie soll diese »oberflächliche Einstellung« überwunden und verdeutlicht werden, daß Kinder Lebensinhalt und Freude vermitteln und zum Jungbleiben beitragen.“

Die Sorte Bevölkerungspolitik, die unser Unternehmer notgedrungenermaßen wird ergreifen müssen, ist also für die kommende Krise vorprogrammiert. Vielleicht bringt sie keinen Baby-Boom mit sich, auf jeden Fall aber einen verstärkten Anreiz zu vermehrtem Angebot von verbilligter Arbeitskraft. Das kommt aufs selbe raus. Die Marxsche Wahrheit wird sich wohl auch gegen die Pille durchsetzen, wenn es eine ist:

„Die Stockung der Produktion hätte einen Teil der Arbeiterklasse brachgelegt und dadurch den beschäftigten Teil in Verhältnisse gesetzt, worin er sich eine Senkung des Arbeitslohns, selbst unter den Durchschnitt gefallen lassen müßte ... Der Preisfall und der Konkurrenzkampf hätten andrerseits jedem Kapitalisten den Stachel gegeben, den individuellen Wert seines Gesamtprodukts durch Anwendung neuer Maschinen, neuer verbesserter Arbeitsmethoden, neuer Kombinationen unter dessen allgemeinen Wert zu senken, d.h. die Produktivkraft des gegebnen Quantums Arbeit zu steigern ... und damit Arbeiter freizusetzen, eine künstliche Überbevölkerung zu schaffen.“ (Das Kapital, Band III, p. 265)

 

aus: MSZ 33 – Januar 1980

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