Laufzeitverlängerung für AKWs beschlossen
Rot-grün-schwarz-gelbe Energiepolitik
Die schwarz-gelbe Regierung in Berlin hat den Ausstiegsbeschluss von 2002 korrigiert und längere Laufzeiten für AKWs beschlossen. Kommentiert wurde das als „Kniefall vor den Stromkonzernen“, als weiterer Beweis dafür, dass diese Regierung das Wohl und die Sicherheit ihrer Bürger verschachert – entweder weil sie unmittelbar von den Energieriesen geschmiert wurde oder weil sie von deren zusätzlichen Einnahmen mitprofitieren will.
Diese Kritik lebt von einer merkwürdigen Betrachtungsweise. Den kapitalistischen Konzernen traut man nach dem Motto `Je größer, desto fieser!´ ohne weiteres jede Schweinerei zu – Rücksichtslosigkeit im Umgang mit Umwelt und Gesundheit der Leute genauso wie Skrupellosigkeit bei der lobbyistischen Einflussnahme auf Politiker. Den demokratischen Staat stellt man sich dagegen als eine Instanz vor, die zumindest eigentlich die Aufgabe habe, „uns alle“ vor Risiken und Gefährdungen zu bewahren und das Allgemeinwohl über das der wirtschaftlich Mächtigen zu stellen.
Im Folgenden geht es darum, warum diese Vorstellung daneben liegt: Ohne den angeblich über den Tisch gezogenen Staat, ohne seine Gesetze zur Energiesicherheit bis hin zur Regelung der Strompreise, ohne seinen Haushalt und die daraus fließenden Mittel gäbe es nämlich die heute so „mächtigen“ deutschen Energiekonzerne und ihre Machenschaften gar nicht. Es lohnt ein kurzer Überblick über die deutsche Energiepolitik und ihre Einstiegs-, Ausstiegs- und Ausstiegsvertagungsbeschlüsse in Sachen Atomstrom. Die Kontinuität in all diesen Übergängen der Energiepolitik, auch unabhängig vom Wechsel der die Regierung stellenden Parteien, wird dann schon deutlich werden.
Was ist Energiepolitik?
Kapitalistische Staaten betreiben eine Energiepolitik. Das heißt: Alles, was mit Energiequellen fürs Wirtschaftswachstum zusammenhängt, wird von vornherein nicht einfach Geschäftsleuten und deren Erwerbssinn überlassen, sondern ist politische Chefsache. Das gilt auch für den Teilbereich Stromversorgung, den wir hier behandeln. Elektrischer Strom ist ein Gut, von dem branchenübergreifend jede wirtschaftliche Aktivität der Unternehmen, aber auch das Dasein aller öffentlichen wie privaten Haushalte abhängig ist. Dass die eigene Nation über eine sichere und möglichst billige Versorgung mit Strom im jeweils benötigten Umfang verfügt – das ist dem staatlichen Standortverwalter so wichtig, dass er diese Grundsicherung keinesfalls dem freien Schalten und Walten des Marktes überlässt und zuschaut, was die Gewinnkalkulation einzelner Kapitale in dieser Frage zustande bringt. Gleichzeitig wollen kapitalistische Staaten möglichst wenig vom Ausland abhängen: Eventuell steigende Preise, die der heimischen Gewinnproduktion zu schaffen machen, oder politische Erpressungsmöglichkeiten sollen nicht sein. Einheimische Kapitale sollen deshalb möglichst auf allen Stufen der Herstellung und des Vertriebs von Strom und der entsprechenden Technologie mitmischen und sich dabei auch entsprechend bereichern können, so dass die Energieerzeugung selbst ein relevanter Bestandteil der nationalen Akkumulation wird.
Staaten treten für diese Grundversorgung ihrer marktwirtschaftlichen Ökonomie also in Vorleistung und begleiten, befördern und kontrollieren das Geschäft mit Strom, an dem Kapitale aus allen möglichen Branchen dann ihren Anteil haben. Was die besondere Art der Stromerzeugung angeht, sind sie (wie ihre Unternehmen) durchaus vorurteilslos: Jeder Energieträger ist recht – Kohle, Öl, Gas, Kernenergie ebenso wie Wind- oder Solarkraft –, wenn nur die Balance von Vor- und Nachteilen einigermaßen stimmt bzw. durch entsprechende Vorkehrungen stimmig zu machen geht. Auch hier gilt: Strom ist, was aus der Steckdose kommt – egal, auf welchen Wegen es da hineingelangt!
Die besondere Rolle der Atomkraft
Für den Strommix in der aufstrebenden Bundesrepublik, also die kombinierte Nutzung verschiedener Energieträger für die Stromgewinnung, hatte der Aufbau einer Atomwirtschaft einen besonderen Stellenwert. Erstens sollten die AKWs die deutsche Abhängigkeit von bestimmten Lieferländern („Ölpreisschock“ 1972) durch Diversifikation verringern (andere „Partner“ beim Uranimport). Zweitens sollten sie die sichere Belieferung der Nation mit billigem Strom auch dadurch befördern, dass man mit ihnen eine ganze neue Sparte der Energieproduktion auf deutschem Boden, also unter eigener Kontrolle und als Teil des nationalen Geschäftslebens etabliert hat. Drittens sollten so neue Exportmöglichkeiten in strategisch wichtigen Feldern eröffnet werden (Siemens rüstet bis heute, soweit dies politisch genehmigt wird, alle Welt mit atomtechnologischem Know-How aus). Und viertens sicherte sich Deutschland so lange Zeit auch die Option einer militärischen Nutzung der Atomenergie.
Alles in allem waren das vom Standpunkt des deutschen Staates und seiner ökonomischen und außerökonomischen Ambitionen unschlagbare Vorteile. Sämtliche Einwände wegen der prinzipiellen Unsicherheit dieser besonderen Technologie inkl. einer völlig ungeklärten Endlagerung, die ja bekannt waren, wurden demgegenüber hintangestellt; man verfügte die Sicherungsmaßnahmen, die technisch möglich bzw. finanzierbar erschienen, und definierte den verbleibenden Rest an Gefährlichkeit zum sog. „Restrisiko“ herunter, mit dem man leben müsse und könne (einen GAU, der erhebliche Bestandteile von Land und Volk verwüsten würde, hielt man schlicht und einfach für „unwahrscheinlich“). Mit knapp 50 Milliarden Euro Anschubfinanzierung (plus ein paar kostenlosen Atomkraftwerken), einer ideologischen Daueroffensive und einem – passend zur Bedeutung des staatlichen Anliegens – knallharten Gewalteinsatz gegen Proteste wurden die 25 westdeutschen AKWs gebaut, von Biblis bis Würgassen.
Der rot-grüne Ausstiegsbeschluss
Dreißig Jahre nach dem Einstieg, um die Jahrtausendwende, sahen die Kalkulationen der deutschen Energiepolitik etwas anders aus. Angesichts einer neuen Bedarfslage in Sachen Strommix hängte die neue Regierung aus SPD und Grünen den staatlichen Gesichtspunkt eines Schutzes von Land und Leuten gegen zu große Risiken (Verstrahlung ganzer Landstriche) ein Stück höher als ihre Vorgänger und verkündete den „Einstieg in den Ausstieg aus der Atomtechnologie“. Dieser Beschluss hatte und hat durchaus seine Tragweite. Aber er bedeutete niemals, wie es heute von interessierter Seite kolportiert wird, dass Rot-Grün den „Schutz der Bevölkerung“ vor andere staatliche Gesichtspunkte der Energiepolitik gestellt hätte. Dass eine solche staatliche Abwägung über die wichtigsten politisch-ökonomischen Ressourcen der Bundesrepublik etwas anderes ist, als das schlichte individuelle Anliegen, keinen Schaden zu erleiden, liegt auf der Hand. Schließlich haben sie 2002 kein „Aus“ für die Atomkraftwerke verkündet. Sofortige Stilllegung – das wäre ja wohl die logische Schlussfolgerung gewesen, wenn es darum gegangen wäre (entsprechend hat die grüne Partei einigen Widerstand in ihren Reihen niederkämpfen müssen, um ihre Sorte Ausstieg als tolle Perspektive verkaufen zu können).
Was sich geändert hatte, so dass Rot-Grün den langfristigen Ausstieg aus nationaler Perspektive für vertretbar befinden konnte, war eine Reihe wichtiger Eckdaten der energiepolitischen Entscheidungssituation: Der Zerfall des Ostblocks bescherte Deutschland neue Zugriffsmöglichkeiten auf Energieressourcen (polnische Kohle, russisches Gas und Öl). Die Macht der OPEC war nicht zuletzt durch die weltweit gebauten AKWs gebrochen. Das insgesamt deutlich geschrumpfte Reaktorgeschäft sollte in europäischer Zusammenarbeit effizienter gestaltet werden. Mit den regenerativen Energien (Vorteil: nachhaltige Energieerzeugung im eigenen Land ohne die Risiken von Atomkraft und ohne die C02-Emissionen der fossilen Energieträger) schien in einem absehbaren Zeitrahmen die Einführung einer neuen Weltmarkttechnologie möglich, bei der Deutschland unbedingt an erster Stelle dabei sein wollte. Warum sollte die deutsche Regierung angesichts dieser Lage weiter auf eine Technik setzen, die nach wie vor ein hohes Risikopotenzial besitzt und außerdem im eigenen Land nur gegen anhaltenden Widerstand durchzusetzen ist, wodurch ständig steigende Kosten für Planung (Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang) und Durchführung (Polizeieinsätze) entstehen?
Dieser Ausstiegsbeschluss, der zugleich ein Beschluss zum jahrzehntelangen Weiterbetrieb der Atommeiler war und jede Menge interessanter (auch neuer) Freiheiten für die Atomkonzerne und deren Profitkalkulation mit sich brachte (–> "Ausstiegsbeschluss" in "immer noch aktuell") wurde nicht zufällig im „Konsens“ mit diesen gefällt – RWE und Konsorten erhielten eine schöne Entschädigung für den Verzicht auf Neubauten, die sie zu diesem Zeitpunkt eh nicht in der Pipeline hatten. Die energiepolitischen Ziele von Politik und Wirtschaft waren also mit dem „Ausstieg“ gesichert. Und zugleich war innenpolitisch mit dem Anti-AKW-Protest weitgehend aufgeräumt worden, womit Trittin und Gabriel heute noch als ihrem wichtigem Beitrag zum inneren Frieden in Deutschland angeben.
Die schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung
Die neue Regierung unter Schwarz-Gelb hat diesen Beschluss von 2002 jetzt in dem einen wichtigen Punkt revidiert: sie gesteht den Energiekonzernen längere Laufzeiten zu. Dass die Meiler inzwischen erhebliche Jahre auf dem Buckel haben und die von ihnen ausgehenden Risiken damit nicht gerade geringer geworden sind – egal! Dass die völlig ungeklärte Frage des Atommülls damit weiter vergrößert wird – egal! Für die Koalition in Berlin zählen andere Überlegungen. Denn seit 2002 haben sich die Entscheidungsgrundlagen der deutschen Energiepolitik erneut verändert und zwar so, dass eine Verlängerung der von Rot-Grün vorgesehenen AKW-Laufzeiten mehr Nutzen verspricht als die Einhaltung der alten Fristen:
• Andere Staaten haben die deutsche Relativierung der Atomkraft so nicht mitgemacht, damit die deutsche Konkurrenzposition geschwächt: Zwar haben in dieser Zeit durchaus einige wichtige Regierungen auch ohne ausdrücklichen Ausstiegsbeschluss zunächst auf einen Ausbau ihrer AKWs verzichtet. Aber inzwischen setzen weltweit die meisten wichtigen Staaten wieder auf die Vorteile von Atomanlagen, fassen z. T. auch Neubauten ins Auge.
• Es gibt bei den führenden Nationen, unabhängig von der Frage der Atomkraftnutzung, eine – sich gegenüber dem Jahr 2000 deutlich beschleunigende – Abkehr von traditionell wichtigen fossilen Energieträgern, weil diese ihren bisherigen Nutzen verlieren. Für diesen Trend gibt es sich überlagernde Gründe: Erstens steigende Schwierigkeiten, die Lieferantenländer politisch und ökonomisch sicher unter Kontrolle zu haben (dazu tragen die USA mit ihren Kriegen nicht wenig bei; Deutschland hat zudem in Sachen Freundschaft mit Putin einige ernüchternde Erfahrungen gemacht). Zweitens die weltweit steigende Nachfrage nach Energie (China, Indien u. a.), die die Nutzung fossiler Energieträger (Erdöl, Erdgas, Braun-/Steinkohle) gegenüber 2002 signifikant verteuert hat, absehbar weiter verteuern wird und die tendenzielle Erschöpfung der Vorkommen schneller näher rücken lässt. Die aus all dem resultierende Verteuerung des mittels herkömmlicher Kraftwerke produzierten Stroms führt – kombiniert mit der Tatsache, dass die Entwicklung alternativer Möglichkeiten für eine vergleichsweise billige Grundversorgung des nationalen Strombedarfs noch nicht weit genug gediehen ist –, zu einer Neuentdeckung der Nützlichkeit von Atomstrom.
• Ergänzt wird der letzte Punkt dadurch, dass die deutsche Spekulation auf schnelle Konkurrenzerfolge bei der Einführung regenerativer Energien zuletzt einen empfindlichen Rückschlag erlitten hat. Erstens ist die in der Aufbauphase einsetzende Verteuerung von Strom durch die Umstellung auf neue Gewinnungstechniken nur dann kein Schaden für eine hier vorangehende Nation, wenn andere Nationen in ähnlichem Tempo nachziehen; der Versuch Deutschlands (und Resteuropas), hier anderen im Namen des Klimas feste Vereinbarungen zu oktroyieren (CO2-Reduktion) ist beim Klimagipfel in Kopenhagen Anfang dieses Jahres erstmal gescheitert. Stattdessen haben die meisten Staaten inzwischen wieder die Atomkraft ins Spiel gebracht und berufen sich dabei wie zum Hohn auf deren umweltfreundliche Wirkung (keine CO2-Emission). Und zweitens bedeutet die verlangsamte Einführung von Technologien (Solartechnik, Windräder etc.), in denen Deutschland einen Vorsprung hat, dass Deutschlands Exportmöglichkeiten und damit das gesamte deutsche Geschäft mit Energietechnologie nicht so wachsen wie vorgestellt. Andere Nationen (China) haben zudem längst angefangen, den deutschen Technologievorsprung in diesem Bereich durch eigene Anstrengungen wettzumachen.
• Unter den gegebenen Weltmarktbedingungen (relativ zu anderswo) günstige Energiepreise für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie (nicht unbedingt der Haushalte) sicherzustellen, ist also ein Hauptzweck der Energienovelle. Gleichzeitig aber, dies das zweite Anliegen, soll die Herstellung dieser „Versorgungssicherheit“ Mittel für Geschäft und Wachstum der etablierten großen deutschen Energiekonzerne sein – drunter geht es einfach nicht vom Standpunkt einer verantwortungsbewußten deutschen Regierung. Die deutschen Energieriesen sind eben nicht nur für den wichtigsten „Rohstoff“ der gesamten nationalen Produktion zuständig, sondern machen selbst einen erheblichen Batzen deutschen Geschäfts aus, sind insofern ein Wachstumsmotor der deutschen Ökonomie und tragen auch mit ihren Exporten und der dadurch mit beförderten politischen Abhängigkeit anderer Standorte von deutschen Entscheidungen zur imperialistischen Position Deutschlands bei.
• Ein Kollateralnutzen des Beschlusses für die in Zeiten der Finanzkrise strapazierten Staatskassen ist natürlich auch nicht gerade unwillkommen. Von den per Staatsbeschluss zur Laufzeitverlängerung wie auf Knopfdruck wundersam herbei regierten Extra-Gewinnen der Stromindustrie kann sich der Staat ein paar Milliarden abzwacken, so dass ein Verzicht darauf wie eine unerträgliche Eselei erscheint.
Wie weiter?
Die den Beschluss begleitende Begründung „Atomkraft als Brückentechnologie“ ist eine wohlfeile Lüge der Merkelregierung. Die Laufzeitverlängerung findet natürlich nicht statt, um die Finanzierung von Windrädern u. a. zu ermöglichen. Im Gegenteil wird mit der Streckung der Atomkraftnutzung auch der Umbau in Richtung alternativer Techniken mit gebremst, auch wenn prinzipiell an ihm festgehalten wird. Zu entnehmen ist der Ideologie aber immerhin: Noch ist die Ausstiegsoption, für die sich Deutschland vorpreschend entschieden hat, auch von Schwarz-Gelb nicht aus dem Verkehr gezogen. Ob bzw. wie lange das allerdings bedeutet, dass dieses Land noch an der Idee festhält, atomare Stromgewinnung endgültig durch Alternativen zu ersetzen, oder ob die jetzige Laufzeitverlängerung nur der nötige Zwischenschritt dazu ist, in ein paar Jahren dann den Neubau von modernen Atommeilern zu verkünden, wird die Berliner Regierung ihren Bürgern schon rechtzeitig in gesetzten Worten mitteilen.
Und auch, dass es dabei wie immer nur darum geht, dass bei uns „die Lichter nicht ausgehen“ und welche enorme Rolle der Schutz der Leute vor Risiken dabei spielt. Wie wir den Laden so kennen, könnte es auch und gerade ein grüner Politiker sein, der diesen Übergang dem Publikum besonders glaubwürdig verdolmetscht (vielleicht sogar einer, der mit dem Protest gegen den „Ausstieg aus dem Ausstieg“ ans Ruder gekommen ist).
P.S: Dass die politisch windelweiche Ausstiegsregelung von damals kein Stopp für Atomkraft in Deutschland war; dass „der Einstieg in den Ausstieg“ vielmehr die verlogene Art und Weise war, wie ein Weiterbetrieb der AKWs sichergestellt und die Proteste der Anti-AKW-Bewegung ausgerechnet von der aus ihr hervorgegangenen grünen Partei befriedet wurden – das haben seinerzeit durchaus viele Gegner bemerkt. Heute protestieren Unzufriedene mehrheitlich für die Weiterexistenz dieses Beschlusses – und machen damit an einer weiteren Front deutlich, dass der Glaube an die „eigentlich“ guten Absichten der Politik vor allem dazu führt, dass die Kritiker ewig den Fortschritten ihrer Politiker hinterherlaufen.
Lesetipps:
Die BRD - immer noch eine Atommacht eigener Art (Gegenstandpunkt 3/1996)
Der historische Beschluss zum „Ausstieg aus der Atomenergie“ (Gegenstandpunkt 3/2000)
Ausstieg hin oder her – Strahlender Müll für die Ewigkeit)
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Linke Ideen zur Finanzkrise
Kapitalismus besser machen!
Wenn die Marktwirtschaft in der Finanzkrise Billionen-Summen verbrennt mit unabsehbaren Folgen auch für Leute, die nicht Geld, sondern ihre Arbeitskraft auf den Markt tragen, dann ist das für viele deutsche Linke auf jeden Fall eins nicht: ein Argument zur Abschaffung des Kapitalismus mit Klassenkampf. Paradox, aber wahr: Genau das Gegenteil ist der Fall! Demokratische Sozialisten rehabilitieren das System. Das tun sie, indem sie gierige Manager, also Menschen mit schlechtem Charakter, verantwortlich machen, und sie tun es, indem sie die Politik wegen mangelhafter Regulierung anklagen; denn das unterstellt, das Problem liege in der Inkompetenz der Regierung und mit richtiger Regulierung wäre alles in Butter. Konsequenterweise rufen Oskar Lafontaine und seine Fans im Deutschen Bundestag zu nichts Geringerem auf, als „endlich wieder Ordnung in das System zu bringen“. Keine Frage, wer sich damit beauftragt: Die mal zwischendrin als geschädigt bedauerte Klientel der Lohnempfänger, Sparer und Steuerzahler soll sich heraushalten. Denn das ist Aufgabe ihrer dazu besonders berufenen politischen Vertreter aus den Reihen der parlamentarischen und universitären Linken.
Professor Rudolf Hickel von der Uni Bremen, der früher mal als staats- und kapitalismuskritischer Wissenschaftler auftrat, verlangt:
„Wir brauchen eine strenge Regulierung... wir brauchen einen TÜV. Warum werden Nahrungsmittel kontrolliert, marode Finanztitel aber nicht?“
Ohne den nationalen Plural geht gar nichts. Natürlich brauchen „ich und du“ eine von der Produktion getrennte Finanzindustrie, mit allem Drum und Dran einschließlich Hypotheken, Wertpapieren und sonstigen „Finanzprodukten“, ebenso deren Freiheit, „uns“ ständig mit neuen „Finanzinnovationen“ zu beglücken. Dann aber tritt der Staat streng auf, mit Maßnahmen, die ökonomisch ein Witz sind. Für ein aufgelegtes Wertpapier echtes Geld zu erlösen, oder besser gesagt, erlöst zu haben, ist der erstklassige und einzige Beweis der Güte dieses Papiers. Das weiß man aber leider erst nach der Marktplatzierung – und ob sich dieser Wert eines Tages in Luft auflöst, weiß man immer erst hinterher... Also braucht es den Staat als echt unabhängige und vertrauenswürdige Stiftung Finanztest – mit der wundersamen prophetischen Gabe, heute schon zu wissen, welche Papiere morgen „faul“ sind. Ob der Mann überhaupt weiß, was ein garantiert sicheres Spekulationspapier für ein theoretischer Unsinn ist, auch wenn genau das jeder Anleger gerne hätte?
Die Linkspartei fordert den Dienst des Finanzsektors für ihre Lieblingskapitalistenfraktion und sieht in den heutigen Sparkassen das Ideal von einem total sicheren Finanzmarkt in etwa verwirklicht. Der Parteivorstand fordert per Beschluss vom 29. September eine
„Gewährleistung ausreichender und zinsgünstiger Kreditversorgung … speziell für kleine und mittel-ständische Unternehmen; weitgehende Beschränkung der Aktivität von Banken auf das Einlagen und Kreditgeschäft; harte Spielregeln; dauerhaftes Verbot von Leerverkäufen; Zurückdrängung und strenge Kontrolle des Investmentbankings, öffentliche Aufsicht von Ratingagenturen“ und Prof. Hickels „Finanz-TÜV“.
Was sagt die Linke dazu, wenn die Schlagzeile mittlerweile lautet: „Sparkassen verzocken sich“, wenn also zu erfahren ist, dass die auch nicht viel anders sind als die anderen? Aber egal – für diese Politikberater wäre das mal ein feiner staatlicher Dienst: Nur diejenigen Kredite und Investments sichern, die sicher ausgehen, und die anderen, die platzen, gleich schon vorher verbieten – oder zumindest zurückdrängen – man will ja nicht unrealistisch erscheinen. Damit ist die Linke dann nicht mehr weit entfernt von den Regulierungsvorschlägen der liberalen und konservativen Konkurrenz, von der sie sich hauptsächlich durch den regen Gebrauch der Steigerungsform unterscheidet.
Sie würden viel „härter, dauerhafter, radikaler regulieren“.
Letztlich besteht der linke Standpunkt in gar nichts anderem als in dem sorgenvollen Zweifel: Muss man den Finanzkapitalisten nicht mehr Vorschriften machen, damit das größtmögliche Gute beim Kapitalismus rauskommt? Und umgekehrt: Wenn der linke Wunsch nach – nein, nicht nach Krisenkritik, sondern – Krisenbewältigung nicht aufgeht, dann waren die staatlichen Vorschriften viel zu lasch.
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Für Jürgen Elsässer im „Neuen Deutschland“ zeigt
„das US-Beispiel, warum die Billionenhilfe vergebens war: Die Banken nutzen die Staatszuschüsse zum Stopfen ihrer Bilanzlöcher, anstatt damit Kredite an Privatleute und Unternehmen zu vergeben.“
Und was pflegen die Unternehmen mit den Krediten zu machen? Sie investieren sie in neue Produktionsanlagen, um mit der erhöhten Produktivität von weniger (!) Arbeitskräften ihre Konkurrenten niederzumachen, so dass die entweder dasselbe hinkriegen müssen oder vom Markt verschwinden – und mit ihnen der Lebensunterhalt der Arbeiter, die sie weniger effektiv ausgebeutet haben als die Konkurrenzsieger.
Kredit für Unternehmen gut, zum Bilanzlöcher stopfen schlecht?
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Für Sarah Wagenknecht „ist die aktuelle Finanzkrise letztlich nichts anderes als das Resultat neoliberaler Umverteilung: Durch die Senkung von Unternehmens, Vermögens- und Spitzensteuersätzen sowie einer Politik des Lohn- und Sozialdumpings sind jene Rekordgewinne entstanden, die anschließend auf den Finanzmärkten auf der Suche nach immer höheren Renditen verspekuliert wurden.“
„Umverteilung von unten nach oben“ ist sowieso Wagenknechts Leib- und Magen-Spruch. Jetzt soll diese moralische Anklage auch noch als Ursache für die Finanzkrise herhalten. Dagegen zwei Einwände:
1. Die Armut der Leute entsteht nicht dadurch und erst dann, wenn man ihnen von ihrem ehrlich Erarbeiteten etwas wegnimmt. Unbestritten hat es in den letzten Jahren zur Förderung des Standorts auch noch Steuererleichterungen für diejenigen gegeben, die der Staat zu den ausschlaggebenden Kräften seines Wirtschaftswachstums zählt. Unbestritten hat es in den letzten Jahre auch jede Menge zusätzliches Lohndumping gegeben. Aber wer den Grund von Armut erst in dieser Verschärfung ansiedelt, hat den eigentlichen Punkt verpasst. Arm sind die Leute, weil sie als Kosten kalkuliert werden und deshalb notwendig wenig verdienen. Arbeit muss rentabel sein, d. h. die Produktion von Profit verlangt äußerste „Kosteneffizienz“ beim Einsatz der bezahlten Arbeit, also niedrige und zu senkende Löhne bei maximaler Leistungsanforderung - das ist das Diktat der kapitalistischen Produktionsweise.
2. Soll man wirklich glauben, der Reichtum im „Finanzsektor“ speise sich aus dem Geldbeutel der kleinen Leute, dazu noch aus einer Spende des Staates, der immer nur den „kleinen Leuten“ das Geld wegnimmt, den Reichen aber die Steuern senkt? Dem widersprechen schon die Zahlen: Allein der sogenannte „Kreditderivatemarkt“ hat ein Volumen von 52 Billionen Dollar. Aber auch getrennt von Zahlen: Wer allen Ernstes behauptet, dieser Reichtum der Finanzmenschen sei durch Wegnehmen entstanden, der muss die gewöhnlichen Men-schen schon für ziemlich gut situiert halten. Dass das nicht stimmen kann, sagt die schöne Sarah übrigens selbst, wenn sie dauernd vom Staat verlangt, dass mehr vom gesellschaftlichen Reichtum für „das Soziale“ verwendet, also von Reich zu Arm umverteilt werden solle – und schon lange ein Mindestlohn fällig wäre.
Mit ihrem Deuten auf den Skandal einer von Grund auf ungerechten Umverteilung will die Vorzeigefrau von der Kommunistischen Plattform auch so etwas wie eine halbwegs "realistische" Forderung in die Welt setzen: Da es "nur" an dieser verfehlten politischen Maßnahme der letzten Jahre liegt, können zumindest die gröbsten Gemeinheiten dieser Produktionsweise ja auch ziemlich einfach ausgebügelt werden – eben durch die ständig geforderte Umverteilung nach unten! Wenn solche moralischen Platitüden über die Ungerechtigkeit in dieser Welt der Durchzieher ihres neuen Buchs zur Finanzkrise ist, dann hat sie es sich ja ordentlich einfach gemacht! Zu befürchten ist es.
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Jörn Schulz schreibt in „Jungle World“:
„Weil es seit Mitte der achtziger Jahre kaum noch offensive Klassenkämpfe gab, konnten die Konzerne sich einen immer größeren Teil des Mehrwerts aneignen, wussten aber nicht, was sie mit dem vielen Geld anfangen sollten… Mittlerweile ist der Finanzmarkt so komplex, dass viele Banker zugeben, selbst nicht mehr durchzublicken.“
Das ist mal klar und durchsichtig argumentiert! Grund der Krise ist für Schulz das, was er vermisst, der Klassenkampf. Ohne den machen die Kapitalisten doch nur Unsinn, wissen mit Geldüberfluss nichts Gescheites anzufangen und machen aus lauter Verlegenheit einen Finanzmarkt auf, den sie selber nicht verstehen.
So machen sich dann „offensive Klassenkämpfer“ wie Schulz die merkwürdigsten Sorgen um das große Ganze, das Funktionieren des Kapitalismus:
„Wird den Kapitalisten zu viel Freiheit gelassen, untergraben sie die Grundlagen ihres Wirtschaftssystems. Sie verhalten sich wie kleine Kinder vor einem Eisstand… Das Kind mault, wenn es nicht genug bekommt, insgeheim aber ist es sogar dankbar, denn es ahnt, dass es sich selbst nicht vor den Bauchschmerzen bewahren könnte… Die Kapitalisten würden maulen, wären aber insgeheim sogar ein bisschen dankbar, denn sie ahnen, dass sie als Klasse mit unbeschränkten Freiheiten unfähig sind, die Wirtschaft zu stabilisieren.“
Die Linke muss sich also als Erziehungsinstanz für kindische Kapitalisten verstehen und wird dann – zwar „insgeheim“, aber trotzdem – am Schluss von denen Dank ernten.
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Conrad Schuhler von der DKP führt vor, wie man dafür sorgt, dass sich die Kapitalisten nicht den Magen verderben:
„Maßnahme Nr. 1 für diese notwendige Umkehr ist der Kampf der Gewerkschaften für eine kräftige Steigerung der Löhne und Gehälter. Auch weitere Forderungen zur Hebung des Einkommensniveaus vor allem der armen Schichten ... und zur höheren steuerlichen Belastung von Profiten, hohen Einkommen und Vermögen berühren stets auch die Frage der monetären Verfügensmasse von Kapital und Reichen und sind geeignet, einen Teil der überschüssigen Geldfluten trocken zu legen.“ (isw-report Nr. 75, September 2008)Es ist also das Anliegen des DKP-Mannes, „überschüssige Geldfluten trocken zu legen“.
Dafür (!) erscheinen ihm Lohnerhöhungen und höhere Steuern für hohe Einkommen und Vermögen gleichermaßen gute Mittel. Einfach höhere Löhne zu fordern, weil die heutigen Einkommen nicht zum Leben reichen, kommt nicht in Frage. Ebenso wenig die Frage, warum die Löhne eigentlich nie reichen. Stattdessen schließen diese Kämpfer gegen die kapitalistische Pleite auf ein dem System zugrunde liegendes „monetäres“ Missverhältnis. Das wollen sie durch Lohnkampf der Gewerkschaften wieder ins richtige Gleichgewicht gebracht sehen – so wollen Linke am Ende den Kapitalismus vor der „Raffgier“ der Finanzkapitalisten retten.
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Kann gar nicht oft genug gesagt werden
Warum Lohnsteigerungen nicht möglich sind
„Selbst im Aufschwung steigen die Verdienste der Arbeitnehmer kaum – diesen Eindruck vermittelt die jüngste Meldung aus dem Statistischen Bundesamt. Zwar haben die Statistiker seltsam gerechnet, doch von der Tendenz her stimmt die Aussage. Die jahrelange Lohnzurückhaltung war schmerzhaft, doch hat sie geholfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Auch deshalb ist Deutschland so überraschend gut durch die Rezession gekommen. Nun beginnen die Tariflöhne stärker zu steigen. Die jüngsten Abschlüsse für die Chemie und den Bau legen die Latte für andere Branchen hoch. Die Arbeitnehmer wollen am Aufschwung, der den Unternehmen Rekordgewinne und der Börse Kursrekorde beschert, angemessen beteiligt werden. Zugleich aber blickt die Europäische Zentralbank argwöhnisch auf die Lohnentwicklung. Je höher die Inflation klettert – aktuell auf 2,8 Prozent –, desto entschlossener muss sie einschreiten, um eine Lohn-Preis-Spirale schon im Ansatz zu stoppen. Verfestigt sich die Inflation, würden darunter alle leiden, gerade die Bezieher kleinerer Einkommen. Deshalb ist es richtig, den Spielraum für Lohnerhöhung auch im Aufschwung weiterhin maßvoll zu nutzen.“ (Plickert, FAZ 30.4.11)
Wirtschaftsexperten wie Herr Plickert von der FAZ warnen jahrein jahraus davor, dass Arbeitnehmer auf die abstruse Idee verfallen könnten, ihr Einkommen in Tarifauseinandersetzungen aufzubessern. Das geht nämlich nicht, weil es der Wirtschaft schadet, die in jeder Konjunkturphase niedrige Lohnkosten braucht, um erfolgreich zu sein. Und wenn Lohnerhöhungen der Wirtschaft schaden, von der sie als Lohnabhängige nun mal abhängen, dann schaden sie eben auch sich selbst. Dass sie sich mit höheren Löhnen mal ein bißchen was leisten können und ein wenig entschädigt werden für vorausgegangene Strapazen am Arbeitsplatz oder für steigende Lebensmittelpreise, zählt nichts, ist bloße Augenwischerei. Höhere Löhne schaden dem Arbeitgeber, könnten also den eigenen Arbeitsplatz gefährden. Höhere Löhne „zwingen“ Unternehmen zu Preissteigerungen und könnten dadurch wieder zunichte gemacht werden. Mit welchem „Argument“ auch immer – Wirtschaftsexperten wie Herr Plickert verstehen es, mittels ihrer „ökonomischen Vernunft“ nachzuweisen, dass Arbeiter zurückzustehen haben und vorsichtig sein sollten beim Versuch, am Erfolg ihrer Arbeitgeber „angemessen beteiligt“ zu werden. Auf ihre verschwiemelte Art sprechen sie damit aus, wie verrückt und gemein die Erfolgslogik der Marktwirtschaft ist, deren Vernünftigkeit sie predigen: Deren Reichtum beruht eben auf der produktiv gemachten Armut der Arbeitenden. Man sollte sie einfach beim Wort nehmen: In diesem System gibt es für Arbeiter nichts zu holen, in keiner Konjunkturphase. Dieses System muss also weg. Die Plickerts und ihre Tiraden wäre man dann auch los.
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„Merckle und der Sittenverfall“
Wie ein angesehener Unternehmer zum Buhmann der Nation wird
Ein gewisser A. Merckle, 1967 angetreten mit einem geerbten Betrieb mit 4 Mio. DM Jahresumsatz, Anfang November 2008 angeblich noch im Besitz eines Vermögens von über 12 Mrd. Euro, verliert bei Spekulationen auf den Fall der VW-Aktie eine runde Mrd. Euro. Daraufhin beantragt er für sich und sein Firmenimperium (Ratiopharm, Heidelberg-Cement u. a.) eine staatliche Bürgschaft.
Eine Nachricht, bei der die WAZ den Untergang Deutschlands kommen sieht:
„Dem Oberschwaben war das Unternehmertum … nicht genug. … Wie sonst kann ein Unternehmer an der Börse mal eben mit so viel Geld … spekulieren, dass am Ende ein Verlust von einer geschätzten Milliarde steht? Als wäre dieser Vorgang nicht unglaublich genug, hat Herr Merckle noch die Traute, … um eine Bürgschaft nachzusuchen. Dieser rapide Sittenverfall in der deutschen Wirtschaft … Wenn Zocker sich auf Notlagen berufen können, dann ist Deutschland ein Sterbefall.“ (WAZ-Kommentar vom 19.11.2008)
Schön, wie einmal konkret vorgeführt wird, wo die Gier losgeht und somit der Spaß aufhört. Denn hier haben wir endlich einen von diesen Typen am Schlafittchen (wenn schon nicht wirklich, dann zumindest in der Einbildung), die den Hals nicht voll kriegen können. Völlig unverständlicherweise spekulieren sie an der Börse – „mit so viel Geld“, statt wie bei Investoren üblich mit möglichst wenig –, und das geht dann noch schief – „unglaublich“! Aber damit nicht genug: Dieser Kerl traut sich sogar, Staatsknete zu beantragen, macht also letztlich uns alle für die bösen Folgen seiner Charakterschwäche haftbar.
Anlässlich einer misslungenen Spekulation zeichnet die WAZ ein (Sitten)Bild, welches den kapitalistischen Hauptzweck, aus Geld mehr Geld zu machen, als völlig unbegreiflichen Irrsinn und Sittenverfall darstellt: Ein – eigentlich ehrbarer, Arbeitsplätze (!!!) schaffender – deutscher „Unternehmer“, der schon „genug“ hat, spekuliert an der Börse – das darf doch wohl nicht wahr sein! Man möchte fragen, was denn sonst Sinn und Zweck dieser Institute sein könnte. Und weiter, wozu der Geldreichtum der „Vermögenden“ da ist, wenn nicht zu weiterer Vermehrung. Seit wann ist Rendite eine Schande, seit wann Wachstum sittenwidrig, seit wann der DAX Teufelswerk? Das alles weiß natürlich auch die WAZ, die in ihrem Wirtschaftsteil sonst und in besseren Zeiten gerne das eine oder andere „Kursfeuerwerk“ feiert. Nur jetzt, wo es allgemein und flächendeckend mit der Reichtumsvermehrung nicht so besonders klappt, und getrieben vom Bedürfnis, auf dieses System von Geld und mehr Geld nichts kommen zu lassen, erfindet sie als Grund allen Übels den verdorbenen Charakter und den „Sittenverfall in der deutschen Wirtschaft“.
Dabei könnte alles so schön sein: Wenn „Unternehmer“ „genug“ hätten an dem, was ihr „Unternehmertum“ abwirft – z. B. 12 Mrd. im Laufe dieses einen Kapitalistenlebens –, dann ginge das soweit in Ordnung. An der Börse haben sie eigentlich nichts verloren; auf jeden Fall dürfen sie dort nichts verlieren, und so „mal eben“ geht erst recht nichts!
Schwer unbeliebt machen sich solche Typen, Inhaber eines „Bundesverdienstkreuz Erster Klasse“, offenbar erst dann, wenn die Vermehrung ihres Reichtums schiefgeht und sie statt eines satten Plus nur Miese verbuchen können. Und so einer traut sich auch noch, „um eine Bürgschaft nachzusuchen“. – Wieso eigentlich nicht? So einer hat sich schließlich sein Lebtag lang daran gewöhnt, dass ihm alles hierzulande – Land und Leute eben! – als Mittel seines Privateigentums zur Verfügung steht!
Wer nun allerdings aus der WAZ-Redaktion den Ruf nach Schließung aller Börsen erwartet oder zumindest einen Antrag auf ein dortiges Hausverbot für „Zocker“ wie Merckle, Wiedekind & Co., der sieht sich enttäuscht. Ungerührt druckt die WAZ weiterhin den Kursteil ab. Tag für Tag bringt sie die Zahlenreihen und dokumentiert den tagesaktuellen Stand der Spekulation. Und auch sonst ist zu notieren, dass die Merckleschen Verluste mitnichten dessen Privatangelegenheit sind. Denn das – nun teilweise nicht mehr vorhandene – Vermögen der Nummer „vier auf der Liste der reichsten Deutschen“ findet sich in den Bilanzen verschiedener Banken, die nun bzw. jetzt erst recht „ein Problem“ haben. Die Sache mit der Bürgschaft scheint zwar einstweilen vom Tisch zu sein, aber:
„Mit dem großen Schluck (gemeint sind die staatlichen Finanzhilfen für die Banken) könnte am Ende indirekt auch Merckle versorgt werden – denn auch er dürfte wohl eines der Risiken sein, auf die sich die LBBW (Landesbank Baden-Württemberg) künftig einstellen muss.“ (SZ 20.11.2008)
Am nächsten Tag:
„Die … LBBW erhält von ihren Eigentümern im kommenden Jahr insgesamt fünf Milliarden Euro an frischem Kapital, teilte die Bank am Freitag in Stuttgart mit. Daneben prüfe das Institut auch, Kreditgarantien von 15 bis 20 Milliarden Euro in Anspruch zu nehmen.“ (Spiegel Online 21.11.2008)
Insgesamt also ein schönes Beispiel für eine gelungene Arbeitsteilung. Unter Anleitung der WAZ darf und soll das Volk schimpfen über unsittliche Typen, die unser aller Wachstum und Schlimmeres verzocken. Die freie Presse präsentiert den Opfern Schuldige für den sicher eintretenden Schaden; dies ihre Zuständigkeit, die sie mit dem dafür offenbar notwendigen Maß an Dummheit und Ignoranz wahrnimmt.
Andere, deren Zuständigkeit in der Sicherstellung des Funktionierens dieses Ladens liegt, retten unterdessen das derart reingewaschene Finanzsystem mitsamt den dazugehörigen Finanzartisten.
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Die WAZ – darin zunächst einig mit der gesamten bundesdeutschen Öffentlichkeit – bringt also eine völlig irreführende Unterscheidung von ehrbaren Unternehmern einerseits und gemeingefährlichen Hasardeuren andererseits in Umlauf. Diese Vorstellung, früher schon einmal verbreitet unter den Namen „schaffendes“ bzw. „raffendes“ Kapital, wird nicht nur von den politischen Instanzen zurechtgerückt, die in ihren Rettungsmaßnahmen klarstellen, wie unverzichtbar das spekulative Gewerbe für sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten ist. Und da haben sie nun einmal recht.
Nicht bloß, weil industrielle Kapitalisten, Händler, Dienstleister usw. für den laufenden Betrieb und für die Erweiterung ihrer Geschäfte einen kontinuierlichen Zustrom an Kredit brauchen. Der wird bekanntlich von Banken und anderen Finanzinstituten „bereitgestellt“. Sofern sie dazu in der Lage sind – und dies ist in erster Linie eine Frage der Kapitalgröße, zu der sie es mit ihrem Unternehmen bereits gebracht haben – bedienen sie sich selbst umgekehrt aller ausgefeilten Techniken des Finanzgewerbes. Selbstverständlich nutzen sie die Möglichkeiten, unmittelbar aus Geld mehr Geld zu machen; sie beteiligen sich für den Bereicherungszweck, den sie von Haus aus verfolgen, an sämtlichen Varianten von Geldgeschäften – angefangen bei Zinsanlagen bis hin zum Handel mit Optionen u. a. So kommt es vor, dass die „Finanzabteilung“ eines Konzerns einen Gewinn einfährt, der womöglich den aus Produktion und Verkauf erzielten Jahresumsatz übersteigt. Im ungünstigen Fall wird das „operative Ergebnis“ und mehr verspielt. Hinterher weiß man dann immer, ob hier ein „Finanzgenie“ oder ein Raffzahn am Werk war.
Daher, wegen der Gewinne, die die produzierende und handeltreibende Abteilung der Wirtschaft am Finanzmarkt einstreichen konnten, sehen sich Teile der hiesigen Presse zu einer Rückrufaktion veranlasst: „Waghalsige Finanzierungen“ sind nun einmal ein bewährtes Mittel des allseits begehrten Wirtschaftswachstums, dürfen also nicht in Misskredit gebracht werden, auch wenn sie aktuell eher ins Gegenteil ausarten. Deswegen steht für aufrechte journalistische Aufklärer die Ehrenrettung des Herrn M. an.
Dafür genügt offenbar der reichlich schwachsinnige Hinweis, dass er heute nichts anderes getrieben hat als schon immer. Denn eine solch rasante Vermögensvermehrung kann nicht durch ehrliche Ausbeutung, also durch reichliche Anwendung von Arbeit bei sparsamer Bezahlung der Belegschaft, zustande gekommen sein –
„… mit Sparen (!) kommt man nicht auf ein Vermögen von neun Milliarden Euro.“ (Welt Online 03.12.2008)
Sondern nur durch erfolgreiche Spekulation in großem Maßstab –
„ … seine Unternehmensgruppe …, die er teilweise mit waghalsigen Finanzierungen aufgebaut hat.“ (ebd.)
Ja dann. Wenn sowieso ein Gutteil seines Vermögens zusammenspekuliert ist – da kann man dem Mann doch unmöglich einen Vorwurf machen, wenn er gerade mal größer was in den Sand gesetzt hat.
Er hat eben das getan, was speziell den Unternehmerstand auszeichnet: Er hat „riskiert“, und das ist gut und nicht schlecht:
„Risiko ist einer der wichtigsten Antriebsmotoren des Kapitalismus und zugleich sein heftigstes Korrektivinstrument. Wer zu viel wagt, wird überproportional bestraft.“ (Welt Online 03.12.2008)
„Jetzt wird der bibelfeste Schwabe völlig zu Unrecht verspottet.“ (ebd.)
Das musste auch mal gesagt werden …
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Man sieht, welch schweres und komplizierte Geschäft die Vortänzer der herrschenden Meinung betreiben. In der Absicht, unsere wunderbare Art der Reichtumsproduktion abzutrennen von ihren selbstzerstörerischen Konsequenzen, wird ein regelrechtes Feindbild erzeugt und genüsslich ausgemalt. Wenn das Kapital in der Krise ist, dann kann das unmöglich am Kapital liegen, sondern an Versagern und charakterlichen Nieten.
Daraufhin melden sich andere kritische Geister zu Wort, denen auffällt, dass eine solche Trennung gar nicht machbar ist. Sie denken in etwa so:
„Ihr habt die Absicht, bei allen Widrigkeiten unser prima System vor möglichen Anfeindungen in Schutz zu nehmen. Das geht in Ordnung. Ihr müsst aber aufpassen. Wenn ihr Spekulanten schlecht macht, dann damit ja auch die Spekulation, und das darf nicht sein! Die ist nämlich auf keinen Fall verurteilenswert, sondern völlig normal, weil sie einfach zum System dazugehört!“
Kritik in „schweren Zeiten“!
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Merkel bei Opel in Rüsselsheim:
„Angie, lass uns nicht im Stich!“
Tja, liebe Opelanerinnen und Opelaner,
jetzt ist sie also gekommen, die Kanzlerin, zu euch nach Rüsselsheim. Angeblich habt ihr ja sogar gedroht, sie auszupfeifen, sie selber hat zu Beginn ihrer Rede ja gesagt, dass „es ziemlich feige gewesen wäre“, wenn sie nicht hier aufkreuzen würde. Wieso eigentlich feige? Klar, eure Lage ist wirklich beschissen – euer Arbeitgeber, General Motors bzw. Opel, ist einer der weltweit größten Krisenfälle, ein de facto bankrotter Weltkonzern, keiner von euch weiß, ob er in der nächsten Zukunft bei Opel überhaupt noch arbeiten darf, gerade hat der neue Ami-Präsident den Sanierungsplan von GM komplett abgelehnt, in 60 Tagen muss ein neuer vorliegen, der ausdrücklich die komplette Insolvenz des Gesamtkonzerns als eine Option enthalten soll, usw. usf. Aber seit wann bringt so eine Aussicht auf Verelendung eine deutsche Kanzlerin in die Bredouille?
Immerhin habt ihr ja im Vorfeld des Besuchs mehr als deutlich gemacht, dass es euch ausschließlich um irgendwie „belastbare Zusagen“ für den Erhalt eurer Arbeitsplätze geht. Und wenn wir nicht vollkommen schief liegen, dann hat schon auch die oberste Standortverwalterin einiges dafür übrig, dass in Deutschland möglichst viel gearbeitet wird – natürlich zu weltrekordfähigen Bedingungen: möglichst intensiv, effektiv und billig, damit an den Plätzen, auf denen ihr arbeitet, Geldeigentümer wieder so richtig ihre Freude haben. Dann ist eine Firma wie Opel gut „für die Zukunft gerüstet“, wie euch die Kanzlerin ungefähr fünfmal gesagt hat. Aber wem sagt sie das eigentlich? Ihr Opelaner habt aus den vergangenen Nötigungen des Managements in Sachen Lohn und Leistung auch nur den einen Schluss ziehen wollen, dass Lohnarbeiten bei Opel buchstäblich zu jedem Preis eure Zukunft sein soll.
Deswegen findet ihr es wohl schon spitze, dass Angie und ihre hessisch-pfälzisch-nordrheinischen Kollegen alles
„versuchen und daransetzen, einen Investor zu finden, der natürlich mit staatlicher Unterstützung – ich sage das ausdrücklich zu; wir haben dafür die Instrumente – eine langfristige Basis aufbaut und an Opel glaubt.“
An Opel „glaubt“ zwar gerade gar keiner der Investoren von GM und Opel, die haben sich gerade von diesem Konzern etwas abgewendet und sich in einer etwas zurückliegenden Zeit eine goldene Nase mit eurem Autobauen verdient. Aber ein bisschen demonstrativer Optimismus der politischen Führung kann euch ja nicht schaden, und wer weiß? Vielleicht finden sich ja wieder ein paar Anleger oder Konzerne, die die Opelfabriken ordentlich ausschlachten und aus einem Teil von euch Opelanern mal wieder ordentlich Profit herausschlagen wollen? Denn eines muss die liebe Kanzlerin euch schon sagen: Lohnen müssen sich die feinen Arbeitsplätze fürderhin schon, wenn es sie denn weiter geben soll. Der deutsche Staat übernimmt nämlich nicht einfach den ganzen Laden mal selber und zahlt für ihn, ohne dass daraus wieder ein Bombengeschäft auf deutschem Boden wird:
„Denn bei aller Liebe für das, was der Staat tun kann; Der tollste und beste Unternehmer war er noch nie.“
Aber als altgediente Rüsselsheimer Bandarbeiter seid ihr wahrscheinlich eh Realisten und habt euch abgeschminkt, dass eine ewige Staatsbeteiligung ohne Gewinnaussichten nicht in die Tüte kommt. Deswegen seid ihr wohl schon froh, dass euch die Kanzlerin verspricht, mit dem neuen Investor
„leidenschaftlich und hart dafür zu arbeiten, um ein Opel Europa zu kreieren; ein Opel Europa, das für die Zukunft gerüstet ist und das an die 110-jährige Tradition des Unternehmens anknüpft, das auf der Leidenschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich heute kennenlernen konnte, aufbaut und das die ganze Unterstützung der Politik in Deutschland hat.“
Merkel will Opel in Deutschland oder Europa neu aufstellen und haut ganz schön aufs Blech dafür, dass Opel immer noch zu 100% GM gehört. Aber euch gefällt das vermutlich, weil ihr diesem Staatsprojekt der Abtrennung Opels von GM noch eine hoffnungsvolle Perspektive abgewinnen wollt, geradeso, als ob einem deutschen Arbeiter irgendwie geholfen wäre, wenn er in Zukunft dieselben geschäftlichen Kalkulationen von deutschen Kapitalisten ausbaden darf! Wie kommt ihr eigentlich auf diese Schnapsidee? Etwa weil ihr euch als altgediente Rüsselsheimer Bandarbeiter über drei Generationen angewöhnt habt, alle Zumutungen der deutschen Firma von Kurzarbeit, Entlassung bis Lohnsenkung immer als Unfähigkeit der amerikanischen Zentrale in Detroit zu deuten? Weil ihr stolz darauf seid, bei einem guten deutschen Unternehmen zu arbeiten? Immerhin habt ihr euch von der Kanzlerin ja auch als „Mitarbeiter“ anreden lassen, die voller „Leidenschaft“ zu ihrem Unternehmen stehen, offensichtlich zu Recht. Denn zu allem Überfluss habt ihr euch frühmorgens vor der Rede Merkels auch noch quietschgelbe T-Shirts überstreifen lassen: „Wir sind Opel“ stand drauf, womit ihr nochmals überdeutlich darauf hinweisen wolltet, dass zwischen eure Interessen und die eurer Firma kein Blatt passt und ihr schon deswegen von Merkel die Rettung eures Betriebs wirklich verdient hättet. Ihr wollt Opel sein, in Treue fest zu eurer guten deutschen Firma stehen, die euch für die aussichtsreiche Spekulation auf Gewinn aus eurer Arbeit schuften lässt – oder eben auch nicht!
Wer so bedingungslos dienstbereit und antiamerikanisch drauf ist, dem geht es wohl auch wie Öl runter, wenn die Kanzlerin Selbstbewusstseinund Verhandlungsgeschick als deutsche Politikerin demonstriert. Für ein erfolgversprechendes „Opel Europa“ wird sie noch
„hart verhandeln müssen, aber wo ist das nicht so? Ich sage, wir können das, nicht nur die andern.“
Ziemlich frech hält sie es schon für ein großes deutsches Zugeständnis, dass „wir“ mit den Amerikanern „eine große gemeinsame Anstrengung“ unternehmen, aus Opel ein zukunftsträchtiges Unternehmen zu machen, und nicht einfach auf eigene Faust agieren. Daraus leitet sie auch noch ab, dass
„auf der anderen Seite natürlich auch GM seinen Beitrag leisten muss.“
– zahlen sollen die Amis an „uns“ für ihr deutsch-europäisches Rettungsprogramm – „wir“ sagen nur „Patententgelte“ und so.
„Habt ihr also verstanden“, werte Opelaner? Das ist die Hilfe, die ein politischer Vorstand seinen nationalen Untertanen in Not anzubieten hat. Er verspricht ihnen den erfolgreichen Einsatz deutscher Macht. Angie will nur noch ‚auf Augenhöhe’ mit dem Ami-Präsidenten über internationale Krisenaffären zu verhandeln; Opel soll zu einem deutsch-europäischen Erfolgskonzern geschmiedet werden usw. usf. Ob das alles realistisch ist oder nicht, ist scheißegal, jedenfalls soll es euch beeindrucken, ihr sollt dazu Zutrauen fassen, damit sie und die jetzigen oder neuen Herren von Opel ungestört ihren Kalkulationen mit eurer Arbeit, soweit sie (noch) verlangt wird, nachgehen können. Und leider haben wir den begründeten Verdacht, dass das bei euch auch ungefähr so ankommt. Ihr habt die Merkel ja noch nicht einmal ausgepfiffen, geschweige hinausgeworfen, sondern sie von eurem Fließband herunter mit mehr als höflichem Beifall bedacht und brav eure Transparente „Angie, lass uns nicht im Stich!“ hochgehalten. Kein Wunder, dass sich eine Kanzlerin dann auch noch traut, euch diese etwas höhere, ehrenvollere, also nationale Perspektive ganz offensiv anzutragen:
„Deshalb – das hat jetzt nicht nur mit Opel und General Motors zu tun, sondern mit der gesamten Wirtschaftskrise, die wir gerade durchleben – sage ich auch: In dieser Wirtschaftskrise werden die Karten neu gemischt; es wird derjenige vorne dran sein, der in einer solchen krisenhaften Situation absolut auf Innovation und Zukunft setzt. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass wir zum Schluss bei denen dabei sind. Wenn ich ‚wir’ sage, dann ist das Opel, aber dann ist das auch ganz Deutschland und es sind diejenigen, die in dieser Krise Zukunft gestalten und die ihr Geld so einsetzen, dass wir daraus etwas für die Zukunft machen.“
Heitere Aussichten für euch Belegschaften hier und anderswo. Eure Regierenden tun alles, damit sich die Unternehmen wieder als Geldquelle für internationale private Spekulanten bewähren. Und dafür sind eure Verzichtsleistungen – ob ihr demnächst für Opel noch arbeiten dürft oder nicht – fest verplant als Trumpfkarte, mit der Deutschland die anderen Nationen ausstechen will. Ihr seid die Manövriermasse, ihr werdet als Bataillone im Kampf der Nationen um das Geld der Welt losgeschickt, wenn Frau Merkel so „leidenschaftlich und hart daran arbeitet, etwas Vernünftiges für die Zukunft hinzubekommen.“ Angesichts dessen ein weitblickender und schöner Zug von der Kanzlerin, mit den zukünftigen Opfern von Pleiten in größtem Stil, die nach ihrer Ansicht natürlich anderswo passieren sollen, schon mal mitzufühlen:
„Ich fühle natürlich mit den amerikanischen Kollegen; das geht Ihnen sicherlich genauso.“
Klar, Solidarität muss sein,
„wir leben ja nicht in einer gespaltenen Welt.“
So langsam haben wir jedenfalls verstanden, warum Merkel sogar „besonders gerne hier“ bei euch in Rüsselsheim gewesen ist, wie sie gesagt hat: Wann hat man als Kanzlerin schon eine so schöne Gelegenheit, alle Fehler nationalistisch verdorbener Arbeiter zu bedienen, sie für die nationale Krisenpolitik zu vereinnahmen und sich damit als führungsfähige Kanzlerkandidatin in Krisenzeiten zu präsentieren? |