Wettbieten an der BaFöG-Börse

„Fünfhundert Eier sofort!“

MSZ-Gespräch mit dem 1.Vorsitzenden des AStA der LMU, Franz Knapstein (LFB/RZ)


Wer den Wahlkampf an der LMU verfolgt, stößt auf ein spannendes Bieten an der Bafög-Börse: im Stile einer Auktion schallt's aus dem Blätterwald: 500! 600! 800! Wer bietet mehr. Die Jungs von der gewerkschaftlichen Orientierung (die msb-brothers & SHB) haben sich auf 500,- festgeboten, keinen Pfennig weniger und keinen mehr; scharf verwahren sie sich gegen das 600,- Gebot vom RCDS: „Der RCDS fordert uns das Blaue im Himmel herunter.“ (alle Zitate aus „unireport“ Dez. 1973 S. 1) Warum der MSB gerade auf das halbe Tausend kommt teilt er uns auch mit: .,Der MSB Spartakus unterstützt voll die Forderung des vds.“ Warum der vds akkurat DM 500,- fordert erfahren wir auch: „Die soziale Lage der Studenten hat sich in letzten Jahren rapide verschlechtert: Wer 1971 420,- Bafög erhielt, erhält vorausgesetzt sein Vater ist Rentner oder verdient aus irgendeinem anderen Grund nicht mehr als 1969, heute noch ganze 340,-. . “ Wer lebt heutzutage schon noch von weniger als DM 340,- in der BRD und Westberlin? Laut statistischem Jahrbuch der Bundesregierung niemand.

Fürwahr ein skandalöser Zustand. Was Wunder wenn „Viele Studenten sich fragen: was macht eigentlich unser AStA gegen die Bafög-Entwertung …“ Obwohl uns bislang noch kein Student gefragt hat, weiß der MSB schon die Antwort, die wir parat hätten, wenn einer uns fragen würde: „Die Fertl- und Konsorten haben bisher nur zynisch auf Anträge zum Sozialkampf, auf die Forderung vieler Studenten reagiert.“ Der MSB weiß auch, warum wir nur zynisch reagieren: „Weil sich die AK die Finger für unser Geld nicht schmutzig machen will, hat sie doch selbst genug davon!“ Aha, der Spartakus hat es endlich rausgekriegt, Warum der AK-AStA keine Sozialkampagne macht: die AK-Genossen lösen ihre finanziellen Probleme durch den Griff in (die Tasche der Kommilitonen. Darauf ist bislang nicht einmal der RCDS gekommen. Für den MSB bleibt nur noch diese eine Erklärung übrig. Wie kann es sonst geschehen, daß „diese Politik der AK, die sie unweigerlich von den Studenten isoliert.. “ sich immer noch und, allem Anschein nach erfolgreich halten kann: da muß Diebstahl im Spiel sein!

Das MSZ-Kollektiv wollte der Sache auf den Grund gehen. Wir fragten den AStA-Vorsitzenden Franz Knapstein (LFB/RZ):

MSZ-Kollektiv: Genosse Knapstein, im „unireport“ haben wir gelesen, daß dir das Geld der Kommilitonen wurscht ist, weil du genug davon hast. Wie bist du dazu gekommen?

Knapstein: Ich bin Bafög-Empfänger. (Eine enttäuschende Antwort, müssen wir hier feststellen. Doch wir bohren nach:)

MSZ-Kollektiv: Genosse Knapstein, du bist Bafög-Empfänger, also geht es dir dreckig. Der Spartakus verspricht dir 500,-, also 80,- mehr als bisher. Was hältst du davon?

Knapstein: Der RCDS bietet mir 600,- Bafög!

MSZ-Kollektiv: Warum, Genosse Knapstein, gehst du nicht zum RCDS?

Knapstein: Weil eine solche Politik borniert ist. In eine kapitalistischen Gesellschaft melden die rivalisierenden Interessengruppen ihre Forderungen an den Staat an. Dies geschieht in der Form der Konkurrenz. Dem Staat kommt die Aufgabe zu, durch einen Ausgleich dieser Interessen die Grundlagen des Kapitalisimus zu erhalten. Die staatlichen Ausgaben für Bildung sind nur ein Bereich der Staatsausgaben: der Staat kann nicht einseitig diesen Bereich fördern, ohne die Grundlagen des ökonomischen Systems zu zerstören. Da der Staat aber ein bürgerlicher Staat ist, also gerade den .Ausgleich der konkurrierenden Interessen zu gewährleisten hat, ist ihm die Erfüllung einer Forderung wie „runter mit der Rüstung, rauf mit der Bildung!” gleichbedeutend mit der Aufgabe seiner Grundlagen. Rüstung gehört nun mal zu einer kapitalistischen Gesellschaft. Wer sie abschaffen will, muß das ganze System abschaffen, wer sie kritisieren will, muß das ganze System kritisieren; daß das Studenten nicht können, erweist die marxistische Analyse des Kapitalverhältnisses. Sozialistische Politik kann gerade nicht die Vertretung der kapitalistisch produzierten Interessen zu ihrem Inhalt haben, sonst ist sie keine sozialistische Politik, sondern bürgerliche, wie sie die diversen Parteien und Interessenvertreter machen.

Die Antwort des AStA-Vorsitzenden läßt uns nicht ruhen, wir fragen weiter.

MSZ-Kollektiv: Genosse Knapstein, du sagst, Interessenvertretung hat nichts zu tun mit sozialistischer Politik. Nun sagt aber der Spartakus, er sei auch eine sozialistische Organisation?

Knapstein: Das kann nicht sein. Wenn doch, ist es Blödsinn.

Nach dieser typisch elitären Antwort eines AK-lers verabschiedete sich Genosse Knapstein. Er mußte zu einem jener Sympathisantenplena der Roten Zellen/AK, deren wachsende Zahl ein typisches Indiz für die „Isolierung der AK von den Studenten“ ist. Wir können ihm nur noch nachrufen: „Genosse Knapstein, wir danken dir für dieses Gespräch!“

Berichtigung zu „unireport“ Dez. 1973

Auf Seite 4 heißt es:
„Diesen Kampf zu führen blieb an der Phil. Fak. I der vom MSB Spartakus getragenen Fachschaft Geschichte überlassen.“

Stattdessen muß es heißen:
„Diesen Kampf zu führen blieb an der Phil. Fak. I der vom MSB Spartakus getragenen Fachschft Geschichte bis zum 21. November überlassen. An diesem Tag wählten die Geschichtsstudenten mit 130:61 Stimmen die Spartakus-Fachschaft ab und wählten die Kandidaten der Roten Zelle Geschichte/AK, die diesen Kampf als Krampf kritisiert hatte.“

 

aus: MüSZ 9 – 1973

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