Hans Maier vor dem Bayrischen Landtag

Auf den Spuren eines Hochschulgesetzes


Die merkwürdige Hast, mit der der Bayerische Landtag sich des BHGs noch Ende November annahm (und nicht wie ursprünglich beabsichtigt, erst Mitte Dezember), läßt den Schluß zu, daß Maier in den letzten Wochen Alpträume geplagt haben müssen. Träume in denen während des Konventswahlkampfes an der LMU, permanent über das Hochschulgesetz diskutiert wird – ein Wahlsieg der Linken schien ihm unumgänglich. Da der Staatsminister seinen Schlaf aber braucht, beschloß die CSU – ebenfalls übernächtigt – einfach die Verabschiedung des Gesetzes vorzuziehen, wohl in der Hoffnung, damit den Gegenstand des Konventswahlkampfes eliminieren zu können. Überdies schien man ohnehin die Schnauze voll zu haben von all diesen langwierigen Ausschußberatungen.

Während der Verabschiedung ging der Kampf gegen das BHG weiter


Trotz wohlgemeinter Ratschläge in den Ausschüssen, stand am Mittwoch, dem 28. November, Maiers Versuch der Hochschulreform – das BHG – zur .Verabschiedung. An den wesentlichen Bestimmungen, die dieses Gesetz von Beginn an auszeichneten - seinen vier Spitzen – hatte sich nichts geändert. Es war also der große Tag für den Staatsminister für Unterricht und Kultus, der der Bedeutung dieses Novembermittwochs noch durch ein starkes Polizeiaufgebot rund um das Maximilianeum den gebührenden Ausdruck verlieh: ein für dieses Gesetz würdiger Rahmen. Die Opposition war verbittert. Die FDP beklagte, daß hinter der/ überstürzten Verabschiedung des BHG „Methode stecken“ müßte. Die SPD nahm u. a. diesen Umstand zum Anlaß, sich einmal über das Parlament ganz generell Gedanken zu machen:

„An dieser Stelle muß einmal auch mit der Legende vom wirkungsvollen Funktionieren des Parlaments aufgeräumt werden.“ (J. Böddrich)


Maier und Habermas

Aufgeräumt war allein der Staatsminister, Hans Maier. Unbeschadet der Anwürfe sowohl gegen die Form der Verabschiedung, als auch gegen den Inhalt seines Gesetzes, erzählte er dem leicht ermüdet scheinenden Plenum alles, wovon er glaubte, es gehöre zum Gesetz selber, oder auch nur zu seinem Umkreis: er kenne Herrn Habermas sehr gut, lasse sich aber nicht gleich in die hermeneutische Ecke drängen, außerdem wären die Hochschulen nicht die geistigen Statthalter der Revolution, und überhaupt habe er die Bekanntschaft von früheren AStA-Vorsitzenden gemacht, die immer noch an der Universität studieren würden. Soweit das wesentlichste zum Umkreis des Gesetzes. Doch Maier nahm auch Stellung zum Gesetz. selber. Die Aufgabe eines Hochschulgesetzes sieht er darin, daß man ein „waches Gespür“ zu entwickeln habe,

„wo wir die Grenzen ziehen müssen, um die Freiheit und Pluralität der Wissenschaft zu sichern.“ (Maier am 24. 10. 72)

Diesem Gespür, das den Rahmen des Gesetzes festlegen. soll, ist jedoch noch ein weiteres Spüren vorausgesetzt:

„Ich spüre, daß das Gesetz zur richtigen Zeit kommt.“ (Maier am 28. 11. 73)

Maier ist diesem innerlichen Drängen gefolgt: das BHG ist verabschiedet – der Staatsminister erleichtert. Flüssig und nicht ohne den Anflug von Humor ließ er sich zu einigen Begründungen der vier Spitzen seines Gesetzes herab. In der ihm eigenen Logik verteidigte er seine, bei der SPD unbeliebte Entscheidung gegen die integrierte Gesamthochschule:

„Sie gehen von der Theorie aus, aber ich überlege mir, was geschieht, wenn in ganz Bayern integrierte Gesamthochschulen entstehen würden.“ (Maier am 28. 11.)

Das Hinreißende an dieser Begründung liegt in der Tatsache, daß Maier seinen Überlegungen den Status einer theoretischen Leistung abspricht. Dies ist nur folgerichtig: denn waren die Grundlage, wie die Aufgabe des BHG auf Gespür gegründet, so können auch die einzelnen Entscheidungen des Gesetzes nicht auf theoretischen Leistungen basieren – man muß sowas eben spüren.


Die Frage der Parität als sinnverstehendes Problem

Der Bericht über diese Vorstellung des Staatsministers könnte an diesem Punkt abgeschlossen werden -- es handelte sich offensichtlich um die gewohnte Argumentation -- wäre da nicht noch ein Höhepunkt gewesen. Der Kultusminister wich von seinem gewohnten Konzept ab und begann, wie aus heiterem Himmel, den Mitbestimmungsschlüssel, der eine übergroße Mehrheit der Professoren vorsieht, zu begründen.: „Habermas ist auch für ein Kompetenzgefälle”. Abgeordnete erhoben staunend das Deputiertenhaupt. Sie erinnerten sich dunkel an den Namen Habermas und recht lebhaft daran, daß Maier sich noch vor wenigen Minuten von jedem Verdacht, etwas mit Hermeneutik zu tun zu haben, freigesprochen hatte. Man war gespannt. Doch der Kultusminister enttäuschte alle, die geglaubt hatten, er würde nun entwickeln, wie er zur 70-Prozent-Kompetenz der Ordinarien gekommen ist - und dies auch noch auf hermeneutisch. Der Minister beließ es bei der einfachen (und in dieser Einfachheit schlagenden) Wiederholung des ohnehin bekannten Mitbestimmungsschlüssels. Er muß ihn einst gespürt haben.

 

aus: MüSZ 9 – 1973

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