CSU-STUDENTEN, DARWIN UND DEMOKRATIE Im Kliniker-Info des RCDS. das an der Med. Fak. verteilt wurde, lesen wir zum Demokratieverständnis der CSU-Studenten folgendes: „Wir, die Menschen, sind weder edel, noch opfern wir in der Regel unseren Vorteil für eine Gemeinschaft oder für Ideen. Wir haben alle unseren eigenen Interessen, als Verbraucher, als Studenten, Arbeiter oder Händler. Und wir wollen unsere Ziele und Interessen durchsetzen. Das ist ganz natürlich, denn unser Motor ist nicht das Wohl des Staates, sondern unser eigener Vorteil, unser Besitz unsere persönliche Macht und ähnliches mehr. Nach diesem Verhaltensmuster unseren persönlichen Vorteil zu suchen, ist in einer Jahrtausende langen Evolution selektiert worden, und wir können heute nicht einfach über unser biologisches Erbe springen. weil die Philosophie es will." Da haben wir es: die Demokratie hat sich mitnichten historisch durchgesetzt in den bürgerlichen Revolutionen, geschweige denn hat sie etwas zu tun mit der Sphäre der Politik, nein, sie fällt in die Geschichte der Entstehung und Evolution der Menschenart, sie ist eigentlich ein biologisches Phänomen. Nicht daß der RCDS hier etwas neues entdeckt hätte: er hat nur knallhart ausgesprochen, worauf die bürgerliche Apologetik der bürgerlichen Gesellschaft allemal hinausläuft, ihre Begründung durch Natur, Weil die Menschen nun einmal so sind, wie sie sind, waren sie immer so und bleiben immer so. Darwins Gesetz von der Evolution der Arten, demzufolge Verhaltensweisen sich vererben und zu Mutationen führen, wird übertragen auf das Verhalten der Menschen, wobei diejenigen, die sich sonst zur Wahrung der geistigen Werte verpflichtet fühlen, schlicht unterschlagen, daß der Mensch nicht nur Natur, sondern auch Geist ist und das heißt, sein eigenes Produkt. Implizit spricht der RCDS dies auch aus, indem er die Menschen einteilt in Verbraucher, Studenten und Arbeiter oder Händler. Wodurch wird man jedoch zum Studenten oder zum Händler: durch die Jahrtausende lange Selektion? Wohl doch nicht, sondern vielmehr durch eine Gesellschaft, in der es die Funktionen des Studenten und Händlers gibt. Der RCDS gibt ebenfalls zu, daß diese Rollen die Individuen zwingen, sich in einer bestimmten Welse zu verhalten, nämlich aus der Rolle erwachsende Interessen selbstsüchtig durchzusetzen. Die Verkehrung, die dann eintritt, besteht darin, daß etwas produziertes, etwas gesellschaftliches, eigenes Produkt der Individuen, diesen als Natureigenschaft unterschoben wird. Was sich beim RCDS also scheinbar auf den berühmten gesunden Menschenverstand beruft, der Mensch sei eine Gattung, die auf Vorteil – und das ist gleich Besitz und persönliche Macht – aus ist, erweist sich als These, deren Widerlegung auf der Hand liegt, wenn plötzlich die Form, in der das selbstsüchtige Interesse auftritt, Naturanlage sein soll.
Diesen Einwand kann der RCDS aber im wahrsten Wortsinn nicht mehr hören, denn er ist schon längst zum Angriff auf die Gegenposition angetreten, der er allerdings etwas unterstellt, was sie gar nicht behauptet, sofern der Marxismus gemeint sein soll, und dieser ist wohl angesprochen: „Jede Staatsform, die vom altruistischen, idealen Menschen ausgeht, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Idee des Staates muß vom eigennützigen Menschen ausgehen …“ Das ist tatsächlich richtig und nicht nur für die Idee des Staates, sofern es sich um den bürgerlichen Staat handelt. und dieser ist beim RCDS ohnehin unterstellt als einzig möglicher wegen der biologischen Umstände. Man beachte den platten Zirkel der „Argumentation": ausgegangen wird vom bestehenden Zustand der Gesellschaft, dieser wird legitimiert durch die Biologie und daraus gefolgert, daß nur der bürgerliche – bestehende Staat sein darf. Was wie eine These aussieht. „die Idee des Staates muß vom eigennützigen Menschen ausgehen". ist eine Beobachtung: in der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder sich selbst Zweck (Hegel). Dies ist aber eine Bestimmung der bürgerlichen Gesellschaft und nicht eine des Menschen schlechthin. Die marxistische Theorie fordert nicht den „idealen Menschen" (was immer das sein mag, sondern die Überwindung einer Gesellschaft, in der die Individuen in der Verfolgung ihrer subjektiven Zwecke sich nur in der Form der Konkurrenz aufeinander beziehen und der gesellschaftliche Zweck immer nur als schlechte Allgemeinheit der selbstsüchtigen Interessen realisiert werden kann und somit eben nicht. Deshalb ist die Kritik der Marxisten eine an der Gesellschaft und nicht eine am Menschen, ihr Ziel ist eine andere Gesellschaft und nicht ein anderer Mensch. Übersetzt man daher, was der RCDS als Beschreibung liberaler Demokratie anführt: „Der liberalen Demokratie liegt eine Anthropologie zugrunde. die den Menschen so annimmt, wie er in Wirklichkeit ist …“ in das, was er wirklich aussagt, so muß er heißen: „Der liberalen Demokratie liegt eine bestimmte Gesellschaftsordnung zugrunde, die bürgerliche, in der wir leben ...“
Der Trick liegt darin, daß der RCDS, indem er seine Version aufstellt, jede Kritik an der Gesellschaft als eine am Menschen denunziert und den Kritikern unterstellen kann. ihnen schwebe keine andere Gesellschaft sondern ein anderer Mensch vor. Hier aber hakt die Prämisse des RCDS-Weltbildes wieder ein, daß die Bestimmungen des Menschen biologische sind und keine gesellschaftlichen. Wer also die Gesellschaft kritisiert, versündigt sich gegen die Natur – dies ist Resultat der „Logik" des Demokratiebegriffs der CSU-Studenten. ________________
RCDS: Demokratie ist, wenn der RCDS die Mehrheit hat!
Wir fragen uns nun allerdings, was der RCDS eigentlich unter der Demokratie versteht. die er allerorts besingt: Demokratie heißt doch für die Arbeit eines Parlaments. daß Anträge mit Mehrheit angenommen oder abgelehnt werden: in der Regel stimmt die Mehrheitsfraktion für ihre Anträge und gegen die der Opposition. Dieser kommt dann – will sie ihre Funktion wahrnehmen – die Aufgabe zu, die Politik der Mehrheit zu kritisieren und zu versuchen, bei den Wahlen für Ihre Politik eine Mehrheit zu finden. Anders dagegen der RCDS: ein Parlament, in dem er nicht die Mehrheit hat ist – eine „Marionette“. Man sollte sich ernsthaft überlegen. oh man diejenigen in den Konvent wählen kann, die ihn ohnehin nur für eine „Marionette“ halten? Daß der RCDS keinen Versuch unternimmt. unsere Politik zu kritisieren, beweist sein „Wahlmagazin“ Seite für Seite: statt Kritik triumphiert die Lüge; hierzu einige Beispiele: 1. „Versuch des RCDS, einen gemeinsamen Protest gegen den Entwurf des BHG Ausdruck zu verleihen: abgelehnt!“
2. „Unser Versuch, die soziale Besserstellung ausländischer Kommilitonen zu erreichen. wurde schlichtweg von der Tagesordnung gestrichen.“ 3. „Durch Diffamierungskampagnen und Psychoterror hetzte der AStA gegen einzelne Mitglieder- des Studentenparlaments, .so daß andere sich bemüßigt fühlten, diese Studentenvertreter bis zur Gehirnerschütterung zusammenzuschlagen. Der AStA hat inzwischen hohe Geldstrafen zahlen müssen.“ Fazit: einen Gegner, den man nicht kritisieren kann, weil einem die dazu nötige Arbeit des Geistes zu sauer ist. muß man verteufeln. Dies ein bekannter Topos der faschistischen Ideologie: das Unbegriffene wird als Grauen ausgemalt, vor dem die Masse sich gefälligst zu fürchten hat, Die Verteufler bieten sich als Erlöser an: Studenten, die ihr vor den Roten Zellen Angst habt, wählt RCDS, wir nehmen euch die Angst. Daß der RCDS selbst am meisten Angst vor der sozialistischen Hochschulpolitik hat. zeigt sein Portrait der LFB/RZ: „In sich zerstrittene Restfraktionen der zerfallenen Roten Zellen. Was eben noch als finstere Nemesis ausgepinselt wurde, verkleinert sich nun als „Restfraktionen der Roten Zellen“. Ein der Ideologie des RCDS nahestehender Wissenschaftler namens Konrad Lorenz hat solches Verhalten bei den Graugänsen beobachtet. Marke: Der geschlagene Grauganser taucht unter, Dies wird am RCDS zu beobachten sein im Januar 1974, wie schon nach Weihnachten 1973.
aus: MüSZ 9 – 1973 |
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