„Trotz Kälte und Schnee – Kampf dem BHG!“ Die CSU genehmigt ihr Gesetz
Mehr als 5000 Kommilitonen der Münchner Hochschulen, sowie zahlreiche Schüler folgten dem Aufruf der STUDENTENSCHAFT BAYERNS, der AStEN der LMU und der Kunstakademie und dokumentierten am Tag der Verabschiedung des BHG ihre Entschlossenheit, der Durchsetzung des CSU-Gesetzes den Widerstand einer politisierten Studentenschaft entgegenzusetzen. Die Demonstration wurde unterstützt vom AStA der Fachhochschulen, den Roten Zellen/AK und zahlreichen weiteren sozialistischen Organisationen. Auch die Studentenschaftsvollversammlung der TU hatte den dortigen AStA (gewerkschaftlich orientiert) aufgefordert, die Demonstration der SB zu unterstützen. Obwohl der TU-AStA weiterhin für die Spalterdemonstration der ADH warb, nahmen auch die TU-Studenten, soweit sie demonstrierten, an der SB-Demonstration und -Schlußkundgebung teil. Die ADH-Fans (knapp 300, siehe Foto von der Schlußkundgebung“ auf dem Odeonsplatz) blieben also unter sich. Demonstration der Studentenschaft Bayerns am 28.November in München Wir drucken im folgenden die Rede des Vorstandsmitglieds der Studentenschaft Bayerns, ANSELM KREUZHAGE, ab. die auf der Abschlußkundgebung auf dem Königsplatz gehalten wurde. „Münchner Bürger, Schüler, Studenten! Zu der Stunde, in der die bayerischen Studenten hier gegen ein Gesetz demonstrieren, das versucht, die Kritiker des kapitalistischen Ausbildungssystems mundtot zu machen. wird dieses Gesetz im bayerischen Landtag - nicht unweit von hier durchgepeitscht. Manche sehen darin ein Scheitern des studentischen Protests und geben süffisant zu verstehen, die Studenten hätten es so verdient. Wir ,sind nicht dieser Meinung. Daß gegen das BHG, das ohne Änderung durch den Landtag gehen wird, nach drei Aktionswochen und Demonstrationen noch eine weitere stattfindet, im kein Eingeständnis eines Mißerfolges, sondern macht eines deutlich: daß nämlich bei großen Teilen der bayerischen Studentenschaft auch die letzten Hoffnungen geschwunden sind, durch das Geltendmachen einer ablehnenden Meinung zum BHG in der Öffentlichkeit eine Veränderung des Gesetzes zu bewirken. Für das CSU-Kultusministerium ist dies allerdings kein Grund zur Freude. Die gut 5000 Studenten, die hier in München bei miserablem Wetter an dieser Demonstration teilnehmen, und die -zigtausend, die dies in Erlangen, Würzburg, Regensburg etc. getan haben, wollten wohl kaum ihrer Resignation Ausdruck geben – zu Hause bleiben wäre hier die adäquate Reaktion. Hier geht es darum, gegen alle Versuche der Unibürokratie, die die Ordnungsmaßnahmen des BHG durchzusetzen hat. deutlich zu machen: dies wird auf massiven Widerstand in der bayerischen Studentenschaft stoßen! Sowohl aus dem Schicksal all der zivilisierten Formen des Protestes. die sich an die Spielregeln der Demokratie hielten, wie aus der Wirkung massiverer Arten der Meinungskundgebung im totalen Vorlesungsboykott als auch aus der rauhen Gangart, die das Kultusministerium im Verein mit der Unispitze in den letzten Wochen angeschlagen hat, folgt eindeutig, daß massive Verhinderung der Durchsetzung der einzelnen Paragraphen des BHG die einzig mögliche Antwort auf dieses Gesetz ist. Vorwegnahmen des BHG Die jüngsten Übergriffe des KuMi gegen die Informationstätigkeit sozialistischer Organisationen und Organe der verfaßten Studentenschaft signalisieren mehr als nur punktuelle Behinderungen, sie bezwecken die Unterbindung jeder Form politischer Betätigung an der Hochschule. An der Uni München konnte dieser Offensive durch entschlossenen Widerstand der politisierten Studenten Einhalt geboten werden: der angedrohte Polizeieinsatz gegen die – in den vergangenen Jahren nicht beanstandeten – Informationsstände im Lichthof der Universität anläßlich der Neueinschreibung fand nicht statt; trotz Verbot der Büchertische auf dem Mensagelände werden diese weiterhin betrieben. Dennoch laufen die Studenten, die die Informationsstände betreiben, Gefahr, Anzeigen zu erhalten. wird der Versuch ihrer Identifizierung mit Hilfe der Kriminalpolizei unternommen, die sich permanent auf dem Uni-Gelände aufhält. All diese Maßnahmen sind notwendige Begleiterscheinungen einer Hochschulreforrn, der es um die Eliminierung einer Kritik an den Inhalten bürgerlicher Wissenschaft geht. einer Kritik, die an den Methoden der Wissenschaft aufzeigt, wie sich die kapitalistische Gesellschaft unterwirft und die dadurch als Hindernis kapitalistischer Reform wirkt. Das BHG - Organisationsform bürgerlicher Wissenschaft Das BHG mit seinen Relegationsmöglichkeiten ist genau das, was die bürgerliche Wissenschaft und ihre Organisationsform in ihrer gegenwärtigen Verfassung braucht: ein Ordnungsrecht - um sich Argumente nebst deren Vertretern per Telefon vom Hals schaffen zu können; eine 70-Prozent – Ordinarienmehrheit in allen Gremien - um vor lästigen Zuhörern sicher zu sein; die Abschaffung des AStA – um endlich eine Institution loszuwerden, durch welche die Politik unterstützt wurde, die sich nicht freiwillig auf den Verkauf von Theaterkarten beschränkt hat. Wir haben immer wieder betont, daß die kapitalistische Hochschulreforrn in ihren globalen Tendenzen keine Reaktion auf die studentische Kritik des Wissenschaftsbetriebes ist, sondern sich aus dem veränderten Bedarf der freien Marktwirtschaft an Ausbildung begründet. Wohl aber kommt an den Spitzen des BHG ein Verhältnis zu der Wissenschaft. die es schützt. und zu deren Kritikern zum Ausdruck: die Maßnahmen des Gesetzes gegen Sozialisten zeigen, daß es auf einer Wissenschaft beruht, die Kritik ihrer Borniertheit mit Argumenten nicht begegnen kann. Daß die bestehende Wissenschaft sich derart in den Schutz der Staatsgewalt begeben muß. ist nicht nur das Eingeständnis ihrer Hilflosigkeit gegenüber denjenigen, die sie grundsätzlich in Frage stellen, sondern gleichermaßen die Dokumentation ihrer Ohnmacht gegenüber einer Gesellschaft. der sie sich überantwortet, ohne sie zu begreifen, zu deren blinder Verteidigung sie bereit ist. ohne dafür Argumente zu besitzen. Die bürgerliche Wissenschaft braucht ein BHG ebenso notwendig wie die bürgerliche Gesellschaft eine solche Sorte von Wissenschaft. Eine Politik, die diesen Zusammenhang nicht als gegeben hinnimmt, ihn vielmehr zum Gegenstand der Analyse macht, eine Politik, die die Veränderung des Ausbildungssektors durch das BHG und die mit ihm verbundenen Beschränkungen für die Studenten zum Anlaß macht, die Aufmerksamkeit auf das Verhältnis von Wissenschaft und Kapital zu lenken, zählt nicht mehr als Stimme im Konzept des Meinungspluralismus, die sich auch noch mal äußern darf, sondern bloß als Gegenstand der Justiz.
Ruhe und Ordnung an den bayrischen Hochschulen werden nicht eintreten. Das nicht deshalb, weil einige unverbesserliche Sozialisten Rabatz machen, sondern weil die Inhalte und die Organisation unserer Ausbildung in ihrer Widersprüchlichkeit sozialistische Kritik selbst hervorbringen. Die Probleme der Hochschule verschwinden also nicht mit der Relegation derer, die sie benennen, abgesehen davon, ob diese sich das gefallen lassen werden. Nicht einmal KuMi Maier mit seiner CSU-Truppe im Landtag gibt sich der Illusion hin, daß die Verabschiedung des Gesetzes das gleiche ist wie seine Durchsetzung. Von der Solidarität des Widerstandes der bayrischen Studenten, deren Einsicht in den Charakter des Gesetzes wird es abhängen, ob jede konsequente Kritik der bestehenden Wissenschaft und Ausbildung in Zukunft ausgeschaltet werden kann. Diese Demonstration zeigt, daß es der Staatsbürokratie wohl kaum gelingen wird, die ersehnte Friedhofsruhe an den Hochschulen herzustellen. Wenn die einzig schlagenden Argumente der bürgerlichen Wissenschaft Polizei und Justiz sind, so hat diese Wissenschaft bereits die einzig passende Antwort erhalten. die sie verdient: Eine politisierte Studentenschaft! - Kampf der Zerschlagung der Verfaßten Studentenschaft! - Brecht das Verbot der Informations- und Bücherstände! - Brecht das Ordnungsrecht!“ ––––––––– Der RCDS zum BHG – Spartakus/SHB zum RCDS: Neben dem Verhalten der die ADH unterstützenden Spartakisten und SHBler, verdient noch die Vorgehensweise des RCDS Beachtung: die CSU-Studenten traten gegen beide Demonstrationen auf, mit dem „Argument", die sozialistischen Organisationen, die sie veranstalteten, würden und hätten Maier & Lobkowicz zu ihren Maßnahmen provoziert: die Abgeschmacktheit dieser These, jene spezifische Nazilogik, die darin liegt, daß das Opfer der Repression an dieser Schuld habe, liegt auf der Hand und ist von uns letztmals auf der Studentenschaftsvollversammlung der LMU gekennzeichnet worden. Daß die RCDSler auf der Vollversammlung der TU für eine Beteiligung an der Demonstration der Studentenschaft Bayerns votierten, legen Spartakus & Co. als „Komplizenschaft” zwischen uns und dem RCDS aus. Die Blödsinnigkeit einer solchen Unterstellung widerlegt die Hochschulpolitik von AStA und Roten Zellen AK an jedem Tag des Jahres. Wir halten es nicht für notwendig, uns vom RCDS zu distanzieren. Solches Verfahren der Abgrenzung sei allerdings einer Gruppe empfohlen, die sich im Konventswahlkampf an einem zentralen Punkt ihrer Argumentation, den sie mit dem RCDS gemeinsam hat. nur um die Quantität von DM 100.– unterscheidet (Spartakus & SHB fordern 500.– Bafög, der RCDS 600,–).
aus: MüSZ 9 – 1973 |
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