Nochmal zur Urabstimmung
Als Farce endete der Kampf um den Erhalt der verfaßten Studentenschaft, nachdem diese bereits abgeschafft ist. Charakterisierte er sich seinem Gehalt nach als ein Treppenwitz, so stand ihm seine Form in nichts nach: selbstgezimmerte Pappkartons dokumentierten ihre Würde als Urnen der Verfaßten Studentenschaft durch geklebte Zettel, die zum Vorweisen des Studentenausweises auffordern. Noch absurder, betrachte man die Vorgeschichte dieser Aktion: die Verfaßte Studentenschaft führt einen Beschluß gegen sich selber durch. Der Beschluß der Studentenschaftsvollversammlung für Urabstimmung steht gegen den Beschluß des Konvents und die Stellung des AStA zu solchen Maßnahmen.
Daß die Organe studentischer Willensbildung noch kurz vor ihrem Ableben einen solchen Zirkus aufführen, liegt nicht an der politischen Unreife der Studenten – sondern zeigt nur noch einmal das an, was sie seit längerem schon sind: Gremien, mittels derer eine bestimmte Politik betrieben wird, die letztlich unabhängig von diesen institutionalisierten Organen ist und sich daher auch nicht um die Bindungen schert, die der bestimmte Rahmen dem auferlegt, der ihn ernst nimmt.
Der besondere Witz liegt allerdings darin, daß der Konfliktfall, der den aktuellen „Verfassungskonflikt'' begründet, die Urabstimmung, gerade als probates Mittel eben zur Verteidigung dieser „Verfassung“ angepriesen wurde. Die Roten Zellen/AK sahen sich leider außerstande, dieses Mittel zu billigen:
– das Faktum, daß die Studenten die Abschaffung des AStA mißbilligen, wurde bereits zu einem günstigeren Zeitpunkt, nämlich vor der Verabschiedung des Gesetzes, oft genug und in weit eindrucksvollerer Art zum Ausdruck gebracht.
– es ist pure Zeitverschwendung, in dieser Form gegen ein Gesetz zu protestieren, das gerade verabschiedet wurde, wobei sich der Gesetzgeber der Tatsache wohl bewußt war, daß er gegen die Mehrheit der Studenten aber durchaus mit der Unterstützung einer soliden CSU-Mehrheit im Rücken das Gesetz erläßt.
– Die Form des Protests ist ein Rückfall hinter alle bisherigen Kampfmaßnahmen. Die Ablehnung des Sprecherrats zur Abstimmung zu stellen, erweckt den Anschein, als ob die Studentenschaft überhaupt erst ein Meinungsbild zu diesem Punkt herstellen müsse, als sei noch völlig unbekannt, wie die Mehrheit der Studenten darüber denkt. Ist man sich aber dessen sicher und will die Urabstimmung noch einmals als Form der Protestbekundung benützen, warum dann abstimmen? Damit wird die Wahl zur Farce und die Veranstalter wären nur konsequent, würden sie die Neinstimmen aussortieren.
– Ein letzter Punkt der Kritik: die Reduktion der gegen das BHG gerichteten Politik auf das bloße Dagegensein – und etwas anderes kann der Akt der Abstimmung nicht zum Ausdruck bringen – nimmt alles zurück, was an politischer Auseinandersetzung und begründeten Aktionen gegen das BHG stattgefunden hat.
Die modernen Kreuz(chen)ritter
Die Form des Protests, die den Studenten nur ein Kreuzchen, aber nicht die mindeste Einsicht abnötigt, suggeriert, als gehe es einzig und allein um den AStA, obwohl deutlich genug zu sehen ist, daß es auch den beteiligten Gruppen um mehr geht, um etwas, wofür der AStA erhalten werden soll. Der Widerspruch liegt damit bei denjenigen, die, um dieses Mittel zu erhalten, auf ihre Politik verzichten, bzw. bis auf den Punkt zurückzunehmen, an dem sie die Studenten bloß noch zur Meinungsäußerung auffordern, selbst aber .keinen Schritt unternehmen, eine Veränderung der studentischen Meinungen zu bewirken (obwohl dies doch letztlich der Grund ist, weshalb auch sie an der Fortführung des AStA interessiert sind). Die Differenz zwischen den Roten Zellen/AK und den Urabstimmungsfans liegt weder darin, daß die einen die Abschaffung des AStA bedauern und die anderen nicht, noch darin, daß die einen den AStA skrupellos als Mittel ihrer Politik benutzen würden und die anderen nicht, sondern nur in der Doppelbödigkeit der Politik von MSB/KSV/KHB, die die Organe der Verfaßten Studentenschaft objektiv ebenfalls für ihre Politik zu gebrauchen versuchen, dies aber nicht offen eingestehen, sondern umgekehrt, ihren Erhalt als Selbstzweck propagieren.
Die doppelte Moral der moralischen „Kommunisten“
Daß die andere Zwecke damit verfolgen, wird an ihrer Politik nur zu deutlich:
Der KSV erklärt den Urabstimmungszauber zum geeigneten Mittel für den Bewußtwerdungsprozeß der Studenten. Nicht die Abstimmung selbst und ihr Ergebnis gilt ihm als das Wesentliche der Veranstaltung, sondern er hegt die Hoffnung, daß die Aktivität der Studenten, an der richtigen Stelle anzukreuzen, Einsichten auslöst, die – man weiß nicht wie – einer gesellschaftsverändernden Tendenz zum Durchbruch verhelfen.
Ebenso der MSB: auch ihm gilt der Inhalt, AStA als Interessenvertretungsorgan, nicht bloß als dieser. Nur allzu bekannt ist seine Strategie, daß Interessen, energisch genug vertreten, dem „Monopolkapital“ an den Kragen gehen, so daß es den bloß ihre Interessen verfolgenden Studenten auf einmal wie Schuppen von den Augen fällt, und sie sich inmitten der Front des ebenfalls gegen die Bourgeoisie kämpfenden Proletariats wiederfinden.
Und auch nicht anders der KHB: Politik, die nach dem einfachen Rezept gemacht wird, daß alles Schlechte auf der Welt Ausgeburt der „Monopole“ ist, hat nur noch die Mühe, denjenigen, die etwas Schlechtes ertragen müssen, mitzuteilen, daß dagegen zu kämpfen und daß dieses Kämpfen antikapitalistisch sei. In der Ausführung dieses Geschäfts hat der KHB bereits eine sehr praktikable Arbeitsteilung eingeführt; wobei die Demo-Front sich auf das Auffinden und Bestärken existierender Interessen beschränkt, während der KHB vorsichtig die „kommunistische“ Etikettierung betreibt.
Weil also letztlich alle Gruppen die Rangelei in und um die Organe der Verfaßten Studentenschaft bloß als Mittel zur Durchsetzung ihrer Politik begreifen (und dies auch zur Not gegen die Gremien tun, – keiner der beteiligten Vereine hat sich durch den Konventsbeschluß von der Urabstimmung abbringen lassen) erscheint ihre Politik als obszöne Doppelmoral,wenn sie mit empörter, demokratischer Unschuldsmiene den Erhalt dieser Gremien, unter Abstraktion von jeglicher Politik, gegen die als korrupt verschrienen Roten Zellen propagieren und uns den Vorwurf (!) machen, dort nur (!) unsere Politik zu betreiben. Diese Art von Hochschulpolitik die auch den komödienhaften Charakter der letzten Stud. VV erklärt, bringt einen allgemeinen Widerspruch der MSB/KSV/KHB u. ä. zum Vorschein.
Die Demokratie, bzw. in unserem Fall die Verfaßte Studentenschaft, gilt ihnen als ein doppeltes: als Mittel zu einer bestimmten Politik und als Selbstzweck, wobei sie je nach Situation sich an einer dieser Bestimmungen orientieren. Passen ihnen die Beschlüsse nicht, setzen sie ihre Politik auch gegen sie durch – andererseits soll diese zum Inhalt allein die Fortführung dieser Gremien haben. Die doppelte Bedeutung der demokratischen Institutionen für eine solche Politik, läßt sich nur daraus erklären daß diese Art von „Marxisten“ in der Interessenvertretung an sich bereits antikapitalistische Momente sehen – wobei die Absurdität dieser Auffassung offensichtlich wird daran, daß sie einige Mühe darauf verwenden müssen, den bloß demokratischen Gremien oder Prozeduren die gewünschte antikapitalistische Qualität immer wieder unterzujubeln. (Wie die hirnrissige Aktivität dieser Gruppen überhaupt darin besteht, die Studenten dazu anzufeuern, ihre Interessen zu vertreten, obwohl diese es eigentlich selber tun müßten). Kein Wunder, daß die bevorstehende Abschaffung der Verfaßten Studentenschaft Hysterien auslöst: damit verschwinden die Organe, die lange Zeit dies Rumpelstilzchengetue ermöglichten, das coram publico den Demokraten heraushängen läßt und insgeheim sich freuen kann, ach wie gut, daß niemand weiß, daß dies Kommunistsein heißt. |
MSZ-BLITZUMFRAGE ZUR URABSTIMMUNG
Was meinen Sie zur Urabstimmung?
aus: MüSZ 6 – 1974
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