Das HSRG

Ein kapitalistischer Kompromiß


Der vierjährige Streit um das HSRG stellt sich als ein ebenso langer Fight zwischen den Regierungsparteien und den Christdemokraten dar, in dem sich ein technischer K.o. jener abzeichnet; ein Sieg der Sozialdemokraten und Liberalen, d. h. die volle Durchsetzung ihrer Vorstellungen liegt bei der momentanen politischen Situation außerhalb des Möglichen. Das angestrebte rasche Ende mit dem Drumherum an neuen Zugeständnissen an die Opposition wird als entscheidender parlamentarischer Vorstoß aufgepäppelt, so als sei der Bogen nach mehrjährigem Gerangel jetzt endgültig überspannt, und als hingen die nächsten Monate des Ausbildungssektors an der sofortigen Verabschiedung. Die Betrachtung dessen, was jedoch in den Ausschüssen angeblich passiert, läßt sich dahingehend platt zusammenfassen, daß SPD/ FDP jetzt völlig weichgekocht sind. Der andere Teil dieses Kampfes, seine Geheimgeschichte gibt demgegenüber den Blick für eine Auseinandersetzung frei, in der nicht Regierung und Opposition miteinander im Clinch liegen, sondern die Gegner einen gemeinsamen Gegner haben, ohne daß ihnen dies recht bewußt ist: es handelt sich um die Widrigkeiten, mit denen sich eine Reform der Hochschule im Kapitalismus endlos abplagen muß, ohne mit ihnen fertig zu werden. Die politische Show trägt denn auch deutlich die Spuren dieser untergründigen Umstände. Der Nachweis, daß die Geheimgeschichte sich in der politischen durchgesetzt und so den verbissenen parlamentarischen Clinch zum Schattenboxen herabgesetzt hat, ist im Detail zu führen. Hierzu sei explizit auf die Publikation der STUDENTENSCHAFT BAYERN (SB): Die reformierte Misere: HSRG - Entwurf, zur Kritik kapitalistischer Hochschulreform verwiesen und auf das teach-in des AStA und der ROTEN ZELLEN/ AK am Montag, 1. Juli, 14 Uhr in der großen Aula der LMU. An dieser Stelle interessiert uns nur der letzte Stand der Dinge, also das, was als politisches Ringen von Parlamentariern und Bildungsplanern erscheint.


Keine Alternative auslassen

Das HSRG hat sich in der Gesetzgebung exemplarisch als Zankapfel der Parteien erwiesen, als ein Machwerk, das von Seiten der Interessenvertreter mit schöner Regelmäßigkeit zum Vorwand pervertiert wurde, sich gegenseitig der „Machtpolitik“, der „Obstruktion“ und „Fortschrittsfeindlichkeit“ sowie der „Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Wohl dieser Gesellschaft“ zu bezichtigen. Tatsächlich hatte der Wille des Volkes die Dramaturgie dieses Gesetzeswerkes mit einer Konstellation versehen, die zu solchen Vorwürfen einlud. Das Gesetz bedarf zu seiner endgültigen Verabschiedung doppelter Zustimmung. Bundestag und Bundesrat müssen es gutheißen. Versagt eines dieser Plena sein positives Votum, gilt es als nicht verabschiedet. Für die Reform des Hochschulwesens hieß und heißt dies: die Parteien, die als Regierung und als Opposition fungieren, müssen sich so arrangieren, daß das Gesetz in weiten Teilen keine der alternativen Vorstellungen zur Reformierung des Hochschulsektors ausschließt.


Demontage des „Kernstücks“: Gesamthochschule und Studienreform

Die Koalition, die als Regierungspartei ihre Chance möglichst weitgehend wahrnehmen will, auch unter solch mißlichen Umständen ihre hoch- schulpolitischen Vorstellungen zu realisieren, hat zwei Brücken geschlagen, um sich mit dem Gegner zu treffen. Die feine Variante, die es zumindest noch ermöglicht, das sozialdemokratische Gesicht zu wahren und in den Territorien, wo die SPD die Landesregierung stellt, das eigene Konzept durchzusetzen, besteht darin, per Gesetz zu dekretieren, daß die Entscheidung per Gesetz nicht möglich sei. Das Gesetz beschränkt sich auf Vorschläge, betont dies und gibt ansonsten den Ländern und ihren Parlamenten die Vollmacht, mit der Angelegenheit nach ihrem Gutdünken zu verfahren. So im Fall der Gesamthochschule. Die „integrierte Gesamthochschule“, also eine solche, die „die Verbindung von Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium, die bisher auf verschiedene Hochschulen verteilt waren“ gewährleistet (Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 25. 2. 1971) ist mithin der Koalition liebstes Kind, stellt sie doch „keinen) Selbstzweck, sondern das organisatorische Mittel zur Verwirklichung des ... Studien- und Forschungssystems“ dar. „Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 29. 8. 1973) Die Studienreform aber – so werden die Sozialdemokraten nicht müde zu beteuern – sei das Herz des Ganzen, das „Kernstück“. Noch im Entwurf von 1971 heißt es kategorisch: „Unter Gesamthochschule wird im Entwurf allein die integrierte Gesamthochschule verstanden.“ 1973 gilt zwar noch diese Form der Gesamthochschule als „zentrales hochschulpolitisches Ziel“, doch wird gleich darauf die „Frage der Integration oder der Kooperation offen (ge)lassen.“

Den letzten Berichten zufolge ist die Form der Hochschule, die gebildet wird, ganz in das Belieben der Länderregierungen gestellt. Damit haben sich CDU/CSU durchgesetzt, die die integrierte Gesamthochschule als verbindlich aus diversen Gründen ablehnen; es handelt sich um finanzielle, verwaltungstechnische und populationsgeographische Gründe, aber es erheben sich auch nicht wenige mahnende Stimmen, um auf die für die Entwicklung des Individuums verhängnisvolle Nivellierung hinzuweisen. Zudem seien die Studiengänge viel zu differenziert und die Anforderungen zu vielschichtig, als daß sie sich ohne Schaden in einer Gesamthochschule integrieren ließen. Die Expansion des Hochschulsektors, obzwar gesellschaftliche Notwendigkeit, macht dem Staat finanziell zu schaffen. Die Begrenztheit des Ressorts und die wachsenden Ansprüche an die Wissenschaft und deren Vermittlung gilt es in Einklang zu bringen: ein im Kern unlösbares Problem. Je nach Schwerpunktsetzung kommt es bei den Parteien zu unterschiedlichen Konzepten. Folgt man der Staatsräson in starkem Maße, wird die Studienreform vernachlässigt; wird die technische und inhaltliche Vereinheitlichung der Ausbildung betont, kommt prompt der Vorwurf der „Nivellierung“, hinter dem sich jedoch häufig – das sei am Rande bemerkt – der Wunsch verbirgt, es solle alles beim alten bleiben. Da erhebt sich dann die beklagte Zersplitterung zur Differenzierung und fördert die Individualisierung. Was ist das für eine verquere Konstruktion – ob integrierte oder kooperative Gesamthochschule –, wo die Form der Institutionalisierung der Ausbildung festgesetzt ist, ehe auch nur ein klarer Ansatz zur inhaltlichen Neubestimmung, zur Studienreform, existiert? Wie soll letzteres aber möglich sein bei dem doppelten Dilemma, den sich „permanent wandelnden“ Anforderungen der gesellschaftlichen Praxis und den ungesicherten Ergebnissen der Wissenschaften?

Die Lehre

Hier bedarf es einer Unterscheidung. Lehre ist einmal freie Meinungsäußerung .Vortrag von Forschungsergebnissen. Dieser Bereich der Lehre darf vom Staat ebenso wenig reglementiert werden wie die Forschung. Wer entdeckt zu haben glaubt, daß es entgegen der allgemeinen Überzeugung die Sonne ist, die um die Erde kreist, muß das öffentlich sagen dürfen. Auch hier gilt, wie bei der Forschung, die Bindung an das Grundgesetz.

H. Dichgans, zum Hochschulrahmengesetz, Arbeitspapier, 10. 5. 1971)


Gemeinsam gegen links! oder: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!

Die andere Variante, der Opposition Zugeständnisse zu machen, um die Verabschiedung eines Hochschulrahmengesetzes möglichst noch vor der Sommerpause zu befördern, beruht auf der ausdrücklichen Aufgabe des sozialintegrativen Standpunktes der Liberalen und Sozialdemokraten. Dies wiegt jedoch in diesem Fall deshalb nicht so schwer, weil es sich hierbei um die Waffenbrüderschaft von Regierung und Opposition gegen einen gemeinsamen Feind geht: die Kommunisten an den Hochschulen und jene, die man dafür hält. Selbst wenn die Sozialdemokraten in der Wahl ihrer Mittel skrupulöser scheinen … letztendlich können sie den Christdemokraten deren Geschütze ohne Gewissensbisse zubilligen, haben denn nicht die letzten Monate erneut bewiesen, daß die „linke Gefahr nach wie vor nicht eingedämmt ist“.


Was ist ein „sachlicher Bezug zur Hochschulpolitik“ ?

Der Regierungsentwurf von 1973 sieht die verfaßte Studentenschaft vor in der Form, wie sie momentan noch existiert. Im Gegensatz zu diversen Länderhochschulgesetzen formuliert das HSRG die Beibehaltung der Satzungsautonomie, der Beitragshoheit und des Selbstverwaltungsrechts.

Die Streitigkeiten um das allgemein-politische Mandat finden ihre gesetzliche Entscheidung in dem Hinweis auf „verfassungsrechtliche Gründe“, die Zwangskörperschaften ein solches Mandat nicht zuerkennen. Dennoch konzediert das HSRG die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen hochschulpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen, zwischen dem hochschulpolitischen und dem allgemein-politischen Mandat. „Andererseits folgt aus der Einbindung der Hochschulen in die Gesellschaft . . . „daß zwischen hochschulpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen fließende Übergänge bestehen; die Grenze wird mit Sicherheit dort überschritten, wo ein sachlicher Bezug zur Hochschulpolitik weder erkennbar noch beabsichtigt.“ (§ 44) Wie dem auch juristisch sei, das Eingeständnis – wie sie sich in dem allgemeinen Teil der Begründung als auch in den Bestimmungen zur Studienreform wiederholt findet -–, daß der Hochschulbereich in Institution und Wissenschaft sich als gesellschaftliche Notwendigkeit, aus den Anforderungen der Gesellschaft ergibt, läßt diese Unterscheidung zur Farce werden. Auf diese Weise zu verhindern zu versuchen, daß die Gesellschaft ausdrücklich Gegenstand der Debatte wird, kann nur denen recht sein, in deren Aufgabe a priori ein affirmatives Verhältnis zu ihr eingeht. Nicht der Einbezug gesellschaftspolitischer Fragestellungen überhaupt nötigt den bürgerlichen Staat zur Reaktion, sondern die Art und Weise, wie diese in der letzten Zeit von sozialistischen Gruppen aufgegriffen werden. Nicht unmittelbar hochschulbezogene Argumente verwenden auch demokratische und liberale Gruppen ständig, steht doch am Anfang aller ihrer Aussagen ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Kommunistische Politik, die die widersprüchlichen Erscheinungen im Hochschulsektor auf deren Grund zurückführt, der außerhalb desselben liegt, vollzieht etwas, das der Gesetzgeber selbst immer zu tun gezwungen ist: auf die Gesellschaft und ihre Ansprüche als etwas Außerhochschulisches zu reflektieren, das die Hochschule in Form und Inhalt bestimmt.


Zersplitterung der verfaßten Organe

Zwar sieht der Entwurf gegenüber der momentanen Form der verfaßten Studentenschaft eine Veränderung vor, die für kommunistische Politik nicht unerheblich ist: die Möglichkeit, die studentischen Gremien als Instrument für ein einheitliches politisches Konzept auszunutzen, findet sich dadurch erschwert, daß die Vertreter der Kollegialorgane nicht Delegierte der Organe der verfaßten Studentenschaft sind, sondern durch einen eigenen Wahlgang bestimmt werden. Eine einheitliche Studentenvertretung bietet in größerem Maße die Gewähr für kommunistische Politik in allen universitären Bereichen als die durch die getrennten Wahlen ermöglichte Zersplitterung. Dennoch bleibt festzuhalten, daß die Eckpfeiler einer Hochschulpolitik, deren Interesse nicht das des Staates oder universitärer Rechtsaufsichtsgremien ist, im Regierungsentwurf von August '73 gegeben sind.


Späte Anerkennung Maierscher Meriten

Daß sie christlichen Demokraten ein Dom im Auge seien und sie zur Ablehnung solcher Pläne reizen würde – ist doch mit dieser Konstruktion die Möglichkeit noch nicht ausgeschaltet, in den Organen der verfaßten Studentenschaft kommunistische Politik zu betreiben –, war zu erwarten und hat die hochschulpolitische Praxis der Opposition in den letzten Jahren reichlich illustriert. Hier also steht das Veto gegen den Vorschlag der Regierung unerbittlich. Eine mißliche Situation, fürwahr! Sollte die Verabschiedung wirklich an diesem Punkt scheitern . . .?! Letztendlich ist doch nicht die verfaßte Studentenschaft der „Kernpunkt“ der Hochschulerneuerung, sondern die Studienreform. Also denn . . . wenn man sich einen kleinen Schritt entgegenkäme ... da böte sich doch die Frage der Finanzierung an … gedacht, getan: die Finanzierung der ASten – so die letzte Information – kann von kultusministerieller Seite erfolgen. Die CDU/CSU ist zufrieden; das Gesetz ist nicht verloren. KuMi Maier, der Sozialdemokraten eher feindlich gesinnt ist, wird zumindest im Stillen die Anerkennung gezollt, die doch rechtens ihm zusteht. Hat er sein Gesetz nicht schon immer zur Nachahmung empfohlen; und da soll mal jemand ernsthaft behaupten, bei diesem Vorschlag habe nicht der Sprecherrat Pate gestanden.


 

Kommunistische Politik und verfaßte Studentenschaft

Die Täuschung, der die Konzeptionen zur verfaßten Studentenschaft unterliegen, auf die eine oder andere Art sei kommunistischer Politik an der Hochschule beizukommen, resultiert aus der Unkenntnis der Gründe für deren Existenz. Kommunistische Politik und ihre Träger lassen sich nur formell, dem Anschein nach unter das subsumieren, was in der Demokratie Inhalt von Politik ist: die Vertretung von Interessen. Indem sie nicht als eine existiert, die die Individuen dazu benutzen, in der Konkurrenz der Interessen die ihren optimal durchzusetzen, sondern die Form, in der dies geschieht, selbst zum Gegenstand der Kritik macht, indem sie den täglichen Schwierigkeiten des wenig aufsehenerregenden Geschäfts der Hochschule, Wissenschaft zu produzieren und zu vermitteln, den Schein des Natürlichen nimmt, wird die Existenz kommunistischer Politik mit der Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft selbst' reproduziert. Ob Sprecherrat, verfaßte Studentenschaft oder der mögliche Kryptosprecherrat; im Prinzip ändert sich nichts im Verhältnis der kommunistischen Gruppen zum Staat, wiewohl durch solche aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung ihrer Aktivitäten die Staatsagenten die Eskalation betreiben und verstärkten Widerstand hervorrufen. Die Konflikte, auf denen der Versuch beruht, demokratische Gremien schaffen zu müssen und sie gleichzeitig bestimmten Gruppen vorzuenthalten sind keineswegs gelöst.

MSB als Sandwich

Am 30. Mai um 14 Uhr hatten die Jungs von der gewerkschaftlichen Orientierung zu einer „Sandwich-Demonstration“ gegen das HSRG eingeladen. Sandwiches sind doppelte Brote mit Belag: auf die Demonstrationschoreographie übertragen heißt das, jeder Demonstrant hat vorne und hinten ein Plakat umhängen. Wenn beim Sandwich jedoch der Belag zwischen den Broten fehlt, ist es kein Sandwich mehr. So war auch die MSB-Demonstration keine Demonstration: die bereitgestellten Plakate bleiben ohne Träger, 22 „Demonstranten“ entschwanden auf dem Gehsteig in Richtung Stadtmitte. Zuschauer forderten angesichts dieses Schauspiels die Einführung eines Quorums für Demonstrationen.


Ein Opfer auf dem Altar des Kompromisses: der Assistenzprofessor

Ähnliches gilt für die Mitbestimmungsfrage. Die Brisanz dieses Themas hatte die Koalition durch die Konstruktion des Assistenzprofessors, der zu den Hochschullehrern zählen sollte, heraufbeschworen. Das ließen sich die Ordinarien und ihre Standesorganisationen nicht ohne weiteres bieten, hatten sie doch durch ihre Berufung auf Lebenszeit die staatliche Bestätigung ihrer wissenschaftlichen Qualifikation erhalten. Und jetzt diese Neulinge … wer weiß, was man von denen nicht alles zu erwarten hätte, vor allem in diesen linken Zeiten. Die Unionsparteien zeigten volles Verständnis und machten ihren Einspruch geltend. Und die Koalition nahm auch diese Hürde. In einem „Lernprozeß“ und nicht als „Ergebnis eines politischen Zwangs zum Kompromiß“ (SZ vom 10. 6. 1974) habe die „Praxis“ gezeigt, daß der Assistenzprofessor eine Fehlkonstruktion sei. Jetzt soll der „Stelleninhaber für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ an seine Stelle treten. Da diesem das Etikett „Professor“ nicht zukommt , ist die Frage der Mitbestimmung ad acta: ein weiterer Schritt des Entgegenkommens ist geschafft!


In Sachen Mitbestimmung endlich klare (Macht-)Verhältnisse

Die Annahme, die allen diesbezüglichen Konzepten zugrunde liegt, durch Mitbestimmung ließen sich richtige Entscheidungen fällen ist eine interaktionistische Täuschung. Bei den Regierungsparteien kommt sie noch ausdrücklicher zum Vorschein, geht es ihnen doch darum, jeweils alle Betroffenen und deren Vorstellungen im gemeinsamen Diskurs zum Tragen kommen zu lassen. Die Opposition beharrt demgegenüber auf einer Kompetenz, die nicht schon mit dem gesunden Menschenverstand gegeben sei, sondern sich durch die Qualifikation abgeschlossener Studien herstellen müsse. Deshalb sollen die Ordinarien die absolute Mehrheit besitzen. (In München rang sich das Rektoratskollegium schon vor über zwei Jahren, Anfang 72, – wie immer seiner Zeit ein erhebliches Stück voraus – zu dem Beschluß durch, die „Hochschullehrer müssen in allen Entscheidungen der Hochschule eine Mehrheit von 70 Prozent haben.“ s. MSZ 2/72). Nur was ist diese wissenschaftliche Qualifikation anderes als ein bißchen mehr oder weniger systematisierter common sense. (Zu diesem von uns mittlerweile des öfteren nachgewiesenen Sachverhalt siehe Bd. III, Reihe Sozialistisches Studium, Beiträge zur Kritik der bürgerlichen Wissenschaft, besonders S. 225–259). Daß sie nicht mehr ist, schleicht sich selbst noch in die Begründungen für die eindeutigen professoralen Mehrheiten ein, wo diese in systemtheoretischer Manier das Funktionieren der Hochschule und der Fachbereiche nur durch klare Machtverhältnisse gewährleistet sehen. Von Qualifikation ist da nicht mehr die Rede. (Zur Illustration der Erfolge, wenn sich Wissenschaftler den Kopf über die Institutionalisierung von Wissenschaft zerbrechen, s. MSZ Nr. 2/74, „Die Profs vor dem BHG: ratlos“). Trotz des Wissens um die Beschränktheit von Mitbestimmung, ist sie für kommunistische Politik ein wichtiges Mittel, um die Durchsetzung und Absicherung ihrer Positionen in den Fachbereichen und an der Hochschule insgesamt zu befördern.

Hochschule und Gesellschaft

Zur Frage der Autonomie der Hochschulen hieß es übereinstimmend, daß die Hochschulen nicht losgelöst von Staat und Gesellschaft gesehen werden könnten. Während der DGB dafür eintrat, den gesellschaftlichen Bezug der Hochschule herzustellen, betonten die Hochschullehrer, daß dieser Bezug nicht herstellbar sei, ohne die Freiheit von Forschung und Lehre zu gefährden. Der Begriff „Gesellschaft“ sei nicht definierbar, und das könnte zu willkürlicher Interpretation führen.

(Hearing zum HRSG am 25. 3. 1974)


Revis und Volksfreunde blockieren vds-Aktionen gegen das HSRG

Als lästige Pflichtübung hatten MSB und vds-Vorstand am 30. Mai mangelhafte Demonstrationen gegen das HSRG vom Zaum gebrochen: in München promenierten 22 Spartakisten als „Sandwiches“ (siehe Kasten) den Gehsteig entlang. Als aber der AStA der LMU, gemeinsam mit anderen ASten im Zentralrat des vds letzte Woche einen Antrag zu bundesweiten, vorbereiteten Aktionen gegen die Verabschiedung des HSRG vorschlug, blockierten die gewerkschaftlich Orientierten:

– man hätte eh schon Ende Mai mal was gegen das HSRG gesagt

– überhaupt wäre es wieder mal an der Zeit, gegen die materielle Verelendung der Studenten vorzugehen

– bestenfalls wollte man die MSB- Urabstimmung zu einer verfaßten Studentenschaft in Bayern als Votum gegen das HSRG gewertet wissen.

Mit Schützenhilfe der Volksfreunde vom KBW scheiterte unsere Initiative, den vds als Koordinator bundesweiter Aktionen gegen den Dohnányi/Maier- Entwurf aktiv werden zu lassen. So wird er unter dem Stillschweigen des vds den Bundestag passieren. Die gleichen Volkstribunen, die letztes Jahr 40 000 nach Bonn agitierten, um die Kohlen von den Monopolen zu holen, verharren in Passivität, wenn ein Gesetz die parlamentarischen Hürden nimmt, das die Positionen sozialistischer Politik an den Hochschulen einschneidend tangiert. Anscheinend ist man an solcher Politik gar nicht mehr interessiert …


Urabstimmung, HSRG und Studentenschaftsvollversammlung

Für den politischen Offenbarungseid von MSB & Co. spricht nichts so deutlich wie ihre vds-Politik und ihre Propagierung einer „Urabstimmung“ in Sachen verfaßte Studentenschaft. Einerseits würgt man die bundesweite Kampagne gegen das HSRG zugunsten des „Sozialkampfs“ ab, andererseits will man ein makabres Plebiszit für eine verfaßte Studentenschaft, die man ihrer politischen Funktion beraubt und sie zum Mensa- und Bafög- Ausschuß herunterkommen läßt. Auf der SVV am Donnerstag haben die Studenten der LMU Gelegenheit, der Bankrottpolitik des freiwilligen Offenbarungseids eine Absage zu erteilen, Politik gegen Stimmungsmache zu setzen:
UNSERE ANTWORT AUF BHG UND HSRG - EINE POLITISCHE STUDENTENSCHAFT!

 

aus: MüSZ 5 – 1974

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