Wem gehört der Bauch?
Pseudodebatte ums Leben – Frauenemanzipation bürgerlich – Sexualität und Kapitalismus – Kinderkriegen Die Frage, wem der Bauch gehört, beschäftigt mittlerweile die Karlsruher Gerichtsbarkeit, und die öffentliche Diskussion darüber liest sich fast schon wie ein Kriminalbericht: der bürgerliche Staat und seine Charaktermasken, die – wie Brecht bemerkte – nichts dabei finden, erwachsene Menschen abzutreiben, fechten den Kampf ums Leben am Ungeborenen aus als sei‘s einer ums Überleben. Hinter dem Zank, der auch diese „Gewissensfrage“ auf die Ebene der Parteiquerele gebracht hat, verbirgt sich allerdings ein Problem der bürgerlichen Gesellschaft selbst, dasjenige nämlich, was diese den Beziehungen zwischen den Individuen antut. Während der Staat seine vornehmste Pflicht in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung darin sieht, die Privatsphäre seiner Bürger zu schützen, greift er im Sexualstrafrecht ganz massiv in dieselbe ein. Daß er das kann und darf, wird ihm selbst von liberalen Rechtsexegeten nicht bestritten, nur wie weit darf bzw. muß er gehen, dies ist kontrovers. Nachfolgendes versucht zumindest das Problem zu benennen, um die Diskussion auf eine Ebene zu heben, die dem Gegenstand adäquat ist: warum ist das Kinderkriegen in dieser Gesellschaft eine Frage auf Leben und Tod?
Mit der Verabschiedung des neu gefaßten § 218 ist eine Entscheidung gefällt, die – schenkt man den Aussagen der Parlamentarier Glauben – an die ethischen Grundwerte unseres gesellschaftlichen Leben rührt. Der ethische Tiefgang des umstrittenen Problems scheint aus der Kollision zweier im GG verankerten Rechtsgüter erklärbar zu sein: die in der Diskussion um Abschaffung oder Veränderung des § 218 gegeneinander abgewogen werden mußten. Die eine Seite, die das „Recht auf Leben“ gefährdet sieht, droht mit den Folgen: mit der Legalisierung von „Mord“ sei dem ohne staatliche Reglementierung anscheinend sittlich unsicheren Bürger die Tür zu weiteren Verbrechen geöffnet. Die Befürworter der Abtreibung verlangen die Einlösung des „Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“, die Selbstbestimmung über den eigenen Körper sei ein Schritt auf dem langen Weg zur Befreiung der Frau aus den Zwängen einer patriarchalischen Gesellschaft. Zudem sei ungewollt geborenen Kindern die Chance zur freien Entfaltung ihrer Person von vorneherein verwehrt, nachgewiesen an den steigenden Quoten jugendlicher Delinquenz. Sittlicher Verfall contra Emanzipation der Frau – diese Entscheidung zwischen den zur Debatte stehenden Werten scheint auf das strapazierte Gewissen der Volksvertreter und neuerdings der Verfassungshüter verwiesen zu sein.
Der Punkt, auf den sich die Sache zugespitzt hat, und der erst die Kollision der GG-Bestimmungen begründet ist das Problem, ob es sich bei der „Leibesfrucht“ um menschliches Leben handelt, das bereits als Staatsbürger Anspruch auf Schutz des Lebens erheben könne. Während in früheren Zeiten diese knifflige Frage mit kirchenväterlicher Autorität erledigt wurde – die katholische Dogmatik verleiht dem Fötus im zweiten Monat nach der Zeugung mit der Zusprechung einer Seele das Etikett Mensch – argumentiert man heute aufgeklärt mit wissenschaftlichen Autoritäten. Die „biologische“ Argumentation, die sich darauf stützt, daß menschliches Leben von der Zeugung bis zur Geburt sich kontinuierlich entwickelt, reduziert sich jedoch auf die banale Feststellung,daß aus einem Menschenfötus meist ein Mensch wird wie aus einem Affenfötus ein Affe. Was an dieser„Beweisführung“ verblüfft, ist das Unterfangen selbst, die Frage, ob ein Lebewesen ein Mensch sei. Überhaupt naturwissenschaftlich entscheiden zu wollen, als ob die Menschlichkeit ausgerechnet in der biologischen Beschaffenheit des Menschen aufzufinden wäre. Die Termini dagegen, in denen der in Frage stehende GG-Artikel die Freiheit des Menschen abhandelt, lassen erkennen, daß in der Bestimmung des Menschseins die physische Existenz nur als Voraussetzung der Betätigung des freien Willens gilt und nur als solche rechtlich geschützt werden soll. Von einem mit Willen und Identität ausgestatteten Wesen kann aber wohl erst nach der Geburt, mit dem Eintritt in die Gesellschaft die Rede sein. Die Behauptung, es handle sich bei der Tötung eines nur potentiell menschlichen Lebens um Mord ist daher ebenso falsch wie die Auffassung dieses Lebens sei eine bloße Sache, über die von der Mutter als Eigentum verfügt werden kann. Wie dies in der Parole „Mein Bauch gehört mir“ verkündet wird. (Da aber unter den bestehenden Verhältnissen die den bestehenden Verhältnissen der Mutter hauptsächlich die Sorgepflicht für das Kind zukommt, muß die Entscheidung, ob sie ein Kind will oder nicht ihr zugestanden werden.)
Ist der Anspruch auf einen „Schutz des werdenden Lebens“ selbst nach bürgerlichen Prinzipien nicht haltbar,entfällt die Problematik einer Abwägung zwischen zwei Rechtsgütern. Es stellt sich heraus, daß der Staat mit dem Abtreibungsverbot, das ja auch mit der Fristenlösung beschränkt aufrechterhalten wird, sich ohne Rechtsgrund in die Entscheidungsfreiheit der Frauen einschaltet und mit einer fragwürdigen Interpretation des „Rechts auf Leben“ die „freie Entfaltung“ wirklicher Personen maßregelt, die er doch gerade gewährleisten soll. Diese eigentümliche Handhabung des Rechts deutet auf bestimmte Rücksichten des Staates gegenüber besonderen Institutionen, den Kirchen, deren überkommenen Vormachtstellung im öffentlichen Leben immer noch in gewissen Grenzen respektiert werden muß. Als weltliche Repräsentanz der göttlichen Autorität verlangen die Kirchen von ihren Angehörigen mit der Unterwerfung unter ihre besonderen Normen den Verzicht der Individuen auf Selbstbestimmung, was in unserem Fall „Abtreibung“ mit der Begründung, daß alles menschliche Leben gottgewollt sei, die Verfügung über ungeborenes Leben dem menschlichen Willen entzieht. Mit der der bürgerlichen Gesellschaft eigentümlichen Rationalisierung aller menschlichen Beziehungen ist auch die Bedeutung der Kirchen im Schwinden begriffen. Als „Weltanschauungsgemeinschaft“, ein Zusammenschluß von Individuen aufgrund rein privater Interessen, können sie ihren Einfluß nur noch als eine Interessengruppe unter anderen geltend machen. Reagiert der Staat, wie dies im § 218 der Fall ist, auf ein verändertes „Rechtsempfinden“ und weigert sich, weiterhin die kirchliche Machtpolitik mit dem Strafgesetzbuch zu unterstützen, dann sieht er sich der erbitterten Gegnerschaft der christlichen Organisationen gegenüber, die mit allen Mitteln um den Erhalt ihrer Domäne kämpfen. Die kompromißlerische Entwicklung der SPD-Position in Sachen Abtreibung – als Opposition war sie für die völlige Abschaffung des Paragraphen – als Regierungspartei votiert sie für straffreie Abtreibung nur innerhalb der ersten drei Monate – erklärt sich aus der Reflexion auf die noch immer beachtliche Quantität des Kirchenvolks als Wählervolk. Hätte sich in der Gesellschaft nicht das praktische Verhalten zur Abtreibung in einem solchen Ausmaß gewandelt, daß der Staat genötigt wurde, seine „Rechtsnorm” der veränderten Rechtswirklichkeit anzupassen, die SPD hätte sich wahrscheinlich nicht mit den Kirchen angelegt.
Doch unabhängig von religiösen und weltanschaulichen Gesichtspunkten scheint die Debatte noch von anderen Kriterien bestimmt zu sein: die fragliche „Mündigkeit“ der Frau. Deren Entscheidungsfähigkeit wird von den Gegnern der Reform in Zweifel gezogen. So Hanna Neumeister, CDU/CSU: „Diese einseitige Entscheidungsfreiheit,die als Form der extremen Emanzipation gewertet werden muß, führt vor allem zu einer eindeutigen Überforderung der Frau; die dieser Belastung gar nicht gewachsen ist.“ (SZ vom 26. 4. 74) Und die Regierungspartei hat sich zumindest teilweise dies in Zweifeln angeschlossen und in ihren Vorschlag staatliche Kommissionen aufgenommen, die das Zutreffen einer Indikation bzw. die Zumutbarkeit für die Frau, ein Kind „auszutragen“ festzustellen haben und in diesem Sinn „beraten“ sollen. Woher allerdings diese Kommissionen den Überblick gewinnen, der den Frauen selbst abgehen soll, bleibt schleierhaft. Dennoch hat mit der Verabschiedung des Gesetzes zunächst die Seite des Fortschrittseinen Sieg errungen, wenngleich die konsequenten Vertreter des Emanzipationsgedankens die ersatzlose Streichung fordern, wird die Verabschiedung der Fristenlösung, vorbehaltlich des Bundesverfassungsgerichtsurteils, als ein entscheidender Gewinn im Kampf um die Befreiung der Frau gebucht. Ist in bestimmter Hinsicht die Durchsetzung der Fristenlösung eine erfreuliche Angelegenheit, so erscheint es dennoch schwierig, sich dieser ungebrochenen Fortschrittseuphorie ohne Vorbehalte anzuschließen,angesichts des gesellschaftlichen Verhaltens-, das mit der Gesetzesänderung indirekt Anerkennung findet, und angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse, in deren Rahmen die gesetzgeberische Entscheidung ihre spezifische Rationalität besitzt.
Exkurs: Abtreibung als Teil enttabuisierter Sexualität Öffentliche Bekenntnisse, abgetrieben zu haben, wie sie am Anfang der Kampagne für die Liberalisierung des § 218 standen. waren noch vor nicht allzulanger Zeit deshalb undenkbar gewesen, weil sie ein offenes Bekenntnis zur Sexualität darstellen, also einen Bereich menschlichen Lebens bloßstellen, der ziemlich lange so zugedeckt gehalten wurde, wie die mit ihm befaßten Organe des Körpers. Zweifellos hat der Wandel im Verhältnis zum Sex erst den Weg freigegeben zu einer offenen Diskussion des Abortproblems. An diesem wird offenkundig, was das Falsche an der neuen Sexualität ist. – das Bekenntnis zur eigenen Sexualität ratifiziert die Verdoppelung des Individuums in seine Geistigkeit und dasjenige an ihm, was Natur ist. Jene nannte die bürgerliche Anthropologie Seele; diese den Leib, das Fleisch, und das ist bekanntlich schwach. – Nicht aufgehoben hat die Entdeckung des Trieblebens als Gegenstand bewußter Handhabung dessen Diskriminierung: dem Bekenntnis zur Natur ging deren Entgeistigung voraus. Transparent wird dieser Sachverhalt gerade durch die Dunkelheit, in der er seinen Platz hat. Die Nacht ist der Schauplatz der Körperlichkeit. Geschlechtsverkehr bei Tage und im vollen Licht hat den Ruch der Verderbtheit. Das Tier im Menschen soll unter Ausschluß der Öffentlichkeit losgelassen werden. Dies geht soweit, daß der Mensch selbst aufs Tier sich freiwillig reduziert. Säuisches Verhalten wird als „menschliche Entgleisung“ gewertet. Im Stoßseufzer „Wir sind doch alle Menschen“ behauptet sich die Identität des Individuums als Mensch gerade an einer Stelle, wo das Wesentliche des Menschen, geistiges = denkendes Wesen zu sein, ausgelöscht ist. Die Naturseite des Menschen wird anerkannt als schlechte Natur. Liegt das Wahre an der Liebe darin, daß sie über den Begattungsakt hinaus geht, die Liebenden sich gerade auf die Besonderheit des andern beziehen, seine Individualität, die sich bei Dunkelheit nicht am Körper, sondern am Willen des Gegenüber ausmachen läßt, so entsublimiert die neue Sexualität die Liebesbeziehung zur bloßen Naturfunktion. Pervers ist es, wenn eine Münchner Zeitung nicht nur die bloße Körperfunktion als Liebe verkauft, sondern sogar noch deren gewaltsame Erzwingung, also die reine Negation des anderen Willens, der doch einmal Objekt der Liebe war (vgl. AZ vom 25. 6. 74 in dem von einem „Sex-Phantom“ berichtet wird, das von 21 Krankenschwestern die „Liebe“ erzwang!) Der Reflex der „großen Liebe“, die in der klassischen Literatur besungen wird, und in der die Liebenden körperlose Wesen sind, deren sexueller Kontakt sich aufs Berühren der Hände beschränkt, ist die triviale Schnulzenliteratur, in der sich die vom Sexualtabu Befreiten in der Form der Karikatur an das erinnern, was ihnen die neue „Freiheit“ genommen hat. Das Pendant dazu sind die Traktate der Sexualaufklärung, die den menschlichen Körper als Lustmaschine behandeln, wo es darauf anzukommen scheint, bestimmte Knöpfe zu drücken, damit die Erfüllung der Lustwünsche sich einstellt, Bei Oswalt Kolle und anderen tritt Liebe genau an dem Punkt ein, wo der weibliche Orgasmus mit der männliche Ejakulation zusammenfällt. Das einzige Moment der Befreiung, das in dem neuen Verhältnis zur Sexualität liegt, findet sich darin, daß sich das Lustgefühl vom Schuldgefühl emanzipiert. Das Lustprinzip kann sich aber keine Sekunde über seine Entdeckung hinaus aufbewahren, ohne sofort wieder dem Nützlichkeitszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft unterworfen zu werden. In den USA, so berichtet G. Gorer „ kommt zum Drangen des Naturtriebs noch der weitverbreitete und tief eingewurzelte Glaube hinzu, daß Geschlechtsverkehr für die Gesundheit notwendig und Enthaltung ebenso schädlich sei wie eine Verstopfung.“ Die Integration ins System der bürgerlichen Gesellschaft bildet sich ins Verhalten der Sexualität ein. Die Protzerei ebenso wie die neue Art sexueller Neurosen zeigen. wie die Unterwerfung unter Maßstäbe der Leistung auch in diesem Bereich Einzug halten: Männer werden an ihrer „Potenz“ gemessen, Frauen an der Häufigkeit ihrer Orgasmen. Der Reduktion der Mann-Frau-Beziehung auf das Funktionieren des Orgasmus, was sich technisch lösen läßt, korrespondiert die „Versachlichung“ der Debatte über dessen Konsequenzen: die Aufklärung offenbart ihre Grenzen darin, daß trotz aller Reduktion der Geschlechtsverkehr bisweilen Früchte hat, die jenseits des Lustprinzips liegen. (Hier erweist sich, daß die Reduktion auf Technik die Spontaneität des Gefühls nicht ganz auslöschen kann. Dies findet seinen Ausdruck darin, daß trotz vorhandener Möglichkeiten der Geburtenkontrolle wider diese gehandelt oder mangelhaft mit ihnen umgegangen wird.) Die repressive Entsublimierung schlägt um in Zynismus, wenn sie die Keimung neuen Lebens als „Panne“ verbucht. Zur Technik de: Sexualität kommt die technische Bewältigung ihrer Folgen. Während die Gegner solcher Lösung plötzlich sich aufs „Höhere“ besinnen und den Schutz des werdenden Lebens auch über den Tod seiner Trägerin einzuklagen gewillt sind, verfallen die radikalen Gegner des § 218 unterm Vorwand der Emanzipation deren geraden Gegenteil. Schwangerschaft wird einem Schönheitsfehler gleichgestellt. Im Slogan vom Bauch, der allein der Frau gehören soll, wird über den Fötus verfügt, wie über eine schiefe Nase. Die negativen sozialen Konsequenzen, die eine ungewollte Schwangerschaft nach sich zieht, werden drastisch ausgemalt, während die Folgen der Abtreibung für die Psyche derer, an denen sie vorgenommen wurde, sich reduzieren sollen auf die Befreiung von der ungewollten Frucht des vorher Gewollten.
Die andere Seite der Problematik, die dazugewonnene Entscheidungsfreiheit der Frauen darüber, ob sie ein Kind wollen oder nicht, erscheint auch nicht ganz so positiv, wie es die Emanzipationsvertreter sehen wollen, betrachtet man die Gründe, die diese Entscheidung bestimmen. Als nachträgliche Legalisierung eines bereits in großem Ausmaß praktizierten Verhaltens, räumt die Neufassung des § 218 den Frauen im wesentlichen das Recht ein, sich gegen ihr Mutter-Dasein zu entscheiden. Die Freiheit, die sie damit gewinnen, liegt in der uneingeschränkten Möglichkeit, beruflich tätig zu sein. Wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung wesentlich am Zugang der Frauen zu allen Berufssparten bemessen, dann erscheint die Tatsache, daß Frauen zumeist nur in den unteren Rängen der gesellschaftlichen Hierarchie Arbeit finden auf die doppelte Funktion und Belastung der Frau in Familie und Beruf zurückführbar zu sein. Diese Argumentation, die die Eroberung von Berufen mit einem Gewinn für die Entfaltung der weiblichen Persönlichkeit gleichsetzt, übersieht jedoch den Umstand, daß die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen weniger auf höhere Bedürfnisse von Selbstverwirklichung u. a. als auf ökonomische Notwendigkeiten verweist. Was hier als Befreiung stattfindet ist eine, in der sich die bürgerliche Gesellschaft von bestimmten Anachronismen befreit, eine Befreiung der Frau zum normalen kapitalistischen Subjekt, das konkurrieren darf und muß. Darüber hinaus verraten die zugehörigen Ideologien „im Beruf seinen Mann stehen“, „in der Familie ganz Frau sein dürfen“ ihren Inhalt, wenn man die Subjekte vertauscht. („Einmal ganz Mann sein dürfen!!“) Die Absurdität, die spezifische Borniertheit, die die Beschränkung auf diese Bereiche an den Individuen hervorbringt, – eine Deformation, die die bürgerliche Form der Arbeitsteilung allen Subjekten auferlegt – als Selbstverwirklichung der Person zu feiern, wird offensichtlich. Ob die Tätigkeit als Sekretärin gegenüber der Hausfrau und Mutter-Rolle nun emanzipatorisch ist oder nicht, der Unterschied besteht in der Höhe des Einkommens. Der Konflikt zwischen Beruf und Familie spitzt sich in dieser Frage zu, ob man sich ein Kind überhaupt leisten kann, die berufliche Tätigkeit der Frau wird zum Kriterium der Familienplanung, Zur Entscheidung steht die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse, die ohne die Arbeit der Frau nicht möglich ist, oder der Luxus, sich ein Kind anzuschaffen, der die vorhandenen Geldmittel überschreitet, Eine Entscheidung, die in dem Paradox enden kann, daß eine Frau arbeiten gehen muß, um Kinder haben zu können – weil sie arbeitet, sich aber nicht mit ihnen befassen kann, sie vernachlässigen muß. Bekannt sind die extremen Folgeerscheinungen, Erziehungsschäden, deviantes Verhalten, Jugendkriminalität, die einen neuen Ableger der Erziehungswissenschaften, die Sozialpädagogik zur Blüte gebracht haben. Daß diese Folgeerscheinungen der doppelten Funktion der Frauen in Familie und Beruf und der notwendigen Reduktion ihrer Rolle in der Erziehung der Kinder keine Einzelfälle mehr sind, wird auch von staatlicher Seite zur Kenntnis genommen, gemessen am steigenden Umfang der Sozial- und Fürsorgetätigkeiten. Wenn auch die Reflexion auf solche Folgen in der parlamentarischen Debatte, ob Abtreibung rechtens, mit dem GG vereinbar ist oder nicht, keinen Stellenwert haben kann, die öffentliche Meinung zum § 218 läßt solche Überlegungen gelten. Weit entfernt von der naiven Gleichsetzung mit der Befreiung der Frau ist damit die Legalisierung der Abtreibung zu versehen als eine indirekte Anerkennung bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse, unter denen es zum Luxus geworden ist, sich ein Kind zu leisten und zu erziehen, eine Anerkennung, daß die durch staatliche Sanktionen erzwungenen Geburten von Kindern gleichbedeutend sein können mit deren lebenslanger Schädigung, die Anerkennung einer Entscheidung, die nur zum Inhalt hat, daß man einem eigenen Kind die Verhältnisse nicht zumuten will, mit denen man selber fertig zu werden hat.
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