Spitzenskandal an der Uni Hamburg:

Vertrauensvolle Zusammenarbeit in hanseatischem Geist


„Unstreitig ist der Bereich der Hochschulen kein rechtsfreier Raum, Er ist aber notwendig ein Raum ... besonderen Vertrauens. Eingriffe Dritter (!) gefährden die Vertrauensatmosphäre fast immer. Es ist daher zweckmäßig, auch Eingriffe auf gesetzlicher Grundlage, wenn immer möglich (!), zu unterlassen.“ (Senator SINN, Wochendienst, 9.11.79)


Die Stellungnahme des obersten Dienstherrn von Hamburgs Alma Mater zu der durch einen „vertraulichen Vermerk“ bekannt gewordenen Tatsache, daß die Universität – aktenkundlich seit 1970 – dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mit der Mitteilung von zweckdienlichen, über „Geburtsdatum, Matrikelnummer, Adresse und erstem Hauptfach“ hinausgehenden ,,Auskünften“ über politisch mißliebige Studenten dienlich war, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Während etwas südlicher als „hier bei uns“ (so der AStA mit gekonnter Überraschung ob der eigenen Entdeckung, daß die Praxis staatlicher Gesinnungsüberprüfung nun doch in der freien Hansestadt tatsächlich stattfindet!) die Hüter der Verfassung ohne den geringsten Anschein der Zurückhaltung und unter ausdrücklicher Order des Universitätspräsidenten zu Werke gehen, findet an Hamburgs Universität die Observierung der Gesinnung im hanseatischen Klima der „Gelassenheit und Toleranz“ statt. Diese Pflege des allseits beförderten fortschrittlich-weltoffenen ?Geistes läßt sich die Universität auch und gerade dann angelegen sein, wenn sie mit dem LfV-Zweck erkennungsdienstlicher Vorbehandlung von Studenten eigens „universitätsinterne Verfahrungsregelungen“ praktiziert, und so dem Entscheid darüber vorarbeitet, ob der Staat jenen, die er für seine Gegner hält, die Mittel zur Reproduktion entzieht, also Berufsverbote erteilt.

„Wegen der politischen Innenwirkung könne in dieser Angelegenheit (nämlich der Denunziation von Studenten!) nur mit besonderer Vorsicht und mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden. Aus diesem (!) Grunde werde man wohl auch nicht umhin können, den Universitätspräsidenten in dieser Frage zu gegebener Zeit einzuschalten, da es hier nicht nur (!) um die bloße Abwicklung einer Verwaltungsangelegenheit (!) geht.“ (Aus dem „vertraulichen Vermerk“ der Univerwaltung betreffs einer effektiveren, nämlich als „mündliches Verfahren“ anstelle der bislang üblichen „schriftlichen Anfragen und Auskünfte“ zu gestaltenden Abwicklung der informativen Zusammenarbeit zwischen Uni und LfV)“

Diese Geschäftsverbindung zwischen Universität und Verfassungsschutz garantiert beiden Seiten ein erkleckliches Ergebnis.

– Der Universität aufgrund der diskreten (!) Zusammenarbeit mit dem LfV die ungetrübte Pflege des gerühmten „Hanseatentums“, jener ,,Mischung von Aufgeschlossenheit, gut entwickeltem Kritikvermögen und liberaler Grundhaltung“, dem die „arbeitsintensivste Universität im ganzen Land“ ihren guten Ruf verdankt.

– Der Verfassungsschutz wiederum erreicht auf diesem „fruchtbaren Boden“ durch seine ,,Auskunftsersuchen“ bei der Universität eine Komplettierung jener „verwertbaren Erkenntnisse“, zu deren Beschaffung seine vertrauensklimatischen Figuren in Hörsälen, auf VVs und anderswo operieren; somit jene „Intensivierung der Nachforschungen“, aufgrund der die „Lockerung (!) des Extremistenerlasses“ praktisch angegangen wird.


Jeremiaden der Gewerkschaftlichen Orientierung

Daß das hierzu dienliche, aber derzeit etwas gestörte Klima des „Vertrauens“ wieder zu einer Atmosphäre der wirklich „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zwischen kritischer studentischer Öffentlichkeit und Universität/Senat werden möge, ist das erhabene Anliegen der GO bei ihren Anti-Spitzelskandalaktivitäten. Seit Jahren stets in der Pose des besorgten Verfechters des fortschrittlichen hamburgensischen Geistes, hat die GO keine Peinlichkeit versäumt, um an dessen Demonstration tragend mitwirken zu können.

Zu welchen Eskapaden diese Politik der GO treibt, zeigte sich anläßlich des jüngsten ,,Kampfschrittes gegen Bespitzelung“. In Absprache mit FISCHER-APPELT wurde pünktlich um 16 Uhr das Hauptgebäude der Uni besetzt. Der noch bis 16.30 Uhr diensthabende Unipräsident empfing die vom AStA angeführten Besetzer mit einer kleinen Ansprache, in der er die bekannten Worte zum Alltag an der Uni sprach und den AStA dazu aufrief, für einen ordentlichen Ablauf der Festveranstaltung zu sorgen. Gerüchte besagen, FISCHER-APPELT habe sich hierbei auf einen mit dem AStA geschlossenen „Überlassungsvertrag“ für das Hauptgebäude zwecks kultureller Nutzung berufen. Wie dem auch war, der AStA bedankte sich für die erteilte Genehmigung zur Besetzung, indem er am nächsten Morgen pünktlich um 9 Uhr vor dem Beginn des Vorlesungsbetriebs das Gebäude wieder ordentlich räumte.

Der „Hauptskandal“ jedoch, mit dem der AStA Stimmung macht, besteht laut diesem darin, daß mit den Schnüffeleien von Uni/LfV die Studenten bei ihrem Ringen gegen die „Verhinderung, ja Abwürgen eines wirklich sinnvollen, befriedigenden und qualifizierenden Studiums“ „eingeschüchtert“ und „verängstigt“ werden sollen. Nach allen Regeln revisionistischer Kunst schlagen die im AStA den breiten Fortschritt vertretenden MSB/SHB/Juso-Bündnisepigonen den Bogen vom „Spitzelskandal“ zu den wieder einmal anstehenden „Aktivitäten gegen schlechte Studienbedingungen, Stellenstreichungen“ usw., und erklären dieses Ringen um ein ,,sinnvolles Studium“ zum unerläßlichen Engagement für die Wiederherstellung jenes bewährten Vertrauensklimas an der Universität, in dem wieder ,,sinnvoll gelebt, studiert und gekämpft“ werden kann, soll, muß.

 

aus: MSZ 32 – Dezember 1979

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