Ein Fachmann verteidigt Freud Verriß der Psychoanalyse psychoanalysiert „Um diesem liederlichen Machwerk gerecht zu werden, müßte man es entweder zerreißen und vergessen oder aber es Zeile für Zeile auseinandernehmen, um den Nachweis schlüssig führen zu können, daß in dem ganzen Artikel tatsächlich kein Funken Verstand steckt.“ So beginnt ein längerer Brief an die MSZ- Redaktion, dessen Verfasser einiges aufbietet, „um die völlige Unqualifiziertheit des Artikelautors darzutun“ und nach getanem Werk forsch ankündigt: „Ich werde jedenfalls in Zukunft alles tun, um Leute wie euch politisch fertigzumachen.“ (Mittlerweile geschehen durch Veröffentlichung des Briefs als Broschüre.) Wir drucken diese Zuschrift ab und gestatten uns eine Replik, freilich eine, die weit weniger leidenschaftlich ausfällt als die Philippika eines Psychologen. Statt uns ein weiteres Mal den Vorwurf „verbiesterter Gehässigkeit“ einzuhandeln, benutzen wir die Gelegenheit dazu, unsere Einwände gegen das psychologische Denken zusammenzufassen, zumal es anläßlich des Artikels nicht nur professionelle Mißverständnisse gegeben hat.
„Daß Freud jemals ... Elektroschocks verabreicht hat, ist mir (!) weder aus seinen Schriften noch aus einer Biographie bekannt, dürfte also (!) eine Erfindung des Autors sein.“ In der Tat: mit Erfindungen käme nie und nimmer eine Kritik an Freuds Theorie und Praxis zustande, sondern eine üble Nachrede. Und wenn – auch nur in einem Nebensatz – dem Leser suggeriert würde, ein von uns kritisierter Wissenschaftler mache Dinge, die er sich gar nicht zur Last legen lassen muß, wäre von unserer Seite schleunigst die entsprechende Korrektur zu fordern. Leider verlangt unser Fachmann dies nicht. Er schließt ja ganz fest und sicher daraus, daß ihm der Sachverhalt bekannt ist, daß der MSZ-Autor – keinen Irrtum, nein – eine Erfindung verbrochen habe. Eine absichtliche Falschmeldung hat der Fachmann mit der ihm zustehenden Pose entlarvt, wobei er, der wiederholte Male auf den „Zusammenhang“ pocht, in dem ein Zitat von FREUD steht, das mit der inkriminierten Stelle vorgetragene Argument gar nicht erst zur Kenntnis nimmt; hier im Klartext: Es ging uns um den Umgang mit seelisch Kranken, den FREUD mit seinen Lehrern teilt, und der experimentierend genannt zu werden verdient. Die Ineffizienz von Elektrotherapie und Hypnose hat für FREUD den Ausschlag gegeben, aus seiner Praxis ein dauerndes Experimentierfeld für eine Psychotherapie zu machen, welche einerseits Abstand nimmt von somatischer „Hilfe“, andererseits die zerstörte Individualität in zig-mal revidierten „Modellen“ als Material behandelt und theoretisch ausmalt, ohne je von der Vorstellung eines funktionierenden (oder auch nicht) „Apparats“ loszukommen. Dabei ist FREUD sehr ehrlich gewesen: Weder hat er in Sachen Hilfe das versprochen, womit seine Nachfahren ihre Dienste anpreisen, noch hat er sein theoretisches Ideal verleugnet – die „Fundierung“ seiner Modelle in physiologischen Prozessen. (Zitate dazu stehen im Artikel!) Was uns daran aufgefallen ist, kümmert einen Fachmann natürlich nicht, der jetzt wohl die Jones-Biographie, Band I, S. 241 oder S. 279 wie wild durchblättert, um nachzuprüfen, ob ein Psycholog, der von der Medizin kommt, tatsächlich je mit Strom hantiert hat. Deshalb wiederholen wir es angelegentlich des Ratschlags, den er uns verabreicht:
„»Neuron« ist, wie der Autor in jedem einschlägigen Lexikon oder Handbuch nachlesen hätte können, im allgemeinen neurophysiologischen Sprachgebrauch ein anderes Wort für »Nervenzelle des Gehirns« oder einfacher »Gehirnzelle«. Ein Neuron ist weder »energiegeladen« noch hat es das geringste mit »Orgon« zu tun, ...“ Wir werden uns hüten, angesichts der Theorie über sexuelle Anästhesie und Melancholie, die FREUD in den 90er Jahren entwarf und angesichts der darin vorkommenden „leeren“ bzw. „mit einer gewissen Quantität gefüllten“ Neuronen in einem Lexikon nachzuschlagen. Diese Theorie verdankte sich nämlich dem ersehnten Ideal; ihr Mangel ist offenkundig: in den natürlichen Voraussetzungen von Gefühl, Bewußtsein und Vorstellung will FREUD die Besonderheiten erklären, die verschiedene Subjekte in ihrem Seelenleben an den Tag legen – weshalb die „Neuronen“ bei ihm auch nicht das sind, was in Fachmanns Wörterbuch steht. Sie sind unterschieden, werden mit griechischen Buchstaben bezeichnet, und ihre Eigenschaften geraten – sehr logisch übrigens – zu funktionellen; sie ziehen Energie von anderen ab und so, was alles zu dem gewünschten Ergebnis führt: Die zwischen ihnen „ablaufenden“, weil von FREUD ersonnenen Prozesse bewirken ganz physiologisch die psychologischen Phänomene. Wo wir das alles herhaben, wird nicht verraten. Ebensowenig, wieso uns an der betreffenden Stelle das „Orgon“ von REICH eingefallen ist, von dem Fachmann mitteilt, daß es FREUD „höchstwahrscheinlich gar nicht kannte.“
Fachmann stört sich an unserer Feststellung, daß die Therapie ein Abhängigkeitsverhältnis ganz besonderer Art darstellt. Die zitierten Stichworte dünken ihn ein einziger Verstoß gegen die philologische Redlichkeit, wobei wir ihm in einem Falle zustimmen. Die Wörter „zu fügen“ stehen in der Tat nicht auf S. 420, sondern auf S. 421 oben. Allerdings täuscht er sich, der Fachmann, wenn er meint, wir hätten Wörter interpretiert. Es ging schlicht um den Hinweis auf die Konsequenzen, die die ,,Weiterentwicklung“ der FREUDschen Theorie für seinen praktischen Umgang mit dem Patienten zeitigte und die unser Kritiker nicht bzw. nur getrennt von ihrem Witz zur Kenntnis nehmen mag: „Er spricht allenfalls von Maßregeln oder Verhaltensregeln, an die der Patient sich allerdings halten muß, wenn die Therapie überhaupt einen Sinn haben soll.“ Als hätte FREUD nichts von der Gefühlsbindung des Patienten zum Therapeuten verlauten lassen, als hätte er – gerade in seinen Ausführungen zur „Übertragung“ – nicht detailliert Auskunft gegeben über das Verhältnis der Willen beider Akteure der Analyse, meint uns Fachmann beschämen zu können mit der Bemerkung: ,,Natürlich steht es jedem Patienten jederzeit frei, die Behandlung abzubrechen“. Unsere unmaßgebliche Meinung hierzu lautet: Das wäre ja noch schöner, wenn ... . Zum ,,Vertrag“ (Fachmann wird diesen Ausdruck bei FREUD vermissen, weil er eine andere Ausgabe besitzt als die Ignoranten der MSZ!), den der Patient mit dem Analytiker eingeht, ist in der MSZ das Nötige bemerkt: Einem, der das Leiden eines Neurotikers damit „erklärt“, daß er mit sich nicht fertig wird, daß er mit den in seiner Subjektivität waltenden Kräften, den unbewußten und den bewußten, nicht richtig haushält und beständig seine Energie für die falsche Haushaltsführung verpulvert – dem mag es selbstverständlich sein, daß ein Neurotiker dem Fachmann für die richtige Haushaltsführung die Anleitung zur Selbstkorrektur anvertraut; dem kommt es natürlich auch nicht komisch vor, wenn die „Hilfe“ von ihrem Gegenteil abhängig ist: Gefügigkeit, Ausdauer, Opfer ... Im Gegenteil. Ein Fachmann der Psychoanalyse wirft jedem, der dies ausspricht, „komplettes psychologisches Unwissen“ vor – und er hat damit nicht einmal so unrecht. Die Rede vom ,,Willen aufgeben“ ist für ihn auch angesichts der Tatsache, daß einer mit Willen in die Analyse marschiert, „abwegig“ – als könnte ein Fachmann den Gedanken willentlicher Unterwerfung wegen seines kompletten psychologischen Wissens nicht fassen! Aber dieses Wissen ist ja zu ganz anderen intellektuellen Leistungen fähig: Daß der von Freud in Vorlesungen erwähnte Wunsch, tatsächlich – und zwar mittels Macht – helfen zu können, das Eingeständnis darstellt, daß die Analyse keine Hilfe bringt, will dem Fachmann nicht in den Kopf. Die deutliche Auskunft eines FREUD – „Die Psychoanalyse hat das ihrige getan, wenn sie den Patienten möglichst gesund und leistungsfähig entläßt.“ – ist einem Nachfahren von ihm zu bescheiden. Ziehen wir die Begründung dafür vor, um auf das Gebiet des Spezialisten, das Unbewußte, später noch einzugehen!
Die von uns angeführten Zitate „leisten nichts für die vom Autor behauptete Gleichheit von Leistungsfähigkeit (Tüchtigkeit) und kritikloser Angepaßtheit.“ Selbst für diesen Fall möchten wir zu bedenken geben, daß ein Hilfsprogramm für Kranke eine durchaus akzeptable Sache ist und wir der Psychoanalyse nicht den Vorwurf machen, sie sei „lediglich“ auf Wiederherstellung der zerstörten Individualität aus. Wir haben ihr vielmehr den Charakter einer hilfreichen Unternehmung abgesprochen, weil ihre Theorie die psychischen Leiden falsch erklärt und ihre Praxis entsprechend wenig Hilfe bringt. Ihr Ideal freilich besteht in der Restitution des funktionstüchtigen Individuums, worüber Fachmann gern einen Disput hätte nach dem Motto: „Was verstehen wir darunter?“ „Unter einem funktionstüchtigen Individuum stellt er (sc. der Autor) einen kritiklos funktionierenden, vollkommen angepaßten Menschen vor.“ Sachte, Freund! Wenn die Psychoanalyse in Theorie & Praxis so wohlfeil von dem abstrahiert, was mit ihren Patienten angestellt wurde, was sie dazu brachte, sich in irgendeiner Form (die Klassifizierung von Neurosen überlassen wir Fachleuten!) selbst als Problem zu behandeln; wenn diese Wissenschaft diese Verrücktheit bestätigt und ein „normales“ Verhältnis von Ich zu sonstigen Instanzen empfiehlt, so kommt im Falle ihres Erfolges (d.h. wenn die theoretische Deutung des Leidens vom Patienten an sich praktiziert wird) partout nichts heraus, was auf ein höheres Ziel deutet als auf „Funktionstüchtigkeit“, sich bewähren in Gottes schöner Welt. Wer sagt's denn, daß „ein gewisses Maß an Lebenstüchtigkeit (Leistungsfähigkeit) und Selbständigkeit notwendige Voraussetzung (!) für jedes gesellschaftsverändernde Handeln ist“? Eben: Voraussetzung! – und wir werden uns hüten, ausgerechnet Leuten, die unsere schöne Welt von Freiheit und Gleichheit fertiggemacht hat, revolutionäre Umtriebe als Weg künftiger Selbstverwirklichung anzuraten. Sicher wird Fachmann behaupten, das hätte er gar nicht gesagt, nur: Warum ist ihm dann das „gesellschaftsverändernde Handeln“ eingefallen, als er die Psychoanalyse als Weg zum kritisch funktionierenden und nicht ganz vollkommen angepaßten Menschen vorstellig machen wollte? Da wäre nur noch eins, nämlich das Urteil FREUDs über einen „Erfolg“. Wir wiederholen es aus der MSZ, obwohl es sich nicht um einen Erfolg der Therapie, sondern um einen psychoanalytisch gedeuteten Erfolg der Wechselfälle des Lebens handelt: „Seither hat der Patient, dem der Krieg Heimat, Vermögen und alle Familienbeziehungen geraubt hatte, sich normal gefühlt und tadellos benommen. Vielleicht hat gerade sein Elend durch die Befriedigung seines Schuldgefühls zur Befestigung seiner Herstellung beigetragen.“ Vielleicht! Vielleicht „leistet“ auch dieses Zitat nichts für einen Fachmann, weil die Leistungsfähigkeit ja gar keine Frage des Textes ist.
In dem Bewußtsein, daß ein Fachmann den Fehler von FREUD noch allemal falsch zusammenfaßt, weil er ihn für keinen hält: „Freud behauptet ja lediglich, neben dem bewußten gebe es auch ein unbewußtes seelisches Geschehen“ haben wir auf zweierlei hingewiesen. Erstens auf die „Rechtfertigung des Unbewußten“ beim Meister Sigmund, der die „Annahme des Unbewußten“ deswegen für notwendig hielt, „weil die Daten des Bewußtseins in hohem Grade lückenhaft sind“. Zweitens darauf, daß mit dieser Argumentation etwas ganz anderes behauptet wird, als der Fachmann glauben machen will. Zum ersten: Wenn FREUD den hohen Grad der Lückenhaftigkeit ... anführt, bedient er sich nicht der Logik, sondern der Tautologie. Was bei ihm und seinen Nachfolgern gleich zum terminologischen Denkmal geraten ist: das Un-Bewußte. Wenn FREUD und seine Anhänger doch ein einziges Mal erklärt hätten, was es mit der Tätigkeit der Seele, soweit die Subjektivität empfindet, Gefühle hat usw., auf sich hat! Wenn sie doch ein einziges Mal das Bewußtsein als spezifische Leistung des Individuums, seinen Umgang mit der Tätigkeit der Sinne bzw. ihrem Resultat, die Wahrnehmung, die Erinnerung an Wahrgenommenes, die Vorstellung, ihre sprachliche Bezeichnung, das Gedächtnis usw. usw. bestimmt hätten! Dann hätte man wenigstens ein Material zu beurteilen, eine Theorie, über die sich sagen ließe, ob sie etwas klarstellt oder nicht! So aber wird das Seelenleben zweigeteilt, und die Bestimmung erfolgt tautologisch-negativ: Ein ,Bereich“ entbehrt der Eigenart, die dem anderen zukommt, ist unbewußt. Zum zweiten: Daß „Unbewußtes“, „Vorbewußtes“ im Handeln von Leuten eine Rolle spielt, taugt auf keinen Fall als Argument für die Warnung, daß „die Rolle des Unbewußtseins überschätzt“ werde (natürlich nicht beim Psychologen). Der Kampf gegen diese „Überschätzung“ ist im übrigen das Anliegen des Beweises, den FREUD für die Existenz des Unbewußten antritt – ungeachtet dessen, daß es um Über- oder Unterschätzungen überhaupt nicht geht. Wenn „pathologische Tatsachen“ oder die berühmten „Fehlleistungen“ verraten, daß eine Handlung sich nicht dem bewußten Entschluß des Individuums verdanken, so ergibt sich noch lange nicht ein neues „Menschenbild“, demzufolge die „bewußten Akte“ zusammenhangslos und unverständlich sein sollen, wenn nicht die Annahme des Unbewußten ... Drittens: FREUD hat mit der bloßen negativen Bestimmung der Tätigkeiten des Individuums, die es „ohne Bewußtsein“ vollzieht, und ihrer Zusammenfassung mit allen anderen (s.o) Leistungen der Subjektivität unter die ,,seelischen Vorgänge“ das Kunststück vollbracht, die entscheidenden Unterschiede zu erschlagen: „unbewußte Vorstellungen“ sind für ihn kein Problem, weil es ihn gar nicht interessiert, was eine Vorstellung von einem Bild im Traum (beide haben bisweilen dieselbe Sache zum Inhalt!) unterscheidet! Methodisch von ihm selber vorgebracht: „Sie können (!) mit all den Kategorien beschrieben werden, die wir auf die bewußten Seelenakte anwenden, als Vorstellungen, Strebungen, Entschließungen und dergleichen. Ja, von manchen dieser latenten Zustände müssen wir aussagen, sie unterscheiden sich von den bewußten eben nur (!) durch den Wegfall des Bewußtseins.“ Dergleichen stört Fachmann nicht, zumal er zurecht bemerkt hat, daß wir uns um die richtige „Einschätzung“ der verschiedenen Seelenplanquadrate im Traume nicht kümmern. Apropos Traum: Klar, daß für einen Fachmann, der die eben zitierte methodische Regel von FREUD beherzigt, das Bewußtsein am Werk ist, wenn man schläft! Wo die Nichtunterscheidung zum Prinzip wird, gehorcht ja auch die „Traumarbeit“ den Regeln der allerlistigsten Zensorenkunst, wobei jedermann – als wäre er in einem Übersetzungskurs bei FREUD gewesen – die „feststehenden Übersetzungen“, die Symbole für seine Wünsche und Ängste aus dem Traumwörterbuch holt. Damit Fachmann nicht mißversteht: wir haben das von FREUD, der die Verschiebungstechniken etc. streng nach dem Muster der wachen Intelligenz erläutert, mit Etymologien, die aus Metaphern, Metonymien u.ä. erklärt werden: begründete Assoziationen! (Das ist eine contradictio in adiecto!)
Das Prinzip der Kritik, die unser Fachmann am MSZ-Artikel übt, ist das billigste, was auf dem Jahrmarkt psychologischer Eitelkeiten zu haben ist: „euer Kommentar enthält ja gar nicht dasselbe wie das angeführte Zitat!“ Im nächsten Beispiel ging es uns um die Widersprüche, die FREUD bei der Fortschreibung seiner Theorie gewahrte und fröhlich („das ist mir aus keiner Biographie bekannt“ – muß Fachmann jetzt einwenden!) in immer neue Modelle des seelischen Apparates ummünzte: Wir wollten demonstrieren, daß es einigermaßen komisch ist, wenn eine Instanz wie das Ich die un- bis vor-bewußten „Vorstellungen“ zur Kenntnis nimmt, um zu beschließen, die unangenehmen unter diesen Dingern nicht zur Kenntnis zu nehmen, also zurückzuboxen dahin, wo sie ihm nichts anhaben können und von wo aus sie dann als „Verdrängtes“ lauter Unheil anrichten. (Wir wissen übrigens, daß „die Zensur“, „die Abwehr“ etc. bisweilen schon am Eingang zum „Vorbewußten“ stattfinden soll, daß eben die Freudsche Theorie ungemein komplex ist!) Fachmann wieder philologisch: Das Bewußtsein ist nicht das Ausschließende, zweites Zitat nicht von FREUD(als ob ein Kenner von FREUD nicht den entsprechenden Stiefel in seinem Zettelkasten hat!) – und der Widerspruch ist weg! FREUD hat ihn – wiederum sehr aufrichtig – nicht geleugnet, und seine Aussagen über den Aufbau des psychischen Apparats geben stets den jeweiligen Stand des Kampfes zwischen Ich, Es und Über-Ich wieder, wie er sich seiner Bemühung um die richtige Einschätzung der Rolle des (Un-)Bewußten entsprechend gestaltete. Ob Fachmanns Ich, Es oder Über-Ich maßgeblich an seinem Brief beteiligt war, wird er selbst wohl am besten wissen, es sei denn, er hat ihn unbewußt geschrieben.
Nein! Wir haben nur bemerkt, daß sich die „frühkindliche Sexualität“ für FREUD in Zielsetzungen ergeht, die einen fix und fertigen bürgerlichen Eifersüchtling und anders mehr in jedem Baby verankern. Wem ist denn eingefallen, daß männliche Kleinkinder mit der Mammi wollen und deshalb „unbewußt“ dem Alten am liebsten an den Kragen gingen? Ist natürlich komplizierter, etwa so wie im folgenden Rat an die Frau, die lebenslang ein Eigentumsproblem hat, welches sie treibt und obszöner Weise nicht ruhen noch rasten läßt, bis sie einen frühkindlichen Fortschritt wiederholt: „Für das Weib bringt es geringen Schaden, wenn es in seiner femininen Ödipuseinstellung verbleibt. Sie wird dann ihren Mann nach väterlichen Eigenschaften wählen und bereit sein, seine Autorität anzuerkennen. Ihre eigentliche unstillbare Sehnsucht“ (die Rolle des Unbewußten richtig eingeschätzt!) „nach dem Besitz eines Penis kann zur Befriedigung kommen, wenn es ihr gelingt, die Liebe zum Organ zur Liebe für den Träger desselben zu vervollständigen, wie es seinerzeit beim Fortschritt von der Mutterbrust zur Mutterperson geschah.“ Also uns ist das nicht eingefallen. Wir sehen das anders. Das Zitat ist eine Fälschung. Logo!
„Nun ja, von einem Mann, der selbst in seinem Beruf absolute Unfähigkeit beweist, kann man kein vorurteilsfreies Verhältnis zum Begriff der Leistungsfähigkeit erwarten.“ – meint Fachmann und täuscht sich schon wieder. Zum „Begriff der Leistungsfähigkeit“ (vgl. oben) hat der Mann, der im übrigen eine Frau ist, durchaus ein „vorurteilsfreies Verhältnis“. Sicher, Fachmanns gesellschaftsverändernde Karriere steht ihr nicht bevor; daß die Besichtigung der Fähigkeit aber auf das Wohlverhalten zielt, das deren Äußerung darzustellen hat, ist ihr bekannt. Der ganze schöne „Begriff“ ist ja die psychologische Fassung der Frage, ob einer den Kriterien genügt, die in einem Beruf anerkannt sind. Aber das hält Fachmann sicher für das „zwanghafte Gefasel eines Wahnwitzigen“, für welchen Hinweis wir außerordentlich dankbar sind. In der Annahme, daß er mit diesem Wink kein Kompliment, sondern eine flotte Beschimpfung loswerden wollte, schließen wir ganz unförmlich auf die Einstellung zum Wahnsinn, die ein allzeit (hilfsbereiter Psycholog an den Tag legt. (Sind solche Leute nicht krank und brauchen eine Analyse?) Fürwahr, ein gelehriger Schüler FREUDs hat uns da geschrieben nach dem Motto: „Wer gegen die Psychoanalyse argumentiert, ist selbst ein Fall!“
fühlt sich Fachmann und fühlt Erinnerungen an „faschistische Hetzschriften“ gegen die Psychoanalyse bei sich erweckt. Er hätte lieber Reich lesen sollen, den „marxistischen Freudianer“, welcher dem Faschismus das flotte Kompliment gemacht hat, besser auf die „eigentlichen“, unbewußten Regungen der Massen eingegangen zu sein. Das Hakenkreuz als Sexualsymbol? Die Rolle des Unbewußten im Arbeitsdienst und Krieg richtig eingeschätzt? Irgendwie drängt sich uns der Verdacht auf, daß Fachmann den „Verriß der Psychoanalyse“ verstanden hat, trotz der „sprachlich bzw. sprachlogisch“ nicht erfüllten „Qualitätskriterien“...
aus: MSZ 30 – Juli 1979 |