Ponto-Nachfolge Die Ersetzung eines Menschen, dessen Tod eine unermeßlich große Lücke aufreißt Der erschossene Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, Jürgen Ponto, hat einen ihm gleichkommenden Nachfolger in H.J. Friderichs, ehemals Bundesminister für Wirtschaft, gefunden. Dabei schien es zunächst so, als müßten die Posten, die Ponto so besetzt hielt, verwaisen, konnte man den Todesanzeigen der 14 Unternehmen, für die er „verantwortlich tätig war“, Glauben schenken. Denn in diesen war nicht nur unisono von den überragenden menschlichen Eigenschaften des Bankiers die Rede „große/mutige/überzeugende/eine der profiliertesten/ überragende ... Persönlichkeit“ (Daimler-Benz, Münchner Rückversicherung, RWE, benecke GmbH) „Weltoffener Geist, vornehme Gesinnung“ (AEG) „Souveräner Geist, warmherzige Ausstrahlung“ (Metallgesellschaft AG) „Tatkraft, Güte, unbeugsamer Mut“ (Allianz) usw.usf. sondern auch von seiner Unersetzlichkeit; „Unsere Welt ist ohne ihn erschreckend ärmer geworden“ (Metallgesellschaft AG) „ ... Persönlichkeit, deren Tod nicht nur im Bereich der Münchner Rück (offizielles Börsenkürzel – MSZ), Obwohl Jürgen Ponto offensichtlich ein ganz besonders wertvoller Mensch war und sich von normalen Gestorbenen dadurch unterschied, daß sie es nicht zu mehr gebracht haben als zu „Mann, Vater, Schwiegervater, Opa und Bruder“ er es hingegen zu „großem Einfluß und internationalem Ansehen“ im „Dienst“ der deutschen und internationalen Kreditwirtschaft, kann dies kaum der Grund sein, daß die von ihm betreuten Firmen so überschwengliche Trauer zeigen und entsprechende Gehälter zahlten.
Gearbeitet hat er dafür wohl weniger bzw. muß dies eine ungewöhnliche Arbeit sein, die ein Mensch in 14 Unternehmen gleichzeitig verrichten kann. Es finden sich Hinweise, was die besondere Leistung des Herrn Ponto war: „Ratgeber, kluger Rat, vielfache Anregungen, wertvoller Rat, Freund und Ratgeber, wise counsel, sicheres Urteilsvermögen, sachkundiger Ratgeber, ausgewogenes Urteil, verantwortungsbewußter Rat“ (alle 14) Daß man mit Rat und Urteil so sehr anerkannt und honoriert werden kann, ist jedoch auch sehr verwunderlich, da Ponto aufgrund seiner „vielfältigen Tätigkeit“ schlechthin nichts dazu sagen konnte, welches Produktions-, Investitions– und Sonstwieprogramm ob, wann, wie und wo anzugehen sei, umgekehrt man dafür ja auch seine Manager bezahlt und nicht schlecht. Und den banalen Rat, die Lohnkosten zu senken, kriegen sie an jeder Ecke umsonst, falls sie ihn noch bräuchten. Also: nicht daß er Rat und Urteil von sich gab, machte den besonderen Nutzen aus, sondern daß er Rat und Urteil äußerte als „Bankier, Mann der Kreditwirtschaft“ und da war er auch nicht irgendeiner, sondern von „internationalem Ruf“ und „weitreichenden Beziehungen“ die manches bewirkten: „Through his membership in our Europe Advisory Board and the Board of our Knorr Company in Switzerland, close links between the Dresdner Bank and our Maizena Group in Germany were extended to the international field“ (CPC Europe Ltd.)
Wenn sich die Industrieunternehmen dermaßen anschleimen an einen Banker und damit seinen noch lebenden Brüdern ihre Referenz erweisen, so zeigen sie, wie sehr sie auf die Banken angewiesen sind. Und was kann der kluge und verantwortungsbewußte Rat des Jürgen Ponto anderes gewesen sein als die Ermahnung, eben daran immer zu denken, damit sie auch ihre Kredite kriegen und die Zinsen dafür zahlen können, was wiederum die Ermahnung einschließt, ja ordentlich Gewinne zu machen – sich also um ihr Geschäft zu kümmern, und ein „sachkundiger“ Banker kann als Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte selber mit Rat und Tat dafür sorgen, daß die Gewinn- und Verlustrechnung für ihn gleich doppelt positiv ausfällt. Die Abhängigkeit ist also eine gegenseitige und das Verhältnis dementsprechend freundlich, wenngleich als eherne Regel gilt, daß das Geld zum richtigen Zeitpunkt dasein muß, und dann hat der Industrielle es bekanntlich nicht. Sich der Unterstützung eines bekannten Bankmannes zu versichern, kann also nur von Vorteil sein. Da dieser aber auch nur dann seinen guten Rat fruchtbringend anbringen kann, wenn die innere Rationalität des Betriebes, das Gewinnemachen, funktioniert, er darauf als Voraussetzung angewiesen ist, wenn er Geschäfte des gegenseitigen Vorteils vermitteln will, ist auch er nur eine weitere Figur im undurchschaubaren Ablauf des big business, wo die Expansion der Betriebe eine Angelegenheit der „Inspiration, des Fingerspitzengefühls und des Üher-den-Daumen-Peilens“ (BWL-Lehrbuch) ist. In dieser Welt, wo jeder dem anderen an den Kragen geht – wofür man sich gerne auch mal zusammenschließt –, lebt das höfische Intrigenspiel wieder auf, nun aber betrieben von knallharten Geschäftsleuten, die von ihrem Monopoly wissen, daß es die ganze Welt als Spielbrett hat. Und hierin hat eine Figur vom Range Pontos durchaus eine besondere Bedeutung, wenn es nämlich um das Abklopfen persönlicher Präferenzen und Schwächen, um die Darstellung kreditspendender Vertrauenswürdigkeit, um Drohung, Einschüchterung und Demonstration ungebrochener Prosperität, sowie smarten Durchblicks geht. Er kann die Verbindung zwischen den „richtigen Leuten“ herstellen (was ihm die CPC Europe, die auf den deutschen Markt erst einbrechen mußte, besonders anrechnet), sein Name steht für geschäftliche Seriosität, in einem Wort: er ist – als Banker und Freund der deutschen Wirtschaft – eine gelungene Charaktermaske, die all die Eigenschaften in sich zusammenfaßt, die in dem ungewissen Spiel der Konkurrenz, des Überlebens auf dem Markt gefragt sind.
Somit ist sein Tod zweifellos Anlaß zu Trauer und Sorge, muß man sich um einige fragile Geschäftskontakte doch nun eigens kümmern bzw. muß ein neuer Mann her, und er kann natürlich nicht ein Irgendwer sein. Glück im Unglück: eine durchaus gleichwertige Persönlichkeit war gerade rechtzeitig der Regierungsverantwortung müde geworden und suchte einen passenden Anschlußjob. Mit seiner reichen Erfahrung war H.J. Friderichs der zwingende Ersatz, der die unermeßlich große Lücke ausfüllen kann. Zugleich auch eine schöne Widerlegung der Rede vom staatsmonopolistischen Kapitalismus: bei uns sind Staat und Wirtschaft eben stark genug, ihre Wirkungsbereiche klar voneinander abzugrenzen, d.h. daß die Wirtschaft es nicht nötig hat, die Staatsagenten zu bestechen bzw. diese es nicht nötig haben, sich bestechen zu lassen. Wenn es ihnen beim Staat nicht mehr gefällt, dann wechseln sie eben das Metier – und auch für jeden von ihnen findet sich sofort ein Nachfolger. Womit nur ein weiteres Mal bewiesen wäre, daß Politiker eben auch Menschen wie du und ich mit einem Geldbeutel sind, was sich aber in dieser „starken und gefestigten Demokratie“ nicht dergestalt negativ bemerkbar macht, daß sie es über die normalen Vorteile ihrer Staatsagententätigkeit hinaus nötig hätten, letztere noch einmal für zusätzliche Vorteile einzusetzen.
aus: MSZ 19 – Oktober 1977 |