Parteienfinanzierung Ungeniert die Kasse saniert
Während der Faschismus dem demokratischen Staat die Abhängigkeit von Sonderinteressen zum Vorwurf macht und damit bekundet, daß sich seiner Auffassung nach ein anständiger Staat so nicht machen läßt, hat das Bundesverfassungsgericht den Parteien ihre Finanzierung durch private Geldgeber zur Pflicht gemacht: „Artikel 21 Absatz 1 GG, der die Struktur der Parteien als frei konkurrierende, aus eigener Kraft wirkende und vom Staat unabhängige Gruppen verfassungsmäßig festlegt, verbietet es, die dauernde finanzielle Fürsorge für die Parteien zu einer dauernden Staatsaufgabe zu machen.“ (BVerfGE 20,56/19.7.1966) Die Parteien, die den Staat machen, finanzieren sich so über den Staat und legen sich über das Verbot der ,,dauernden“ Finanzierung die verfassungsmäßige Verpflichtung auf, jede Menge anderer Geldquellen aufzutun, wo sich was absahnen läßt. Dies die Geschäftsgrundlage eines legalen Deals, in dem die eine Seite Geld gibt, weil sie am Handeln der Partei interessiert ist, die Partei ihrerseits aber nicht zu einer bestimmten Handlung gezwungen ist: Parteispende. Unterstellt ist bei diesem Handel ein gemeinsamer Zweck beider Kontrahenten und der ist bei der Wirtschaft und einer demokratischen Partei, der es um das Gedeihen „unserer Wirtschaft“ zu tun ist, allemal gegeben. Allerdings eröffnen sich durch den Umstand, daß die Spender nicht „unsere Wirtschaft“ sind, sondern einzelne Kapitalisten, denen bestimmte Staatsmaßnahmen besonders nützen, fließende Übergänge zu nicht erlaubten Formen der Korruption, bei denen noch bestimmte Zusammenhänge zwischen einer politischen Maßnahme und dem edlen Spender geknüpft werden können, wie z.B. wenn die SPD der CSU in Bayern vorwirft: „Wenn allerdings die inzwischen pleite gegangene Augsburger Firma Glöggler der CSU 123.000 Mark spendet und 8 Millionen Mark staatliche Finanzhilfen erhält, dann ist das doch mehr als peinlich.“ (oberpeinlich!) (SPD zum Stichwort: Machtmißbrauch, Skandale und Affairen der CSU) oder der SPD-Ministerpräsident in Hessen wegen undurchsichtiger Spendenpraxis (also: was muß der nicht alles für die Summe getan haben, die er für seine Partei eingesteckt hat) gehen muß, soll dem von vorneherein die Spitze genommen werden, indem man den Vorgang öffentlich macht. Die Offenlegungspflicht für Spenden über DM 20.000 wird dabei jedoch von sämtlichen Parteien durch die Gründung von Fördervereinen und Stiftungen ebenso konsequent umgangen. Ebenso läßt sich der Staat den Schein der Gleichheit aller Bürger etwas kosten, weil es bei der Gleichheit der Stimmen nicht so sehr lohnt, die Unterschiede der finanziellen Stimmkraft zu betonen, indem er die steuerliche Absetzbarkeit von Parteispenden generell auf 600,- beschränkt; jeder kann also gleichermassen seiner favorisierten Partei unter die Arme greifen, auch wenn natürlich weiterhin auch ohne steuerliche Begünstigung für eine bestimmte Klasse von Leuten die Finanzierung ihrer Parteien einfache Geschäftsunkosten bilden, die allerdings nun durch den Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit in Grenzen gehalten werden.
Der Rückgang der Industriespenden brachte die Parteien auf den Gedanken, sich auf ihren Verfassungsauftrag zu besinnen, dem zufolge sie „bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken“ (Art. 21) und gestanden sich als Gesetzgeber eine „angemessene“ Entschädigung für die Aufgaben zu, die ihnen aus ihrem Charakter, „in erster Linie Wahlvorbereitungsorganisationen zu sein“, erwachsen. Die demokratischen Parteien, wie immer einmütig, wenn es um eine Sache geht, die zu ihrer Erhaltung und damit zu der der Demokratie notwendig ist, beschlossen also, dem Bürger dafür Geld abzuknüpfen, um ihn mit diesem Geld davon überzeugen zu können, daß er in einem schönen Land lebt und dies ausschließlich der glücklichen Hand jener Männer und Frauen zu verdanken hat, die in diesem Land die Politik machen, weswegen er sie auch weiterhin mit der Führung der Geschäfte betrauen soll. Dies hieß jedoch keineswegs, daß damit die Parteienfinanzierung ausschließlich Sache des Bundesfinanzministers geworden wäre und die Parteien ihre Schatzmeister entlassen hätten, denn nach wie vor galt die andere Seite des Spruchs aus Karlsruhe, in dem die direkte Begünstigung bestimmter Parteien durch das Geld von Staatsbürgern, die daran ein Interesse haben und es sich leisten können, als ein Meinungsbildungsprozeß von unten nach oben stilisiert wird: „Der Gesetzgeber hat sich, indem er die freiheitlich demokratische Grundordnung geschaffen hat, für einen freien und offenen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes entschieden. Dieser Prozeß muß sich vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin vollziehen. Den Staatsorganen ist es grundsätzlich verwehrt, sich in Bezug auf diesen Prozeß zu betätigen.“ (ebda.) Der Zusammenhang von Staat, Parteien und Wirtschaft wird so als „offener Prozeß der Meinungs- und Willensbildung“ kodifiziert, wobei unterstellt ist, daß sein Gegenstand das Wohl der Wirtschaft ist, von dem jeder nach seinen Möglichkeiten profitieren kann. Was gibt es schließlich für einen schlagenderen Beweis allgemeinen Gedeihens, als daß sich jeder etwas auf die Seite schaffen kann? Bei einer so eindeutigen Zielsetzung des Staates kommt nur ein Revi auf den Gedanken, die zunehmende Unterwerfung des Staates unter die Wirtschaft zu behaupten, die ausgerechnet durch Parteifinanzierung bewerkstellig würde. (Ausgerechnet die DKP reitet auf dieser „Theorie“ herum und belegt sie unaufhörlich mit „Material“, wo doch gerade ihre Finanzquelle das Argument ist, mit dem man noch jedes ihrer Argumente fertigmacht.)
Da die Parteien gar nicht genug Geld bekommen können, um sich im politischen Geschäft durchzusetzen, die Mitgliedsbeiträge gegenüber den Wirtschaftsspenden naturgemäß einen geringen Anteil ausmachen, letztere nicht in genügendem Umfang fließen, die DM 3.50 pro Wahl und Wähler (trotz der neuen Finanzquelle Europawahl) das Finanzloch auch nicht stopfen, eine direkte Finanzierung aus dem Staatshaushalt wie über den früheren Posten „Sondermittel für die politische Bildungsarbeit“ aber verfassungsrechtlich verboten ist, sind sie ständig auf der Suche nach Tricks, wie sie an private und öffentliche Gelder – am besten beides – kommen können – die ständige Verschuldung ist dabei nur eine Lösung. Bahnbrechend hat hier die CDU gewirkt (von der SPD ist derartiges noch nicht bekannt geworden), die die verfassungsgerichtlich eingeschränkte Absetzbarkeit von Parteispenden durch die Gründung der „Europäischen Unternehmensberatungsanstalt“ in Vaduz, Liechtenstein, durch den Geschäftsführer der CDU-Firma „Unions Betriebs GmbH“ umging, indem sie spendenfreudigen Unternehmern die Last der Spende durch den Verkauf von Gutachten, die sich steuerlich absetzen ließen, erleichterte. Die Ungeschicklichkeit bei diesem Verfahren war nur, daß im Rahmen der allgemeinen Steuerfahndungskampagne diese Fälle von Steuerhinterziehung aufflogen, deren würdigster Vertreter der inzwischen abgedankte BDI-Präsident Fasolt war. Da also die Parteien es nicht einmal verstanden, ihre Geldgeber wirksam vor einer Anklage zu schützen (sie selber sind nicht zu belangen; zwar machen sie die Gelegenheit, sind aber nie die Diebe!), und der Unternehmer Fasolt aus Gründen der Öffentlichkeit seinen Strafbefehl zahlen mußte (also, die 53.000 kann er doch sicher irgendwo einsparen), ließen die Unternehmer den Staat spüren, daß sie eine Klasse sind und stellten ihre Spenden ganz ein. So hat die Staatskasse jetzt zwar 53,000 DM, die Parteien aber immer noch kein Geld. Mit ihrer ausländischen Firma hat die CDU aber immerhin den Beweis angetreten, daß sich die Spendenfreudigkeit der Wirtschaft durchaus erhöhen läßt, wenn einen Teil davon der Staat trägt, so daß die Unternehmer zwar nicht mehr zahlen, die Parteien aber auf jeden Fall mehr Spenden haben. Für eine legale Heraufsetzung der Steuerfreigrenze für Parteispenden muß jedoch aus verfassungskosmetischen Gründen eine spezielle Lösung gefunden werden. Die Parteien wollen daher einen gemeinsamen Spendentopf einführen, aus dem sie anteilsmäßig gezahlt werden, der also gewissermaßen ihre staatstragende Funktion honoriert. Sicherlich eine schöne Lösung, stachelt es doch die Spendenfreudigkeit der Unternehmer an, verbleibt streng im Rahmen des verfassungsmäßig Möglichen und erfüllt nach wie vor den Zweck des Geschäfts: Denn die gleichmäßige Aufteilung der Spender untereinander heißt natürlich keineswegs, daß man nicht mehr wüßte, wer wem was und warum gespendet hat, genausowenig, wie der gemeinsame Topf die Sonderzuwendungen an die Parteien überflüssig macht; in ihn fließt dann ohnehin nur, was steuerlich abzugsfähig ist. Und da man es bei dieser Angelegenheit mit einem empfindsamen Patienten zu tun hat, ist auch weiterhin die rückwirkende Behandlung früher getätigter Parteispenden nach der neuen Regelung, also eine Amnestie, im Gespräch, die der Bundeskanzler großsprecherisch bei Bekanntwerden der Steuerhinterziehungsfälle kategorisch abgelehnt hatte. Aber schließlich schaffen die Unternehmer die Tatsachen, und wenn man von ihnen etwas will, muß man sich ihren Sachargumenten beugen ... Sicherlich werden sich Mittel und Wege auftun, den Politikern das Dasein unterm Joch unternehmerischer Sachargumente zu versüßen.
aus: MSZ 25 – Oktober 1978 |