Nationalismus in der BRD:
wußte der Stern kürzlich zu vermelden und auch der Spiegel mußte betrübt feststellen, daß an die Stelle des „ugly american“ wieder einmal der „häßliche Deutsche“ getreten ist, der mit harter DM sich die Welt untertan macht und daheim mit fetten Wohlstandsfingern das zarte Pflänzlein der Demokratie ausrupft. „Man zapft Deutschland Blut ab, amputiert es, macht es dem Erdboden gleich, teilt es. Ergebnis: 30 Jahre später können sich seine Bürger brüsten, die reichsten und fettesten der Erde zu sein“, brachte eine französische Zeitung die faschistische Verbitterung ihrer Leser darüber zum Ausdruck, daß die BRD aus dem EG-Bündnis den Vorteil geschlagen hat, den sich die Franzosen davon erhofft hatten, und die Linken aller Schattierungen stehen nicht an, ihr Interesse am Wohlergehen ihrer Staaten im Gewande der Sorge um die Demokratie in der BRD vorzutragen, gründen „Komitees zur Verteidigung der bürgerlichen und beruflichen Freiheiten in der Bundesrepublik“ und meinen, daß „alles noch möglich (ist) im Deutschland von 1977, alles kann wieder von vorn beginnen,“ wobei für manche die Reinkarnation sich schon vollzogen hat. Sei es Mogadischu, wo die „Wüstenfüchse“ wiederauferstanden sind oder Stammheim, wo „wagnerischer Wahnsinn“ am Werk war – für das Ausland steht fest, daß „Neofaschisten auf dem Weg sind, aus der BRD einen Polizeistaat zu machen“ und noch der ungebrochene Heimatdrang von Uralt-Nazis ist den Angriffen Beleg dafür, daß die BRD auf dem Marsch nach rechts ist: die Kappler-Entführung war dem PCI-Bürgermeister von Rom Anlaß zum Maßnehmen: „An der Reaktion der Deutschen und dem, was sie in dieser Affäre praktisch erreichen, werden wir ermessen, wieweit sich das gegenwärtige Deutschland von seiner Nazi-Vergangenheit entfernt hat“ und die Existenz der NPD und anderer faschistischer Gruppen muß erneut zum Beweis dafür herhalten, daß sich die Deutschen nicht gewandelt haben.
Letztere Attacke bietet allerdings eine vorzügliche Gelegenheit zum Kontern, läßt sich doch mit den Wahlergebnissen der NPD nachweisen, daß die Bundesbürger fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und das in positivem Unterschied zu den Italienern, die regelmäßig 50 Neofaschisten ins Parlament entsenden und demnächst vielleicht sogar Kommunisten in die Regierung! Sollte im Ausland dennoch manchmal der Eindruck entstehen, als sei ausgerechnet die Bundesrepublik auf dem Weg zum Faschismus, dann liegt das keineswegs an der NPD, die man fest im Griff hat, sondern am innenpolitischen Gegner, dessen Reisen nach Chile und Südafrika ebenso wie seine überzogenen Vorstellungen im Hinblick auf die Sicherung der inneren Sicherheit dem demokratischen Ansehen der BRD Schaden zeigen, womit wieder einmal der Beweis erbracht worden ist, daß er zur Führung der Staatsgeschäfte nicht geeignet ist. Die prompte Antwort: wer sich derart vorn Urteil des Auslands abhängig macht, daß er ständig darauf lauscht, was die Brüder von der sozialistischen Internationale sagen, der ... Daß es die Bundesbürger nicht nötig haben, sich die Anwürfe des Auslands gefallen zu lassen, sondern stolz auf ihre deutsche Heimat sein können, läßt sich dem einfachen Volk auch noch in Bildern vorführen, die von bayerischen Wiesen bis zur Hochofenidylle im Abendsonnenschein in zarten Pastellfarben den Beweis antreten, wie schön es bei uns ist; eine Umfrage beim ausländischen Nachbarn rundet dies ab, wobei sich herausstellt – wie nicht anders zu erwarten –, daß „alles ganz anders aussieht, als in den Zeitungsberichten“, daß uns die Ausländer (besonders die Italiener) um unseren tatkräftigen Bundeskanzler beneiden, ebenso wie um die Schaffenskraft unserer Arbeitsmänner und sogar ein Jude sich zu dem Kompliment aufschwang „Germans and Jews will master the world“. Womit er jeder Nation aus dem Herzen gesprochen hat.
Das Material, auf das sich die Haßliebe zur BRD stützt, ist keineswegs Produkt deutscher Besonderheit, sondern gehört zum bleibenden Repertoire im Umgang demokratischer Staaten mit ihrem Staatsvolk und anderen Staaten. Ob nun Nixon Wahlkämpfer abhören läßt oder Maihofer Atomwissenschaftler belauscht, die Israelis in Entebbe zuschlagen oder die BRD in Mogadischu, macht insoweit keinen Unterschied. Mit der interessierten Betrachtungsweise der ausländischen Staatsschreiberlinge, die allenthalben Neonazis aufspüren und Schmidt als „le feldwebel“ titulieren, den man um dieser Eigenschaften willen zugleich gern als Staatsmann im eigenen Land hätte, ist also keineswegs ein Angriff auf die faschistischen Umtriebe der Demokraten geplant, sondern man bedient sich der deutschen Tradition, um den gegenwärtigen Staat madig zu machen. Zur Konkurrenz zwischen Staaten gehört nun einmal der rücksichtslose Nationalismus, weswegen die BRD auch mit den entsprechenden Gegenargumenten zurückschlägt: Italien geht auf Kosten der EG den Bach runter (auf gut deutsch: arbeitsscheue Spaghettifresser); die USA wollen mit ihrem Dollartricks unseren Export ruinieren (vulgo: die Amis sollen erst mal dafür sorgen, daß ein deutscher Tourist in New York über die Straße gehen kann, ohne von der Mafia zusammengeschlagen zu werden) und Japan vernichtet mit seinen Dumpingpreisen bei uns Arbeitsplätze (Volksmund: die Schlitzaugen, die noch vor 10 Jahren eine Leica für einen Vogelkäfig hielten, sollen gefälligst Patentgebühren zahlen.) Angesichts der ressentimentgeladenen Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit braucht sich die Bundesregierung nur um eins Sorgen zu machen: ob diese aus dem Neid entsprungenen Anwürfe nicht die Stellung der Weltwirtschaftsmacht, der sie gelten, beeinträchtigen.
Während die deutsche Vergangenheit also bloß die ideologische Begleitmusik der Auseinandersetzungen des Auslands mit der gegenwärtigen BRD darstellt, finden die rechten Vereine ihr Hauptbetätigungsfeld darin, die Vergangenheitsbewältigung auf ihre Weise zu bewältigen. Ihnen ist zu viel bewältigt worden, weshalb sie in den Kampf gegen die Mea-Culpa-Historiker ziehen und sich daran machen, die „Kriegsschuldlüge II“ zu widerlegen: „Schluß mit der Lüge von der deutschen Alleinschuld“. Ihre vornehmste Aufgabe sehen sie darin, das „durch Niederlage und Umerziehung erschütterte Selbstbewußtsein der Deutschen wieder auf festen Grund zu stellen“. So wird das Selbstbewußtsein der Deutschen immer aufs Neue durch die Erinnerung an die KZ's erschüttert, weshalb die NPD nicht nur wie jedermann bei der Erwähnung dieser Lager eine immense Findigkeit im Aufspüren derartiger Einrichtungen bei anderen Nationen entwickelt – wobei man sogar bereit ist, deutschen Erfindergeist hintanzustellen sondern immer erneut „endlich den Mut aufbringt“, die Wahrheit auszusprechen, die jeder immer schon geahnt hat. Diese Lager waren nicht, wie die Siegermächte zum Zwecke der Erschütterung deutschen Nationalbewußtseins verbreitet haben, zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ ersonnen, nein, sie waren nichts als „Arbeitslager“, mit einer gewissen natürlichen Todesrate, die allenfalls darauf beruht, daß das arbeitsscheue Gesindel dort etwas härter angefaßt werden mußte. Und was die Juden angeht, die angeblich in diese Lager abtransportiert wurden, ist das 1. eine Lüge und 2. nicht so schlimm: „Verhältnismäßig glaubwürdige Angaben schwanken zwischen 350 000 und 1 Million“. Für den, der nach diesen Klarstellungen immer noch glaubt, die Nationaldemokraten mit den Nationalsozialisten fertig machen zu können, hat die NPD noch einen Trumpf parat: „Die NPD hat die KZ des III. Reiches weder eingerichtet, noch zu vertreten. Die NPD bedauert, daß in diesen Lagern politische Gegner des III. Reiches mit Kriminellen zusammengesperrt wurden,“ (– was letzteren zum Schaden gereicht hat, bestand bei ihnen doch noch die Hoffnung, daß sie gute Staatsbürger werden würden) „die Pflichten gegenüber sich selbst und der Gemeinschaft erfüllen können.“ Welche Pflichten damit gemeint sind, darüber geben nicht zuletzt die diversen Bücher Aufschluß, für die in der Zeitung der NPD geworben wird: „Mit Schwertern und Brillanten – Das Leben der 27 Träger der höchsten deutschen Tapferkeitsauszeichnung“, „Walter Flex, Der Wanderer zwischen den Welten – In seinem Werk verbindet sich kompromißloser Idealismus mit hohem Patriotismus fern jedem Chauvinismus“. Was bei dieser Kampagne der NPD zur Verteidigung des Nationalsozialismus auffällt, ist, daß sie sich überhaupt um eine solche bemühen muß. Denn von einem „erschütterten Selbstbewußtsein“ der Deutschen, das sich laufend über seine Kriegsschuld grämt, ist nirgends etwas zu bemerken. Im Gegenteil: ihr ungebrochen tiefes Verlangen nach einer höheren Gewalt lassen sie sich heute von den demokratischen Staatsmännern erfüllen und von der Massenpresse an den aktuellen nationalen Fragen bestätigen.
So ist auch dem gemeinen Volk die Kontinuität der Geschichte kein Problem mehr und Kindermund formuliert spontan, was die NPD der Bevölkerung in mühevoller Agitation beibringen will: „Hitler hat so vielen Staaten den Krieg erklärt, daß er schließlich eins auf die Nuß kriegen mußte“ (Zitat aus einer Sammlung Schüleraufsätze, die widerlegt, daß die deutsche Jugend das ihr von Kogon angedichtete Problem mit dem Faschismus hat: sie weiß ganz gut über die damaligen Leistungen deutscher Größe Bescheid, auch wenn sie Rommel manchmal in Kiau-tschou Schlachten schlagen läßt). Das umstandslose Eintreten für staatliche Härte gegenüber allen, die sich erlauben, was sich das einfache Volk nicht zu erlauben traut, und die deswegen von Staats wegen in die Pflicht genommen werden sollen, die sich das Volk freiwillig antut, bedarf keiner Ermunterung durch die NPD. Für Gammler, Verbrecher und Gastarbeiter sind KZ’s bisweilen auch heute noch eine vernünftige Lösung. Daß unterm Faschismus nicht alles rosig war, „wir auch manches durchgemacht haben“, dies Bekenntnis zum eigenen Opfer, mit dem man sein praktiziertes Einverständnis mit dem kundtut, was der faschistische Staat seinen Bürgern abverlangt hat, wird ergänzt durch den lebhaften Zuspruch, den alte und neue Kriegsfilme und endlose Illustriertenserien über das Leben deutscher Landser vor Stalingrad, auf Kreta, bei der Eismeerflotte und über Adolf Hitler als Phänomen bei alt und jung finden und die vom Gefallen der Demokraten an einem Leben zeugen, in dem große Taten und Heldentum noch gestattet waren, was das normale Leben heutzutage allenfalls noch den Opfern von Flugzeugentführungen erlaubt. Und auch diejenigen, die sich öffentlich-rechtlich um die Verbreitung des rechten Staatsbürgerbewußtseins kümmern, erzielen mit Fragen wie der „Welche Mittel haben wir eigentlich gegen einen verurteilten Mörder, der zum Zweck seiner Befreiung weitere Morde begeht?“ beifälliges Kopfnicken bei ihren Zuhörern, die auch die Bemerkung eines anderen Schreibers richtig finden, daß „alle die arbeiten wollen, wenn sie sich bemühen, auch Arbeit finden“, hinter der die Selektion auf der Rampe lauert, denn wenn die Arbeitslosigkeit eine Charakterschwäche ist, dann verdienen es diese Arbeitsunwilligen auch nicht, von uns allen durchgefüttert zu werden. Die Tatsache, daß derartige Überlegungen zur Zeit nicht am Platz sind, weil die Leute noch mit jeder sozialstaatlichen Zumutung verantwortungsbewußt fertig werden, hindert einen Ministerpräsidenten nicht, sich von höherer Warte Gedanken über die Vorzüge des Faschismus zu machen: „Die generelle Aussage, die Volksherrschaft sei grundsätzlich die beste Staatsform, ist nicht mehr möglich ... Ihre Vorrangstellung wird durch das Wirken von Unvollkommenheitsfaktoren relativiert“. Gedanken, die zumindest solange nicht praktiziert werden müssen, wie der Kanzler seinem Volk Erlebnisse verordnen kann, die diesem keine Zweifel daran lassen, daß Volkes und des Kanzlers Wünsche in diesem Staat aufgehoben sind: „Dies Erlebnis des eigenen Staates, der zugleich (!) liberal und rechtsstaatlich ist und zugleich stark und tüchtig ist, halte ich für ungewöhnlich wertvoll“ (Bei Ungleichzeitigkeit wird man ganz schön tüchtig sein müssen: auch ein Erlebnis!) Die Schwierigkeit, mit der sich die NPD bei ihren Kampagnen herumschlägt, ist also nicht die, daß es den bundesrepublikanischen Demokraten an faschistischen Wünschen fehlen würde, die die Alliierten mittels Gehirnwäsche ausgetrieben hätten, sondern was ihr als „erschüttertes Selbstbewußtsein“ aufstößt, ist die Tatsache, daß sich die faschistischen Sprüche des Volkes nicht in NPD-Mitglieder und schon gar nicht in Taten umsetzen. Die Massen halten mit ziemlich unerschütterlicher Treu zu ihrem gegenwärtigen Staat und lassen es an der Konsequenz fehlen, auf die es der NPD ankommt. So wirbt sie auch nicht mit Marsch-Schallplatten um die Verbreitung ihrer Zeitung, sondern macht aus der Aufforderung zum Abonnement einen Akt des Bekenntnisses: „Bitte reihen Sie sich ein in die große Schar derer, die mit uns kämpfen. Ich erwarte in diesen Tagen gerade auch von Ihnen untenstehenden Bestellschein ausgefüllt zurück.“ Andererseits biedert sie sich bei den Massen an, indem sie den Faschismus beschönigt und in ihrem Programm alle demokratischen Sprüche auftauchen läßt, die zum Gemeingut des Staatsbürgers gehören – allerdings in einer besonderen Variante.
Sie nennt sich Nationaldemokratische Partei und legt, weil der Faschismus in Deutschland schon einmal gescheitert ist, Bekenntnisse zur FDGO ab, deren pseudodemokratischer Charakter allerdings offensichtlich ist. „Wir Nationaldemokraten bejahen aus Überzeugung die parlamentarische Demokratie. Sie hat sich als die Ordnungsform erwiesen, die der Freiheit des einzelnen ebenso gerecht werden kann (!) wie den Notwendigkeiten des menschlichen Zusammenlebens Sie überwindet das Untertanenbewußtsein und schafft die unauflösbare Einheit von Volk und Staat. Deshalb bekennen wir Nationaldemokraten uns zum Grundgesetz der BRD, weil es die Voraussetzungen für die Gestaltung einer lebendigen Demokratie in Deutschland schafft.“ (Manifest der NPD) NPDler feiern die Demokratie nicht als die beste aller möglichen Staatsformen, sondern berufen sich auf die Verfassung als Möglichkeit, sie zu „gestalten“. Während der Faschismus dort, wo er stark ist, offen die Beseitigung der Demokratie propagiert, baut der Nationalismus ohne Basis notgedrungen auf sie als das Mittel seiner Durchsetzung. So hetzen Faschisten heute nicht gegen das Grundgesetz, sondern gegen die miese „Verfassungswirklichkeit“, gegen die das GG, das sie in die Proklamation ihres Ideals der Einheit von Volk und Staat verwandeln, durchzusetzen sei. Daß sich in der Demokratie das Volk mit seinem Staat identifiziert, begrüßt die NPD scheinheilig als Überwindung des „Untertanenbewußtseins“, daß aber das Volk nicht im Staatswollen aufgeht, ist ihr ein Ärgernis, weshalb sie der Demokratie schließlich auch vorwirft, daß sie eigentlich keine sei: „Volksherrschaft, d.h. Selbstregierung des Volkes, die als Voraussetzung von Gleichheit, Freiheit und Würde verstanden wird. Sie ist als solche in der Demokratie allerdings nie realisiert worden, da den Volksmassen die zum Regieren erforderlichen Kenntnisse, der Überblick über das politische Geschehen und auch die nötige Besonnenheit naturgemäß fehlen.“ (Politisches Lexikon DN-Verlag, Stichwort „Demokratie“) Mit dem ideologischen Trick, Volksherrschaft mit Herrschaft des Volkes gleichzusetzen, leugnet die NPD den Gegensatz zwischen Staat und Bürgern in der Demokratie, greift die Regierung an, daß sie den Massen „echte Demokratie“ vorenthalte und würgt schließlich dem geliebten Volk rein, daß Demokratie aufgrund seiner Blödheit gar nicht möglich sei. Die Bekenntnisse der NPD zur Demokratie sind nichts anderes als die demokratisch verbrämte, also defensive Bekundung des Willens einen alternativen Staat zu machen, weshalb sie auch nie den Erhalt der bestehenden Verhältnisse beschwört, sondern sie madig macht. Anders allerdings als dies die Konservativen tun: die Hetztiraden eines Strauß gegen die Regierung verdanken sich der Sorge um die Fortexistenz eines starken Staates, die NPD erklärt jede Staatsmaßnahme zum Skandal, weil sie die Leute dafür mobilisieren will, aktiv gegen den demokratischen Schlendrian vorzugehen und endlich ein Staatswesen über sich errichten, das ihrer natürlichen Dummheit gerecht wird. Deshalb ist sie auch frustriert über die Stabilität der demokratischen Verhältnisse, die sie zur Mickerexistenz verurteilt. Weil sie an einem anderen Gebrauch der Staatsgewalt interessiert ist, leugnet sie, daß in der Demokratie Staat mit der Vereinnahmung der Interessen der Bürger gemacht wird. So sieht sie in der Opposition wie in der Regierung, denen man ja nicht gerade Zimperlichkeit im Einsatz der Staatsgewalt vorwerfen kann, eine „antinationale Verschwörung“ am Werk, die den Staat systematisch zersetzt und Deutschland an die Roten auszuliefern gedenkt. „Die bisher errungene Souveränität droht durch sowjetische Einflußnahme verlorenzugehen. Der Wille zur Wiederherstellung eines alle Deutschen umfassenden Staates wird gelähmt.“ (Programm der NPD) Die für einen Faschisten schwierige Ausgangsposition, daß der demokratische Staat sich unter dem Beifall seiner Bürger zunehmend gegen seine Bürger stärkt, womit er den Faschismus überflüssig macht, bringt ihn zu lauter den demokratischen Zweckmäßigkeitserwägungen zuwiderlaufenden Urteilen über die Welt, um als Retter der Gesellschaft glaubwürdig zu erscheinen. „Sadats genialer Trick! So wurde Israel überlistet! Lehren für Schmidts Warschau-Besuch!“ („Deutsche Nachrichten“ 51/77, i.folg. zit. als DN) „Minister Leber als Wehrkraftzersetzer!“ (ebd.) „Wird der Papst zum kommunistischen Handlanger? Mutmaßungen über eine Änderung der deutschen Bistumsgrenzen“ (National-Zeitung 48/77) Wo die Regierung sich nicht gerade kleinlich zeigt, wenn es um das Abknöpfen des Reichtums anderer Länder geht – nicht zuletzt der kommunistischen –, Israel und der Imperialismus gerade an Sadat die Wirkung diplomatischer Erpressung demonstrierten, da vermuten Faschisten – weil sie sich blind stellen gegen die Effizienz eines geschäftsmäßig operierenden Imperialismus – eine planmäßige Schwächung der staatlichen Souveränität und eine Auslieferung der Staatsgewalt an den Opportunismus nur an sich selbst denkender Politiker – „Landesverräter“: – „Als Landesverräter abgeurteilte Genossen wie Wehner gelangten zu höchsten Ämtern und Würden.“ (DN 52/77), haben sich der öffentlichen Ämter bemächtigt und aus dem Staat ein Mittel ihrer persönlichen Bereicherung gemacht: „Die Verschwendung öffentlicher Mittel für Großmannssucht, eitle Repräsentation und Prunkbauten ist zu bekämpfen. Wir wehren uns gegen die immer mehr um sich greifende Korruption in den Kreisen, die sich der öffentlichen Ämter bemächtigt haben.“ (Manifest der NPD) Die Bereicherung am Staat, der Umstand, daß die Staatsmänner Politik als Beruf ausüben, statt sie als höheren Dienst am Staat zu praktizieren, ist der NPD Grund für den kritikablen Zustand der BRD. „Der wahre Lohn für ein öffentliches Amt sind nicht Geld und Macht, sondern das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung und das sich daraus ergebende Ansehen des Staatsdieners.“ (Manifest der NPD) Die Staatskritik des kleinen Mannes, daß der zur Politik gehörende Opportunismus und die Korruption der Politiker für die Mißachtung seiner Interessen verantwortlich wäre, greift der Faschist auf und verwandelt sie in einen Angriff auf die Formen der parlamentarischen Demokratie als Instrumenten zum Ausverkauf der Staatssouveränität an die Interessen der Bürger: „Die Macht des Parlaments wird von den Parteien getragen. Dabei besteht die Gefahr, daß der Wille des Volkes und der Wille seiner Repräsentanten in wesentlichen politischen Fragen auseinandergehen, insbesondere dann, wenn sich die Volksvertreter nicht mehr als Repräsentanten der Gesamtheit, sondern nur noch als Funktionäre einer straffen Parteiorganisation betrachten, deren Entschließungen von parteipolitischen Erwägungen getragen werden oder der Beeinflussung von Lobbyisten, Beauftragten in- und ausländischer Interessengruppen unterliegen.“ (Politisches Lexikon, Stichwort „Parlamentarismus“)
Die Leistung des demokratischen Staates, die Interessen seiner Bürger für sich auszunutzen, indem er für ihre wechselseitige Relativierung nach Maßgabe seines übergeordneten Interesses sorgt, gilt der NPD als Schwäche. Parlamentarismus ist eines ordentlichen Staates unwürdig, die Wahl der Führer durch das Volk läßt wenig Begeisterung für die Staatsagenten aufkommen, weshalb sie sich auch für einen mit ordentlicher Gewalt ausgestatteten Bundespräsidenten einsetzen, der nicht aus „rein privater (!) Freude an bunt-glitzernden Helmen und Tressen“ „Soldaten der Wachkompanie in friderizianischen Uniformen aufmarschieren“ läßt, wie „Waltericus Rex“, sondern in soldatischer Haltung die Einheit von Volk und Staat inkarniert und damit zumindest repräsentiert, worauf es ankommt. Wenn sich schon der demokratische Staat die Unterstützung und den Gehorsam seiner Bürger nicht ohne den Umweg über deren Zustimmung zu ihrer Unterdrückung sichern will, so wäre es zumindest ein Fortschritt, wenn er diesen Anspruch in Gestalt seines obersten Repräsentanten besser dokumentieren würde. Daß die Bürger allerdings dem Bonner „Staatsschiff" – „Unser Bonner Staatsschiff hat eben nicht nur erhebliche ideologische Schlagseite nach links, sondern es schlingert obendrein wild umher“ (DN, 52/77) nicht den richtigen Steuermann verpassen, von dem sie regiert gehören, liegt daran, daß sie von den Massenmedien, in denen „eine Handvoll kommunistisch infiltrierter Intellektueller die öffentliche Meinung macht“, verführt worden sind. „Die sittlichen und moralischen Werte unseres Volkes werden fortdauernd zersetzt und statt dessen einem seelenlosen Materialismus der Weg geebnet.“ (Programm der NPD) Während die entsprechende, gerade jetzt aktuelle Kritik von demokratischer Seite den Pluralismus auf seine Grenzen und seine Pflichten für Staat und Gesellschaft verpflichten will, ist die NPD für seine radikale Ausmerzung. Der einzige, dem es zukommt über die Aufgaben des Staates zu räsonnieren, ist er selber, weshalb er gefälligst nicht räsonnieren, sondern gleich zuschlagen soll. Von diesen „Scharlatanen und Abartigen, die jeden Maßstab zerstören und unserem Volk den Boden entziehen, auf dem es gewachsen ist“, will die NPD das geknechtete und manipulierte Volk befreien. Dessen Elend besteht nicht in der materiellen Not, sondern im Verführtsein. Schlecht geht es ihm nur sittlich, weil es den falschen Idealen gefolgt ist, bei seinem Verzicht an sich selbst gedacht hat, statt zu sehen, daß der Sinn allen Daseins das Opfer und die „Krönung allen Opfersinns“ der bedingungslose Einsatz für den ist, von dem alles Leben des Volkes abhängt. „Die Gemeinschaft ist vor dem Einzelnen da, der Mensch lebt in einem Teil seines Wesens aus ihr ... Nicht Buchen sind vor der nächsten Buche und waren vor der ersten da, sondern: die Artkraft, Buche sein zu können, der Keim, aus dem sich Buchen entfalten, war das erste! Es muß also heißen: Ein Ganzes, jenes „Es“ des Menschentums ist vor indem und vor allen einzelnen Menschen und allen Menschengruppen da, Deshalb ist Gemeinschaft Gemeinschaft und nicht Gesellschaft und vor dem Einzelnen und vor allen Einzelnen da, Eine Gesellschaft ist also nicht beschlossen, sondern ersprossen und sie hat bleibend diese Kraft, ersprießen zu lassen.“ (Rassenspezialist Anrich auf dem Karlsruher Parteitag der NPD, 1966)
Wenn der einzelne Existenzberechtigung nur als Art gewinnt, ist die Verfolgung des Eigennutzes artfremd und der wahre Nutzen das selbstlose Streben nach „höherer Gesittung“: „Die NPD ist der organisierte Protest gegen den Ungeist des Materialismus und seiner kulturfeindlichen Folgen. Voraussetzung für seine Überwindung ist der Idealismus: ohne Vorbilder und Leitbilder gibt es keine höhere menschliche Gesittung.“ (Programm der NPD) Mit der Verklärung der BRD zur saturierten Überflußgesellschaft ohne Idealismus, greift die NPD die praktizierte Staatsbürgermoral an, die sich den Staatsidealismus neben und wegen des geschädigten Konkurrenzinteresses leistet, und wendet sie gegen das Eigeninteresse, das die Bürger aufgeben sollen – und dies nicht nur als Preis für ihren Erfolg. Die NPD schürt die Unzufriedenheit der Massen, weil in ihr der Grund für den Staatsidealismus liegt, mit dem sich die Leute gegen die bestehenden Verhältnisse mobilisieren lassen. Dabei muß sie feststellen, daß die Krise solange keinen Faschismus macht, solange die Demokratie den Staatsidealismus ihrer Bürger ausnutzen kann, in der Krise ordentlich durchzugreifen. Dies erklärt auch den Sachverhalt, daß die NPD in ihrer Skandalisierung der Weltenläufte einerseits für verrückt gehalten wird, andererseits mit ihrem Angriff auf den Materialismus der Bürger offene Türen einrennt: „IG-Metall fordert 8 % – Loderer schert sich bei seinen Forderungen weder um die mehr als eine Million Arbeitslosen, noch um die schwierige Lage der deutschen Exportindustrie auf dem Weltmarkt, die gerade eben noch zusätzlich durch den Verfall des Dollars weiter erschwert worden ist ... Von einem gesamtwirtschaftlichen Verantwortungsbewußtsein ist bei der Einstellung Loderers nicht mehr eine Spur zurückgeblieben,“ (DN 51/77)
Gewerkschaftsfeindliche Sprüche dieser Art begleiten noch jede Tarifrunde; was die Kritik der NPD jedoch von den faschistischen Argumenten der Demokraten unterscheidet, ist die Tatsache, daß sie die ganze Veranstaltung als Beleg dafür nimmt, daß sich der demokratische Staat durch Interessengruppen ruinieren läßt, deren Hickhack er das Schicksal der Wirtschaft überläßt, statt mit Zwangsmaßnahmen für ein sicheres Wirtschaftswachstum zu sorgen: „Die Führung der Volkswirtschaft muß in der Verantwortung des Staates liegen, der im Gesamtinteresse entsprechende Richtdaten setzt und durchsetzt. Die Tarifautonomie findet dort ihre Grenze, wo auf Kosten des Ganzen und ohne Rücksicht auf das allgemeine Wohl verfahren wird,“ (Programm der NPD) Wenn eine Partei in ihr Programm die gängigen bürgerlichen Floskeln von den „Grenzen der Tarifautonomie“ und der „Verantwortung des Staates“ aufnimmt, dann geht es ihr natürlich nicht um das demokratische Ziel, der Gewerkschaft den ihr gebührenden Platz in der freien Marktwirtschaft zuzuweisen. Sie tritt gegen die freie Marktwirtschaft überhaupt polemisch auf und zwingt die „Wirtschaftssubjekte“ ihren „Egoismus“ dem volkswirtschaftlichen Interesse des Staates zu opfern. Und wenn sie endlich dem Leistungsgedanken zum Durchbruch verhelfen will, den die demokratischen Parteien angeblich mißachten, dann verspricht sie den Klassengegnern ihre unnützen Querelen abzustellen und verwandelt den Gegensatz von Kapital und Arbeit in verschiedene Funktionen der Volksgenossen, die je nach ihrer Leistung für den Staat, ihren gerechten Lohn von Ihm bekommen werden. „Die NPD strebt eine gerechte Wirtschaftsordnung an, in der nicht soziale Herkunft und Vermögen, sondern Leistung und Eignung den Platz des einzelnen bestimmen. Gemeinschaft hat Vorrang: Nationale Solidarität statt Klassenkampf. Sie schafft eine Leistungsgesellschaft, in der jede Arbeit grundsätzlich gleich anerkannt und geachtet wird.“ (Leitsätze der NPD zur Bundestagswahl 1972) Die Austragung des Klassenkampfes, der der demokratische Staat durch die Verrechtung des Arbeitskampfes eine ihm genehme Form gibt,– möchte die NPD verbieten, weshalb sie in der „Deutschen Arbeitsfront“ das ideale Beispiel sieht, wie man aus den Gewerkschaften ein staatstragendes Organ macht. Durch sie „wurde der marxistische Klassenkampf tatsächlich überwunden und – vorübergehend – durch einen Wohlstand und Berufsstolz schaffenden Arbeitsfrieden abgelöst.“ (Wobei für alle der Friede und für eine Seite der Wohlstand abfiel!) (Politisches Lexikon, Stichwort ,,Nationalsozialismus“)
Durch den Berufsstolz der Bürger läßt sich der Wohlstand des Staates mehren, in dessen Interesse die NPD die Leistungen der arbeitenden Klasse besonders zu schätzen weiß. Ihnen verspricht sie alle Hindernisse für ihre Schufterei aus dem Weg zu räumen: „Einerseits über 1,5 Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter, darunter 140 000 Jugendliche!, in der Bundesrepublik Deutschland. Andererseits aber immer noch über 2 Millionen ausländische Arbeitnehmer in Westdeutschland! Daher Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitnehmer! Ausgerechnet die Gastarbeiter, die von Staat und Kapital rücksichtslos als billiges und williges Ausbeutungsmaterial behandelt werden, werden hier als Schmarotzer gegeißelt, die schuld daran sind, daß nicht „jeder das Seine“ bekommt und der Staat als Sachwalter der Gerechtigkeit angerufen, sie aus der Konkurrenz zu werfen. Mit der Mobilisierung aller Ressentiments gegen Ausländer spricht die NPD des weiteren auch aus, daß Arbeit eine Ehre ist, die nicht jedem gebührt, arbeiten soll der, der gesund ist, womit sie die Gesundheit, die Bedingung für die Arbeitsfähigkeit ist, zum Kriterium dafür macht, ob einer überhaupt arbeiten darf oder nicht: „Die deutsche Volksgesundheit ist größten Gefahren ausgesetzt, da die ausländischen Arbeiter sämtliche Krankheiten einschleppen.“ (DN, 15/66) Nur der gesunde Deutsche soll sich für das Höhere einsetzen dürfen und Deutsche sollen es sein, die dem Staat das für das Opfer nötige Menschenmaterial nachliefern: „Ein Dauerzustrom von Fremdarbeitskräften würde zu einem ernstlich verfremdenden und genetisch negativen Mischprozeß führen, der den Deutschen bisher in ihrer Geschichte erspart worden ist.“ (DN 38/65) Weswegen den Ausländern die Arbeit verboten gehört, und der Staat dafür zu sorgen hat, daß es jedem Deutschen verboten ist, nicht zu arbeiten. Dazu muß man nicht einmal unbedingt einen Arbeitsdienst einrichten. Die Gastarbeiter müssen weg, weil allein das Ideal der Rasse die erwünschte Identität von Staat und Bürger bringt, weil in ihm die Einheit von Natur und Staatstugend aufgehoben ist. Wem nicht einleuchtet, daß die Arbeitslosigkeit ein Problem der Rassenreinheit ist, den wird wenigstens der Hitlersche Bau betonierter Nachschubpisten als der Weg zur Vollbeschäftigung überzeugen, zumal auch Demokraten auf diesen Weg gerne zurückgreifen würden. „Zutreffend sagte ein Landrat aus Franken, daß der Bau bestimmter Straßen und Autobahnen für die Sicherung der Arbeitsplätze wesentlich bedeutsamer sein könne als vielerlei Geldspritzen aus der Gießkanne des Staates.“ (A. v. Thadden, DN 34/77) Ein solcher Adolf verzweifelt an der Tatsache, daß Arbeit brachliegt, also daran, daß Nichtanwendung von Arbeitskraft eine Form ihrer Anwendung durch das Kapital ist. Wo Demokraten der Arbeitslosigkeit durch Ermunterung der Investitionsneigung abhelfen wollen, und es damit dem Kapital überlassen, ob sich die Beschäftigung von Arbeitskraft lohnt, will sich der Faschist von der Konjunktur unabhängig machen und nimmt das Ideal der nützlichen Arbeit so ernst, daß er auch dann arbeiten läßt, wenn dies kein Kapital vermehrt. Mit ihren theoretischen Beiträgen zur Krisenbewältigung bezweckt die NPD also alles andere, als Vorschläge zum gegenwärtig gefragten Wirtschaftsaufschwung zu machen. Wenn sie die Regierung für die Krise verantwortlich macht, dann reiht sie sich nicht einfach in das Parteiengezänke ein, dann ist das nicht die Rhetorik der Opposition, die sich als unverbrauchte Kraft für die Fortführung des Geschäfts in Erinnerung bringt. Der Angriff auf die Wirtschaftspolitik der Regierung wirft ihr nicht Versagen bei diversen Konjunktureinschätzungen und -entscheidungen vor, sondern bestreitet ihr – wie allen demokratischen Parteien – überhaupt die Fähigkeit zu einer ordentlichen Wirtschaftspolitik, weil sie sich an den Rentabilitätskriterien des Kapitals orientiert. Wie die Arbeitslosen zum Beweis dafür herhalten müssen, daß der demokratische Staat mit seinen Ressourcen nicht ökonomisch umgeht, weil er sie, nicht ausschließlich als seine behandelt, so bildet auch die Rücksichtslosigkeit der Wirtschaftspolitik gegen gewisse unternehmerische Opfer der Konkurrenz (Schmidt: „Wir können nicht künstlich unrentable Betriebe erhalten!“) den Ausgangspunkt für die Forderung nach einer grundsätzlichen Neuorientierung, die nicht mehr den nationalen Reichtum vom Profit der Unternehmer abhängig macht, sondern die staatliche Reichtumsvermehrung den Unternehmern unabhängig von ihren Konkurrenzschranken ermöglicht und zur nationalen Pflicht macht. Warnend wird auf den Niedergang der deutschen Werften hingewiesen, die der Staat nicht durch ein nationales Sanierungsprogramm gegen die internationale Konkurrenz und den nationalen Markt auf vollen Touren arbeiten läßt. Da hat es die Bundesregierung versäumt, sich um den Absatz deutscher Flugzeuge wie VFW 614 zu kümmern. „Dagegen haben ausländische Flugzeugfabriken die Verkaufsunterstützung ihrer Regierungen, die bei diplomatischen Verhandlungen politische und wirtschaftliche Interessen geschickt zu verbrämen verstehen.“ (NZ in der Spalte „Wehrbereit, wenn“ 32/77) Da wird statt ausländischer Öllieferungen die Ankurbelung der deutschen Kohleproduktion gefordert; und der Niedergang staatlicher Souveränität durch die Multis beklagt „Gesetze zum Schutz der deutschen Volkswirtschaft gegen Überfremdung durch ausländisches Kapital und zum Schutz der heimischen Wirtschaft vor dem Ausverkauf an Weltkonzerne ... müssen in Kraft gesetzt werden. Wenn demokratische Politiker zur Sicherung einer nationalen Energie- und Rohstoffversorgung für den Ernstfall internationaler Verwicklungen neben den normalen, marktwirtschaftlich orientierten, d.h. auf die Stärkung der Wirtschaft in der internationalen Konkurrenz gerichteten Konjunkturankurbelungsmaßnahmen bestimmte Branchen mit Subventionen erhalten, ohne auf ihre Rentabilität Rücksicht zu nehmen, dann möchten das die Fanatiker staatlicher Wirtschaftsmacht zur alleinigen Richtschnur machen auch um den Preis totaler Staatsverschuldung. Statt des Ideals vom gleichmäßigen Wirtschaftswachstum predigen sie die Unterordnung der Wirtschaft unter die Wachstumsnotwendigkeiten des Staates, die nationale Autarkie, weswegen ihre Vorliebe neben den halb- oder ganzstaatlichen Energieunternehmen dem deutschen Handwerk und vor allem der Landwirtschaft gilt. Denn zur Verabsolutierung des politischen Subjekts gegen seine Grundlage gehört das verrückte Dogma, der nationale Reichtum liege in den Gebrauchswerten, die ein Staat produzieren lasse und über die er verfügen könne, unabhängig davon, ob sich ihr Wert auch realisieren läßt. Deswegen gilt den Nationaldemokraten die Agrarpolitik der EG, die die Zurichtung der Landwirtschaft für die Bedürfnisse der Industrie (und das heißt auch die Vernichtung bäuerlicher Existenz) in europäischem Maßstab regelt, als Todsünde wider die nationale Selbstbehauptung. „Agrarpolitik ist keine »Bauernpolitik« um der Bauern willen, sondern ist vorausschauende Wirtschaftspolitik auch für den Fall möglicher Krisen.“ (Manifest der NPD), verkündet die NPD und propagiert mitten in gesellschaftlichen Verhältnissen, deren Prinzip der Überfluß ist, wo die Armut auf der einen Seite Grundlage der Vermehrung des Reichtums auf der anderen ist, das nationale Ideal des Gebrauchswerts, die notdürftige Bedarfsdeckung, die sie als ein Gebot des ewigen Kampfes von Mensch und Natur verherrlicht: „Die Bedeutung der Landwirtschaft ist mit keiner Sparte unserer Volkswirtschaft vergleichbar, denn für die Bedarfsdeckung eines Volkes gibt es eine natürliche Rangordnung: Nahrung, Kleidung, Wohnung usw. An dieser Rangordnung kann kein politisches System etwas ändern. Sie gilt für die Menschen aller Rassen und in allen Erdteilen. Die eigene Landwirtschaft lebensfähig zu erhalten, ist also eine volkswirtschaftliche Aufgabe ersten Ranges.“ (Manifest der NPD)
Mit der Lüge, die ewig unbeherrschbare Natur zwinge zum dauernden Lebenskampf, wird hier die staatlich verordnete Not der Massen als das Mittel gepriesen, den Staat stark zu machen und ihn über die wirtschaftlichen Potenzen ganz gemäß seinem Zweck verfügen zu lassen: sich in der internationalen Konkurrenz politisch und d.h. gewaltsam durchzusetzen. Dabei verlangt sich die NPD umso weniger demokratische Verbrämungen des dafür geforderten praktischen Staatsidealismus ab, je mehr sie sich in den Bereichen der sattsam bekannten Grundwerte bewegt: Leben ist Kampf, Kampf ist Freiheit und das Geborenwerden und Draufgehen für den Existenzkampf des Staats ist nicht bloß staatsbürgerliche Pflicht, sondern der höhere Sinn eines Lebens, das nicht für einen selbst da ist: „Kriegsweihnachten im deutschen Osten – Allmählich begann der Abend zu sinken. Der Bauer sah nach der Uhr. »Halb sechs«. Die Bäuerin wandte ihm das Antlitz (!) zu. »Als die Kinder noch lebten, bescherten wir um diese Zeit«. Die nationale Selbstbehauptung – im demokratischen Alltag die Begleitmusik der praktischen politischen Bemühungen, dem nationalen Kapital international die Wege zu ebnen und sich dadurch auch als Staat durchzusetzen – wird in den Rang einer dauernden kämpferischen Verpflichtung jedes einzelnen und des Staates erhoben. Politik ist ein beständiges Ringen mit der roten Gefahr, dem die Regierung durch den ,,Bundeswehr-Verrat“ des „Wehrkraftzersetzers Leber“ in den Rücken fällt: „Doch Volk und Staat müssen sich schützen. Handlungen, die die eigene Nation und das eigene Vaterland dem Landesfeind ausliefern, können nicht moralisch sein.“ (DN) Auf ganzen Zeitungsseiten „Ost- und Mitteldeutschland" (die ,,Deutschen Nachrichten“ bezeichnen sich als „Ost-West-Kurier“) frönen die heutigen Faschisten dem nationalistischen Revanchismus aus den Tagen des Kalten Krieges und machen Opposition gegen die staats- und kapitalfördernden Ost-West-Beziehungen. Dem Ideal des auch auf dem Felde der Außenpolitik von allen Rücksichtnahmen auf seine Konkurrenzbasis freien Staatswillens, dessen aggressiven selbstzerstörerischen Charakter ein Mussolini verherrlichte – „Im Faschismus ist die Neigung zum Imperialismus, d.h. der Drang zur Expansion eine Offenbarung der Lebenskraft. Sein Gegenteil, die Selbstbeschränkung, wäre ein Zeichen des Verfalls ... Nur der Krieg bringt die menschliche Willenskraft auf die höchste Spannung, er drückt den Siegel des Adels auf jene Völker, die den Mut und die Tugend haben, ihm die Stirne zu bieten.“ – verschreiben sich die Faschisten hierzulande mit der tausendfältigen Berufung auf den „Selbstbehauptungswillen des deutschen Volkes das auf seine polnischen, russischen, ostdeutschen usw. Heimaten nicht verzichten wird; und mit seitenlangen Variationen des einen Gedankens: „Gedenke, daß Du Deutscher bist und daß Dein Volk geknebelt.“ „Harrt aus und leistet Widerstand, dann bleibet Schlesien deutsches Land.“ tönt es und in Ermangelung der Staatsmacht, mit der sich der „nationale Befreiungskampf“ führen ließe, wird dazu aufgerufen, sich zu diesen Zielen zu bekennen und für sie gegen die Linken, die die BRD verkommen lassen, tätig zu werden, indem man radikale Säuberung des demokratischen Staatssaustalls – vorläufig noch – theoretisch betreibt.
Der offen und versteckt geforderte aktive Wille zur Staatsgewalt existiert allerdings getrennt von der NPD in den rechten Kampftrupps, die in der Propaganda zum Sturz der Demokratie im hemmenden Rahmen bürgerlicher Parteienkonkurrenz kein erfolgversprechendes Mittel ihrer Durchsetzung sehen. Sie wollen das geforderte Bekenntnis auch handfest leben, haben sich daher zu Schläger trupps, wie die „Wehrsportgruppen“ K.H. Hoffmanns, die „Nationale Befreiungsfront“ R. Tabberts, die „ Wiking-Jugend“ usw. zusammengeschlossen, in denen sie paramilitärische Übungen veranstalten, sich soldatische Tugenden antrainieren und in Lagern die Jugend nicht nur Kameradschaft und Pfadfindergeist, sondern auch die richtigen Ziele für deren Betätigung erleben lassen. Die peinlich genaue Imitation der alten Zeiten, Uniformen, nationalsozialistische Embleme und Ränge, Lieder und Zeremonien sind allerdings das zu diesen Möchtegerne-Kämpfern gehörige Eingeständnis, daß dem faschistischen Drang nach Gewalt die Massenbasis fehlt und man sich deshalb im Wesentlichen auf die Demonstration des Willens zum Zuschlagen beschränken muß. „Wir werden uns mit Schlagstöcken bewaffnen und rigoros zurückschlagen. Ich kann schon sagen, daß es Verletzte und sogar Tote geben wird, wenn man uns daran hindert, unsere Meinung zu den »Schandverträgen« (gemeint sind die Ostverträge) kundzutun.“ (R. Tabbert 1970 „Marsch auf Bonn“) Sie kündigen also einen neuen Marsch, diesmal auf Bonn an, und zeigen dabei doch zugleich, daß ihre Zeit noch nicht gekommen ist. Getrennt von einer politischen Bewegung, die ihre Dienste in Anspruch nehmen könnte, und ohne die Möglichkeit, sich im Kampf gegen alles, was links ist, wirklich so auszuleben, wie sie es möchten, suchen diese faschistischen Charaktere, die gewalttätig sein wollen und dabei auch auf sich wenig Rücksicht nehmen, nach Gelegenheiten, sich gegen Demonstranten, linke Studenten, Gewerkschaftler oder als Saalordner bei rechten Veranstaltungen einmal auszutoben, und begrüßen das gelegentliche Einschreiten des demokratischen Staates als Beweis für die höhere nationale Mission dessen, was sie mit Lust tun. Es ist also ebenso falsch, der hiesigen Demokratie vorzuwerfen, sie sei keine („wirkliche“), weil in ihr wieder faschistische Parteien und Schlägertrupps ungestraft ihr Unwesen treiben dürften, wie sie damit gegen den Faschismus hochzuhalten, daß die ,,Unverbesserlichen, ewig Gestrigen“ bei uns keinen Zulauf hätten. Wenn demokratische Politiker im Treiben faschistischer Minderheiten keine Gefahr sehen (der Terror steht auf der Tagesordnung!), und die Ordnungskräfte sich ab und an von rechten Schlägern Arbeit abnehmen lassen, sind sie noch lange keine Faschisten und gehen bei allen Schwierigkeiten, die sie oft haben, ihre Sprüche von denen der Nationaldemokraten abzugrenzen, gegen Rechtsradikale dort vor, wo sie zur ernsthaften Störung der demokratischen Ordnung zu werden drohen. Es steht hierzulande gut um die Stabilität der Demokratie, weswegen der Faschismus als politische Bewegung nicht recht zum Zuge kommt. Daß ein Gutteil der Propaganda derjenigen, die offen ein rechtes Kampfprogramm gegen die Demokratie vertreten, jedem als Teil demokratischer Staatsagitation vertraut ist, heißt allerdings nicht, daß hier Neonazis einer Politik ein demokratisches Mäntelchen umgehängt hätten, die allen demokratischen Zielen zuwiderläuft. Es sind die bürgerlichen Politiker selbst, die mit ihren Worten und Taten vorführen, daß die Stärkung der Nation, die Behauptung des eigenen Staats von ihnen besser bewältigt wird als von denen, die alle offen zum selbstlosen Dienst an dieser Aufgabe zwingen wollen. Solange das Volk seine staatsbürgerlichen Pflichten freiwillig dadurch erfüllt, daß es im Rahmen staatlicher und wirtschaftlicher Bedingungen sein Auskommen sucht, können die Politiker darauf rechnen, mit den materiellen Interessen Staat machen zu können. Es braucht dazu nur die beständige theoretische und praktische Erinnerung von Seiten des Staates, daß die Ansprüche sich diesen Bedingungen anzubequemen haben, und das umso kräftiger, je mehr die wirtschaftliche Lage der Nation ihre offene Zurücknahme verlangt. Faschistische Parolen und Maßnahmen gehören also zum demokratischen Alltag eines Politikers ebenso, wie ein Volk, dem es Gewohnheit ist, bei seinen Ansprüchen Wirtschaft und Nation nicht aus den Augen zu verlieren und nach Ordnung zu verlangen. Nur so ist Krisenbewältigung ebensowenig ein prinzipielles Problem, wie ein gesunder Wirtschaftsaufschwung mit der entsprechenden Zahl von Arbeitslosen und entsprechend niedrigen Löhnen. Die gegenwärtige Situation zeichnet sich also nicht dadurch aus, daß die Arbeiterschaft der Demokratie großartigen Wohlstand zu verdanken hätte, und deswegen treu hinter ihren Politikern auf dem Boden des Grundgesetzes stünde. Die Bürger rechnen es dem demokratischen Staat nur an, daß er Bedingungen geschaffen hat und mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit aufrechterhält, die jedem erlauben, sich als freier Lohnarbeiter in der florierenden Marktwirtschaft ein Auskommen auszurechnen und stolz auf Deutschland zu sein. Erst wenn diese faschistischen Erwartungen enttäuscht werden, regt sich in einer soliden Demokratie etwas, und was sich dann verstärkt regt, ist die Forderung nach einem Staat, an dessen Ordnungskraft man wieder glauben kann. Weil es der gegenwärtige Staat bringt, bringt es also der Faschismus hierzulande nicht zu einer ordentlichen Bewegung, obwohl die Demokratie alles, was er braucht, bereithält: eine Partei mit seinem politischen Programm, Schlägertrupps. die darauf warten, in seinem Namen gewalttätig werden zu dürfen, und eine Mehrheit, die sich von einem gesunden Staat alles verspricht. Nur kommen diese Elemente des totalen Staates gegenwärtig nicht zusammen. Man kann sich freilich ausrechnen, wann das der Fall sein kann und wie das passiert. Verführt wird dabei jedenfalls keiner. Aber das meinen ja auch nur die, die mit der Forderung nach Berufsverboten nicht nur für Kommunisten sondern auch, vor allem, nur für Faschisten den durch und durch faschistischen Charakter des faulenden Kapitalismus entlarven. _______________________________________ (1) Es handelt sich um Hans-Ulrich Rudel.
aus: MSZ 21 – Januar 1978 |