Der KBW & seine Komitees: Des Volkes Rechtsanwälte
Zusammen mit einigen Weinbauern kämpft in Wyhl der KBW gegen die Errichtung eines Kernkraftwerkes. Seine Hauptaufgabe sieht er dabei darin, die Winzer in ihrem Kampf zu bestärken, indem er jede ihrer Regungen minutiös beobachtet. „Der Landwirt K. M. aus Bottingen fragte: „Wer hält den bisherigen Verlauf unseres Kampfes für richtig?“ und forderte diejenigen auf die Hand zu heben, die dieser Auffassung sind. Alle hoben die Hand ...“ (KVZ Nr. 42, p. 4) Er weiß über viele kleine Erfolge zu berichten, über die Einigkeit, die überall herrscht, und den Witz der Bauern, der alle Ränke der Landesregierung durchschaut. Doch trotz allem scheint dem Kampf die rechte Geschlossenheit zu fehlen. Wo noch vor kurzem unverhohlen Optimismus verbreitet wurde: „Das Volk hat längst entschieden, das Kernkraftwerk wird nicht gebaut!“ mußte nun eine Schlappe hingenommen werden. „Der besetzte Bauplatz ist verlassen.“ (KVZ Nr. 46). Die Bürgerinitiativen, die zudem nichts Eiligeres zu tun hatten, als sich von den linken Agitierern zu distanzieren, setzten sich zusammen mit der Landesregierung, die als erste die Genehmigung für den Bau des KKW gab, an einen Tisch. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hatte der KKW Süd GmbH Mitte Oktober das Recht zugesprochen, sofort mit dem ersten Bauabschnitt zu beginnen. Unbeschadet der Widersprüchlichkeit der richterlichen Entscheidung, die in ihrer Begründung der GmbH ihren angemessenen Profit zusichern will und die eigentliche Entscheidung, ob das KKW überhaupt in Betrieb genommen werden darf, auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, ist die Lage für die Kämpfer in Wyhl brenzlig geworden: wo vorher noch Rechtsunsicherheit bestand in Bezug auf die Baugenehmigung der Baden-Württembergischen Regierung, ist diese nun beseitigt, und die Bauplatzbesetzer sind zu Rechtsbrechern erklärt. Als realitätsbewußte Staatsbürger sehen sie die Durchsetzung ihres Interesses jetzt am besten dadurch gewährleistet, daß sie aus der staatlichen Beschränkung ihres Interesses noch das Beste zu machen versuchen: Sie lenken ein, um sich Straffreiheit zu sichern und sich für das Hauptsacheverfahren nicht alle Möglichkeiten zu verscherzen. Der KBW ist weniger rechtsbewußt und wendet nun alle Mühe daran, zu demonstrieren, daß das Recht mit unterschiedlichen Maßstäben mißt, und versucht den Kampf weiter zu schüren. „Mit dem Recht des privaten Eigentümers zu argumentieren ist etwas, wogegen die Bauern schwer etwas sagen können, treten sie doch selber als Eigentümer von Grund und Boden am Kaiserstuhl auf, mögen sich die Richter gedacht haben. Weil die Bauern nichts Prinzipielles gegen die Argumentation des Gerichts haben, kann auch der KBW prinzipiell nichts dagegen einwenden. Er schlägt sich auf die Seite des Rechtsbewußtseins der Winzer und behauptet, daß im Gegensatz zum Grundgesetz vor dem Recht doch nicht alle gleich seien. Kommt man ihm mit jenem Gladiolenbauer bei Hamburg, der durch Gerichtsklage verhinderte, daß die Reynolds-Alu-Werke die Produktion in vollem Umfang aufnehmen konnten, da Umweltschutzvorschriften mißachtet wurden, so verwandelt der KBW selbst dies Beispiel zu einem dafür, daß man halt kämpfen muß, um sein Recht durchzusetzen, und spricht von einem volksfreundlichen Richter, der hier am Urteilen gewesen sein muß.
Die Bauern, denen es um die Erhaltung ihres Eigentums geht, gewinnen für den KBW eine neue Qualität: sie sind Repräsentanten eines anderen Rechts, einer anderen Demokratie, die fürs erste darin besteht, daß sich die Bürger ihr Recht herausnehmen. Daß der Staat bei seinen Tätigkeiten für das „Allgemeinwohl“ immer wieder Leute beschränkt, dient dem KBW nur als Anschauungsmaterial zur Konstruktion einer prinzipiellen Gegnerschaft zwischen Staat und Volk. Dabei ist ihm der Inhalt der Auseinandersetzungen gleichgültig: ungerührt fördert er die bäuerliche Liebe zur Scholle, Dabei stört ihn lediglich das Festhalten der Landleute an der Form des Rechts und er fordert sie auf, gefälligst für das Recht zu kämpfen, gegen das Recht kämpfen zu dürfen. Da es jetzt um einen Kampf gegen den Staat geht, müssen die Bauern auf der Seite der „Vorhut“ solchen Kämpfens streiten: das Bündnis mit der Arbeiterklasse muß hergestellt werden, wobei allerdings ihre Interessen auf der Strecke bleiben, was aber nicht so schlimm ist, weil sie ohnehin draufgehen müssen,: „Die Arbeiterklasse weiß, daß das kleinbäuerliche Privateigentum gegenüber der kapitalistischen Großproduktion rettungslos verloren ist (?), und sie kann den kleinen Bauern keinerlei Versprechungen machen, daß ihr kleines Privateigentum erhalten bleiben kann.“ (Vielleicht aber wenigstens den Großbauern?) (KVZ Nr. 42)
Da es also ohnehin nicht um die bestimmten Interessen geht, eröffnet sich dem KBW ein weites Angebot an Bündnispartnern, überall gibt es Beleidigte und vom Staat „Entrechtete“, die mit dem Nutzen, den sie aus ihm ziehen können, unzufrieden sind, deren Unzufriedenheit man aufgreifen und zusammenfassen kann. „Das wichtigste (!) in diesen Kämpfen ist, daß das Volk (!) beginnt, sich gegen den bürgerlichen Staat demokratisch (!) zusammenzuschließen (!) und gegen den Staat Rechte geltend zu machen und in Anspruch zu nehmen.“ (Polit. Bericht des ZK des KBW an die 1. o. Delegiertenkonferenz p. 25) Und wo es darum geht, den Unwillen des Volkes an allen „Reibungspunkten mit dem Staat“ aufzunehmen, kann sich der KBW die Bewunderung für einen schwäbischen Glistrup, den Obsthändler Palmer, nicht versagen. „Das Vorgehen und die Person Palmers zeigen deutlich, daß der größte Teil der Stimmen, die er auf sich vereinigen kann, Stimmen gegen die herrschenden Zustände sind. Denn Palmer, wenn auch mittlerer (!) Obsthändler, ist ein Volkstribun, der auf den Volkszorn setzt und den Zorn des Volkes schürt. Er setzt an allen übelriechenden (?) Erscheinungen des bürgerlichen Staatsapparats an, an Bürokratismus, an Korruption, an der Verschwendung (!) von Steuergeldern (!), an der Gleichgültigkeit gegenüber den Masseninteressen.“ (ebda p. 30) Der KBW „arbeitet in allen Schichten des Volkes, bei den Bauern, unter (!) den Frauen, in der Polizei, mit den Studenten“ und seiner Phantasie ist keine Grenze gesetzt, auch bei den Professoren anzufangen, die zur Zeit gerade über Stellenkürzungen klagen. An allen Punkten versucht er, Interessenskonflikte aufzugreifen, sie in einen Kampf gegen den Staat umzufunktionieren: denn außer über den Staat haben die Interessen der Bauern und Studenten absolut nichts miteinander zu tun. Der KBW belegt, daß die Zusammenfassung der unterschiedlichsten Interessen im Kampf um die Anerkennung der Rechtmäßigkeit dieser Interessen seine eigene Abstraktion vom Nutzen der Beteiligten ist, die er ihnen aufzwingen will. Im unterschiedlosen Ineinssetzen der Menschen gegen den Staat wiederholt der KBW die Abstraktion, die der Staat den Leuten abverlangt, wenn er von ihnen die Unterwerfung unter den Interessenausgleich fordert. Das Volk, das der KBW zusammen mit einigen anderen Volksfreunden so gerne für seine Politik reklamiert und dessen Gegensatz zum Staat er sich vorlügt – ohne die Kapitalisten versteht sich –, hat seinen Zusammenhang im Staat, der sich um die Regelung der Interessenkollisionen kümmert. Und wo der KBW die Unzufriedenheit mit dem Staat aufgreift, läßt er beiseite, daß die Bürger ihn für die Durchsetzung ihrer Interessen anerkennen und damit unzufrieden sind, wieviel sie herausschlagen können.
In dem „Rechtsfall“, den der KBW gegen den Staat vertritt, spielt er sich als Anwalt des Volkes auf und versichert seinen Mandanten ständig, daß er ihre Angelegenheiten gut vertritt und daß sie wirklich im Recht sind und spricht dem ..Staat dafür seine Rechtmäßigkeit ab. So kämpft er nicht gegen das Abtreibungsverbot, sondern für das Recht, dagegen sein zu dürfen – was ihm in einer Demokratie auch niemand verwehren wird, solange er nicht gegen den Paragraphen 218 verstößt – „Die jahrelange Bewegung gegen den Unterdrückungsparagrafen 218 ist und bleibt gerechtfertigt, daran kann auch das Verfassungsgerichtsurteil nichts ändern“ (daran wollte es auch nichts ändern!). „Wir sprechen jenen vom Staat eingesetzten und lediglich vom Willen des Volkes unabhängigen Richtern das Recht ab, gegen das Interesse der übergroßen Mehrheit das Abtreibungsverbot für ewig und alle Zeiten (?) zu zementieren.“ (KHZ München, April 1975) und belegt es in endlosem Zitieren der Stimme des Volkes, wozu er auf die Suche nach Müttern mit 9 Kindern und mehr geht, wohl weil die Vorteile der Abtreibung dort besonders deutlich ins Auge springen. Diese christlichen Mütter (vgl. MSZ Nr. 6/1974), deren Ideal darin besteht, in ihrem Leben möglichst viele Kinder das Licht der Welt erblicken zu lassen, lassen sie die mangelnde Unterstützung durch den Staat beklagen, der sie von einem Amt zum andern hetzt, auch durch andere Schikanen ihre Gebärfreudigkeit beschränkt und so das geringste Recht hat, die Abtreibung zu verbieten. „Die so groß für den Paragraf sind, die sollen mal eine Woche unter den Bedingungen leben wie meine Kinder. Da verginge ihnen ihr Geschwätz! Wir brauchen diesen § 218 nicht. Mit dem können sie zusätzlich uns schikanieren und unter Druck setzen. Wir brauchen keinen Staat, der in unsere Angelegenheiten reinspricht“ (Nur einen der die Kinder zahlt.). „Wir wissen selbst, was wir brauchen und können. Wir sind doch nicht schuld an den Verhältnissen, die uns zwingen, ein Kind abzutreiben. Unter anderen Bedingungen könnte man auch zwanzig aufziehen. Damit der § 218 verschwindet arbeite ich im Komitee und kämpfe für seine Forderungen.“ (KVZ 46)
Der Frau, die ihr bißchen Freizeit, das sie hat, dem Komitee opfert und damit immerhin ihren Willen bekundet, etwas an der Welt zu verbessern, aus deren Beitrag noch das schlechte christliche Gewissen spricht, das sie hat, wenn sie die Schuld der Abtreibung auf die Gesellschaft schiebt, versperrt der KBW die Einsicht in die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie lebt, indem er ihr diese Argumentation aufgeschwätzt hat und bundesweit auf seinen Plakaten verbreitet: Die Gesellschaft ist schuld daran, daß Frauen abtreiben müssen: darum weg mit dem Paragraphen 218! Anstatt gegen die Gesellschaft zu agitieren. Das Ausnutzen des schlechten Gewissens wegen der Kinder zeigt nicht nur, daß der KBW es mit einer Macht zu tun hat, die sich seinen moralischen Argumenten nicht ohne weiteres beugt und andere Prinzipien vertritt, sondern auch seinen Willen, die Frauen, die dies moralische Anliegen haben, für seine Politik zu benutzen und ihnen einzureden, daß sich schon alles ändern wird, wenn sie sich nur kräftig gegen den Paragraphen 218 einsetzen. Am Paragraphen mißfällt ihm lediglich, daß das Volk nicht entschieden hat. „Acht Richter haben also entschieden, was Millionen von Familien betrifft.“ Sein Bestreben geht dahin, dies Verhältnis umzudrehen, was allerdings am Gewaltcharakter des Rechts nichts ändern würde. Das Volk muß „die Demokratie gegenüber dem ganzen bürgerlichen Staatsapparat zur Geltung bringen.“ (Ständiger Ausschuß beim ZK des KBW 4. 3. 75) Das Volk soll sich sein Recht selbst geben, d. b. es soll gegen den Paragraphen 218 kämpfen, in dem es für den Volksentscheid eintritt, was der KBW schöpferisch zu der Parole verbunden hat: „Volksentscheid gegen den Paragraphen 218!“ „Diese Forderungen ergeben sich aus der Erfahrung der Bewegung gegen den § 218 mit dem bürgerlichen Staatsapparat mit zwingender Logik. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit des Kampfes für die Streichung des § 218, der die Volksmassen zwingt, gegen den bürgerlichen Staatsapparat die Fahne der Demokratie aufzugreifen, wenn der Kampf nicht ergebnislos eingestellt werden soll.“ (ebda) Die Schwäche der Bewegung gegen den Paragraphen 218, mit der er sein eigenes Mehrheitsgefasel widerlegt und der Bewegung ihre Erfolglosigkeit bescheinigt, nimmt er zum Ausgangspunkt, die Aufgabe des Kampfes als erfolgreiche politische Perspektive zu verkaufen, um ihr damit zum Aufschwung zu verhelfen, was nicht ohne Tricks abgeht: „Wir dürfen nicht einfach die Forderung nach einem Volksentscheid erheben, sondern müssen im Kampf für den Volksentscheid gegen den § 218 Formen entwickeln, die bereits der Losung »Das Volk soll selber entscheiden!« entsprechen. Eine dieser Formen ist bereits die Unterschriftensammlung, vorausgesetzt (!), daß die Zahl der Unterschriften ins Gewicht fällt und daß diese Unterschriftensammlung an Stellen, wo dies möglich, so durchgeführt wird, daß sie tatsächlich (!) den Charakter einer Mehrheitsentscheidung annimmt … Wenn wir die Unterschriftensammlung dort, wo es möglich (!) ist so durchführen, nimmt sie die Form einer politischen Aktion an, in der tatsächliche Mehrheiten zum Ausdruck kommen“ (Wo sie die Mehrheit haben, werden sie unbestreitbar die Mehrheit haben). „Sie nimmt die Form eines Volksentscheids an, ohne daß wir es uns zur Aufgabe machen würden, einen allgemeinen Volksentscheid selber, durchzuführen, was natürlich ein völlig sinnloses Unterfangen wäre. (Die bürgerliche Reaktion zementiert den § 218. Die Arbeiterklasse muß ihn zu Fall bringen, p. 15)
Der KBW interessiert sich nur noch dafür, wie sich Interessenkampf in den Einsatz für sein Prinzip von Demokratie umfunktionieren läßt, und wiederholt noch einmal, daß er auf die Misere der Menschen angewiesen ist, um sie für seine Ziele anzustacheln, ohne sich um die Belange der Leute zu kümmern. „Eltern einer Schule und (!) Teile der Bevölkerung eines Stadtteils“ (vielleicht genauer: Teile des Volkes eines Stadtteils) „kämpfen gegen die Entlassung eines Lehrers“ (oder auch dafür!) „Damit führen sie, ob es ihnen bewußt ist oder nicht“ (weil sie vielleicht den KBW nicht kennen) „einen Kampf auf der Linie der Forderung: „Wahl der Lehrer durch das Volk!“ und beanspruchen das Recht, über die Anstellung eines Lehrers oder seine Entlassung selbst zu entscheiden“ (KBW – raus aus dem Schuldienst!?). „Wir müssen diese im Kampf schon angelegte Stoßrichtung nur herausarbeiten und sie als Verallgemeinerung der Ziele dieses bestimmten Kampfes entwickeln.“ (Bericht des ZK an die 1. o. DK p. 27) Die unterschiedlichen Teile des Volkes sollen überall da, wo sie kämpfen, die Volksherrschaft realisieren und auf diese Weise zuguterletzt die Staatsmacht erobern. Das Volk soll herrschen, indem es die verschiedenen Funktionen des Staates selbst ausübt und dabei die Demokratie zur Geltung bringt. So kommt der KBW auf seinen Forderungskatalog, der die Beseitigung des Staates im Auge hat, von ihm selbst noch verlangt, was ihn abschaffen soll, um einen besseren Staat durchzusetzen. Der KBW ist für Rechenschaftspflicht und jederzeitige Abwählbarkeit aller Volksvertreter, Wahl der Richter und aller höherer Beamten (die Wahl der niederen ist wahrscheinlich zu viel Arbeit, was man selbst einem Volksdemokraten nicht zumuten will) durch das Volk, Ersetzung der Polizei und des stehenden Heeres durch die Volksbewaffnung, etc. pp. Überall, wo er Staatsfunktionen findet, die das Volk“ beschränken, fordert er deren Besetzung durch das Volk, wobei er hin und wieder seine Agitation in neuen Schichten des Volkes aufnehmen muß, um an die Staatsfunktionen heranzukommen: so versucht er Zellen in Polizei und Militär aufzubauen, deren Einrichtung er nur so freimütig bekannt gibt, da er das Bewußtsein darüber als Zusammenhalt des Volkskampfes braucht. Die Vorstellung, daß sich die Massen eines Tages die Waffen von selbst holen, findet auch er absurd, denn dann hätte man den Umsturz, für den diese Maßnahme doch nur Vorbereitung sein soll, schon im Haus. „Jede einzelne Forderung arbeiten wir als Stoßrichtung bestimmter Kämpfe heraus und tragen sie als bewußte Kampflosung in diese bestimmten Kämpfe hinein, verbinden diese Kämpfe aber stets mit der politischen Machtfrage: Wer hat die Macht in diesem Staat und zu welchem Zweck?“ (Wer bisher glaubte, die Machtfrage sei eine praktische Angelegenheit, sieht sich vom KBW eines besseren belehrt, der sie in eine wirkliche Frage verwandelt hat.) „Das heißt, jede (!) einzelne Forderung kann (!) durchaus Kampflosung werden, sie muß (!) aber immer mit der Frage der Staatsmacht insgesamt verbunden (!) werden. Die Lösung der politischen Machtfrage können wir gegenwärtig nur propagandistisch entwickeln. Das gilt auch für die Gesamtheit der demokratischen Forderungen in ihrem Zusammenhang, die ja die Form der Diktatur des Proletariats beschreiben.“ (also: Diktatur des Proletariats – Wyhl + § 218 + ...+ n) (Bericht des ZK an die 1. o. DK p. 27) Wo der KBW den Interessenkämpfen eine politische Perspektive gab, für deren Verwirklichung die Leute „objektiv“ sein sollten, fügt er nun nochmals die – theoretische – Perspektive hinzu, daß, wenn auch nur alle schön mitmachen, die Übernahme der Staatsmacht durch das Volk in Aussicht stünde, womit dann auch alles in Ordnung sei: „Wenn die Massen einen Bürgermeister zur Rechenschaft ziehen, womöglich (!) handgreiflich“ (lynchen?) „weil er die Verhältnisse verteidigt, die sie in Lebensgefahr bringen und feststellen, daß man das immer so machen sollte mit solchen Leuten, und daß man dann (!) auch die Verhältnisse wird ändern können, dann liegt diese Massenaktion auf der Linie der demokratischen Forderungen unseres Programms.“ (Bericht des ZK an die 2. o. DK p. 38) Wenn die Massen also ihren Bürgermeister verprügeln, dann liegen sie auf der Linie des KBW!
Daß der KBW an den gesellschaftlichen Verhältnissen nichts ändern will, zeigt sich an der Art und Weise, wie er die Interessen der Leute aufgreift, indem er ihnen eine Demokratie mit mehr Nutzen verspricht und sich in die Reihe derjenigen einreiht, die für die Verwirklichung der Demokratie eintreten. Der KBW leugnet beharrlich, daß die Staatsagenten gewählte Repräsentanten des Volkswillens sind, und glaubt, durch die Beseitigung des Repräsentationsprinzips den Gewaltcharakter der Demokratie abschaffen zu können. Unermüdlich preist er die Vorzüge der direkten Demokratie und feiert alle Äußerungen des Volks willens. So schrecken ihn weder die Eidgenossen mit ihrem Karabiner im Wohnzimmerschrank, die ein Beispiel sind, daß die Volksbewaffnung der Verteidigung des Staates dient, wie er auch die Wallfahrten nach Lourdes als lebendigen Ausdruck des Volks willens begreifen und sich durch die Erscheinungen der Massen-Demokratie in den USA besonders angezogen fühlen muß, wo unter anderem der Staatsanwalt gewählt wird. Daß der Wille des Volkes die Basis des Staates ist, will der KBW nicht wahrhaben. Die Verwirklichung der Perspektive der Volksdemokratie, die Verbindung aller Kämpfe gegen den Staat hat ihr Zentrum im Proletariat, das, selbst unterdrückt und ausgebeutet, ein Teil des Volkes ist und ohne dessen Masse eine Revolution für den KBW undenkbar ist. Die allgemeinen Volkskämpfe müssen sich dazu mit den Aktionen der Arbeiterklasse verbinden, und der Arbeiterklasse muß der Kampf um die Volksdemokratie untergejubelt werden,, Im Kampf um die demokratischen Rechte stellt sich die Arbeiterklasse „gegen den bürgerlichen Staat an die Spitze, weil sie diejenige Klasse ist, für die die Demokratie politische Lebensluft ist und die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung allein in der Lage ist, nach (!) der Eroberung der politischen Macht ihre Herrschaft als Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit“ (was der KBW als die wahre Demokratie versteht!) „auszuüben und die Demokratie umfassend zu verwirklichen.“ (KuK Nr. 2/74 p. 103 f.) Für den KBW stellt sie selbst nur wieder die Verwirklichung seines Prinzips dar.
Der KBW wäre nicht der KBW, machte er bei den Arbeitern nicht das gleiche wie woanders. „Der Kampf für den Sieben-Stunden-Tag dient zwar der Erhaltung der Arbeitskraft, um sie länger verkaufen zu können, gleichzeitig bedeutet er jedoch einen Angriff der Arbeiterklasse auf das Recht (!) des Kapitalisten, die Arbeiterklasse länger als 7 Stunden, sagen wir acht, neun oder zehn Stunden ausbeuten zu können.“ (Polemik gegen die Gruppe Rote Fahne, p. 32). Um den Kapitalisten, wo es nur geht, irgendwelche „Rechte“ abringen, zu können, tritt der KBW dafür ein, daß die Arbeiter endlich etwas selbständiger werden, und halst ihnen dafür alle möglichen Arbeiten auf. So fordert er sie auf, sich selbst zu verwalten, und befürwortet „die Forderung nach Selbstverwaltung der Sozialversicherung, durch deren Verwirklichung die Ausbeuterordnung natürlich auch nicht aufgehoben oder ökonomisch auch nur beeinträchtigt würde, sondern durch die die Selbständigkeit der Arbeiterklasse gestärkt würde, weshalb sich die Kapitalisten auch mit Händen und Füßen dagegen wehren und immer dagegen wehren.“ (KuK Nr. 2/74, p. 113) So stellt der KBW die Einheit der Arbeiterklasse gegenüber den Kapitalisten her; zugleich findet er jedoch eine Organisation vor, die diese Einheit für ihn schon gebildet hat. „Der unmittelbare Zweck der Gewerkschaften ist es, die Konkurrenz unter den Arbeitern auszuschalten und sie gegenüber den Kapitalisten konkurrenzfähig zu machen. (Für klassenbewußte, kampfstarke Einheitsgewerkschaften, p. 9). Doch gerät der KBW in Gegensatz zu den Gewerkschaften und den in ihnen organisierten Arbeitern, da er sie zu etwas anderem brauchen will, als die Sicherung der Existenz der Arbeiter, und damit den Zweck der Gewerkschaften in Frage stellt. (Vgl. MSZ 5[75, Lehren aus der Krise bei VW). Die Gewerkschaften sind für den KBW die Realisierung der Einheit der Arbeiterklassen, die durch die Konkurrenz unter den Arbeitern ständig bedroht ist. Und obwohl die Gewerkschaften selbst nur dem Lohnarbeitsverhältnis entspringen, die Einheit nur aufgrund der gemeinsamen Gegnerschaft zu den Kapitalisten existiert, um die eigene Reproduktion zu sichern, und damit ständig wieder bedroht ist durch die Konkurrenz unter den Arbeitern [] den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen zu, während er der Koalition, die die Arbeiter eingehen, sein höheres Ideal verleiht. „Da die Konkurrenz aus den kapitalistischen Produktionsverhältnissen notwendig entspringt, ist auch der gewerkschaftliche Zusammenhalt unter den Arbeitern immer bedroht, gerade weil der Zweck des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses zunächst noch innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise liegt und noch nicht (!) in ihrer Zerstörung.“ (ebda, p. 29). Daß die Gewerkschaften seinen gewerkschaftsfeindlichen Zweck, die Kämpfe der Arbeiter um ihre Reproduktion in sein Vereinheitlichungsanliegen umzumünzen, sich nicht selbst zur Aufgabe gemacht haben, kann dabei nur der Tatsache zugeschrieben werden, daß sie in den falschen Händen sind. „Die Tatsache des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses bekommt einen eigenständigen Zweck.“ (Durch die Revisionisten) „Die Erfahrung der Arbeiter, daß die gewerkschaftliche Organisation letzten Endes wichtiger ist als diese oder jene Forderung, können die reformistischen Gewerkschaftsführer (!) ausnutzen, um gerade Forderungen und Kampfziele abzuwehren, die der Einheit der Arbeiter dienen, aber zunächst in der Minderheit sind.“ (ebda p. 29 f.). Neben dem blöden Argument, der Gegner denunziere sich selbst, wenn er Forderungen, hinter denen man selbst steht, ablehnt, wähnt der KBW durch die Arbeiter, die trotz Unzufriedenheit nicht aus der Gewerkschaft austreten, weil sie am Nutzen der Gewerkschaften festhalten, seinen Idealismus verwirklicht. Weil er das Instrument, das er in den Gewerkschaften für seine Ziele sieht – stellen sie doch für ihn die „elementaren Organisationen“ der Arbeiterklasse dar –, nicht zerstören will, versucht er sie in die Hand zu bekommen und verfolgt die Linie der „Eroberung der Gewerkschaften für den Kommunismus“. Seinen Gegensatz zu ihnen bringt er damit erst richtig zum Tragen; wenn er dabei gegen die RGO-Politik der Gruppe Rote Fahne auftritt, demonstriert er nur, wie er es mit dem Gegensatz halten will: er will die Gewerkschaften unterwandern, und nach und nach, versteckt oder offen, den Gewerkschaftsapparat mit eigenen Leuten besetzen, die das Geschäft der Umfunktionierung besorgen sollen. Daß ihm die Arbeiter dabei zwangsläufig einen Strich durch die Rechnung machen, ist für ihn nur ein neuer Anlaß, sie aufzufordern, für ihre Rechte zu kämpfen, was er dann Beseitigung der Bourgeoisie nennt. Der KBW wirft der Gewerkschaftsführung nicht schlechte Vertretung der Arbeiterinteressen vor sondern Spaltertum. An der Mitbestimmung kritisiert er nicht die Aufgabe des gewerkschaftlichen Kampfes, sondern daß sie angeblich die Arbeiter an den einzelnen Betrieb bindet. Für den Streik tritt er nicht deshalb ein, weil sie das gewerkschaftliche Kampfmittel der Arbeiter ist, sondern weil er eine einheitliche Aktion ist, und Forderungen stellt er nicht deshalb auf, um sie durchzusetzen, sondern damit sich alle dahinter stellen. Er will sich selbst so sehr als die wahre Gewerkschaft herausstreichen, um den Reformern die Anhänger streitig zu machen, daß er unglaubwürdig wird, wenn er zuviel fordert, und deshalb ständig beweisen muß, daß die Bedingungen für die Durchsetzung seiner Forderungen günstig stehen, was denn den Inhalt dessen ausmacht, was die KVZ über die Ausbeutung der Arbeiter zu berichten weiß. „Die Arbeiter können in ihrer Konkurrenz mit den Kapitalisten auf dem Arbeitsmarkt aber die Konkurrenz unter den Kapitalisten nutzen. Die Konkurrenz ist durch die Krise nicht schwächer, sondern stärker geworden. Die westdeutsche Stahlindustrie kann es sich keineswegs leisten, ihren auf der Lauer liegenden internationalen Konkurrenten durch einen Streik die Gelegenheit zu geben, neue Marktanteile zu erobern. Die Streikbedingungen für die Stahlarbeiter sind nicht, schlecht, wohl aber ihre Lebensbedingungen.“ (Lage und Kampfbedingungen in der .Stahlindustrie, KVZ 6. 11. 1975) Nachdem der KBW festgestellt hatte, daß auch die Stahlindustrie von der Wirtschaftskrise betroffen ist und es zu Entlassungen bis jetzt nur in begrenztem Maße gekommen ist, weil die „größte Chance Europas, sich zu behaupten, in den sach- und fachkundigen disziplinierten Belegschaften liege.“ (Süddeutsche Zeitung vom 24. 10. 75, zit. KVZ), schert er sich nicht um die Drohung in diesem Zitat und verbreitet frohgemut Sorglosigkeit. Er schließt, daß die Kapitalisten sich einen Streik nicht leisten können, und unterschlägt dabei, daß es gerade in Krisenzeiten dem Kapital keine Mühe bereitet, den Lohn der Arbeiter niedrig zu halten, wobei es die Arbeiter tatkräftig unterstützen (vgl. den Artikel zur Krise). Das Interesse des KBW, die Leute in einen Kampf zu hetzen, um den er sich nicht kümmert, drückt er noch einmal brutal aus. „Im Prinzip handelt es sich also bei allen Forderungen (!) darum, die Spaltungsmöglichkeit durch die Konkurrenz unter den Arbeitern zu vermindern (der KBW will den Leuten die Möglichkeit nehmen, sich zu spalten) und die Selbständigkeit (!) der Arbeiterklasse zu fördern (!). Nicht (!) geht es darum, innerhalb des Kapitalismus erträgliche Zustände zu schaffen oder die Ausbeuterordnung durch Forderungen (!) zu verändern oder gar aufzuheben. Dies ist nur durch die Eroberung der politischen Macht und die Einleitung und Durchführung der sozialen Revolution des Proletariats möglich.“ (KuK 2/74 p. 112) Und wie überall endet hier erst recht das Bemühen, die Adressaten von der Durchsetzung ihrer Interessen abzubringen, bei dem Geschwafel über die Einheit des Volkes und die wahre Demokratie. „Der Kampf um mehr Lohn und der Kampf für Arbeiterrechte ist die Grundlage des Klassenkampfes für das Proletariat, aber (!) allseitig und umfassend wird der Klassenkampf nur, wenn sich die Arbeiterklasse an die Spitze des Kampfes für Demokratie setzt, und ein Angriffsplan, der diese Seite des Klassenkampfes und ihre entscheidende Bedeutung vernachlässigt, bleibt ein elendes Stückwerk, das der Arbeiterklasse nichts nützt.“ (Die Verfassung der BRD und das demokratische Programm der Kommunisten p. 22) Den „Nutzen“, den die Arbeiter haben sollen, wenn sie sich an die „Spitze des Kampfes für Demokratie“ setzen, erklärt er ihnen damit, daß sie ohne ihn nicht auskommen werden. Und in den volksdemokratischen Kämpfen für die Diktatur des Proletariats lernen sie, daß die Diktatur des Proletariats ihr Ziel ist, ist doch der Kampf um wahre Demokratie das „entscheidende Kettenglied bei der Herausbildung des Klassenbewußtseins des Proletariats und der Vorbereitung des Proletariats auf den Sturz der Bourgeoisie, das entscheidende Mittel, um die breiten Volksmassen um das Proletariat zu sammeln und für den Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie zu gewinnen.“ (1. o. DK p. 26). Der KBW hat endlich den Bogen zurück zu den Volkskämpfen gefunden, in die er die Arbeiter dadurch einreiht, daß er neben dem Staat auch den Kapitalisten die Rechte abspricht.
„Von Anbeginn war klar: die Massenaktionen gegen die Fahrpreiserhöhungen würden einen großen Umfang annehmen. Weil in ihnen sich konzentrieren konnte der ganze Zorn, der gegen die Plünderpolitik des Staatsapparats da ist. Die Massenaktion fand breiteste Unterstützung nicht, weil die Straßenbahnpreise eine Lebensfrage wären. Sondern weil es den Volksmassen im Kampf gegen diese Preiserhöhungen möglich war, dem Staatsapparat, der sie vielfältig plündert, kujoniert, unterdrückt, Schläge zu versetzen und gegenüber dem parlamentarisch verbrämten Politkretinismus der bürgerlichen Parteien ihren selbständigen Willen in der Massenaktion zur Geltung zu bringen.“ (KVZ, 3. 7. 75)
Wenn der KBW jede Aktivität der Bürger als Teil des Volkskampfes begrüßt, die Kämpfer als Volksmassen tituliert, und sie dafür lobt, daß sie endlich einmal ihre Wut ausgelebt und sich für die Schindereien des täglichen Lebens am Staat schadlos gehalten hätten, so gibt er damit zu, daß er Schwierigkeiten hat, diese Aktivitäten mit seiner Politik in Einklang zu bringen. Das kann ihn aber nicht verdrießen, drechselt er sich doch gleich wieder ein „Argument“ aus dem Umstand, daß der Staat es sich nicht nehmen ließ, auf den Köpfen der Leute herumzuschlagen und ihnen Pfeffer in die Augen zu streuen, beweist nur einmal mehr seinen Gewaltcharakter und entlarvt seinen Charakter als Unterdrückungsmaschine der Bourgeoisie, wozu es dieses Beweises allerdings nicht bedurft hätte. „Der Charakter des bürgerlichen Staats als Diktatur der Bourgeoisie ist ein Stück weiter hervorgetreten. Der Wunsch nach Beseitigung dieser Diktatur ist dringlicher geworden. In den Massen gibt es weniger das Gefühl (!) der Niederlage. Viele sagen, wenn wir und indem wir noch viele solche „Niederlagen“ erleiden, kommen wir dem Sieg näher.“ (ebda) Die Niederlage in dem Kampf, dessen Ausgang man vorher schon gewußt hat, wird, gemäß der Maxime, in einen Sieg verwandelt und in einen Lernprozeß umgedeutet, in dem man den Charakter des Staats erfahren hat und sich als Teil des Volkes fühlen konnte. Vollends absurd mutet die Drohung an, der Staat solle nur so weitermachen, dann werde er schon sehen, was er davon habe, die eher einem trotzigen Kind ansteht, denn einer politischen Partei. So ist der KBW schließlich dahin gelangt, den Massen zu empfehlen, sich durch den Kampf gegen den Staat zu Staatsfeinden erziehen zu lassen, „jene Fähigkeiten herauszubilden, derer sie bedürfen, um (!) die politische Macht zu erobern, die sozialistische Räterepublik zu errichten und die staatliche Verwaltung selbst in die Hand zu nehmen (Programm und Statut des KBW, p. 24) Erst im Kampf erwerben sie diejenigen Eigenschaften der Volksdemokraten, die sie dem Staat gegenüber eigentlich auszeichnen sollten. Der KBW spricht offen aus, daß die Leute das, was er vertritt, noch gar nicht wollen und erst auf die Ochsentour dazu gebracht werden müssen, jedoch nur um den anderen politischen Parteien die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, daß die Leute unterschiedliche politische Willen repräsentieren. Daß der KBW seinen Nebenbuhlern um die Gunst der Massen Abwiegelei und Sabotage des revolutionär-demokratischen Kampfes vorwirft, hindert ihn nicht, deren Anhänger vereinnahmen zu wollen: Die Politik der Aktionseinheit soll über politische Differenzen hinweg die Massen durch entsprechende Forderungen zusammenschließen und so die Politik des KBW durchsetzen, die – trickreich wie sie ist – gerade darin besteht die Aktionseinheit zu fordern, denn „Reformisten und Revisionisten fürchten die Politik der Aktionseinheit wie der Pfarrer den Teufel.“ (2. o. DK p. 47)
Seine Erkenntnis hat der KBW empirisch gewonnen, als es ihm nicht möglich war, mit DKP und Jusos zusammen eine Aktionsgemeinschaft herzustellen. Die Schwierigkeit bei der Politik der Aktionseinheit besteht darin, möglichst genau das zu fordern, was andere auch wollen, und dadurch, daß man selbst es war, der gefordert hat, sich die Führung und das Vertrauen zu sichern. Wie er als Vorhut der Arbeiterklasse anerkannt werden will – „Die Einheit des Proletariats kann dauerhaft nur verwirklicht werden, wenn die Arbeiterklasse aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen die Führung der Kommunisten als ihre eigene Vorhut anerkennt (!). Um dahin zu kommen, muß in jeder einzelnen Frage des Klassenkampfes zunächst punktuell die Aktionseinheit hergestellt werden,“ (Ergebnisse der Gründungskonferenz, p. 43) – hat er in noch stärkerem Maß das Problem mit dem Volk, das er in verschiedenen Komitees sammeln will, in denen seine Aufgabe, um das Volk nicht zu verschrecken, darin besteht, möglichst volksnah Forderungen aufzustellen. Es ist ein Eingeständnis, daß er die Leute hintergehen muß, um sie für seine Zwecke einzusetzen, wie es gleichzeitig die beständige Aufgabe seines Zieles ist. Sein Widerspruch hat in seinem Parteileben im Kampf zweier Linien einen lebendigen Ausdruck gefunden, dessen Prinzip darin besteht, stets entweder den rechten Fehler zu machen, und zu ökonomistische Forderungen aufzustellen (d. h. aus lauter Liebe zu den Massen die Volksdemokratie zu vergessen), oder aber den linken, sich durch zu radikale Forderungen von den Massen zu isolieren. Das Parteiinteresse des KBW fällt mit dem zusammen, was die Volkskomitees machen, deren „Massen“ man auf keinen Fall für einen Eintritt in den KBW agitiert, weil man sonst Gefahr liefe, sie zu verlieren. Andererseits steht der KBW als revolutionäre Mahnung neben den Komitees und muß gleichzeitig betonen, daß sie nichts anderes machen, als er selbst will. So entspricht seine organisatorische Gliederung dem, was er ist: eine Volkspartei mit einem antistaatlichen Ideal, die Antivolkspartei.
Der KBW hat mit seiner Anwanzerei an die Massen eine Politik zur praktischen Vollendung gebracht, deren theoretische Begründung sich in der Geschichte der Arbeiterbewegung (die der KBW nicht von ungefähr so schätzt) findet: „Der Marxismus lehrt, daß die Interessen des Proletariats von seinen objektiven Existenzbedingungen bestimmt werden. Diese Interessen sind so gebieterisch, und unabwendbar, daß sie das Proletariat zu guter Letzt veranlassen, sie in den Bereich des Bewußtseins zu überführen, d. h. seine objektiven Interessen mit seinem subjektiven Bedürfnis zu erreichen. Zwischen diesen beiden Faktoren – dem objektiven Faktum seines Klasseninteresses und seinem subjektiven Bewußtsein – liegt der Weg der in der Realität unabwendbaren Stöße und Schläge, Irrtümer und Enttäuschungen, Wechselfälle und Niederlagen. Für die taktische Weisheit der Partei liegt die ganze Aufgabe zwischen diesen beiden Ebenen; sie besteht in der Verkürzung und Erleichterung des Weges von der einen zur anderen.“ (Leo Trotzki, Schriften zur revolutionären Organisation, Hmbg. 1970 p. 71) Das Interesse, das den Ausgebeuteten das objektive Bedürfnis unterstellt, die gesellschaftlichen Zustände zu beseitigen, zeigt einmal den unreflektierten Antikapitalismus, der sich als Volk oder Nation gegen die Beschränkung durch den Staat stemmen will und deswegen von ihm die Beschränkung des Kapitals verlangt, zum andern daher das Problem, das Interesse, das man hat, den Leuten aufzuschwatzen.
Mit seinem revisionistischem Programm, das die unzufriedenen Staatsbürger zum Kampf für einen besseren Staat auffordert und ihnen als Diktatur des Proletariats das Ideal einer unbeschränkten Demokratie anpreist, begeistert sich der KBW so sehr für alle Unmutsregungen in der Gesellschaft, ist er so sehr blind gegen die willentliche Unterwerfung des Volkes unter seinen Staat, daß er sich – ähnlich den Spontaneisten und Anarchisten – das Desinteresse der Bürger am Kampf gegen den Staat nur mehr psychologisch erklären kann. Die Sprüche über Volksdemokratie, Arbeiter- und Volksnutzen münden daher in der zynischen Aufforderung, die unzufriedenen Bürger sollten sich in Interessenkämpfen vom Staat die Köpfe einschlagen lassen, um dadurch endlich zu erfahren, daß ihre Bedürfnisse beschränkt, ihr Kampf also berechtigt, der KBW also mit seinem falschen Programm ihr Freund sei. Von den begehrten Massen, die sich den staatlichen Beschränkungen aufgrund ihrer Nutzenerwägungen beugen, ungeliebt, tritt er beharrlich als Rechtsanwalt des Volkes auf und trägt dazu bei, Rechts- und Demokratieillusionen zu bestärken, die Arbeiterklasse von der Erkenntnis ihrer Interessen abzuhalten und dem Staatsbürgerbewußtsein Belege dafür zu liefern, daß dieser Staat immer noch mehr zu bieten habe als seine Kritiker.
aus: MSZ 8 – 1975 |