Iran/USA: Die Freiheit einer erpreßten Weltmacht
Während die Flugzeugträger Midway und Kitty Hawk längst im Persischen Golf kreuzen und die Strategen des Pentagon das Problem militärisch wälzen – wie kommen wir ran, können ein Optimum zusammenhauen und zugleich verhindern, daß die Geiseln draufgehen, welche Ziele eignen sich für eine eventuelle Strafaktion – operiert die ,,erpreßte“ Weltmacht gleichzeitig mit dem Sicherheitsrat der UNO und dem Internationalen Gerichtshof im Haag. Während Resolutionen aus New York erklärtermaßen Appelle sind, haben die Urteile der Haager Richter die für die USA brauchbare Völkerrechtseigenschaft, zwar „bindend“ zu sein, nicht jedoch vollstreckbar, weil das Gericht über keine Flugzeugträger verfügt. Die Marines werden sich moralisch gestärkt als „Gerichtsvollzieher“ zur Verfügung stellen. Der Streitwert ist unterdessen etwas in den Hintergrund getreten: den Schah will niemand mehr, außer Khomeini und Ägypten, die Geiseln in der Botschaft spielen nur noch vermittelt über die „siedende Wut“ eine Rolle, die sie bei ihren Landsleuten zuhause am Kochen halten.
Mittlerweile spekulieren Beobachter offen, daß es sicherlich am günstigsten wäre, die USA behielten den Schah gleich selber, weil sein Abschub nach Ägypten Sadat nur in Schwierigkeiten bringen würde, und der wird noch gebraucht. (Vgl. ,,Süddeutsche Zeitung“ vom 3.12.) Dabei fing die ganze Querele um einen sterbenskranken Ex-Despoten als Diskussion um die wahre Humanität an. Wir entnehmen einem STERN-Interview mit dem Ayatollah Beheschti folgende aufschlußreiche Passage: ,,BEHESCHTI: Die amerikanische Regierung hat den Schah nach seinem Sturz nicht aufgenommen. – Warum mußte sie es jetzt tun?
Ein Waffengang der USA gegen Persien kann also mit der überwältigenden Zustimmung der „vor Wut kochenden“ Amerikaner rechnen. Ihr Präsident, der ,,führungsschwache“ Jimmy Carter, kann es sich leisten, „Mäßigung“ an den Tag zu legen: die Militärmaschinerie steht Gewehr bei Fuß, um dem Iran tatsächlich jenes ,Mittelalter' zu bereiten, das die Islamische Revolution durch ihren unzeitgemäßen Umgang mit der Religion angeblich heraufbeschwört, das Recht wird im Haag eingeklagt und die Moral ist auf Seiten der „erpreßten Weltmacht“, was ihr der Sicherheitsrat mit den Voten der SU und der VR China bestätigte. Eine „abwartende Haltung“ fällt der USA deshalb um so leichter, weil sich keine langfristige Lösung für eine „Rückkehr der Vernunft“ in Persien abzeichnet und zur Wahrung amerikanischer Interessen immer Gelegenheit bleibt. Immerhin lohnen bekanntgewordene Meinungsverschiedenheiten innerhalb des iranischen Revolutionsrats die Aufmerksamkeit, die man ihnen im Westen zukommen läßt, wenn auch Spekulationen derart, daß die ganze Affäre vielleicht auf diese Weise eine friedliche Wende zum Besseren einleiten könne, sicherlich verfrüht sind. Schließlich haben da die USA noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Der Präsident der „hilflosen Weltmacht“ hat mit dem Entschluß, in dem ohnmächtigen Erpressungsversuch der Perser »lebenswichtige Interessen« des amerikanischen Volkes verletzt zu sehen, nicht nur seine Popularität in Amerika enorm gesteigert, er hat auch vor jedem militärischen Eingreifen von aller Welt bestätigt bekommen, daß amerikanische Interessen uneingeschränkt gelten.
Jeder weiß und akzeptiert dies, selbst der Ayatollah. Denn auch er spekuliert ja mit dem Äußersten, um seinem islamischen Staat und seinem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Rücksichtslos gegen die Armut und Hilflosigkeit seines Volkes verkündet er die Unabhängigkeit und Stärke der islamischen Republik und macht die Gleichung persischer Todesmut gegen amerikanische Bomben auf – und das alles, um sich und den persischen Massen die Genugtuung zu verschaffen, endlich einen Mann vierteilen zu dürfen, den sie gerade losgeworden sind. Der fanatische Glaube, im Namen Allahs die Abhängigkeit vom Imperialismus nicht bekämpfen zu müssen, sondern um des nationalen Gottesreiches willen durchstreichen zu können, treibt hier eine ganze Nation in die Pose des allmächtigen Erpressers, die Amerika und die Weltöffentlichkeit nur zu bereitwillig ernst nehmen. Der Opfermut des persischen Volkes, das sich von seinen Mullahs begeistert vorpredigen läßt, daß Sterben für die Nation die höchste Tugend ist, weil dem sicheren Massaker auf jeden Fall ein heiliger Krieg vorausging, wird entsprechend belohnt werden.
Denn die Perser haben nur ihr Leben zu opfern, die Amerikaner aber ihr Prestige, so daß über den Ausgang dieses Kräftemessens kein Zweifel besteht. Gerade die Freiheit Amerikas, sich zu entscheiden, wie sie dieses Prestige zu verteidigen gedenken, das vorab hergestellte Einverständnis, daß niemand auf der Welt ihnen diese Freiheit streitig macht, sondern sie zu ihrer rücksichtslosen Benutzung auffordert, gibt den Grund ab, daß der Welt blutig diese Freiheit demonstriert wird. Um die Erhaltung dieser Freiheit geht es schließlich.
aus: MSZ 32 – Dezember 1979 |