Ein heißes Eisen: Investionslenkung - Wer lenkt da wen?

Der in den letzten Wochen heftig aufgebrochene Streit um die Investitionslenkung scheint sich einigen neuen und radikalen Gedanken der SPD-Linken und der unvorsichtigen Äußerung derselben zu verdanken. Unvorsichtig nach Meinung der Parteiführung, stehen doch Wahlen ins Haus, die bei anhaltender und lauthals geäußerter Gegenpropaganda eines Teils der Öffentlichkeit und der dahinterstehenden „gesellschaftlichen Gruppen“ für die SPD schlecht ausgehen könnten. Bei aller Eindringlichkeit bleiben die Ermahnungen von Schmidt & Co. aber gelassen und die Partei hat sich mittlerweile selbst zur Ordnung gerufen. Gedanken macht man sich ja nur – darin besteht Konsens. –, wenn sie einem auch Wähler einbringen. Aufregung und gleichzeitiges Abwiegeln ergeben sich daraus, daß das heikle Verhältnis von Staat und Unternehmern angesprochen ist, dies jedoch ein ständiger Streitfall in der bürgerlichen Gesellschaft, wobei die Variante „Verstärkter Staatseingriff“ schon lange in Nationalökonomie, Gewerkschaften und anderswo als beachtenswerter Standpunkt hin- und hergewälzt wird.

Nicht also die Tatsache, daß manche Leute mit der Investitionslenkung liebäugeln, ist das Ärgernis, sondern daß sie es gerade jetzt wieder tun. Denn der Freund des freien Unternehmertums steht in Zeiten der Krise eine schwere Prüfung durch: seine Freunde, die Unternehmer, haben ihn einmal mehr im Stich gelassen, andrerseits ist er sich aber sicher, daß nur sie die geistige und materielle Größe haben, das harte Geschäft des Wiederaufschwungs zu bewerkstelligen, und der gewöhnliche Mensch hat hierbei durch Opfer und eine aufgeschlossene Einstellung gegenüber unternehmerischen Schwierigkeiten sein Scherflein zu leisten. Und der Staat seinerseits hat dafür zu sorgen, daß dies als volkswirtschaftliche Notwendigkeit anerkannt und durchgesetzt wird. Kommen nun die Investitionslenker daher und verlangen vom Staat, er solle den Unternehmern in einem „wirtschaftlichen Kernbereich“ mehr Vorschriften machen, so treffen sie bei ihren Gegnern auf einen gereizten Nerv, nicht nur, weil man in diesen schweren Zeiten die Unternehmer nicht mit. gewagten Gedanken schockieren sollte: sie gestehen ein, daß es die Unternehmer sind, von denen das wirtschaftliche Los jedes einzelnen abhängt -- und sieht man sich jetzt einmal mehr mit dem Resultat konfrontiert, daß wieder alles den Bach hinunter zu gehen droht, dann drängen sich natürlich düstere Vermutungen über das segensreiche rationale und weitsichtige Handeln der Unternehmer auf. Der Unternehmerfreund verfällt. hier nun häufig auf die paradoxe Erklärung, daß sein Freund darum in der Vergangenheit nicht richtig funktioniert habe, weil ihm vom Staat nicht genug geholfen worden sei, und sagt damit, daß seine Freunde für sich eben doch keine solch großen Heroen sind. Seine Gegnerschaft gegen vermehrte Staatseingriffe begründet er also damit, daß in der Vergangenheit der Staat nicht genügend eingegriffen habe.

Bei so gewagten dialektischen Kabinettstückchen wird der Unternehmerfeind und Investitionslenker nicht zurückstehen wollen, ist es doch auch seine feste Überzeugung, daß es letztlich auf die Unternehmer ankommt.
 

Zu neuen Ufern

Indem er staatliche Eingriffe in die Investitionen zu allen Zeiten, auch wahrend der Prosperität fordert, hat er seine Lehre aus der Krise gezogen, namlich indem er dem wirtschaftstragenden unternehmerischen Kalkül ein schlechtes Zeugnis ausstellt: er sagt nichts anderes, als daß der Unternehmer mit seinem Eigentum schlecht umgeht. Dem volksfreundlichen Investitionslenker, wie er im besonderen in der SPD anzutreffen ist, kümmert nun weniger das menschliche Los eines gescheiterten Kapitalisten, vielmehr empört er sich über die unausbleibliche Schädigung der Wählermassen.

Auch weiß er den Grund solchen Unglücks: gegen die hierzulande gültige Meinung, daß das profitorientierte Handeln des Kapitalisten auf geheimnisvolle, darum aber umso mehr zu verehrende Art und Weise die maximale Versorgung der Bevölkerung bewirke – und wenn es ständig nicht klappt, dann tröstet man sich damit, daß es ja hätte klappen können, wenn es so gegangen wäre, wie es hätte gehen können – setzt er seine Überzeugung, daß dieses Profitstreben zu eigennützig und darum den Interessen der Mehrheit widerstrebend sei. Und anklagend weist er auf die gegenwärtige Situation, die ja nun wirklich dem freien Spiel der Kräfte Unfähigkeit attestiert. (Prompt fällt dem Unternehmerfreund dazu ein, daß dies daher rühre, daß der Staat in der Vergangenheit zuviel eingegriffen habe.) Zwar tritt das Problem auf. daß eigentlich jedes Interesse eigennützig ist, aber wie dem auch sei – das des Kapitalisten ist eben zu eigennützig und wirkt sich mehr aus, und darum muß man aufpassen, was er mit seinem Eigentum anstellt.

Da der Investitionslenker prinzipiell nichts gegen den Eigennutz hat bzw. wegen seines Kampfes für die Interessen der breiten Mehrheit gar nichts haben kann, laufen seine Überlegungen darauf hinaus, wie er einen besseren Umgang mit dem Eigentum des Kapitalisten herbeiführen kann. Zwei Konsequenzen scheiden dabei von vornherein aus:
xx1. Man nimmt dem Kapitalisten sein Kapital weg.
xx2. Man unterstützt ihn offen und bestärkt ihn bei der Erzielung höherer Gewinne. 

 
Der dritte Weg

Wenn er die Wirkung des eigennützigen Umgangs mehr dem Volkswohl und den allgemeinen Bedürfnissen anpassen will, kommt der Investitionslenker deshalb auf folgende Lösung: die Kapitalisten Kapitalisten bleiben lassen, ihnen aber vorschreiben, was sie mit ihrem Kapital anzufangen haben. Damit ist mehreren Seiten genüge getan:
xx– den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, denn der Investitionslenker richtet sein Augenmerk auf den Bereich, xxxxvon dem die Zukunft abhängt, oder, wie ein zeitgenössischer Bundeskanzler sagte: „Die Investitionen von xx xx x xx heute sind die Arbeitsplätze von morgen“, d. h. die Kapitalisten sind nun mal die Arbeitgeber und xx xx xx xx xx xxaußerdem ist ein Wähler ohne Arbeitsplatz erfahrungsgemäß ein unberechenbarer Wähler;
xx– der Staatstreue, denn Freiheit und Eigentum der zu lenkenden Gruppe bleiben „im Kern“ unangetastet, oder, xx xx xxwie es in den Beschlüssen immer so schön heißt: „Die dezentralen Entscheidungsmechanismen des Marktes xx xxxx müssen erhalten bleiben“;
xx– dem Volk, denn nach dessen Bedürfnissen soll die Produktion gelenkt werden und es soll weiterhin in der xx xx xxxx gesicherten Lage sein, in den Unternehmen der Unternehmer arbeiten zu können;
xx– der Fortschrittlichkeit, denn so sieht's ja aus.

 
Das neue Unternehmermodell

Die Befriedigung der Bedürfnisse setzt voraus, daß etwas produziert wurde, dafür braucht es den Unternehmer; gefällt diesem nun nicht was ihm als Vorschrift für den Umgang mit seinem Eigentum gemacht wird, d.h. verlangt man etwas von ihm, was seiner rationalen Nutzenerwägung zuwiderläuft, so handelt er entweder gegen die Vorschrift, oder zieht sein Kapital vorläufig aus dem Verkehr.

Der Investitionslenker tritt also dem einzelnen Kapitalisten bevormundend gegenüber, anerkennt zugleich aber dessen gesellschaftliche Schlüsselfunktion wie auch die in dieser Funktion enthaltenen Notwendigkeiten unternehmerischen Handelns. Die Absichten des Investitionslenkers beinhalten Beschränkung unternehmerischer Freiheit, Verpflichtung auf das Allgemeinwohl, setzen aber eben die kapitalistische Rationalität als Lebenselixier der modernen Volkswirtschaft voraus. Das Antriebsmoment die schädlichen Folgen einer kapitalbestimmten Gesellschaft zu mindern. erzwingt vom Volksfreund, seine neuen Pläne dem Unternehmer schmackhaft zu machen – er geht ihm um den Bart, indem er ihm versichert, daß man letztlich seinen Nutzen fördere. Die Beschränkung, der staatliche Eingriff, dient der Gewinnerzielung im Ganzen, auch wenn es der einzelne Gewinnler so unmittelbar nicht einsehen will.

Es ist somit klar, daß zwischen Unternehmerinteresse und Volksbedürfnissen Übereinstimmung besteht, erstere in ihrem Handeln diesen glücklichen Zustand aber noch unzureichend verwirklichen. Der Satz mit den heutigen Investitionen und den morgigen Arbeitsplätzen zeigt sich widerborstig und der Investitionslenker erinnert sich, daß der zeitgenössische Bundeskanzler seinen Ausblick in die Zukunft mit einer Besinnung auf das Gestern hatte. „Die Erträge von gestern sind die Investitionen von heute und …“

Der volksfreundliche Modellbauer will also mit den Unternehmern in ein gemeinsames brain storming zur Effektivierung der Volkswirtschaft eintreten, und es bleibt nur die Frage, wie man das am besten klarmacht. Die Beruhigungsstrategie besteht darin, dem Unternehmer überzeugend darzulegen. daß sich seine Fähigkeiten, unter den neuen Bedingungen noch besser entfalten können. Nicht nur

„eröffnet die bedarfsorientierte Investitionskontrolle einerseits die Möglichkeit zu legalen Absprachen von Investitionsvolumen zwischen konkurrierenden Unternehmen“ (Zinn, Investitionskontrollen),

was bisherige Praktiken endlich vom Ruch der Rechtlosigkeit befreit, sondern man ermöglicht den Unternehmern andererseits auch genauere „Kosteninformation“, bessere „Kapazitätsauslastung“, „Vorausschau in die Marktentwicklung“ usw. usf.

Wenn er die möglichen Vorteile der Investitionslenkung erwägt, bedenkt er zugleich, daß im Geschäftsleben jeder Vorteil nur ein relativer, kurzfristiger ist, der unter bestimmten Umständen und in manchen Wirtschaftslagen sehr schnell in einen Nachteil umschlagen kann. Die Konkurrenz ist ein hartes Brot und wenn der Staat für deren allgemeines Fortkommen etwas unternehmen will, heißt das noch lange nicht, daß für den einzelnen Unternehmer nicht der alte Zustand vielleicht besser gewesen wäre. Die Verstimmtheit über die an ihm ausgesprochene Kritik, wie auch der Zweifel an der Nützlichkeit des ganzen Projekts, werden unseren Unternehmer jedoch nicht daran hindern, unter geänderten Bedingungen seinen Vorteil herauszuschlagen, wobei ihm das Philosophieren, ob nicht genau dies sein künftiger Schaden ist und verschärfte Konkurrenz bedeutet, gleichgültig sein muß. Er wird sich sogar ein wohlwollendes Lächeln abringen, wenn er das Credo des Investitionslenkers hört: Durch höhere Gewinne Krisen vermeiden! – denn gegen höhere Gewinne hat er nichts.

 
Die Unternehmer und ihr Staat

Der Investitionslenker hat sein dialektisches Kunststückchen also auch geschafft. Angetreten als Staatsfreund und heftiger Kritiker des freien Unternehmertums, ist es ihm gelungen zu zeigen, daß eben die wahre Freundschaft mit dem Unternehmer darin besteht, ihm am Zeug zu flicken, den Staat als mächtige Stütze herbeizuholen und den Unternehmer unerbittlich auf immer höhere Ertragsniveaus hinaufzutreiben. Da sich der explizite Unternehmerfreund und Staatskritiker als einer herausgestellt hat, dem der Glaube an die unternehmerische Stärke nur Anlaß ist, die Allgewalt des Staates zu betonen, sagen beide mit vertauschten Rollen dasselbe: die Volkswirtschaft existiert nur auf Basis unternehmerischen Wirkens – sie funktioniert deswegen auch nicht; der Staat hat sich damit herumzuschlagen, was er nur kann, indem er sich auf die Seite der Unternehmer schlägt und ihnen die leidigen Folgen ihrer Führernaturen vorhält. Er beschränkt sie, um ihnen zu helfen, denn nur so kann ein Nutzen für alle in Aussicht gestellt werden.

So gesehen ist natürlich klar, daß der Streit der Parteien endlos sein muß – geht es doch um ein hohes Ziel: die Aufrechterhaltung der Volkswirtschaft, das Wohl aller. Mit Ausnahmen freilich.

Zunächst ist der Unternehmer jedoch verprellt, denn der Investitionslenker fordert ihn als ganzen (Unternehmer-) Kerl und bezweifelt zugleich seine Fähigkeiten. Nicht die Sprache der Neuerer stört den Unternehmer – da ist er doch Realist genug, um zu wissen, daß nur Taten zählen –, sondern das Ansinnen, seine Handlungsmöglichkeiten zu seinem eigenen Vorteil einzuschränken, Der Neuling, wenn er sich gemeinsam mit ihm den Kopf zerbrechen will, kann wohl kaum mit den in langen Konkurrenzkämpfen gewonnenen Erfahrungen mithalten und wird todsicher in die allgegenwärtigen Abgründe und Fallen hineinstolpern. Das Auge eines solchen Staates ist geblendet von den Bedürfnissen und Interessen, die er durchzusetzen zu müssen meint, wobei klar ist, daß dies nur gegen die Unternehmer geht. Der Investitionslenker löst dieses Problem, indem er sich anbiedert und dem unternehmerischen Kalkül unterwirft; der Unternehmer – als praktisch denkender Mensch – weiß jedoch, daß hier ein Gegensatz zwischen seinen Interessen und denen der restlichen Menschen ausgesprochen ist und daß Zündstoff darin steckt. Die staatliche Einmischung muß als dilettantische Vorwitzigkeit und gefährliche Unkenntnis der Geheimnisse der Marktwirtschaft erscheinen.

Ja. er behauptet sogar, der bessere Unternehmer sein zu wollen und zu können – und in gewisser Hinsicht hat schließlich noch der verkommenste Kapitalist seinen Berufsstolz bzw. weiß, wie der ideale Unternehmer auszusehen hat, läßt sich das doch am Ende des Jahres aus der Bilanz ersehen. Weil unser Unternehmer außerdem weiß, daß er im Innersten ein einsamer Wolf sein muß, um in der harten Geschäftswelt zu überleben, hegt er einen Zweifel anderer Art an der mittlerweile richtig verstandenen Investitionslenkung: ob sie ihm nämlich überhaupt etwas nützt. Die neuen Hilfsmaßnahmen – Investitionsmeldestelle, Regionalprognosen, verbesserte Statistik, Round-Table-Gespräche mit Kollegen und Staatsbeamten usw. – sind ja allen zugänglich, und so muß er befürchten, daß die Ecken und Winkel der Konkurrenz, worin er sich bislang unentdeckt einnisten konnte, nun hell ausgeleuchtet und für jedermann zugänglich werden.

aus: MSZ 7 – 1975

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