Wehrpflicht und Gleichberechtigung:

Frauen ans Gewehr?


Die berühmten „geburtenschwachen Jahrgänge“ sind wieder einmal ein Problem. Die Staatsmänner, denen die Bevölkerung immer zu zahlreich vorkommt, wenn es um Ansprüche geht und immer zu wenig, wenn Menschenmaterial für den Staatsdienst verlangt wird, haben schon seit langem beschlossen, daß die Deutschen vom Aussterben bedroht sind. Kam dies bislang bereits je nach politischer Konjunktur zum Einsatz, um die staatliche Bildungspolitik statistisch zu untermauern, das Lehrersparprogramm mit der Antibabypille zu begründen, und um das Volk an seine nationale Gebärpflicht zu erinnern, so wittern jetzt Politiker wie der parlamentarische Wehrbeauftragte, in der mangelnden Gebärfreudigkeit deutscher Frauen eine schleichende Form der Kriegsdienstverweigerung.

Bis 1990, so wurde offiziell errechnet, leidet die demokratische Wehrmacht unter akuter Personalnot und man macht sich Gedanken darüber, ob nicht Frauen die Lücke füllen könnten.

Aufkommende Skrupel, ob professionelles Töten und Vernichten auch zu jenen Berufen zählt, die man der Weiblichkeit eröffnen sollte, wurden mit dem Verweis auf den „Charakter unserer Bundeswehr“ als Verleumdung eben derselben zurückgewiesen. Und auch der Generalinspekteur Jürgen Brandt, der bei sich „eine gefühlsmäßige Sperre“ gegen die „Vorstellung eines weiblichen Jabo-Piloten“ entdeckte, hält durchaus dafür,

„all die Berufe, in denen man heute Frauen antrifft, auch in der Bundeswehr zu öffnen.“


Berufung und Recht der Frau

Es spricht für den mittlerweile erreichten Zustand der Stabilität unseres Staatswesens, daß die Diskussion über öffentliche Angelegenheiten rücksichtslos gegen die Angelegenheiten der betroffenen Bürger geführt wird. Die freie Entfaltung des Individuums wird umstandslos ineinsgesetzt mit der optimalen Funktionalität des Individuums fürs Ganze. Von diesem Geiste ließen sich denn auch die weiteren Diskutanten leiten:

Wenn Kriegsminister Apel gegen eine Wehrpflicht für Frauen „militärische Gründe“ anführt und Zweifel an ihren Frontkämpferqualitäten äußert, dann stellt er klar, wie sie ihren Beitrag zur Vaterlandsverteidigung leisten können. Was die zweckmäßige Verwendung freiwilliger Weiblichkeit in der Etappe angeht, so ist er ganz d'accord mit seinem Generalinspekteur:

„Mein französischer Kollege hat mir vor drei Wochen erzählt, daß Frauen mit großem Erfolg als Fluglotsen im militärtechnischen Bereich arbeiten. Warum sollte das nicht auch bei uns möglich sein?“

Von christlicher Seite schaltete sich Kanzlerkandidat Strauß in die Debatte ein, indem er auf den vornehmsten Beruf der Frau im Staate verwies, dessen gewissenhafte Ausfüllung die Bundeswehrpersonalnot für alle Zeit beheben würde. Laut „Süddeutsche Zeitung“ nannte er

„die augenblickliche Debatte einen großen Unfug. Richtig wäre es, durch eine moralisch und materiell aktive Familienpolitik für eine breite Bevölkerungsgrundlage zu sorgen. Sie sei Voraussetzung für die Sicherung unserer Verteidigung.“

Mit dem Gespür des Extremisten für die radikale Lösung schlägt Strauß vor, das Übel an der Wurzel zu packen: Durch die gezielte Vermehrung der menschlichen Grundlage allen Reichtums und staatlicher Macht ließe sich nicht nur diesem Problem zu Leibe rücken.

Alice Schwartzer interessierte an der ganzen Debatte nur die emanzipierte Frau: wie kommt Frau im Verhältnis zum Mann dabei weg. Deswegen entdeckt sie in der Pflicht zum Töten und Sterben im Staatsdienst ein Männerprivileg. (Unser Tip an „Emma“- im US-Bundesstaat South Carolina gibt es in der Rechtspflege gleich eine doppelte Diskriminierung der Frau: weder darf sie Henker werden, noch gerät sie in den Genuß der Todesstrafe. Sie ist ausschließlich männlichen Delinquenten vorbehalten!) „Emma“ fordert also im Namen der Gleichberechtigung Wehrpflicht auch für Frauen. Daß es diesem Beitrag allerdings weniger ums Ganze geht, und das heißt in diesem Falle unsere Sicherheit, vielmehr um den Einsatz der Bundeswehr für die weibliche Emanzipation, beweist die Ankündigung der Schwartzer, sie würde, falls man(n) sie in die Pflicht nimmt, selbstverständlich vom Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen. Der erste weibliche Ersatzdienstleistende wäre ebenso ein Erfolg der Frauenbewegung, wie der erste weibliche Rekrut.

 

aus: MSZ 31 – Oktober 1979

zurück zur Startseite