Aus dem diplomatischen Leben Diskrete Ehren für die Bourgeoisie
Für Schreiber und Leser der liebevoll ausgemalten Weyer-Hofberichterstattung ist es eine ausgemachte Sache, daß sich die florierende Nachfrage nach Titeln der übersteigerten Eitelkeit neureicher Spinner verdankt, die aus lauter „Bedürfnis nach Prestige und Visitenkartenkosmetik“ ihr sauer verdientes Geld für nichts und wieder nichts aus dem Fenster werfen. Die gleichen Leute, die sich dabei amüsiert an die Stirn tippen, sorgen jedoch dafür, daß die Investition für einen Titel sich in Form eines „Karriere-Bonus“ auszahlt: Wer geht nicht lieber zu einem Heilpraktiker mit Doktor- oder einem Arzt mit Professorentitel auf dem Praxisschild – dem Titel sieht man es ja nicht an, ob er echt oder gekauft ist. Bei den Titelkäufern handelt es sich in jedem Fall um betuchte Leute – solche Titel sind ja nicht gerade billig – und die verstehen es bekanntermaßen, ihr Geld so anzulegen, daß ein Gewinn herausschaut. Und wer schon über eine solide pekuniäre Grundlage verfügt, der braucht für einen Titel, vor den der Staat dem normalen Sterblichen den Schweiß gesetzt hat, auch keine Leistung mehr zu erbringen, weil der bloße Schein sich auch bezahlt macht, wenn man für ihn bloß Scheine hingeblättert hat. Selbst Prädikate, die in der bürgerlichen „Leistungs“-Gesellschaft einem verarmtem Adeligen nicht weiterhelfen, lassen sich zu Geld machen, wenn man sie denen verkauft, die welches haben und deshalb sich mit einem Grafentitel auch keinen Luxus leisten, sondern ihre Auslage profitträchtig anlegen: Neben den geschäftlichen und ministaatlichen Beziehungen erleichtert der Titel-Held auch noch andere Beziehungen für reiche Knacker oder auch für afrikanische Staatsmänner mit der ihnen eigenen Mischung von großzügiger Repräsentation, künstlichem High life und Stammesbrimborium, die hierzulande (wo ordentlich und nur im Dienste des Staatsamtes repräsentiert wird) als Beweis der Mickrigkeit und Rückständigkeit solcher Staaten und Staatsmänner respektiert und lächerlich gemacht wird. In Kreisen, wo Frauen zu den Repräsentationskosten gehören oder als Gespielin eines schwarzen Potentaten gefragt sind, läßt man sich gerne vom schönen Konsul mit gleichguten Beziehungen zur Schickeria wie zu exotischen Staatsgebilden und zu Finanzkreisen ein paar blonde oder schwarze Ausstellungsstücke aus seiner Mißsammlung mitvermitteln. Jeder profitiert von dieser legalen und freiwilligen Form modernen Menschenhandels. So spielt Weyer den mehr oder weniger ehrlichen Makler in Sachen Ausstattung des Geldes mit den Zeichen der staatlichen Anerkennung für alle möglichen staatswürdigen Leistungen, wobei der Besitz solcher Anerkennung gerade die Leistung ersetzen kann, die ja unter Umständen in den obskursten Verdiensten besteht – z.B. einer von Geburt mit einem zusätzlichen Namenspartikel versehen und daher allgemeiner besonderer Anerkennung für würdig befunden zu sein. Und auf der anderen Seite erfüllt er den Anerkennungsdrang kleinerer afrikanischer und sonstiger Regenten, die durchaus begriffen haben, daß Titel, Ehren und sonstige Zeichen staatlicher Verbindlichkeit nicht nur Geld einbringen, sondern auch Achtung. Nicht nur die eigenen Ehrentitel, über die der schöne Konsul verfügt, sondern auch die auffällige Häufigkeit der von ihm vermittelten Ehren, Orden und ,,von“s in diplomatischen Kreisen weist auf den Ursprung seines lukrativen Gewerbes in den höheren Sphären zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Beziehungen, die wie die vielberufenen persönlichen, deren guten Stand man dauernd beteuert, ohne die laufende Demonstration von Anerkennung nicht auskommen. Von den vornehmen Zügen der Diplomatie, die schließlich auch mit nichts weiter als Titeln, Orden, Ehrenbezeugungen und Maskerade gemacht wird, unterscheidet sich die Windigkeit dieses Ordensritters nur durch die fehlende Anerkennung von Seiten „ordentlicher“ Staaten und durch den profaneren Gewinn. Er treibt eben nur Diplomatie im Kleinstformat um des persönlichen Vorteils willen.
Für den „schönen Konsul“ fällt bei seiner Maklertätigkeit zwischen Leuten mit Geld, aber ohne Titel, sowie Leuten mit Titel und weniger Geld, jedesmal ein hübsches Sümmchen ab. Gegen entsprechendes Entgelt verschafft er akademische Würden von südamerikanischen Kleinuniversitäten, Adoptionen durch Adlige (dabei ist kein Hindernis, wenn der Adoptivsohn 10 Jahre älter als der Adoptivvater ist), bis hin zum „liberianischen Ehrenhäuptlingstitel mit urkundlich gesichertem Anspruch auf beliebig viele Frauen“, den ein wirklich Ehren würdiger Mensch wie unser Außenminister Genscher natürlich kostenlos bekommen hat. Das Führen solcher Titel ist in der Bundesrepublik nicht unbefugt (§ 132a StGB), weil ein Staat die Souveränität auch noch in Bananenform anerkennt, weil sie sich gewinnbringenden Beziehungen nicht verschließen kann. Und Bananendiktatoren, zu denen Hanns Hermann als Sproß einer Diplomatenfamilie schon seit seiner Jugend Kontakt hat, vergeben gern Ernennungen zu Honorarkonsuln ihres Landes – auf der Grundlage gegenseitigen Nutzens, versteht sich. Weyer: „… ich dachte selbstverständlich an wohltätige Zwecke, und die meisten verstanden das auch ganz richtig. Es traf sich oft auch zufällig so, daß da ein Hilfsfonds war, der vom Präsidenten oder seiner Gattin verwaltet wurde, so daß sichergestellt war, daß nichts in unrechte Hände geriet...“
Um aus der Entdeckung des Titelmarktes ein florierendes Geschäft zu machen, braucht es allerdings mehr als die vielgerühmte Schlitzohrigkeit des schönen Konsuls. Der Zugang zu den Kreisen, die über Titel und zu denen, die über Geld verfügen, mußte von Weyer nicht erst geschaffen werden, er ist von vornherein Mitglied gewesen (schon als Vierjähriger hat er mit Görings Orden gespielt) mit dem entsprechenden finanziellen Polster, denn wer kann es sich schon leisten, als Chef einer „normalen“ Firma Pleite zu machen, „weil er so lebenslustig war“, und anschließend in der Weltgeschichte herumzujetten, um die für seine eigene Repräsentation und den Titelhandel förderlichen Beziehungen zu knüpfen.
Daß man mit Titeln und Repräsentation zu mehr An- und Aufsehen und damit zu Geld und Weibern kommt, beweist Weyer nicht nur mit seinem Konsultitel. Er versteht es, die erfolgreiche Anwendung: „Kleider machen (reiche) Leute (noch reicher)“ permanent zu demonstrieren: Kein Foto, auf dem Seine Exzellenz nicht einen Orden, einen Doktorhut oder ein Häuptlingsgewand trägt, keine Party, bei der er nicht im Rolls-Royce vorfährt, mit mindestens einer Miß Germany an seiner Seite. Daß dabei nicht alles Gold ist, was glänzt (um als Anführer einer afrikanischen Söldnertruppe zu gelten, läßt er sich in Planten un Blomen mit Stahlhelm und Tropenanzug fotografieren), stört nicht weiter, im Gegenteil: es beweist seine besondere Unverfrorenheit und ist damit gelungene Repräsentation eines gewieften Titelhändlers, also nicht schädlicher Größenwahn, wie der Stern behauptet. Weyer weiß, daß es, um weiterhin im Geschäft zu bleiben, darauf ankommt, auch aus einer Blamage einen Triumph zu machen – so, als ihn seine 1975er Miß Germany während seines l0monatigen Gefängnisaufenthaltes sitzen ließ (der für ihn selbstverständlich Resultat eines Mißverständnisses und ansonsten eine Regenerationskur war, denn er verließ Stadelheim „federnden Schrittes und braungebrannt“), worauf er prompt die Journalisten wissen ließ, die 75erin sei zwar schön, aber dumm gewesen, und die 1977er Miß Germany als seine neue – schöne und geistreiche (sie studiert Jura!) – Freundin vorstellte. Es ist auch egal, ob Jackie Onassis ihm wirklich seine Kaution bezahlt hat oder nicht – er hat sich mit dieser Behauptung wieder in die Schlagzeilen gebracht. Selbst das öffentliche Ausposaunen seines moralischen Erfolgsprinzips: „Die Klugen leben von den Dummen, und die Dummen leben von der Arbeit“ schadet ihm nicht, weil er damit für sein Titelgeschäft, das auf der Masche „Mehr Sein durch Schein“ beruht, Reklame macht.
Unter diese beiden Sprüche lassen sich alle Kommentare des kleinen Mannes zu Weyer einordnen. Einerseits bewundert er in ihm einen Großen dieser Welt, der ihm durch erfolgreiche Eskapaden bestätigt, daß jeder seines Glückes Schmied sei; andererseits taugt Weyer als Beleg für seine Moral, daß es letztlich doch am sichersten ist, sein weniges Geld durch ehrliches Ranklotzen statt durch riskante Geschäfte zu verdienen – wobei er bereitwillig übersieht, daß so einer wie Weyer immer wieder auf die Füße fällt, weil er eben nicht von seiner Frechheit lebt: „»Bald halte ich einmal die Woche Sprechstunde – wie beim Zahnarzt«, erklärte der schöne Konsul gestern, wenn der Staatsanwalt nichts dagegen hat.“
aus: MSZ 28 – April 1979 |