Cuba libre - Revolutionsexporteur Nr. 1


1979, das im cubanischen Kalender als „Jahr des 20. Jahrestages der siegreichen Revolution“ begangen wird, bescherte der Zuckerinsel, die für die einen Heimatbasis eines größenwahnsinnigen Revolutionsexporteurs in russischen Diensten ist, für die anderen einzig Freies Territorium Amerikas und Speerspitze der Internationalen Solidarität, die Versammlung der Blockfreien und die Wahl Fidel Castros zum „Sprecher von zwei Dritteln der Menschheit“. Während sich auf Cuba die Festredner wechselseitig im Lobpreis der revolutionären Errungenschaften überboten und dabei besonderen Wert auf die Feststellung legten, daß das sozialistische Cuba aufgrund seiner Unabhängigkeit einen eigenständigen Beitrag zum Fortschritt auf der Welt leiste, monierten die USA die Anwesenheit von 3000 sowjetischen Soldaten auf der Insel und legten den Kreml darauf fest, alles zu tun, daß diese Truppen nie als Bedrohung der USA mißverstanden werden können. Während so über ihn verhandelt wurde, ohne daß jemand auf die Idee kam, seine Meinung einzuholen, flog der lider maximo nach New York zur UNO-Vollversammlung und gab sich ganz als verantwortungsvollzurückhaltender Staatsmann, der es vermied, allzu sehr auf den USA herumzuhacken, die unterdessen auf ihrem Marinestützpunkt Guantanamo 2000 Marines anlanden ließen, um zu demonstrieren, daß auch im Freien Territorium Amerikas die Freiheit Sache der Weltmacht Nr. 1 ist.

Weltdiplomatie im Kampfanzug

Fidel Castro betreibt Diplomatie zur Demonstration seiner Person als Champion kämpferischer Blockfreiheit und unterstreicht seine Unabhängigkeit durch diplomatisch kalkulierte Verletzung diplomatischer Gepflogenheiten, wodurch er anfangs in der verdutzten Weltöffentlichkeit Skandal machte, so bei seinem ersten UNO-Besuch mit Logis in Harlem und Gesprächen mit der Black-Panther Party. Mittlerweile aber kann er als „Clown der Weltpolitik“ mit seinen „originellen Einlagen“ durchaus auf eine gute Presse rechnen, solange zumindest, als er seine Soldaten zu Hause läßt und nur selber kommt. So im Flugzeug nach New York, in dem er seine Heldenbrust vor einem mitgeführten US-Kameramann entblößte und darauf verwies, keine Bleiweste zu benötigen, weil er über eine ,,moralische Weste“ verfüge. Dann prunkte er mit Hummer aus heimischer Produktion als Reiseproviant und zündete sich eine dicke Havanna an, ungeachtet der Tatsache, daß er diesen Genuß seinen Landsleuten eben zuvor strich, weil eine Tabakseuche ausgerechnet den Teil der Ernte vernichtet hatte, der für den Inlandsbedarf vorgesehen war.

Während also die Supermächte ohne Cuba über Cuba verhandeln, ein kleiner Schädling die ganze Wirtschaft der Insel durcheinander bringen kann, tritt der Staatsratsvorsitzende, Parteisekretär und Comandante-en-Jefe Dr. Fidel Castro Ruiz vor den versammelten Repräsentanten der Staatenwelt auf als oberster Vertreter eines Landes, das sich nichts geringerem verschrieben hat, als dem

„Kampf um die Erlösung der Menschheit.“ (Ernesto Guevara)

Die in der UNO vertretenen Repräsentanten der Dritten Welt zollten diesem Auftritt herzlichen Applaus, weil Castro hier als Vertreter der Blockfreiheit demonstrierte, wie sich daraus das Ideal einer Souveränität neben den Blöcken konstruieren läßt.

Mag auch die enge Anlehnung Cubas an die Sowjetunion in diesem Lager umstritten sein, so imponiert Staaten unterschiedlichster Herrschaft von Lybien bis hin zum Brasilien der Generale, die Manier Castros, für das Programm der Blockfreiheit eine kämpferische und wortgewaltige Rede zu schwingen. Aus dem Umstand, wegen der exponierten Position vor der Küste der USA das besondere Interesse der Sowjet-Union zu genießen, macht Castro ein leuchtendes Vorbild für die „Befreiung der Dritten Welt“ vom Imperialismus. Daß die Einbeziehung der Insel in das politische und militärische Kalkül der Sowjet-Union bislang eine militärische Aktion der USA gegen den Stützpunkt des Weltkommunismus in der westlichen Hemisphäre verhindert hat, wird von Castro bei seinen kämpferischen Auftritten zu dem Heroismus eines kleinen Landes hochstilisiert, das damit in die Weltpolitik eingreifen könne. Gern läßt sich Castro deshalb als „David in der Weltpolitik“ (W. Grabendorff, Cuba-Experte) feiern oder auch beschimpfen. Er profiliert sich im Lager der Dritten Welt mit Bekenntnissen zur SU als „dem natürlichen Verbündeten der Blockfreien“, und protestiert in demonstrativer Selbständigkeit seine Bündnistreue durch die Entsendung von Truppen nach Afrika, wo sie „natürlichen Verbündeten“ zur Durchsetzung verhelfen. Daß

„es zwischen den USA und Cuba keine normale Beziehungen geben kann.“ (US-Botschafter Philip Habib laut „Süddeutsche Zeitung“ vom 28.11.1979),

bestärkt die cubanische Führung in der Auffassung, daß jedes militärische Engagement auf der Welt, in das cubanische Truppen involviert sind, ein mächtiger Schlag gegen den US-Imperialismus sei. Was allerdings Castro nicht daran hindert, in Havanna US-Senatoren zu bewirten und Jimmy Carter um diplomatische Beziehungen bei „voller wechselseitiger Anerkennung“ anzugehen. Die Drohung des ehemaligen US- Außenministers Kissinger –

„Ich kann nicht glauben, daß ein Land mit 9 Mio. Einwohnern Weltpolitik macht.“ –

nimmt die Führung dieser 9 Millionen als Kompliment und meint mit ihren Anstrengungen in Lateinamerika und Afrika, Kissingers „Unglauben“ praktisch zu dementieren.


Als Schlachtfeld die ganze Welt

Versorgungsengpässe auf der Insel, der zeitweilige Abzug von Ärzten, Lehrern und Technikern, Gefallene – alles das ist der Preis, den Castro das „heroische cubanische Volk“ entrichten läßt. Begleitet vom „rituellen Schlachtruf“ ihrer Bewegung „Patria o Muerte“ – eine begeisternde Alternative –, 20.000 km vom Vaterland entfernt, ziehen die „besten Söhne des cubanischen Volkes“ in die Dschungelscharmützel gegen die vaterlandslosen „Konterrevolutionäre“.

Mit der Parole

„Unser Schlachtfeld umfaßt die ganze Welt!“ (Fidel)

fühlt sich Cuba dazu berufen, die Händel aller Drittländer zu entscheiden und für den Sieg der gerechten Sache zu sorgen, den Raul Castro wie folgt konkretisierte:

„Cuba hat seinen Beitrag geleistet und wird weiter seinen bescheidenen Beitrag an die Bruderländer leisten, in dem Bewußtsein, daß durch die Stärkung der Länder, die sich vom imperialistischen Joch befreien, auch der allgemeine Kampf gegen den Imperialismus wirksamer wird.“

Kaum aus dem gröbsten Elend heraus und das Lebensnotwendigste gesichert, widmet sich die cubanische Revolution nicht den eigenen Problemen, wo es genug zu tun gäbe, sondern erkürt sich die ganze Welt zum Schlachtfeld. So ist der Beitrag Cubas auch keineswegs bescheiden für ein selbsterklärtes ,,Entwicklungsland“, dessen Versorgung durch jede Laune der Natur, durch jeden Sabotageakt des CIA gefährdet ist und er ist erst recht kein Beitrag zur „Befreiung vom imperialistischen Joch“, angesichts der Ziele, für die Cubaner in Afrika und anderswo kämpfen.


2, 3 viele Vietnams!

Von den Tagen des Che, wo Cuba Guerillas verschickte, bis zum Angola-Einsatz regulärer Truppen, ist die cubanische Politik prinzipientreu geblieben: Unterstützung aller Bewegungen, wenn nötig eigener Aufbau derselben, die um politische Unabhängigkeit kämpfen und sich mit dem Ideal der Volksbefreiung souverän über die materielle Lage der jeweils ansässigen Menschen hinwegsetzen. Ungeachtet ob es sich um ein bereits souveränes Land handelt, wie in Bolivien oder in Äthiopien, oder ob es um die Modalitäten der Unabhängigkeit geht wie in Angola, reduziert sich der Begriff von Befreiung, den Cuba weltweit vertritt, auf Regierungswechsel, wobei der Sozialismus durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur SU und gelegentliche Beschimpfungen der USA dokumentiert wird. Und selbst letzteres wird nicht mehr zum Prinzip gemacht: die Unterstützung der FNSL in Nicaragua läßt sich auch durch die Freundschaftsbeteuerungen der neuen Junta gegenüber den USA nicht verunsichern. Im Gegenteil: Cuba betont den „eigenen Weg“, den die Sandinistas zu gehen haben, warnt vor dem eigenen „Modell“ (das man für sich unbeirrt weiter verfolgt) und solidarisiert sich mit den neuen Machthabern gegen ,,ultralinke“ Elemente, die die Unabhängigkeit durch Provokationen der USA gefährden würden. Wo es darum geht, Staaten fürs Lager der Blockfreien zu gewinnen, ist die Relativierung des eigenen Standpunkts nur konsequent.

Seine brutale Seite zeigt dieser Anti-Imperialismus in Afrika, wo er als Partei für eine lokale Herrschergarnitur gegen die andere auftritt, verziert mit rassistischen Argumenten:

„Cuba ist ein afro-lateinisches Volk. Mit unseren kämpfenden Brüdern in Afrika verbinden uns die unauflöslichen Bande des Blutes und der Geschichte.“ (Armando Hart, Mitglied des Politbüros der KP Cubas)

Der Stimme des Blutes gehorchend unterstützten die afro-lateinischen Soldaten nacheinander (und in Zeiten des Frontwechsels auch mal gleichzeitig) die Eriträer, Somalias „wissenschaftlichen Sozialismus“ und schließlich Äthiopiens Mengistu Haile Mariam als den ,,größten Marxisten-Leninisten“ dieser Region.

In Angola entschieden die Sendboten der cubanischen Revolution einen Machtkampf rivalisierender Cliquen samt ihrer Stammesgefolgschaft zugunsten der MPLA, deren „Freundschaft zur Sowjet-Union“ sich aufs glücklichste mit dem Abtritt der Ölschürfungsrechte an die amerikanische Gulf Oil verband, und einem Beistandspakt mit Zaires Mobutu gegen regierungsfeindliche ,,Befreiungsbewegungen“, die vom Gebiet des jeweils anderen Staates operieren. Den „Sieg des Volkes“ garantieren nach dem Sieg der MPLA-Führer, der diesen die Regierungsposten einbrachte, weiterhin cubanische Truppen und Berater, die mittlerweile

„nicht nur die Kader für den Aufbau der Streitkräfte, sondern auch für den Ausbau des Sicherheitsdienstes zur Verfügung stellen.“ (Archiv der Gegenwart, 20391/1979)

Der Sieg im Volkskrieg, der in den cubanischen Vietnams gefeiert wird, ist nichts anderes als die Machtübernahme durch lokale Figuren, die durch ihre Ausbildung im Westen den Willen zur eigenen Herrschaft und die Ideale dazu kennengelernt haben. Für ihre zum Volk zusammengezwungenen Stämme bringt er das schöne Bewußtsein, so die Nachricht bis zu ihnen dringt, daß ihr unverändertes Schicksal nun in schwarzen Händen liegt, und Cuba hat einen neuen Staat auf der Landkarte dadurch dem Imperialismus entrissen, daß nun bei Staatsakten die Nationalhymne gespielt, eine neue Landesflagge gehißt wird, womöglich noch mit Fidel Castro auf dem vordersten Platz der Ehrentribüne und dem US-Botschafter – welcher Schlag – in der letzten Reihe.


Sozialismus und Mensch auf Cuba

„Es handelt sich nicht darum, wieviel Kilo Fleisch man ißt, noch darum, wie oft man an den Badestrand kann, noch darum, wieviel importierte Luxusartikel man sich mit den gegenwärtigen Löhnen kaufen kann. Es handelt sich genau darum, daß sich das Individuum reicher und sehr viel verantwortlicher fühlt. Das Individuum in unserem Lande weiß, daß die glorreiche Epoche, in der zu leben ihm zufiel, eine Epoche des Opfers ist, und es kennt das Opfer.“ (Ernesto Guevara, Der Sozialismus und der Mensch auf Cuba)

Was Journalisten aus dem Freien Westen und linke Revolutionstouristen gleichermaßen in Erstaunen versetzt, ist die große Übereinstimmung zwischen der Führung und dem einfachen Volk. Während der linke Volksfreund den Kommunismus auf einer Insel ausgebrochen wähnt, steht der Mann des Westens kopfschüttelnd vor dem Phänomen, daß hier das übliche Bedürfnis nach Beschwerde, das zu einer ordentlichen Herrschaft dazugehört, so gut wie gar nicht existiert. Ein Fernsehteam aus der BRD unternahm ausgedehnte Überlandfahrten um die unverfälschte Stimme des Manns von der Straße auf Video zu bannen und traf doch immer wieder nur auf Campesinos, Bauarbeiter und Rinderhirten, die nichts anderes als die offizielle Ideologie in einfachen Grundzügen vortrugen. Während üblicherweise die Zustimmung der Bürger zu ihrem Staatswesen durch eine mehr oder weniger ausgeprägte Unzufriedenheit mit der jeweiligen Herrschaft relativiert wird, ist jeder Cubaner stolz darauf, nicht nur so zu denken wie Fidel, Camilo und der Che, sondern auch in ihrem Geiste zu handeln, und das bei allem, was er tut: der junge Student, der nichts dagegen hätte, nach Angola geschickt zu werden, ebenso wie der 70-jährige Liftboy in Havanna, der mit der Begründung nicht in Rente gehen will, daß Che Guevara keinesfalls mit 65 in den Ruhestand gegangen wäre.


Die Leistung der Revolution

Der Schreiber aus der Demokratie kommt zwar nicht umhin, gewisse Unterschiede zwischen cubanischen Verhältnissen und den Früchten der Herrschaft anderswo zuzugeben –

„Die Chilenin sieht die fröhlichen Kinder... Sie denkt an die Schwärme von schmutzigen Buben und Mädchen zurück, die in ihrer Heimat betteln.“ (Carlos Widmann in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28.9.1977) –,

drechselt aber gerade daraus den Verdacht, daß seine Welt auch auf Cuba in Ordnung ist:

„Was kümmert es die Chilenin, daß der cubanische Hosenmatz praktisch schon mit 6 Jahren im Griff der Partei ist, daß er mit der Gratismilch auch schon die ersten Tropfen säuerlicher Ideologie in sich aufnimmt und vorbereitet wird für die Kaderschmiede der Zukunft? Es wäre ihr – selbst wenn sie es merkte – egal.“ (ibid.)

Die nicht nur für Lateinamerika einmalige weitgehende Abwesenheit staatlicher Gewalt gegen das eigene Volk, nimmt der Beobachter, für den die Freiheit des Westens gerade darin besteht, die private Unzufriedenheit äußern zu dürfen, als Argument her für die Bestätigung der Ideologie kommunistischer Indoktrination der wehrlosen Kinder, obwohl er mit seiner These von der materiellen Bestechung durch Süßmilch und dem Hinweis auf den internationalen südamerikanischen Vergleich durchaus den Kern der Sache berührt:

– Die Inbesitznahme der Produktionsmittel, die Enteignung des US-Besitzes, die nationale Verfügung über das Mehrprodukt in Form des Zuckerexports und die Diversifikation der Landwirtschaft stellten bereits wenige Monate nach dem Sieg der Guerillas sicher, daß die Bevölkerung nicht ständig vom Hunger bedroht ist, sondern eine, wenn auch bescheidene Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen garantiert ist.

– Das staatliche Gesundheitswesen verhindert seit 1959, daß die Cubaner von den in der Hemisphäre üblichen Krankheiten und Seuchen dahingerafft werden, eine Lebenserwartung haben, die sich mit europäischen Statistiken vergleichen kann und diese auf einigen Gebieten (Säuglingssterblichkeit) sogar übertrifft.

– Die Alphabetisierungskampagne und die Bildungseinrichtungen, die in der Dritten Welt ohne Vergleich sind, bringen auch dem einfachen Mann das Lesen und Schreiben und oft mehr bei.

Diese elementaren Errungenschaften geben die Basis der Zufriedenheit cubanischer Bürger mit dem Erreichten ab und sorgt auch 20 Jahre nach dem Sieg Castros für die Identifikation mit dem Regime. Andererseits lassen die Männer im Kampfanzug keine Gelegenheit aus, den Massen den Vergleich mit dem Früher und den Nachbarstaaten vorzuexerzieren. Als Ritual wechselseitiger Begeisterung des lider maximo und seines Volkes zählt dies zum Standardrepertoire jeder Kundgebung mit Castro-Rede:

„Was also machte die Revolution, damit alle Kinder Spielzeug, Schulen, Lehrer, Strandbäder und Pionierpaläste haben können? Was machte sie? Als noch ein einzelner Herr allein der Besitzer dieser Zuckerzentrale war und Tausende von Arbeitern hatte, die für ihn arbeiteten, war es da gerecht, daß er allein der Besitzen dieser Zuckerzentrale war? (Rufe: Nein!) Wem muß die Zuckerzentrale gehören? (Allen!) Allen, nicht wahr? Nicht den Reichen, sondern dem ganzen Volk; ... Natürlich nützt die Revolution dem Volk; aber wem nützt sie am meisten? (Den Kindern!) Ja, den Kindern!“ (Fidel, Alle cubanischen Kinder sollen glücklich sein!)

Die Zufriedenheit, die hier mit dem Pathos revolutionären Fortschritts zum Ausdruck gebracht wird, ist das Gegenteil einer Agitation der Bevölkerung zum gemeinsamen Einsatz für die planmäßige Entwicklung der Ökonomie. Es ist die Anmache des Publikums, die sein borniertes Bewußtsein affirmiert, daß die eigene Kraft und die Einheit von Volk und Führung noch jedes Problem meistern kann.


Ökonomie als Experiment – Das Volk im Einsatz für die Revolution

Der cubanische Kalender trägt revolutionäre Untertitel:

– „Jahr des heroischen Guerillero „

– „Jahr der Zafra der 10 Millionen „

– „Jahr der verschärften Anstrengungen“ usw.

Jedes Jahr ein Meilenstein im Einsatz der Massenkraft :

– 100 000 aufs Feld zum Unkrautjäten

– alle bauen Wohnungen

– jeder Cubaner ein Industriepionier, oder auch mal ein revolutionärer Kaffeepflanzer usw. usf.


Der Heldentitel des folgendes Jahres proklamiert die Korrektur des Fiaskos, das die Kampagne des Vorjahrs gebracht hat. Der ökonomische Aufbau des Sozialismus ist eine Geschichte „mutiger Entschlüsse und heroischer Kraftanstrengungen“ genauso, wie eine Aufeinanderfolge „schonungsloser Selbstkritiken“ und „verschärfter Anstrengungen“, mit denen die Massen den Diletanttismus der Führung wenigstens soweit wettmachen müssen, daß der „Laden überhaupt irgendwie weiterläuft“ (Castro):

– Nach dem Sieg über Batista und dem Abzug der Amerikaner beschloß das neue Regime die „rasche, zügige und konsequente Industrialisierung des Landes.“ Wie man darauf kam erzählt Che in Form einer Anekdote, deren Witz darin liegt, daß es sich wahrscheinlich tatsächlich genauso zugetragen hat und daraus der Schluß gezogen wurde, daß Industrie genauso geht:

„Fidel erinnerte sich, wie wir einmal in der Sierra Maestra eine kleine Schuhfabrik errichtet hatten, und von dieser Zeit an waren wir für Industrie.“ (Die unbekümmerte Anekdote Che's, wie er Wirtschaftsminister wurde, ist daher auch nicht gerade zum Lachen. Nach seiner Erzählung fragte Fidel bei der Siegesfeier die versammelten Commandantes „Quien es economista?“ Che, der statt „economista“ das ihm geläufigere „communista“ verstand, meldete sich und erhielt prompt den Posten.)

Man war für Industrie, also baute man Fabriken, wo immer es nur ging und importierte von den Bruderländern, alles, was diese zu liefern bereit waren. Zufrieden mit dem Entstehen neuer Produktionsanlagen, wurden aus der Landwirtschaft Arbeitskräfte abgezogen, kümmerte man sich nicht um das, was man brauchte, sondern nahm, was man kriegen konnte. Neuen Fabriken ging nach 4 Wochen der Rohstoff aus, Maschinen wurden da plaziert, wo es keinen Strom gab, sie anzutreiben, ganze Produktionsanlagen verrotteten im Hafen, weil man sie nicht bedienen konnte, kein Zement vorhanden war, um Baulichkeiten zu errichten usw. Alles dies läßt sich nachlesen in der Jeremiade der Revolutionsführer, nachdem die Industrialisierung dem Land zwar keine plan- und zweckmäßige Produktion von Fertiggütern, dafür aber einen empfindlichen Einbruch in der Zuckerproduktion beschert hatte, der die Devisenkasse leerte und Nahrungsmittellieferungen aus den sozialistischen Ländern in großem Umfang erforderte, um eine Hungersnot zu vermeiden.

Hinterher wußte es Che Guevara ganz genau:

„Wir mußten unsere Fabriken, unsere Landwirtschaft und das Transportwesen in Gang halten, ohne Kredite, ohne Techniker, ohne Insektizide, ohne Rohmaterialien, ohne Ersatzteile, ohne Organisation.“

Natürlich hätte man das alles vorher schon wissen können, doch vorher wollte man Industrie! Jetzt aber hieß es: das Ganze kehrt um! Zurück in die Landwirtschaft. – Den Cubanern, die vorher erfahren hatten, daß die „einseitige Abhängigkeit von der Zuckermonokultur und damit vom Weltmarkt, den die Yankees beherrschen“ Haupthindernis der Revolution sei, wurde nun erzählt, daß ausgerechnet darin die Chance Cubas läge.

„Mit Zucker können wir alles bezahlen. Wir können uns mit den Exporterlösen die besten Maschinen und die beste Technik kaufen.“ (Fidel)

Höhepunkt der neuen Linie war die Zafra des los 10 milliones, wo einen Sommer lang die Revolution exklusiv in den Zuckerrohrfeldern stattfand und vom Ministerpräsidenten bis zum Lehrer, vom Arbeiter bis zum Eisverkäufer das ganze Volk die Machete in die Hand nahm, um das verrückte Ziel zu erreichen, die Welt mit 10 Mio. Tonnen cubanischem Zucker zu überschwemmen. Das Planziel wurde nicht erreicht, und die geschlagenen 6,4 Mio. t Zuckerrohr mußten zum halben Weltmarktpreis verkauft werden. Hinterher argumentierte der „erste Machetero der Revolution“ in der bekannten Weise, wobei er nachträglich mit der sensationellen Enthüllung aufwartete, der selbständige Aufbau Cubas durch den heroischen Volkseinsatz mittels einer Überschwemmung der ganzen Welt mit Sacharin- und Cyclamat-freiem Süßstoff sei an einem üblen Trick der Yankees gescheitert. Diese notorischen Konterrevolutionäre hoben nämlich wider jede „ökonomische Vernunft“ die Blockade nicht auf, kauften anderweitig ein und ließen sogar noch neue Zuckerproduktionen durch ihre „Lakaien“ in der Dritten Welt anlegen und drückten damit den Preis.

– Das zur Zeit laufende Programm heißt Diversifikation der Produktion zur Deckung des kargen Bedarfs, den die seit 20 Jahren verhängte Rationierung aller Grundnahrungsmittel in unveränderter Kargheit diktiert und zur Bereitstellung verschiedener Produkte von gehobenem Niveau, mit denen der Staat seine Devisenkassen aufzufüllen versucht.


Maisimporte für das ganze Volk – Froschschenkelexporte für die Revolution

Die ökonomische Bilanz, die Fidel im letzten Jahr dem 1. Parteitag der KP Cubas vorlegte, prunkte u.a. mit dem Faktum, daß die Zuckerinsel mittlerweile auch Weltfroschschenkelexporteur Nr. 1 ist. Für die Delegierten war es eine Selbstverständlichkeit, daß die Erfolge auf diesem Gebiet, wie auch bei der Hummerproduktion, aber auch auf so lebenswichtigen Bereichen wie der Rinderzucht, nicht den Speisezettel des Volkes nach 20 Jahren Rationierung bereichern, sondern exklusiv in den Export gehen würden, wo sie die „Erfüllung der internationalistischen Verpflichtungen der cubanischen Revolution“ gewährleisten, worunter verstärkt auch die „Abtragungen der unermeßlichen Schuld unserer Revolution an die Bruderländer“ fällt. Cuba ist mittlerweile stolz darauf, seine Hilfe unentgeltlich zu gewähren, dem Comecon hingegen regelmäßige, wenn auch bescheidene Rückzahlungen zu leisten.

Offenes Geheimnis, daß der Ausbau der cubanischen Wirtschaft in den erwähnten Bereichen und auf dem Gebiete der Nickel- und Kobaltschürfung, des Tabak- und Rum-Exports sowie der Textilindustrie auf den Druck der im Rahmen des Comecon eingegangenen Verpflichtungen zurückgehen. Die SU will den Zuschußbetrieb Cuba zwar auf jeden Fall halten, die Kosten jedoch soweit als möglich minimieren.

Für die Cubaner haben die eingegangenen Exportverpflichtungen – mittlerweile nicht nur gegenüber den Bruderländern – die Konsequenz, daß jede Verfehlung des Produktionsziels durch Einschränkung des inländischen Konsumfonds ausgeglichen wird. So wurde in den letzten Jahren „für die Revolution“ einmal Maisbrot statt Weißbrot gebacken, getrocknetes Zuckerrohr geraucht statt Zigarren, Thunfisch gegessen statt Schweinefleisch und aus Japan importierter Reisschnaps statt Rum getrunken. Weitere Beispiele sind diversen Castro-Reden zu entnehmen.

Mit dem revolutionären Programm angetreten, aus einer „abhängigen Insel im Hinterhof der USA“ ein unabhängiges, auf allen Gebieten selbstversorgendes Land, „gestützt auf die eigene Kraft“, zu machen, befindet sich Cuba heute in solcher Abhängigkeit von der SU und dem Export verschiedener Güter in diverse kapitalistische Staaten, daß es ohne die SU keine Woche überleben könnte und jede Exportminderung an die Subsistenz der Bevölkerung geht.


Der cubanische Mensch

Trotz dieser Politik, die ihrer Gefolgschaft nur mühsam eine bescheidene Existenz erhält, begeistert Castro das Volk immer wieder und immer noch mit Sprüchen der folgenden Art:

„(Im Kommunismus) verliert die Arbeit ihren Zwangscharakter... und wird zu einer angenehmen Pflicht gegenüber der Gesellschaft, die man mit Freuden unternimmt, die man beim Klang revolutionärer Lieder erfüllt, inmitten brüderlichster Kameradschaft, im Umgang mit Menschen, der die einen wie die andern bestärkt und alle erbaut.“ (Ernesto Guevara)

Wo z.B. europäische Fans der Anfänge des cubanischen Sozialismus, wie der Ex-SDSler Günter Maschke, nach kurzer Stipvisite im Land und auf cubanischen Feldern rasch vom Kommunismus dieser Variante die Schnauze voll haben und als dümmliche Hetzer bei der FAZ mit der Propaganda kapitalistischer Ideale am cubanischen Material gänzlich unkameradschaftlich ihr Brot verdienen, entspricht Che's Hymne durchaus der Einstellung des Cubaners zu dem Leben, das ihm der cubanische Sozialismus ermöglicht:

– Ein Auskommen, dessen Schlichtheit in lateinamerikanischen Verhältnissen ihm nachgerade als Luxus vorkommt.

– Trotz aller heroischen Appelle an Opferbereitschaft und Arbeitseinsatz eine gewisse Gemütlichkeit, die es langsam angeht in der Gewißheit, daß die Moral zwar ein Ansporn ist, aber keine Rute, solange sie nicht mit Gewalt durchgesetzt wird.

– Die ständige Bedrohung durch die USA 50 Meilen vor der Küste, die das Erreichte mit der größten Militärmacht der Welt, dem CIA und von ihm ausgerüsteten Exil-Cubanern in Frage stellt, schart das Volk um die Führung, mit der es den Stolz teilt, einem übermächtigen Feind zu trotzen.

– Das Selbstbewußtsein des Cubaners ist die Genügsamkeit als revolutionäre Tugend, und seine Erbauung findet er am Beispiel derer, die es ihm gleichtun, weshalb in den Kinos cubanischer Städte und Dörfer die Wochenschau mit Bildern vom Befreiungskampf auf den gleichen Enthusiasmus stoßen wie die unzensiert gezeigten US-Western.

Der Revolutionsführer feiert seine Gefolgschaft als die wahren Helden der Geschichte und zelebriert auf dem Platz des I. Mai mit den Massen das gemeinsame Ideal des cubanischen Menschen, wobei im Dialog des Volkstribunen mit dem Volk sich beide hochleben lassen:

Der Revolutionsführer feiert seine Gefolgschaft als die wahren Helden der Geschichte und zelebriert auf dem Platz des I. Mai mit den Massen das gemeinsame Ideal des cubanischen Menschen, wobei im Dialog des Volkstribunen mit dem Volk sich beide hochleben lassen:

„Wessen Hände sind es, die hier die Waffen erheben? Sind es die Hände der Ausbeuter? (Nein!) Was sind das für Hände, die hier die Waffen erheben? Sind es nicht Arbeiterhände? (Ja!) Sind es nicht Bauernhände? (Ja!) Sind es nicht schaffende Hände? (Ja!) Sind es nicht die Hände des einfachen Volkes? (Ja!) Und wer bildet die Mehrheit des Volkes: die Millionäre oder die Arbeiter? Die Ausbeuter oder die Ausgebeuteten?“ (Fidel Castro, Ewiger Ruhm den Helden des Vaterlandes)

Die einfachen Leute, die ewig einfache Arbeiter bleiben, finden gerade darin ihren Lohn, und diejenigen, die aus ihrer Mitte zu Helden des Volkes werden, bleiben auch und gerade darin vorbildlich:

„Was ist eine Million Dollar im Vergleich zu acht Millionen Cubanern, die mich gern haben? Ich glaube nicht an den Professionalismus. Ich glaube an die Revolution.“ (Der mehrfache Boxweltmeister und Olympiasieger Teofilo Stevenson)

Der von Stevenson formulierte Gegensatz, daß ein angenehmes Leben einen zum Volksfeind macht, ist das idealisierte Credo des cubanischen Menschen in seiner reinsten Form. Eine spezifische Verrücktheit, die die Führer der Revolution mit ihrem Volk teilen, weswegen es ihnen folgt und sich diese Gefolgschaft auch einiges kosten läßt. Es ist andererseits der Grund, warum der cubanische Staat auf die Disziplinierung der Massen weitgehend verzichtet (die Ausnahmen, auf denen im Westen herumgeritten wird, bestätigen die Regel: zudem demonstriert die Lässigkeit, mit der Cuba das Angebot an die Gegner der Revolution, auszureisen, auch praktiziert, die Lächerlichkeit westlicher Denunziation, Castro sei ein tropischer Gefolgsmann Josef Stalins!).

Diese Herrschaft will sich nicht immer und überall gegen das Volk durchsetzen, weil die bornierte Zufriedenheit der Beherrschten Basis ihrer Politik ist; sie muß es auch nicht, weil die gemeinsame Moral eine Macht ist.


Korrekturen am neuen Menschen

Dennoch gerät gerade die Zufriedenheit des Cubaners mit dem, was er hat, und sein Unwillen, mehr zu leisten, wo er doch nicht mehr kriegen kann, zunehmend in Gegensatz zu den Ambitionen des cubanischen Staates, der seinen Produzenten ein Mehrprodukt abverlangt, um seine außenpolitischen Einsätze und Verpflichtungen erfüllen zu können.

– Zum einen soll dieses Mehrprodukt wachsen, weswegen immer wieder „verschärfte Anstrengungen an der Produktionsfront“ verlangt werden.

– Andererseits stellt das Regime angesichts der Anfälligkeit der cubanischen Ökonomie und ihrer geringen Leistungsfähigkeit dieses „Mehrprodukt“ künstlich her dadurch, daß es einen Teil vom Lebensnotwendigen abzieht.

Zeugnis davon gibt, das Arbeitsgesetz von 1976, mit dem „mangelndem Pflichtbewußtsein am Arbeitsplatz“ auf die Sprünge geholfen werden soll und dem sogenannten Absentismo, dem häufigen Krankfeiern cubanischer Werktätiger, denen der staatliche Lohn und die automatische Lebensmittelzuteilung das Auskommen sichert, die Unkündbarkeit den Arbeitsplatz, auch wenn sie nicht an ihm aktiv sind. Die Art der Durchsetzung dieses Gesetzes, das mit allen aus den osteuropäischen Staaten bekannten Parolen propagiert wird, bleibt jedoch cubanisch-revolutionär:

– Ohnehin ist allen klar, daß bei der Desorganisation der Produktion, die durch die Experimentiererei noch regelmäßig verschärft wird, ganze Fabriken vorübergehend stilliegen, weil es an Material und Gerät fehlt, durchaus Arbeitswillige auf Wochen hinaus „arbeitslos“ gemacht werden, weswegen hier der absentismo eine anerkannte und in Kauf genommene Form der Beschäftigung ist.

– Der Sünder wider die Arbeitsmoral wird moralisch sanktioniert. Kritisiert von seiner Produktionseinheit, seinem Wohnblockkomitee, wird er angehalten, sich am Riemen zu reißen.

Andererseits sieht auch das ebenfalls 1976 eingeführte System der materiellen Anreize anders aus als der gleichnamige „ökonomische Hebel“ in der SU und der DDR:

– Die Brigade oder das zuständige Komitee zur Verteidigung der Revolution (CDR) beschließt
über die Verteilung einer Zuteilung frisch ausgelieferter Kühlschränke, Fernseher oder Radios gemäß ihrer Einschätzung, wer es durch Einsatz für die Revolution am meisten verdient hat.

Cuba kennt so auch nicht die Etablierung einer verhaßten Funktionärsschicht, die aufgrund ihrer Verdienste um die Herrschaft besser gestellt wird, was in Osteuropa den Haß der Bevölkerung gegen den Parteiklüngel schürt. Bescheidene Vorteile werden von den Massen denjenigen geschenkt, die sie nach den eigenen Maßstäben verdient haben. Daß einem Angolakämpfer so gute Jobs und mancherlei bescheidene materielle Vorteile zukommen, ist somit für den revolutionären Elan des Kämpfers kein Mangel, sondern Anerkennung seiner besonderen Verdienste für das gemeinsame Ideal. Und solange sich die Verluste cubanischer Interventionstruppen aufgrund des Gegners und der Zurückhaltung der USA in Grenzen halten, gilt das berühmte Motto des Che (das mehr mit Faschismus als mit Weltrevolution zu schaffen hat) in Cuba als durchaus volkstümliche Losung, die man begeistert aller Welt verkündet, weil man mit ihr nicht immer und überall ernstmachen muß:

„An welchem Ort uns der Tod auch überraschen mag, er sei willkommen, wenn unser Kriegsruf nur aufgenommen wird und eine andere Hand nach unseren Waffen greift und andere Menschen bereit sind, die Totenlieder mit Maschinengewehrsalven und neuen Kriegs- und Siegesrufen anzustimmen.“ (Ernesto Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam)

 
Die historische Mission eines Flugzeugträgers

Der Ministerpräsident der Sozialistischen Republik Cuba präsentiert sein Volk als neunmillionenköpfige Ansammlung von zu jedem Opfer bereiten Helden und seine Insel als Bollwerk der eigentlichen Menschheitsideale gegen den Hauptfeind der fortschrittlichen Welt, dem er vorhält, es zu einem neuen Menschen noch nicht gebracht zu haben:

„Nur die Völker, die keine Würde haben, können eingeschüchtert werden. Wir erlebten schon während der Oktoberkrise im Jahre 1962, als Dutzende von Kernwaffen gegen Cuba gerichtet waren, daß sie nicht einmal Kinder unserer Heimat schwanken machten.“ (Fidel, Angola – Afrikanisches Giron)

Es mag ja sein, daß selbst cubanische Kinder schon so markig aufs Blech hauen können wie der lider maximo. Dennoch bleibt die einfache Wahrheit bestehen, daß Cuba keinen Tag als Freies Territorium Amerikas überleben könnte, wenn nicht die SU seine Existenz militärisch garantieren und ökonomisch ermöglichen würde. Für Fidel und die Seinen ist dies jedoch kein Grund zur Sorge, sondern der Auftakt für überschwengliche Lobeshymnen auf den „unermeßlichen Beitrag der Sowjetunion zum antiimperialistischen Kampf“. Daß sich das Interesse im Kreml an Cuba ausschließlich dessen einmaliger strategischer Lage vor Florida verdankt, ist für die KP Cubas trotz Raketenkrise Indiz für die heiße Liebe Leonid Breshnews zum ,,heroischen cubanischen Volk“, und selbst die Forderung des Mäzens, daß der Subventionierte einen immer größeren Eigenbeitrag zur Kostenminderung für den Unterhalt der Flugzeugträgerbesatzung aufbringen soll, wird in Fidels Reden zur „Ehre der Cubaner, die Dankesschuld an das ruhmreiche Sowjetvolk“ durch Übererfüllung der Lieferverpflichtungen an den Comecon abzutragen.

Die in der Tat „einzigartige Bedeutung der Person Fidels für die cubanische Revolution“ (Che in seinem Abschiedsbrief an Castro) liegt an dessen Fähigkeit, das ständige Hin und Her, das das Regime den Cubanern in der Wirtschaft auferlegt, die Opfer, die es ihnen zur Erfüllung der „internationalistischen Verpflichtungen Cubas“ abverlangt, in solchen Grenzen zu halten, daß die „Errungenschaften der Revolution“ nicht die wenigen Ansprüche des Volks unterdrücken. Daß es ihm gelingt, dies als seine Mission und die Bestimmung des cubanischen Volkes den Massen agitatorisch überzeugend beizubringen, liegt daran, daß er selber davon überzeugt ist und in seiner Person tatsächlich den Grund für die selbstgenügsam-bornierte Zufriedenheit des cubanischen Menschen verkörpert. Nur er kann sich hinstellen, sich einen „blutigen Dilettanten“ schimpfen, sich „verbrecherischen Leichtsinn“ bei der Führung vorwerfen und die Massen ausgerechnet mit dem Versprechen begeistern, garantiert der alte Fidel zu bleiben, d.h. programmatisch nichts dazuzulernen.

 

aus: MSZ 32 – Dezember 1979

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