Breschnew-Initiative:
Ein wehrkraftzersetzender Vorschlag
Anläßlich des 30. Jahrestages der Gründung der DDR gab es auch in der Bundesrepublik – wenigstens im Fernsehen – eine Reihe von Feierstunden. Immer wieder wurden zackige Soldaten im preußischen Stechschritt ins Bild gerückt, um mit der Aufgeklärtheit des alten Fritz zu dokumentieren, daß der Unrechtsstaat im Osten eigentlich kein Recht zum Feiern habe. Da platzte mitten in die Demonstration von roten Zähnen und Klauen Loni Breschnew, notdürftig mit einem Schafspelz sein Bärenfell bedeckend, und erklärte, die SU – ganz Welt-Friedens-Macht – wolle Truppen und Panzer aus der DDR abziehen und appellierte an den Westen, auf die geplante Aufrüstung der NATO zu verzichten. Der erste Teil des Vorschlags wurde allgemein begrüßt. Der schnellen CSU– Führer-Truppe aber – lauter Burschen mit Maximilianeumsstipendium, einer Belohnung für Abiturienten, die die Weisheit, daß man Russen und Kommunisten nicht trauen dürfe, nicht nur auf lateinisch und griechisch hersagen, sondern selbige auch singen und zeichnen können und deshalb schon als Studenten im Landtag wohnen dürfen –, diese Burschen also – wen wunderts! – waren bei der Enttarnung vorne dran und wiesen das Angebot als unverschämte „Drohung“, „Verhöhnung des westlichen Sicherheitsstrebens“ und Spaltungsmanöver gegen die NATO zurück. Sie pochten darauf, die NATO mit offensiven Mittelstreckenraketen auszurüsten und sich diese Sicherheit, dem Osten bei künftigen „Gesprächen“ auf die Sprünge helfen zu können, nicht durch Verhandlungen verwässern zu lassen. Allerdings kann man den Sozialliberalen nicht vorwerfen, daß sie dieses nationale Interesse nicht im Auge hätten.
„Genscher wie Schmidt würdigten die zum ersten Mal von der Sowjetunion öffentlich und konkret bekundete Bereitschaft, bei Verhandlungen über ein drittes Abkommen zur strategischen Rüstung (SALT III) über die sogenannten kontinentalstrategischen Waffensysteme zu sprechen, insbesondere die eigenen der Sowjetunion.“
Ganz entschieden wies Genscher den „Versuch, Druck auf die Entscheidungsfreiheit westlicher Staaten auszuüben“ zurück, mit der Begründung, es verstoße gegen das „Prinzip gleicher Rechte und Sicherheit“, wenn die Sowjetunion mit dem Schachzug einer Truppenreduzierung im Osten dem Westen zumute, mit weiteren Rüstungsanstrengungen zurückzuhalten. Denn das ist doch klar, daß der Frieden nur dann sicherer, als eh schon, wird, wenn in Europa amerikanische Pershings anstelle russischer SS 20 gefechtsbereit sind. So hatte es Breshnew allerdings nicht gemeint: schließlich will er nur ein bißchen Raketenfutter, nicht diese selbst abziehen. Für deren Durchschlagskraft will er ja gerade verhandeln. Die Verhandlungen werden also trotz und wegen dieser Geste unvermindert hart werden. Schließlich geht es ja auch um die jeweilige Verteidigung staatlicher Handlungsfreiheit diesseits und jenseits der Elbe, und weit darüberhinaus.
aus: MSZ 31 – Oktober 1979 |