Wie der KSV die Roten Zellen/AK entlarvt:

Die „AK-Führer“ und die Angst


Einen fabelhaften Versuch, die Programmatische Erklärung der Roten Zellen/AK als „programmatische Fassung der Verachtung der Arbeiterklasse“ zu entlarven, entnehmen wir einer „Polemik gegen die AK-Fraktion“ im DVD(1) Nr. 14/1974. Warum uns die Zentrale Leitung des KSV solch ausführlicher Beschäftigung für würdig erachtet, wird mit wachsendem Einfluß der AK auf die Studenten begründet:

„Ihr Konzept strahlt einen Schein von Wissenschaftlichkeit aus, erweckt den Eindruck, als sei es in der Lage, alle Widersprüche zu erklären.“

Es steht also zu erwarten, daß der KSV endlich jenen „Schein der Wissenschaftlichkeit“ zerstören, ihn als Erscheinung seines Gegenteils, der Unwissenschaftlichkeit, nachweisen wird. Die Polemik des KSV ist jedoch weit gründlicher als erwartet: sie denunziert die Wissenschaft überhaupt als „Verrat an der Arbeiterklasse“! Klingt in diesem Verfahren schon eher dasjenige politischer Organisationsformen des Irrationalismus an, so schlägt die Wahl des Adressaten der Kritik in die gleiche Kerbe: nicht die AK, sondern nur die „AK-Führer“ sind gemeint. Diese Personalisierung der Politik und dann noch die Isolierung bestimmter Personen bereitet – wie wir noch sehen werden – den für Vulgärmarxisten obligaten Schluß auf die Agententätigkeit des nicht den eigenen Standpunkt teilenden vor.

Der wissenschaftliche Sozialismus ist laut KSV nicht deshalb richtige Wissenschaft, weil er richtige Aussagen über die kapitalistische Gesellschaft und die Notwendigkeit ihrer revolutionären Veränderungen macht, sondern „insofern die Arbeiterklasse in der proletarischen Revolution die kapitalistische Produktionsweise zerstört, der die bürgerliche Wissenschaft entwachsen ist.“ Oder: „Der wissenschaftliche Sozialismus ist eine revolutionäre Wissenschaft, weil er die Wissenschaft der revolutionären Klasse ist …“ Oder, noch besser: uns wird vorgeworfen, die „Kritik der bürgerlichen Wissenschaft nicht vom Standpunkt der Arbeiterklasse . .. sondern vom Standpunkt der Wissenschaft aus“ zu führen! Es muß nur daran liegen, daß Marx tot ist, um ihn nicht ebenfalls zum Gegenstand der KSV-Polemik werden zu lassen, umfaßt sein Hauptwerk doch sechs Bände Kritik der Politischen Ökonomie vom Standpunkt der Wissenschaft aus und kommen darin – was der KSV uns verwirft – die Worte Sozialismus kaum und Diktatur des Proletariats kein einziges Mal vor. In der Vorrede zum 1. Band des „Kapital“ besitzt Marx sogar explizit die „Schamlosigkeit“, auszusprechen, er würde nur „wissenschaftliche Kritik“ an seinen Aussagen zulassen. Nur gut, daß ihm damals niemand mit dem „Standpunkt des Proletariats“ gekommen ist; damit hätte er Marx ganz schön gründlich entlarvt.

Der KSV hat auch den Grund für die Wissenschaftlichkeit der AK entdeckt: ihre „Führer“ klappern mit den Zähnen und werden butterweich in den Knien aus „Furcht vor dem Klassenkampf“. Ist die „Kritik“ der AK-Theorie an diesem Punkt angelangt, weiß der erfahrene Leser vulgärmarxistischer Traktate, was jetzt so sicher kommen muß wie das Amen in der Kirche:

„Da die AK-Führer ihre Theorie eigens dazu ersponnen haben, um den Standpunkt der Arbeiterklasse abzulehnen, nehmen sie den Standpunkt des Kleinbürgertums … ein.“

Hier kann der „Marxist-Leninist“ endlich beruhigt zur Tagesordnung übergehen: zwar findet sich in der 21/2-seitigen „Polemik“ im Organ der Volksdiener kein einziger Satz, der auch nur den Versuch unternähme, eine einzige Aussage der Programmatischen Erklärung der Roten Zellen/AK zu widerlegen (abgesehen von zwei plumpdreisten Verdrehungen unserer Aussagen), dennoch konnte die Polemik ihren Abschluß finden durch die sakrale Exkommunikation: die AK hängt dem falschen Glauben an!

Während die „wahren Kommunisten“ längst direkt aus der „KPD“-Zentrale in Dortmund, die „den Kampf der Arbeiterklasse anführt“, (eindrucksvolles Beispiel erst kürzlich wieder die Landtagwahlen) erfahren, wo's im Klassenkampf lang geht, verführen die „AK-Führer“ die Adressaten kommunistischer Politik zum Denken. Pfui Teufel! Am Ende der KSV-Polemik steht dann auch der Aufruf zum Konvertieren to whom it may concern: „Seine Weltanschauung am gründlichsten umgestalten!“ Mit Rat und Tat steht der KSV bereit: „Wendet euch an die Büros des KSV!“ Adressen in jedem DVD. Auf Wunsch auch Hausbesuche?

 

aus: MSZ 2 – Dezember 1974

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